Hi Rolf,
das ist zwar ein vielbeschworenes, oft wiederholtes und
augenscheinlich nicht auszurottendes Vorurteil, aber es gibt
keinen Beleg dafür, daß irgendein Pfarrer oder Priester -
weder auf amerikanischer, englischer, französischer, deutscher
oder italienischer Seite - jemals Waffen gesegnet hätte.
Was ist dann damit:
- Waffensegnungen, Sondergebete und Messen in Kriegszeiten bzw.
Messen um Frieden
Sowohl auf katholischer als auch auf orthodoxer Seite sind Waffen
gesegnet worden. In der katholischen Tradition gab es im früheren,
vorkonziliaren Pontifikale Romanum – das ist das liturgische Buch mit
den Feiern, denen ein Bischof vorsteht - eine benedictio armorum,
eine Waffensegnung. Laut dem Segensgebet dieses kurzen Rituals
dienen die Waffen dazu, die Gerechtigkeit zu schützen. Der Träger
dieser Waffen soll wie David gegen Goliath kämpfen.
Er soll die Mutterkirche sowie die Waisen und Witwen verteidigen.
Aber, wenn auch in diesem Text die Gerechtigkeit betont wird, wer
weiß, wie die Krieger, die Heeresführer und die Fürsten, die
Gerechtigkeit in der Praxis aufgefasst haben?!
Zwischen Gerechtigkeit und eigenen Interessen wird es für nicht
wenige wohl kaum Unterschiede gegeben haben. Weiters gibt es im
genannten Pontifikale eine benedictio vexilli bellici, eine Segnung
der Kriegsfahne.
Diese war wichtig. Die Fahne war ja das Symbol für die Truppen,
worauf oft auch der Eid von Treue an Fürst, Vaterland und Gott
geleistet wurde. Unter ihr sollte man siegen oder sterben.
"Fahnenflucht“ wurde mit dem Tod bestraft. Zudem gab es in
den Ritualbüchern einiger Bistümer Segnungen für Gewehre, Kanonen,
Kugeln und so weiter.
Wie sieht es in der orthodoxen Tradition aus? Im heutigen griechisch-
orthodoxen Euchologion – so heißt das liturgische Buch für die
Priester, das die Texte des Stundengebetes, der Eucharistie und der
meisten übrigen Sakramente sowie zahlreicher Segnungen enthält –
findet sich keine Waffensegnung. Es gibt jedoch serbische Ausgaben
des Euchologions aus dem Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, worin
es noch ein solches Ritual gibt und das auch im Bosnienkrieg
verwendet worden ist. Im heutigen orthodoxen Euchologion begegnen wir
anderen Ritualen für Kriegszeiten. Im „Bittkanon für die
Hochheilige Mutter Gottes, wenn Krieg erwartet wird“ wird Maria
gebeten, die Feinde niederzuwerfen. Wie Gott einst Pharao zerstörte,
so sollten auch jetzt die „gottlosen Barbaren“ zerschmettert werden.
Zudem gibt es im Euchologion acht lange Sondergebete.
Darin wird Gott zunächst angefleht, endlich die Sünden seines Volkes
zu vergeben. Diese Gebete stellen also einen Kausalverband zwischen
den eigenen Sünden und dem von außen kommenden Elend fest. Weiters
wird Gott hier gebeten, als Zeichen seines Erbarmens die
Feinde zu unterwerfen und zu vernichten. Außerdem werden im (sich im
Kleinen Euchologion befindlichen) „Gedächtnisgottesdienst für die im
Krieg Gefallenen“ der Soldaten gedacht, „die in ihren heiligen
Kämpfen für unseren Glauben und unser Vaterland ruhmreich kämpften
und heroisch fielen“. In blumenreicher Sprache sagt der Priester
unter anderem, dass Gott „unser Volk von einem Sieg zum anderen
führt, von der einen Herrlichkeit bis zur nächsten leitet“, und dass
die Gefallenen nicht nur bei den Menschen geehrt sind, sondern dass
Gott sie auch als Heiligen im Himmel annehmen sollte.
Kehren wir zur katholischen Tradition zurück. Im tridentischen
römischen Messbuch, das Page 88 bis 1970 in der Katholischen Kirche
verwendet wurde, finden wir zwei interessante Messformulare. Das
erste heißt „Messe in Kriegszeiten“ (Missa tempore belli), das zweite
„Messe um Frieden“ (Missa pro pace). In beiden Formularen wird um die
Niederlage der Feinde und die Wiederherstellung des Friedens gebetet.
Ein Gebet beinhaltet die Bitte um Schutz der christlichen Gebiete vor
jedem Feind. Gott selber wird angerufen als derjenige, der Kriege
vernichtet und diejenigen, die gegen die auf Gott Vertrauenden
kämpfen, besiegt (Deus, qui conteris bella et impugnatores in te
sperantium … expugnas). Gott wird auch als der Urheber und Liebhaber
des Friedens dargestellt (auctor pacis et amator). Das
Hauptanliegen dieser Messformulare ist zwar die Bitte um Frieden, sie
setzen jedoch die eigenen Interessen und die Hoffnung auf den
Militärsieg der eigenen Seite voraus. Im römischen Rituale ist
ebenfalls die Möglichkeit einer Prozession in Kriegszeiten
vorgesehen.
Der Tenor der sich hier befindenden Texte ist ähnlich wie im
Messbuch, einige Texte sind sogar wörtlich dieselben. Es wird hier
jedoch auch ausdrücklich gebetet, dass, falls der Krieg
gegen die „Feinde der heiligen Kirche“ (contra inimicos sanctae
Ecclesiae) geführt wird, Gott diese Feinde erniedrigen wird.
Es wäre relevant, auch die christliche darstellende Kunst, die
liturgischen Hymnen und andere Kirchenlieder sowie die
Predigtliteratur in Bezug auf unser Thema zu erforschen. Da
würde man sowohl in der katholischen als auch in der orthodoxen
Tradition noch vieles finden. Ein interessantes Beispiel betrifft das
Te Deum Laudamus. Dieser an Gott gerichtete altchristliche Hymnus ist
jahrhundertlang nicht nur für die Erhaltung von politischen
Machtverhältnissen – vor allem in Bezug auf die Monarchie – sondern
auch in militärischem Kontext – als Dankeslied nach einem Sieg, als
Verherrlichung einer Schlacht – verwendet, ja missbraucht worden.
Ähnliches gilt für die bekannte Liedfassung des Te Deum: „Großer
Gott, wir loben dich.“
Langer Text, er stammt übrigens von Dr. Basilius J. (Bert) Groen.
Univ.-Prof. am Institut für Liturgiewissenschaft, Christliche Kunst
und Hymnologie, aber aufschlussreich…
Gruß