Was ist richtig?

Hallo,

kann mir vielleicht jemand Tipps und philosophische Textverweise zu folgender Frage geben?

Eine 95 jährige Frau trinkt für ihr Leben gerne Limonade und mag kein Wasser. Da dies ungesund ist und die Frau bereits sehr leichtes Altersdiabetis hat, soll sie nun wesentlich weniger Limonade trinken und dafür mehr Wasser, das sie aber eigentlich gar nicht mag.Was ist nun richtig? Die Frau weiter Limonade trinken lassen oder sie zwingen auch Wasser zu trinken, indem weniger Limonade gegeben wird?

Es geht also um den Konflikt zwischen Genuss und Gesundheit. Was ist sinnvoller für das Leben? Hinzu kommt natürlich das hohe Alter der Frau. Soll man in den letzen Jahren seines Lebens mehr genießen und weniger auf die Gesundheit achten, da es vielleicht eh bald zu Ende sein kann? Das gleiche gilt für Fälle, in denen Menschen auf Grund von Krankheiten keine hohen Lebenserwartung mehr haben.

Ich stelle diese Fragen hier nicht, weil ich Antworten darauf möchte, sondern um das Thema näher zu beschreiben. Mich interessieren absolut keine Meinungen zu diesem Thema, ich selbst habe eine eigene.
Was mich interessiert ist, inwieweit dieses Thema innerhalb der Philosophie betrachtet wurde (wenn überhaupt) und wie es angegangen wird.
Außerdem würde ich mich sehr über Literaturempfehlungen zu dem Thema oder ein paar guten Links freuen.

Liebe Grüße

Tini

Hallo Tini,

in einem solchen Fall sagt mir mein gesunder Menschenverstand, daß die Dame mit ihrer Vorliebe ein biblisches Alter erlangt hat und sich weiter so verhalten kann. Was soll man ihr denn die letzten Jahre oder gar nur Monate moralinsauer verhageln.

Die Großmutter meiner Ex hatte mit 89 eine Lungenembolie und lag damit im Krankenhaus, allerdings nicht mehr auf der Intensivstation, als eine Freundin mit zwei Piccolos vorbeikam, die sie zu verzehren gedachten.
Eine junge Assistenzärztin verbat ihr das vehement, was ihr in keiner Weise beliebte. Etwas später kam der Stationsarzt vorbei und erlaubte es ihr mit dem Kommentar, daß sie in diesem Alter jenseits von gut und böse sei. Die Damen meinten daraufhin beide: ‚wenn wir jetzt zwanzig Jahre jünger wären, würden wir sie bützen‘

Gandalf

Die Frage ist offenbar verwandt oder gar die gleiche Frage nach lebensverlaengernden Massnahmen, obwohl diese die Lebensqualitaet augenscheinlich verringern.

Dieses Gebiet erstreckt sich von einem Glas Piccolo (siehe Gandalfs Unterartikel) bis hin zu Beihilfe zum Suizid. Irgendwo dazwischen (wohl eher in der Naehe des Piccolos) faellt anscheinend dein Thema.

Auf den Alltagsmenschen (mittleres Alter) projeziert, waere eine verwandte Ansicht nach der Lebenseinstellung, wie z.B.: Haus bauen oder Haus besetzen?

Auf letzteres ist hat der Mensch seine eigene Entscheidung zu treffen. Bei der Grossmutter kommt noch die Frage auf: Wer darf das entscheiden? Sie selbst oder ein Vormund oder ist es gar anders gesetzlich geregelt?

Philosophisch gesehen ist es ein ethisches Problem. Hier kann ich die Eudaimonie (musste ich selbst erstmal nachschlagen) nennen, auch wenns vielleicht nicht voll ins Schwarze trifft:
http://de.wikipedia.org/wiki/Eudaimonie
beachte auch die Verweise zu den anderen ethischen Punkten. Fuer diese Begriffe sollte sehr viel Literatur zu finden sein

Hallo Tini,

Eine 95 jährige Frau trinkt für ihr Leben gerne Limonade und
mag kein Wasser. Da dies ungesund ist und die Frau bereits
sehr leichtes Altersdiabetis hat, soll sie nun wesentlich
weniger Limonade trinken und dafür mehr Wasser, das sie aber
eigentlich gar nicht mag.Was ist nun richtig? Die Frau weiter
Limonade trinken lassen oder sie zwingen auch Wasser zu
trinken, indem weniger Limonade gegeben wird?

Eindeutig, wie schon gesagt wurde, soll sie doch Limonade trinken. Es ist doch Unsinn, ihr das Leben zu vermiesen indem man ihr was aufdrängt, was sie überhaupt nicht mag. Mit Limonade wird sie vielleicht 99 und mit Wasser lebt sie vielleicht(!) noch drei Jahre länger (was auch keiner genau weiss), aber was hat sie von diesen drei Jahren, wenn sie täglich Wasser schlucken und auf ihre geliebte Limonade verzichten soll. So würde man ihr doch noch die letzte Freude am Leben rauben.

Passende Lieratur dazu:
Johann-Christoph Student u. Annedore Napiwotzky (Hrsg.): Was braucht der Mensch am Lebensende? Ethisches Handeln und medizinische Machbarkeit.
Stuttgart: Kreuz 2007, ISBN 3-7831-2880-3 Buch anschauen

und da es in diesem Alter auch immer etwas um’s Sterben geht:
Gerhard Pott: Ethik am Lebensende: Intuitive Ethik, Sorge um einen guten Tod, Patientenautonomie, Sterbehilfen.
Stuttgart; New York: Schattauer 2007, ISBN 3-7945-2584-1 Buch anschauen

Viele Grüße
Marvin

Hallo,

95 ist ein stolzes Alter, ich würde Sie Limonade trinken lassen. So ein Urgestein kannst Du nicht mehr ändern, Du würdest Sie nur verärgern und Ihr damit den Lebensabend versauern. Also lieber die süße Limonade:smile:

Gruß
Michael

Hallo Tini,

Es geht also um den Konflikt zwischen Genuss und Gesundheit.

Ich stelle diese Fragen hier nicht, weil ich Antworten darauf
möchte, sondern um das Thema näher zu beschreiben.
Was mich interessiert ist, inwieweit dieses Thema innerhalb
der Philosophie betrachtet wurde (wenn überhaupt) und wie es
angegangen wird.

Du hast natürlich prompt Antworten bekommen welche Du garnicht
möchtest.
Das kommt davon wenn man Fragen ohne Not in Beispiele einbindet statt
die Frage direkt zu stellen, die Antwortenden toben sich dann am
Beispiel aus.
Die Frage ist:
Konflikt zwischen Erkenntnis des „Richtigen“ und menschlicher
Schwäche in uns also reduziert auf die Frage von „Gut“ und „Böse“.
Hier ergibt sich dann ein philosophisches Thema.
Sonst liegt es mehr auf der Ebene der Psychologie.
Konflikt zwischen Genuss und Gesundheit ? Zu weit weg von
elementaren philosophischen Betrachtungen - meine ich - kann
mich aber auch irren.
Gruß VIKTOR

und da es in diesem Alter auch immer etwas um’s Sterben geht:
Gerhard Pott: Ethik am Lebensende: Intuitive Ethik, Sorge um
einen guten Tod, Patientenautonomie, Sterbehilfen.

Ein guter Tod?

Moin Dukath,

Ein guter Tod?

natürlich!
Wenn ich gut und erfüllt gelebt habe, brauche ich den Tot nicht zu fürchten. Wenn sich dann das Sterben ohne Schmerzen und Leid vollzieht, kann man von einem guten Tot sprechen.

Daß der Tot böse ist, ist eine Erfindung der Neuzeit und von Leuten, die Angst haben (müssen), etwas verpasst zu haben.

Gandalf

Moin Dukath,

Ein guter Tod?

natürlich!
Wenn ich gut und erfüllt gelebt habe, brauche ich den Tot
nicht zu fürchten. Wenn sich dann das Sterben ohne Schmerzen
und Leid vollzieht, kann man von einem guten Tot sprechen.

Daß der Tot böse ist, ist eine Erfindung der Neuzeit und von
Leuten, die Angst haben (müssen), etwas verpasst zu haben.

Ist es nicht!

Es ist eine Folge der Frage, ob Du als „Mensch“ Dir selbst
gehörst oder Deinem Sultan, Gott oder Deiner „Bewegung zur
Verbesserung der Menschheit“.

Denn dann ist es (die Verfügung über eigenes Leben oder
Tod) ein Besitzdelikt mit Vorsatz und greift daher direkt
in die tatsächliche oder vorgestellte Sphäre des Besitzers ein.

Grüße

CMБ

Hallo,

Das scheinen meine Vorredner wohl übersehen zu haben:

Ich stelle diese Fragen hier nicht, weil ich Antworten darauf
möchte, sondern um das Thema näher zu beschreiben. Mich
interessieren absolut keine Meinungen zu diesem Thema, ich
selbst habe eine eigene.
Was mich interessiert ist, inwieweit dieses Thema innerhalb
der Philosophie betrachtet wurde (wenn überhaupt) und wie es
angegangen wird.
Außerdem würde ich mich sehr über Literaturempfehlungen zu dem
Thema oder ein paar guten Links freuen.

Mir sind an philosophischen Schriften zu diesem Thema folgende bekannt: Epikur: Philsophie der Freude. Ich denke, Epikur ist die erste Adresse zur Frage, wie man sein Leben im Widerspruch zwischen Genuss und Enthaltsamkeit einrichten sollte. Dann wären die Stoiker zu nennen, z.B. Seneca: Vom glückseligen Leben, oder Mark Aurels Selbstbetrachtungen. Deine Frage ist dort zwar nicht explizit behandelt, aber dafür die Frage, wie sehr man sich von Leidenschaften beeinflussen lassen sollte, die mit deiner eng verwandt ist.
Betrachtungen deiner Frage finden sich aber bei den meisten Philosophen mehr oder weniger ausführlich, also auch bei Spinoza, Nietzsche und sicher auch bei vielen des 20. Jh, bei denen ich mich aber nicht gut auskenne.

Viele Grüße, Tychi

Hallo Tychi,

Mir sind an philosophischen Schriften zu diesem Thema folgende
bekannt: …

ein starker Raucher schadet seiner Gesundheit - er weiß das.
Ein Trinker schadet sich mit seiner Maßlosigkeit - er weiß das.
Beide werden sowieso bald sterben - soll man ihnen den Genuß verwehren?
usw. einschl. der gestellten Frage.
Hast Du tatsächlich „philosophische“ Literatur hierzu anzubieten ?
Gruß VIKTOR

Kleine Ergänzung
Hallo,

wenn Du schon die Stoiker erwähnst, bietet sich die Reclam-Ausgabe „Die Philosophie der Stoa“ an.

Gruß
Michael

Lieber Gandalf,

Ein guter Tod?

natürlich!
Wenn ich gut und erfüllt gelebt habe, brauche ich den Tot
nicht zu fürchten. Wenn sich dann das Sterben ohne Schmerzen
und Leid vollzieht, kann man von einem guten Tot sprechen.

Stell dir das Sterben mal nicht zu romantisch vor. Sterben ohne Leid und Schmerz ist quasi gar nicht drin. Auch der Grosspapa, der friedlich in seinem Bett einschlaeft hat oft zuvor somanches Leid und Schmerz durch krankheit erlitten.

Es ist doch eher ganz selten, dass jemand so schnell stirbt. Selbst ein vermeindlich schneller Tod wie durch einen Herzinfarkt dauert meist viele Minuten, die sich aber sehr viel laenger anfuehlen.

Die allermeisten Tode sind sicherlich schmerzhaft, leidvoll und demuetigend.
Wirklich schnell sterben ist nur moeglich, wenn dein Hirn durch eine massive, blitschnelle Verletzung grossflaechig zerstoert wird. Und ob das ein guter Tod ist?

Und wenn ein naher Verwandter von mir stirbt, dann ist es mir echt egal wie toll der Tod gewesen ist: Ich werde niemals daran etwas Gutes finden.

Glaubst du denn, beim Sterben, du wirst dich gemuetlich zuruecklehnen, dir ueberlegen wie toll dein Leben war und die Show geniessen? Hoechstwahrscheinlich wird das das letzte sein woran du dann denken wirst.

Na ja, Ist wohl auch ein wenig Meinungssache. Ich jedenfalls werde den Tod nie gut finden, so gut er mir auch gepriesen wird.

Daß der Tot böse ist, ist eine Erfindung der Neuzeit und von
Leuten, die Angst haben (müssen), etwas verpasst zu haben.

Von boese als Gegenteil von gut kann hier nicht die Rede sein. Vielleicht eher von schlecht. Aber bestimmt von „nicht gut“.

Ich wuensche dir auf jeden Fall, dass du keine fruehen, schlimmen Erfahrungen mit dem Tod machen wirst oder bereits gemacht hast.

Hallo,

Daß der Tot böse ist, ist eine Erfindung der Neuzeit und von
Leuten, die Angst haben (müssen), etwas verpasst zu haben.

Von boese als Gegenteil von gut kann hier nicht die Rede sein.
Vielleicht eher von schlecht. Aber bestimmt von „nicht gut“

kann es sein, dass ihr aneinander vorbeiredet?
Der eine spricht vom „Tod“, der andere vom „Sterben“.
Wer tot ist leidet nicht mehr, das Leid ist eine Sache
des Lebens.

Grüsse
Junktor

Moin Dukath,

Stell dir das Sterben mal nicht zu romantisch vor.

keine Bange, in meiner Familie schwirren mehrere Mediziner herum und ich habe eine Zeit lang im Rettungsdienst gearbeitet.

Was ich aber auch erlebt habe ist, daß es Menschen gibt, die sagten: ‚Es ist an der Zeit‘ und keine Angst vor dem Sterben hatten. Genauso auch Menschen, die sich krampfhaft ans Leben geklammert haben, wohl weil sie Angst hatten, im Leben etwas verpasst zu haben.
Nun kannst Du Dir sicher ausdenken, wer einen schlimmeren Tod hatte!

Bei Dir lese ich zwischen den Zeilen eine Tendenz zum zweiten Fall heraus.

Gandalf

Hi,

Es ist eine Folge der Frage, ob Du als „Mensch“ Dir selbst
gehörst oder Deinem Sultan, Gott oder Deiner „Bewegung zur
Verbesserung der Menschheit“.

immerhin wirst du dann Bescheid wissen, zumindest dich
nicht mehr mit Spekulationen quälen müssen.
Ein Sultan kann sich auch als Grosswesir entpuppen,
der gerne Kalif wäre anstelle des Kalifen, den
Namen Isnogud trägt und mit Vorliebe die Lebenden traktiert.

Denn dann ist es (die Verfügung über eigenes Leben oder
Tod) ein Besitzdelikt mit Vorsatz und greift daher direkt
in die tatsächliche oder vorgestellte Sphäre des Besitzers
ein.

Er greift nirgend ein, was nicht ohnehin apriorisch
vorgestellt ist, zumindest ontologisch gesehen.

Grüsse
Junktor

Hi,

Nun kannst Du Dir sicher ausdenken, wer einen schlimmeren Tod
hatte!

du meinst die Sache mit dem Loslassen, bzw. Nichtloslassenkönnen?

(Sorry der Einmischung)

Grüsse
Junktor

Was ich aber auch erlebt habe ist, daß es Menschen gibt, die
sagten: ‚Es ist an der Zeit‘ und keine Angst vor dem Sterben
hatten. Genauso auch Menschen, die sich krampfhaft ans Leben
geklammert haben, wohl weil sie Angst hatten, im Leben etwas
verpasst zu haben.
Nun kannst Du Dir sicher ausdenken, wer einen schlimmeren Tod
hatte!

Gibt es bei dir irgendein Punktesystem wer mehr Spass am Sterben hat? Und wenn man genug Leistung im Leben erbracht oder genug Spass im Leben gehabt hat, hat man genug Punkte um in einen guten Tod zu gehen?

Bei Dir lese ich zwischen den Zeilen eine Tendenz zum zweiten
Fall heraus.

Tja. Dann muss ich wohl noch ein paar Punkte sammeln. Ich wuensch dir dann im Vorraus schon mal viel Spass beim Sterben (aber erst dann, wenn du es dir punktemaessig verdient hast).

Hallo Dukath,

Gibt es bei dir irgendein Punktesystem wer mehr Spass am
Sterben hat? Und wenn man genug Leistung im Leben erbracht
oder genug Spass im Leben gehabt hat, hat man genug Punkte um
in einen guten Tod zu gehen?

was soll das bitte?!
Wenn Du Probleme mit dem Tod hast, unterstell bitte anderen nicht, sie hätten auch welche, würden sie aber unterdrücken.
Du solltest daran arbeiten, denn der Tod ist nun mal was natürliches.
(uns so ziemlich das einzige, was wir sicher haben).

Gandalf

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Hallo Gandalf,

Was ich aber auch erlebt habe ist, daß es Menschen gibt, die
sagten: ‚Es ist an der Zeit‘ und keine Angst vor dem Sterben
hatten. Genauso auch Menschen, die sich krampfhaft ans Leben
geklammert haben, wohl weil sie Angst hatten, im Leben etwas
verpasst zu haben.

Da du von deinen persönlichen Erfahrungen mit Sterbenden sprichst, lassen sich deine Schlussfolgerungen über die Hintergründe des Verhaltens dieser Menschen nicht kritisieren, allerdings kann ganz allgemein das „sich ans Leben Klammern“ auch ganz andere Gründe haben, als du sie in diesen Fällen zu erkennen glaubtest.
Nach meinen Erfahrungen, die zugegebener Maßen keine statistische Grundlage darstellen, bewegt „die Angst etwas verpasst zu haben“ Sterbende kaum.
Wenn davon berichtet wird dass am Ende Viele manches bereuen, was sie im Leben unterlassen oder verpasst haben, dann führt dies nicht zwangsläufig zum festhalten am Leben. Diese retrospektive Traurigkeit findet man auch bei den „angstfrei Sterbenden“.
Ebenfalls ähnlich aber doch qualitativ etwas anderes ist das Gefühl, dass etwas unerledigt zu sein scheint. Das wird auch in der Literatur relativ häufig genannt. Das ist aber unabhängig davon, ob es einen Jenseitsglauben gibt oder nicht.

Bei Dir lese ich zwischen den Zeilen eine Tendenz zum zweiten
Fall heraus.

Wenn du dich weiter unten gegen persönliche Unterstellungen verwahrst, dann hättest du das hier auch lassen sollen. Du formulierst es geschickter, machst aber im Grunde das Gleiche.

Gruß
Werner