Warum sagen Tatverdächtige beim Verhör aus?

Immer wieder liest und hört man, ein Verdächtiger würde sich beim Verhör in Widersprüche verstricken. Warum sagen Verdächtige dann überhaupt aus? Warum werden sie stundenlang verhört, wenn sie doch als Beschuldigte nichts sagen müssen?

Bitte nur ernstgemeinte Antworten, am besten von Leuten, die sich mit der Materie auskennen (angehende Juristen, vergleichbares)!

Bin gespannt auf die Antworten!

Moin,
viele machen den Fehler, nicht gleich einen Anwalt hinzuzuziehen. Wenn man beschuldigt oder verdächtigt wird ist das eine enorm stressvolle Situation und die Ermittlungsbeamten verstehen natürlich, das geschickt auszunutzen.
Egal ob schuldig oder unschuldig, der erste Reflex ist, zu versuchen sich zu entlasten. Das ist natürlich unnötig und in der Regel vergeblich. Es ist auch häufiger schon vorgekommen, dass Unschuldige in einer solchen Situation Geständnisse ablegen.
Aber der Laie weiß ja garnicht was er machen soll und denkt vielleicht, schweigen oder einen Anwalt holen wirke verdächtig.

Deshalb sagen Tatverdächtige beim Verhör aus!
Hallo,

Bitte nur ernstgemeinte Antworten, am besten von Leuten, die
sich mit der Materie auskennen (angehende Juristen,
vergleichbares)!

ich bin leider kein angehender Jurist, somit erfülle ich nicht deine geforderte Qualifikation. Wäre ich aber angehender Jurist, wäre ich dennoch der falsche Ansprechpartner für eine derartige Frage, denn die Antwort auf deine Frage kann nicht mit juristischem Wissen beantwortet werden. Dazu braucht’s einen Kriminalisten. Allerdings ist die Frage kaum mit wenigen Worten zu beantworten, Vernehmungslehre und -technik ist recht komplex.

Gruss

Iru

Unwissen, Nervosität, Überforderung und ausgebildete Frager.

Hallo,

müssen wir uns jetzt um Straftäter Sorgen machen? Sind wir zufrieden(er), wenn der Mörder oder Sexualstraftäter, der die Tat begangen hat schweigt? Der arme Mörder, warum hat er nur ein Geständnis abgelegt bei der Polizei - hätte er doch besser nichts gesagt, dann wäre er davon gekommen.

Nur um meine Position klarzustellen. Ein Straftäter hat das Recht zu schweigen, das ist rechtsstaatlich und völlig in Ordnung. Und – ich rede hier nicht von Unschuldigen, die tatsächlich auch einmal Tatverdächtige sein können. Und ja, es kommt auch immer wieder einmal vor, dass jemand zu Unrecht verurteilt wird, aber diese Fälle sind in Deutschland äußerst gering.

Wir müssen als Gesellschaft doch froh sein, wenn ein Straftäter seine Tat gesteht. Jeder hat für seine Taten einzustehen und die Konsequenzen zu tragen.

Das Geständnis hat einen reinigenden Charakter und kann der Beginn einer Läuterung sein [Randnotiz: Ich darf an dieser Stelle noch Schuld und Sühne von Dostojewski empfehlen]. Viele ziehen auch einen Schlussstrich unter ihre bisherige „kriminelle Karriere“.

who_knows
PS: man möge mir meine Aufgeregtheit in dieser verzeihen, außerdem gebe ich Iru Recht, angehende Juristen sind hier sicherlich nicht die richtigen Experten.

Weil sie der Polizei zu viel glauben
Hallo,

die Polizei wendet ziemlich intelligente Tricks an: Z.B. Good Cop - bad Cop: Einer der Polizisten spielt den Freund des Beschuldigten, gibt ihm Tipps, bringt ihm Zigaretten - und raet ihm die Tat zu gestehen weil er dann noch gut wegkommt. (Und verschweigt dezent dass er ohne Gestaendnis nie verurteilt werden koennte).

Wenn mehrere Leute festgenommen sind wird das (gefaelschte) Gestaendnis eines zweiten Mitverdaechtigen auf den Tisch geknallt der den ersten Verdaechtigen die Hauptschuld gibt - dieser ist empoert und verraet den anderen…

Gruss

Desperado

Hallo,

Wenn mehrere Leute festgenommen sind wird das (gefaelschte)
Gestaendnis eines zweiten Mitverdaechtigen auf den Tisch
geknallt der den ersten Verdaechtigen die Hauptschuld gibt -
dieser ist empoert und verraet den anderen…

Eigene Erfahrugn oder woher kommt diese Aussage?
Bitte lesen, dann merkst du, dass du falsch liegst:

http://dejure.org/gesetze/StPO/136a.html

Gruss

Iru

3 Like

Hallo Iru,

meine Quelle bezog sich nicht auf Polizeiarbeit in Deutschland, aber da sich die Polizei gerne mal nicht an Gesetze haelt denke ich nicht dass diese effektive Massnahme in Deutschland nicht angewandt wird.

Gruss

Desperado

1 Like

Du guckst zuviel…
… Krimis im Fernsehen. Nur da, aber auch wirklich nur da, gibt es solche Ermittlungsmethoden.

Käme solcherart Ermittlung raus, kannst du die gesamte darauf fußende Vernehmung wegschmeißen.

Denke dran, was damals geschah, als ein stellvertretender Polizeipräsident Gewalt zur Erreichung einer Aussage androhte.

Gruss

Iru

3 Like

Hallo erstmal,

die Aussageverweigerung gilt für viele immer noch als Schuldeingeständnis. D.h. gerade weil man schuldig ist, will man aussagen, um den Verdacht schnellstmöglich auszuräumen, und meint, gerade in der Phase erster Fragen sich leicht rausreden zu können.

Zudem halten sich viele Täter auch für wahnsinnig schlau, und meinen, hierbei problemlos eine Legende glaubwürdig rüber bringen zu können, die so überzeugend ist, dass man sie wieder laufen lässt.

Kaum ein Täter bringt die Coolness auf, bei erster Ansprache gleich die Aussage zu verweigern. Das sind dann Ausnahmefälle, wo jemand eine Tat begangen hat, bei der ihm von vorne herein klar war, dass man als einer der heißesten Kandidaten gehandelt wird, und sich dann ganz darauf beschränkt, über die Schiene „Mangel an Beweisen“ wieder raus zu kommen. So etwas gibt es aber praktisch nur im Film.

Und mit der Logik „unauffällig durch bereitwillige Mitarbeit=schnelles aus dem Verdacht kommen“, kommt es dann schnell zu den ersten Widersprüchen, und dann wird hier noch ein Winkel, und da noch ein Haken dran gedichtet, und es wird immer schwerer angesichts dieser Widersprüche dann noch zu einer Aussageverweigerung zu kommen. Und insoweit funktionieren dann eben auch spezielle Vernehmungsmethoden recht gut.

Gruß vom Wiz

Hallo,

und es wird
immer schwerer angesichts dieser Widersprüche dann noch zu
einer Aussageverweigerung zu kommen. Und insoweit
funktionieren dann eben auch spezielle Vernehmungsmethoden
recht gut.

… bist du auch wirklich sicher, dass mir dein Kollege das Gleiche erzählt, wenn ich ihn danach frage? :smile:

SCNR

MFG Cleaner

Hallo,

Und insoweit funktionieren dann eben auch spezielle Vernehmungsmethoden recht gut.

Wohl wahr. Ich habe in meiner langjährigen Praxis bisher keinen Menschen kennen gelernt, der wirklich von Anfang bis Ende durchgeschwiegen hat. Und es waren beileibe keine „Eierdiebe“ sondern wirklich Kriminelle, die teilweise eine Straferwartung bis an das Ende ihres Lebens hatten. Und gerade die hatten, als sie nach längerer druckvoller Fahndung festgenommen wurden, ein ausgesprochenen Mitteilungsbedürfnis. Viele fühlen sich befreit, wenn sie erstmal ausgesagt haben. Wobei ich es bei einem Sexualstraftäter erlebte, dass er recht gut den vernehmenden Beamten manipulieren wollte (war ausgesprochen interessant, der Typ).

Die Methoden der Polizei aber auf das bloße „böser Bulle, guter Bulle“ zu reduzieren, zeigt eine falsche Sichtweise und offenbart Unkenntnis. Vernehmen heisst in erste Linie Vertrauen und Sympathie aufbauen und nicht einschüchtern. Vernehmen kann aber auch eine Gratwanderung sein, zwischen erlaubter kriminalistischer List und tatsächlicher Täuschung. Wie man vernimmt, das hat schon Bücher gefüllt und wird auch weiterhin Bücher füllen.

Gruss

Iru

3 Like

Hallo!

Jein, da hast du zwar recht, aber im Alltag ist ja nicht das das Problem. Es ist glücklicherweise ja nicht so, dass bei uns in Europa die Polizisten ständig Leute verprügeln und foltern.

Das Problem ist die Tücke im Kleinen und die ist ganz schwer zu bekämpfen. Das ist die Protokollierung, die ein bisschen so geschliffen wird, dass sie in eine bestimmte Richtung zeigt, das ist die Suggestivfrage, die mal nicht ganz so wörtlich protokolliert wird, das ist die Rechtsbelehrung, die mal ein bisschen so erfolgt, dass sie nicht ganz verstanden wird, das ist der Richter, der einem Polizisten nur deswegen glaubt, weil er Uniform und Amtskapperl trägt usw. und kumuliert wird dann schnell mal ein Unschuldiger zum Schuldigen. Das sind aus meiner Verteidigersicht, auch wenn ich das nicht allzu oft mache, oft vorkommende Probleme.

Wiz hat das schon gut dargestellt, Beschuldigte tischen oft die haarsträubendsten Märchen auf und glauben, dass ihnen irgendwer diesen Blödsinn glaubt. Meistens muss man sie vor sich selbst schützen und ihnen allein schon deswegen raten den Mund zu halten.

Dass viele Beschuldigte erleichtert sind, wenn sie erwischt wurden, habe ich allerdings auch schon oft gehört. Einmal ist es dann so gewesen, dass der Beschuldigte in der Hauptverhandlung nach Rücksprache mit mir sich geständig verantworten wollte, aber dann auf einmal so eine Lügengeschicht erzählt hat, dass er kein Geständnis zusammengebracht hat :wink:) Kommentar des Vorsitzende außer Protokoll: „Ich hab den Eindruck, dass die Geschichte der Herr Verteidiger jetzt auch zum ersten Mal hört…“ - ich meine da will wer ein Geständnis machen und kriegst nicht hin, ist mir aber bis jetzt auch nur einmal untergekommen :wink:)

Gruß
Tom

1 Like

Hallo,

Und insoweit funktionieren dann eben auch spezielle Vernehmungsmethoden recht gut.

Die Methoden der Polizei aber auf das bloße „böser Bulle,
guter Bulle“ zu reduzieren, zeigt eine falsche Sichtweise und
offenbart Unkenntnis. Vernehmen heisst in erste Linie
Vertrauen und Sympathie aufbauen und nicht einschüchtern.
Wie man vernimmt, das hat schon Bücher gefüllt und wird auch
weiterhin Bücher füllen.

Von guten Vernehmungsmethoden kann ich ein Lied singen. Ich war 1978 eine von vielen Personen, die vom Transport von insgesamt 10 Mio. US-Dollar in drei Sendungen von der Commerzbank Frankfurt nach New York wussten. Ich arbeitete damals bei Brink’s Schenker, hatte zwei der drei Sendungen von der Commerzbank zum Frankfurter Flughafen gefahren und ausgerechnet bei der ersten Sendung auch noch beim Zählen und Verpacken zugeschaut, wusste also genau, was drin war.
Das Geld wurde dann in New York geraubt
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40605991.html“ und die Polizei suchte natürlich den Tipp-Geber.

Die Vernehmung war wirklich geschickt gemacht. Obwohl ich ein reines Gewissen hatte (ich hatte mit niemandem darüber gesprochen), begann ich, an meiner eigenen Aussage zu zweifeln und habe darüber nachgedacht, ob ich nicht vielleicht doch mit irgend jemandem … obwohl ich eigentlich genau wusste, dass es nicht so war. So sehr haben mit die Ermittlungsbeamten mit ihren Fragen verunsichert. Die hatten es wirklich drauf. Aber ohne Druck oder Drohungen, einfach durch geschicktes Fragen.

Glücklicherweise hat sich dann bald herausgestellt, woher der Tipp kam (nicht aus Deutschland), und es gab keine weiteren Ermittlungen mehr bei uns.

Fazit: Es macht keinen Spaß, Verdächtiger zu sein, auch wenn man ein reines Gewissen hat. Aber da kann man sich ungefähr vorstellen, wie das wäre, wenn man tatsächlich etwas zu verbergen hätte.

Viele Grüße
Sebastian

7 Like

Ordnung. Und – ich rede hier nicht von Unschuldigen, die
tatsächlich auch einmal Tatverdächtige sein können. Und ja, es

Tach,

ein jeder gilt aber als unschuldig, solange er nicht vorm Gericht als Schuldiger verurteilt wird.

Strubbel
§:open_mouth:)

1 Like

Ugh.

Bitte nur ernstgemeinte Antworten, am besten von Leuten, die
sich mit der Materie auskennen (angehende Juristen, vergleichbares)!

Ich denke, von einem Psychologen könntest du auch qualifizierte Antworten hierzu bekommen. Ich Nichtpsychologe und Nichtjurist formuliere es mal so:

In einer Alltagssituation, wo du etwas verschweigen oder vertuschen willst, aus welchen Gründen auch immer, wirst du einmal oder zweimal von deinen Mitmenschen gefragt - und dann glaubt man dir, oder eben auch nicht. Im schlimmsten Fall hält dich derjenige für einen hartgesottenen Lügner und guckt dich mit dem *PIEP* nicht mehr an. Das war es dann in der Regel aber auch.

Als Verdächtiger dagegen wirst du auf unterschiedliche Arten gegart: Zum Einen hast du einen oder auch zwei Gesprächspartner, und die immer wieder, und immer wieder zum gleichen Thema. Außer zu dem, was die Vernehmenden interessiert, wirst du dich mit denen nicht unterhalten - das erzeugt Druck, weil du nicht einfach ablenken, abschweifen, abhauen kannst. Ist der Vorwurf entsprechend schwerwiegend, darfst du zwischendurch immer mal im eigenen Saft schmoren: du hockst in einem verschlossenen Raum, ohne die Möglichkeit, dich mit irgendwem unterhalten (sprich, dich entspannen) zu können; die Umgebung bietet auch keine ablenkenden Reize …
und wenn du ein halbwegs normal strukturiertes Gewissen hast (auch Kriminelle haben so etwas), beschäftigst du dich stunden-, ja tagelang immer wieder mit dem, was man dir vorwirft; man sorgt sogar, siehe oben, dafür, dass du das immer wieder tust. Die ausbleibende „Belohnung“ gibt dir dann den Rest, so dass du irgendwann froh bist, endlich weiterzukommen - und siehe da, plötzlich wird dein „kooperatives Verhalten“ auch positiv sanktioniert. Man bedrängt dich nicht mehr, sondern lässt dich gemütlich auspacken.

Da muss man schon eine sehr stabile Persönlichkeit besitzen, um das über einen längeren Zeitraum auszuhalten …

Aga,
CBB

… ja das ist wohl richtig. Die Vorarbeit hat aber die Polizei und der Staatsanwalt zu leisten. Er stellt fest ob der Tatbestand erfüllt ist, die Tat rechtswidrig war und schließlich ob der Täter überhaupt schuldhaft gehandelt hat.

Das Urteil fällt der Richter. Ein schönes System, das versucht Fehler zu vermeiden, indem es die Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilt.

Gruß
who_knows

Hallo,

Er stellt fest ob der
Tatbestand erfüllt ist, die Tat rechtswidrig war und
schließlich ob der Täter überhaupt schuldhaft gehandelt hat.

das prüft die StA, stellt es aber nicht fest.

MFG Cleaner

Hallo,

das prüft die StA, stellt es aber nicht fest.

wenn es zu einer Hauptverhandlung oder einem Strafbefehl kommt, dann stimme ich dir zu. Davor stellt es aber überwiegend die Polizei und der Staatsanwalt fest, so dass es gar nicht bis zum Richter kommt.

Gruss

Iru

Hallo,

ja, an den Strafbefehl hatte ich aufgrund selektiver Blindheit, gepaart mit einem Anfall jugendlichen Leichtsinns nicht gedacht.

Gleichwohl beantragt die StA den Strafbefehl lediglich, womit formal das Gericht zuständig bleibt.

MFG Cleaner