Was will ich noch?
Hi,
daß eine Ehe nach so vielen Jahren in ein „nichts geht mehr“ gerät, ist natürlich kein ungewohntes Bild. Aber wenn es daran liegt, daß einer der Partner extrem unerträglich geworden ist, dann zeigt sich immer wieder, daß er diese Eigenschaft nicht wirklich erst „seit einiger Zeit“ hat. Es heißt dann meist über die Jahre vorher „er/sie war früher nur manchmal so“ oder „ja, aber nicht so häufig“.
Es ist selten, daß Leute sich mit dem Älterwerden neue Macken zulegen. Fast immer hatten sie diese auch vorher schon, aber jetzt wuchern sie im Wildwuchs. Und das hat meist den Grund, daß diesen unkommunikativen Eigenschaften nicht früh genug wirksam Einhalt geboten wurde. Ich erlebe so oft, daß Menschen, die mit dem Partner aus solchen Gründen nicht mehr klarkommen, nie im Leben den einfachen, nicht weiter kommentierten Satz (wörtlich) „Ich will nicht, daß du so mit mir umgehst“ oder „So, bitte, nicht mit mir!“ über die Lippen brachten … und sich auch gegenwärtig nicht einmal vorstellen können, es genau so zu sagen.
Auch du fragst ja in deinem Titel „was hat er bloß?“. Die Frage lautet nicht, wie sie eigentlich längst hätte lauten müssen: „warum lasse ich mir das gefallen?“
Und meist ist es dann zu spät. Der andere hat den Vorteil einer unhinterfragbaren Machtposition für sich errungen (bei Frauen oft durch die Aufgabe des eigenen Berufes, die Sorge um die mitleidenden Kinder usw. oder weil ihr der Status „Ehe“ anderweitig existentiell wichtig ist), die dann rücksichtslos ausgespielt wird, weil keine Kritik am eigenen Verhalten mehr zugelassen wird - und, ja, weil das Verhalten letztlich doch leidend ertragen wird, weil nie gelernt wurde, sich mit eigenen Verhaltensansprüchen wirksam durchzusetzen.
Die Folge ist genau die, die du schilderst: Es wird nicht besser durch Jammern, sondern im Gegenteil wird es schlimmer. Warum das so ist, ist ein anderes Thema, das hat etwas mit der hinter einer solchen Verhaltensstruktur liegenden Psychologie zu tun.
Die übelste Folge für den leidenden Part ist die, die auch du schilderst: Kein Besuch mehr, keine Freunde mehr. Und gerade die, eigene Freunde, sind die Menschen, die du jetzt nötig hättest, um eine Vogelperspektive über deine Lebenslage zu gewinnen. Denn nur aus der Distanz eines Gesprächs „darüber“ kannst du neue Wege, neue Entschlüsse, neue Sichtweisen gewinnen!
Im Grunde also das, was du jetzt hier im Forum auch tust.
Eine Paartherapie oder Beziehungsberatung: Ja, deine Problematik ist dort ein so alltägliches Thema wie der Schnupfen beim Arzt. Manchmal kann man dabei tatsächlich eine solche verfahrene Beziehung wieder aufs Gleis heben. Aber es ist schwierig: Der Partner müßte aus eigenem Interesse daran teilnehmen!
Bei dir deutet sich ja schon an, daß dein Mann die Überzeugung züchtet, daß du diejenige bist, die an allem schuld ist. Auch das ist ein gewohntes Bild: Der „Problempartner“ macht bei der Therapie nur unter seiner eigenen Voraussetzung mit: Weil er bestätigt haben will, daß der andere der therapiebedürftige Part ist.
Es kommt dann dazu, daß er ja, wie in deinem Fall, die Therapie auch bezahlen muß. Und das wird er nicht tun, wenn abzusehen ist, daß er selbst der Problemerzeuger ist. Dein Mann hat aber kein Problem, denn du bist doch diejenige, die immer meckert 
Viele haben dir ja schon vorzüglichen Rat geschrieben. Das Stichwort „Trennung“ liegt im Grunde spätestens hier an:
Er hat gesagt, ich könne ja gehen, Geld kriegte ich keins von ihm
Denn das ist bereits eine Bankrotterklärung, die deinen Selbstwert ebenso auf die Müllhalde kippt wie seine Wertschätzung deiner Person erst recht. Abgesehen davon, aber das weißt du, irrt er sich mit dem zweiten Satzteil ganz gewaltig.
Das Schwierigste ist bei so einem Entschluß, von den vergangenen Ausmalungen einer gemeinsamen Zukunft Abschied zu nehmen und sich zu einem neuen Lebensaufbruch aufzurappeln. Und genau dafür, für das Letztere, ist nichts wichtiger als deine Freunde. Also schaff dir unbedignt neue an, oder re-aktiviere alte, sofern das noch möglich ist.
Und deine Frage darf nicht mehr lauten „was hat er bloß?“ sondern „was will ich noch weiter vom Leben?“
Gruß
Metapher