Was spricht gegen ein zweites Brexit Referendum?

Guten Morgen,

da es immer mehr den Eindruck erweckt, dass May die Kontrolle über die Situation verloren hat und auch das Parlament offenbar nur blindlings herumstochert, stellt sich mir die Frage, wieso man sich nicht zu einem zweiten Referendum durchringen kann.

Warum nimmt man nicht einfach den Deal, den May ausgehandelt hat und lässt die Bevölkerung nun über einen konkreten Plan abstimmen? Es könnte dann keiner mehr sagen, dass ihm die Konsequenzen nicht bekannt waren und die Entscheidung liegt dann wieder dort, wo das Ganze seinen Ausgang genommen hat: Bei den Bürgern.

Als Fragestellung könnte ich mir etwas in diese Richtung vorstellen.

LG

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Weil man sich eigentlich angewöhnt hat, über eine ultimative Entscheidung nur genau einmal abzustimmen - und nicht so lange, bis das Abstimmungsergebnis jemanden besonders gefällt.

Andererseits ist es hier wohl so, dass Populisten das kollektive Bauchgefühl besonders gut angesprochen haben und viele erst jetzt sehen, was die Konsequenzen des Austritts wären.

Eine neuerliche Abstimmung müsste besonders gut bedacht werden. Welche „Kröten“ wäre der Wahlberechtigte bereit zu schlucken, um dem Austritt zuzustimmen? Das müsste man eigentlich fragen. Und damit in neuerliche Verhandlungen gehen. Wenn dann klar ist, welche Kröten unabdingbar wären, dann wird man sehen, ob es eine „trotzdem raus“-Mehrheit dafür gibt. Die Nordirland-Frage ist ja wohl besonders emotional und strittig.

Nur fragt sich dann, warum diese Regelung nur für das Volk gelten soll und nicht auch für Mrs. May…

Hallo,

ja, aber die wissen doch auch nicht, was sie tun. Am Ende entscheiden die sich für etwas, das gar nicht gut für sie ist. Darauf muß man als Parlamentarier, der ja schließlich gewählt wurde, damit er für das Wohl des Volkes handelt, schon ein Auge haben.

Außerdem müßte man in der gleichen Abstimmung noch die Alternative anbieten, auf ein Ausscheiden aus der EU ganz zu verzichten und dann ist zu vermuten, daß sich für keinen der drei Vorschläge eine (absolute) Mehrheit findet.

Gruß
C.

Das Argument höre ich öfters, nur möchte ich zu bedenken geben, dass May ihren Vorschlag schon drei Mal zur Abstimmung brachte und ein viertes Mal offenbar auch noch im Raum steht.

An dieser Stelle möchte ich auch Nigel Farage zu Wort kommen lassen:

The question of a second referendum was raised by Mr Farage in an interview with the Mirror in which he said: „In a 52-48 referendum this would be unfinished business by a long way. If the Remain campaign win two-thirds to one-third that ends it.“

Zur Erinnerung: Beim Referendum sprachen sich 51,89% für den Brexit aus.

Angesichts dieser Tatsachen kann das also kein wirklicher Hinderungsgrund für ein zweites Referendum sein.

Eine Volksbefragung darf weder zu abstrakt noch zu komplex sein, daher wäre es sehr schwierig auf so eine Frage eine Antwort zu bekommen. Mays Vorschlag ist ein konkreter Plan, über den sich jeder informieren kann. Klar gäbe es noch den harten Brexit, aber den will imho nur eine (kleine) Minderheit.

LG

Klingt in der Theorie gut, aber man hört von May und anderen Brexit Befürwortern immer wieder, dass sie ja nur den Willen des Volkes ausführen und genau dieses Argument verwenden sie dann gegen ein zweites Referendum.

Und ganz offensichtlich sind weder das Parlament noch die Regierung in der Lage eine Lösung zu finden. Bisher wissen wir ja nur, was die Politiker alles nicht wollen.

Welchen dritten Vorschlag meinst du? Ich würde in dem Referendum nur die Möglichkeiten ‚Plan May‘ oder ‚Remain‘ geben (siehe Link zur Umfrage im OP).

Wie seinerzeit beim ersten Irland-Euro-Referendum hielt sich die Ehrlichkeit des Wahlkampfes und damit auch Informationsgrad des Wählers arg in Grenzen. Außerdem hatten damals nur die wenigsten Wahlberechtigten ein Gefühl dafür, was an einem Austrittsgesuch alles dranhängt (gilt vermutlich auch für die allermeisten Politiker). Außerdem war ja die Wahlbeteiligung gerade unter den jüngeren Menschen eher überschaubar. Nicht zuletzt gab es seinerzeit für das erste Referendum keinen vernünftigen Grund.

Nun gibt es aber viele gute Gründe für eine Abstimmung - also sollte man die Gelegenheit nutzen, um ohne Gesichtsverlust aus der Nummer wieder rauszukommen.

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Wenn die alle so genau wüßten, was des Volkes ist, dann wäre neulich wenigstens einer der acht im Parlament zur Abstimmung gestellten Vorschläge angenommen worden.

Eigentlich wissen wir schon, was die Politiker wollen nur gibt’s halt so viele Vorstellungen davon, wie das ganze aussehen soll, daß man sich auf keine der Visionen einigen konnte. Und falls man sich am Ende doch auf eine Fassung einigen kann, ist das bestimmt eine, mit der die EU nicht einverstanden ist.

Und was ist mit denen, die einen Austritt wollen, aber zu anderen Konditionen? Wenn man die Abgeordneten fragt, ist das doch die überragende Mehrheit.

Richtig. Daher sollte man vielleicht nochmals beim Volk nachfragen. Nur, um sicher zu gehen…

Ich präzisiere: Wir wissen nicht, was eine Mehrheit der Politiker will.

Wenn man den EU Vertretern glauben darf, gibt es diese Option nicht. Und wie du schon richtig schreibst, würde bei drei Antwortmöglichkeiten sicher keine Mehrheit zusammenkommen.

Ich behaupte ja nicht, dass ein zweites Referendum (eben mit diesen beiden Optionen) die perfekte Lösung für das Problem wäre. Mir scheint es nur angesichts der Alternativen die beste zu sein.

Weil die Briten das bis zum 12.April nicht hinbekommen.

Eigentlich spricht nichts dagegen - außer vielleicht, dass so einige Bürger inzwischen wach geworden sind und die eine oder andere Lüge pro Brexit entlarvt wurde. Vielleicht könnte man ja sogar soweit gehen und die Leute, die von einem Brexit betroffen sind gleich mit abstimmen lassen: die in anderen EU Ländern lebenden Briten durften das letzte mal afair nicht.

Oder man geht dahin und hält im HoC eine erneute Abstimmung zu den ganzen Möglichkeiten ab (hattenwajaschonma) erlaubt den Abgeordneten aber nur 1 Stimme, die sie sinnvoll einsetzen mögen. Der Vorschlag mit den meisten Stimmen ist angenommen.

Obwohl, was mache ich dann, der tägliche Brexit wird mir in meiner arbeitstechnischen Morgens-Pflichtlektüre wohl ein wenig fehlen.

Ein zweites Referendum würde ein paar Monate der der Vorbereitung bedürfen. Aber der Termin wurde schon einmal verschoben und die EU hat bereits signalisiert, dass sie in dem Fall einer erneuten Verschiebung wohl zustimmen würde.

Klar wäre eine Teilnahme der Briten an der kommenden EU Wahl etwas merkwürdig, aber das sollte doch angesichts der Umstände eher von nachrangiger Bedeutung sein.

Laut Wikipedia durften sie abstimmen, falls sie nicht länger als 15 Jahre im Ausland lebten. Ausgeschlossen waren aber Britische Bürger in den Britischen Überseegebieten. Die haben aber auch nur ca. 280.000 Einwohner…

Das Thema dürfte wohl durch sein. Völlig egal, wie die Sache ausgeht, der Gesichtsverlust ist unabwendbar, weil schon da.

Mein Eindruck ist, die Briten (May) wollen den Brexit durch die stümperhaften Vertragsverhandlungen an einem 2. Votum vorbei verhindern.

Accepting the government’s Brexit agreement or remaining in the EU

… hielte ich für eine Fragestellung, die wenig bringt, weil sie „unlogisch“ ist, u.a. indem sie gerade die Position, die offenbar eine parlamentarische Mehrheit haben dürfte (Nein, zum May-Deal, aber auch Nein zum Verbleib in der EU) ausschließt.

Das würde wohl nicht zur „Befriedigung“ des Landes beitragen, wenn den Brexiteers so seine ungute binäre Alternative vorgesetzt wird.
Und es würde die Dolchstoßlegende beflügeln, die der User „AuWeia“ hier schon vorgebracht hat. Das kann nicht Sinn eines Referendum sein.

Ich sehe es wie Corbyn, dass Neuwahlen besser wären als ein zweites Referendum.

Gruß
F.

Mir fiel da eben noch ein Zitat aus der großartigen Serie „Yes (Prime) Minister“ ein, das ich zwar nicht mehr wörtlich zusammen bekam, dann aber zum Glück bei Wikipedia wiederfand:

Sir Humphrey: Minister, Britain has had the same foreign policy objective for at least the last five hundred years: to create a disunited Europe. In that cause we have fought with the Dutch against the Spanish, with the Germans against the French, with the French and Italians against the Germans, and with the French against the Germans and Italians. Divide and rule, you see. Why should we change now, when it’s worked so well?

Hacker: That’s all ancient history, surely?

Sir Humphrey: Yes, and current policy. We had to break the whole thing [the EEC] up, so we had to get inside. We tried to break it up from the outside, but that wouldn’t work. Now that we’re inside we can make a complete pig’s breakfast of the whole thing — set the Germans against the French, the French against the Italians, the Italians against the Dutch… The Foreign Office is terribly pleased; it’s just like old times.

Hacker: But surely we’re all committed to the European ideal?

Sir Humphrey: [chuckles] Really, Minister.

Hacker: If not, why are we pushing for an increase in the membership?

Sir Humphrey: Well, for the same reason. It’s just like the United Nations, in fact; the more members it has, the more arguments it can stir up, the more futile and impotent it becomes.

Hacker: What appalling cynicism.

Sir Humphrey: Yes… We call it diplomacy, Minister.

Moin,

zu dem Kasperltheater kann man prinzipiell nichts mehr sagen…
Meine Kristallkugel sagt folgendes:
Neues Referendum: „wir wollen doch in der EU bleiben“ als knappes Ergebnis.
Aber dann?

  • Die Herde der „wir wollen raus“ halte ich für „militanter“ bis hin zu Unruhen. Wer sollte das verantworten?
  • Wie sollten danach Verhandlungen mit der EU aussehen? Status Quo 2017? Keine Ahnung, was da ein Juncker zu sagen würde und gerade der „Urheberschutz“ wird auch weiter spalten…
  • die Volksvertreter sind gewählt und würden das wohl auch nicht vollgas durchsetzen, was denn da gefordert wird - also auch da wieder K®ampf
  • die Unzufriedenheit wächst auf beiden Seiten. Alle würden dies auch wieder für einen faulen Kompromiss halten

Aber eine Lösung hätt’ ich da in Petto: Schottland und Nordirland bleiben in der EU, Südengland mit Enklave Manchester/Liverpool gehen eigene Wege…

Naja… der Stein rollt - und wie mir scheint, kracht der gegen das Great Britain… das Ergebnis: aus der EU aber keinen Plan, wie es weitergeht

LG
Ce

Die Abstimmung seinerzeit pro Referendum und Bürgerentscheid hatte fast schon absolutistische Züge:

Bei der zweiten Lesung des EU Referendum Act am 9. Juni 2015 stimmten die Mitglieder des House of Commons mit 544 gegen 53 zugunsten des Gesetzes zur Durchführung des Referendums. Nur Mitglieder der Scottish National Party stimmten gegen das Gesetz.

Das ist nicht „Gewöhnung“, sondern reale Zustimmung zu einem Gesetz.
Wie viel mehr an Demokratie soll es neben 544 gegen 53 denn noch sein?
100%?

awM

Imho gibt es aktuell nur drei wahrscheinliche Szenarien: Mays Plan, Remain oder harter Brexit. Letzteres will aber so gut wie keiner und mit obiger Fragestellung wären wir mehr oder weniger wieder beim Ausgangspunkt, nur dass man jetzt wirklich über etwas Konkretes abstimmen kann.

Das kann man genausogut über das erste Referendum sagen. Zudem spielte da in nicht unwesentlichem Ausmaß auch der innerparteiliche Machtkampf bei den Torries eine Rolle womit hier Dinge vermischt wurden, die nicht vermischt werden dürfen. Mich erinnert das ziemlich stark an Kreisky und Zwentendorf…

Ein Referendum war der Anstoß des Ganzen also wieso sollte es nicht auch der Abschluss sein?

Nur was soll das bringen? Glaubst du wirklich, Corbyn würde ein (für die Briten) besseres Verhandlungsergebnis erzielen können als May? Und wieso sollte sich die EU darauf (alles zurück auf Anfang) überhaupt einlassen? Und wie man an den Abstimmungen von letzter Woche sehen konnte, verlaufen Fronten gerne mal innerhalb der Parteien.

Ich persönlich glaube mittlerweile, dass der Brexit (welcher auch immer) die bessere Lösung ist. Andernfalls haben wir das gleiche Theater in naher Zukunft wieder am Tisch.