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Es war einmal ein deutsches Mittelstandsunternehmen. Das produzierte hochwertige Waren, die zu hohen Preisen verkauft werden konnten. Nicht nur im Produktionsstandort Deutschland, sondern weltweit. Immerhin war man Weltmarktführer. Die Aktionäre des Unternehmens freute das, brachte das Wertpapier doch immerhin eine Rendite von 20 Prozent des Nennkapitals ein.
1999 jedoch kam ein Private-Equity-Investor („PEI 1“) und wollte dieses Unternehmen für sich haben. So öffnete er seine Schatulle, entnahm ihr 400 Mio Euro, ging zu einer Bank, lieh sich dort weitere 800 Mio Euro, kaufte alle Aktien des Unternehmens auf und nahm das Unternehmen von der Börse. Logisch, denn außer „PEI 1“ gab es ja keine anderen Aktienbesitzer mehr.
Schlau, wie „PEI 1“ war, nahm er zunächst sein Eigeninvestment aus dem Unternehmen – die 400 Mio - und bezahlte mit dem dann noch vorhanden Kapital des Unternehmens Teile der Kredite an die Bank zurück. Und noch schlauer: Die restlichen Kredite übertrug er dem deutschen Mittelstandsunternehmen. Die ehemals schuldenfreie und profitable Firma hatte plötzlich schwere Lasten zu tragen und viel Zinsen zu zahlen. Aber das Unternehmen rührte sich und kam innerhalb von fünf Jahren wieder auf die Beine.
Das wiederum sah „PEI 2“ mit neidischen Augen und bot „PEI 1“ deutlich mehr, als der für das Unternehmen bezahlt hatte. So einen fetten Gewinn in nur fünf Jahren, da konnte „PEI 1“ nicht widerstehen – und verkaufte. Geld aus der eigenen Schatulle wollte „PEI 2“ aber nicht zahlen, jedenfalls nicht sehr viel. So nutzte „PEI 2“ den gleichen Trick wie „PEI 1“ damals, nur gab es im Unternehmen nicht mehr die großen Summen, um den Kauf abzudecken.
Aber „PEI 2“ war ja nicht auf den Kopf gefallen. Das Unternehmen hatte doch immer noch seinen guten Ruf. So kam „PEI 2“ auf die Idee, eine Anleihe auf den Markt zu bringen. Eine Hochzinsanleihe. Im Wert von fast eine Milliarde Euro. Natürlich fanden sich Käufer für die Anleihe, denn das Unternehmen war ja Weltmarktführer und bot gute Zinsen. Das Geld aus dem Verkauf der Anleihe landete allerdings nicht in den Kassen des Unternehmens, sondern in den Taschen von „PEI 2“. Dafür muss das Unternehmen jetzt den Anleihekäufern jedes Jahr 80 Mio Euro Zinsen zahlen – das sind etwa 10 Prozent vom Jahresumsatz bzw. 40 Prozent vom Ebita-Gewinn.
„PEI 2“ reichen die 20 Prozent Ertrag auf das Nennkapital aber nicht. Jetzt müssen 28 Prozent her. Also holt man sich Schlaumeier1 und Schlaumeier2 in das Unternehmen. Denen fällt aber nur das ein, was sie jedem erzählen: Sparen, Reduzieren, Einschränken, Verlagern. Und natürlich ein besonders schöner Name für so etwas: „Fit For The Future!“
Als erstes gehen drei der vier Vorstände. Dann wird die Produktpalette auf ein Drittel zusammengestrichen. Von drei Viertel der Zulieferer will man sich trennen. Weil das alles nicht reicht, will man von 4.500 Mitarbeitern etwa 1.000 entlassen. Und natürlich die Produktion nach Asien auslagern. Hochwertige Waren zu hohen Preisen – aber aus einem asiatischen Billiglohnland? Fachleute sehen dadurch den Markenwert in Gefahr. Denn - nur zum Vergleich - wer würde z.B. 100.000 Euro für einen Porsche zahlen, der in Vietnam gebaut würde?
Mittlerweile geht das einstmals erfolgs- und ertragsreiche Unternehmen am Stock. Eine Finanz-Aufpasser-Firma hat die Anleihe auf „B+“ herabgestuft. Börsianer übersetzen so etwas mit „Schrott“.
Ja, „Es war einmal“. So beginnen Märchen. Nur dass dies hier keines ist. Fragt mal die Leute beim Badezimmer-Armaturen-Hersteller Grohe. Die wären froh, wenn das alles nur ein Märchen wär.
Schönes Wochenende!
Heinrich