Hallo,
ich möchte einfach mal ein paar Thesen in den Raum werfen, von denen ich glaube, dass sie die Diskussion ein wenig weiterbringen können:
(0. Es heisst nicht Mohammedaner, sondern Muslime, denn wir beten Muhammad (sas) nicht an.)
- Geschichte ist keine lineare Abwicklung von bestimmten Ereignissen!
Deshalb ist es abwegig zu sagen, dass die islamische Welt in „mittelalterlichen Denkstrukturen“ steckengeblieben ist (davon mal abgesehen, dass das nicht stimmt). Nicht nur, dass die Aussage sich auf sehr viele Menschen bezieht (was ihre Falschheit bereits beweist), sondern sie unterstellt, dass „mittelalterliche Denkstrukturen“ a) im modernen Europa nicht mehr existieren und b) als Epoche von den verschiedenen Völkern durchlaufen werden muss oder aber bei allen gleichwar.
Warum sollte es eine islamische Renaissance überhaupt geben? Nur weil es eine europäische gab?
- Zivilisationen haben ihre Hoch- und ihre Tiefphase.
Warum hat das ägyptische Reich nicht weiter existiert? Warum unterhält das griechische Reich keine Hägemonie mehr über den Mittelmeerbereich? Warum erstreckt sich gibt es das römische Reich nicht mehr? Maya, Azteken, selbst das chinesische Reich ist nicht mehr, was es mal war. So ist das nun mal im geschichtlichen Verlauf. Wer glaubt, dass „sein Reich“ auf Ewigkeit Bestand haben wird, hat ein deutliches Problem mit der Realität.
- Wie bei jedem grösseren Staat gab es über kurz oder lang auch im islamischen Staat kleinere oder auch grössere Streitigkeiten.
Zeitweise war es dermassen zerteilt, dass von einem „Staat“ nicht die Rede sein konnte. Diese Teile wurden von äusseren Bedingungen teilweise wieder aneinandergeschweisst, teilweise wieder auseinandergetrennt. Mancher Regierende konnte es erreichen, dass zeitweise Streitereien beigelegt werden (z.B. Salahuddin oder Omar Ibn Abdelaziz).
- Eine persönliche Bereicherung hat auch im islamischen Staat angesetzt
Aus Kalifen wurden Könige, die von keinem Teil des Volks willentlich ermächtigt wurden, sondern von ihren Vorkönigen (meist in erbähnlicher Reihenfolge) ernannt wurden. Dem König gehörte immer mehr der Staatsetat. Er musste immer mehr einnehmen, um seine persönliche Sicherheit auszubauen (da nun mehr Menschen abschaffen wollten) und hat dementsprechend von Zeit zu Zeit die Steuern erhöht.
Solche Korruption findet sich dann in der Gesellschaft wieder.
- (das ist wichtig) Speziell im islamischen Staat waren Wissenschaftler zumeist auch islamische Gelehrte und öfters auch Richter
Richter waren fast immer ein Dorn im Auge des jeweils Herrschenden, da sie ihm nicht unterstanden und ihn (theoretisch) verurteilen konnten. Einige konnten bestochen werden, aber der Grossteil musste „aus dem Weg geschaffen“ werden. Dadurch hatte aber Wissenschaft immer weiter an Bedeutung abgenommen. Schlimmer noch, das Wissen (das normalerweise durch Lesungen und Unterrichtseinheiten besagter Personen vermittelt wurde), konnte nicht mehr weitergegeben werden. Abschriften von Versuchsprotokollen oder Notizen konnten zwar noch helfen (wenn sie nicht gerade beschlagnahmt wurden), aber von den Wissenschaftlern selbst konnte kein Wissen mehr erlangt werden.
Übrigens viele der später wieder aufgetauchten Werke bezeugen, dass der Wissensstand, der in der Allgemeinheit hätte erreicht werden können, durch Wegsperren von Büchern nicht erreicht wurde. Vieles davon ging komplett verloren.
- alles, was ich hier aufgezählt habe, ist in hohem Masse pauschalisiert und vereinfacht (bis auf 0,1 und 2)
Mit freundlichen Grüssen,
Omar Abo-Namous