Um das eben vorwegzuschicken: Mir ist klar, dass ich einer
Minderansicht anhänge. Es ist auch nicht mein Anliegen, dich
jetzt von irgendwas zu überzeugen.
Weiss ich, es ist aber trotzdem diskussionswürdig (auch wenn sich darüber schon weitaus klügere Menschen den Kopf zerbrochen haben als ich es bin)
Jede Kaufsache, die so in den öffentlichen Kundenbereich
gelegt wird, dass der Kunde sie nehmen und an die Kasse
bringen darf. Es ist völlig realitätsfremd anzunehmen, dass
Supermarkt X den Käse Y nicht an den Kunden Z verkaufen will.
Warum empfindest Du das als so realitätsfremd? Es fängt doch bereits im kleinen an und muss ja nicht der Supermarkt sein. Wenn Du sagst, dass Angebot liegt darin, dass eine Sache in den öffentlicen Kundenbereich gelegt wird kannst Du doch nicht sagen, dass das nur für Supermärkte gilt. Dann muss das auch für den Kiosk oder den Tante-Emma-Laden gelten, oder wie würdest Du eine Differenzierung vornehmen wollen? Am Jahrensumsatz? An der Größe des Warensortiments? Am Kundenstamm? Funktioniert alles nicht (würde ja auch der Systematik im BGB widersprechen, da WE und Vertragsschluss im AT stehen und nicht im „SupermarktG“).
Das müsste dann aber nicht nur für
den Supermarkt gelten, sondern für jedes Geschäft, sei es
Tante-Emma-Laden, Kiosk oder klösterlicher Devotionalienshop.
Wieso? Nicht nur der Inhalt, sondern auch das Vorliegen einer
Willenserklärung wird immer vom verobjektivierten
Empfängerhorizont aus ausgelegt, und immer findet die
Verkehrssitte Berücksichtigung. Ich sehe jetzt ehrlich gesagt
keinen Grund, wieso man von dem einen zwingend auf das andere
schließen muss.
Wie gesagt: zum einen die Systematik. Zum anderen machst Du es Dir imho recht leicht, wenn Du sagst es man muss im vorliegenden Fall schon das Vorliegen einer WE auslegen. Dann stellt sich nämlich wirklich die Frage nach welchen Kriterien man auslegt. Du schreibst lapidar Verkehrssitte, aber was ist die Verkehrssitte?
Wenn das, was du schreibst, stimmen würde, dann würde jeder,
der ein Angebot abgibt, einem „Kontrahierungszwang“
unterliegen. Das ist aber nicht das, was mit
Kontrahierungszwang gemeint ist. Denn niemand zwingt den
Supermarkt, das Angebot abzugeben. Außerdem steht es ihm frei,
bestimmte Kunden auszuschließen.
Doch! de facto ist dieses ein Kontrahierungszwang! Du sagst zwar, dass den Supermarkt keiner zwänge ein Angebot abzugeben, aber was heißt das im Umkehrschluss? Dass er (nach Deiner Ansicht) keine Waren mehr ins Regal legen darf, also dicht machen muss. Wenn er aber 100 Dosen Hundefutter ins Regal legt, gibt er 100 bindende Angebote ab ohne dass er seine pot. Vertragspartner kennt, bzw. weiss ob es überhaupt welche gibt. Die Vertragsfreiheit steht aber auf zwei Säulen: Einmal steht es mir frei welches Geschäft ich abschliesse und einmal mit wem. Die zweite Säule (die Kontrahierungsfreiheit) fällt aber, da Angebote bindend sind.
Dabei handelt es sich klassischerweise nicht um
Selbstbedienungsläden
Dann fahr mal in irgendeinen Wallfahrtort in Bayern. Das sind sehr wohl Selbstbedieungsläden, dass die Regalwände nicht 100m lang sind wie bei Aldi ändert ja nichts an der Tatsache, dass ich die Madonnenfigur aus dem Regal nehme, zur Kasse gehe und dort bezahle.
und ich sehe für die Anwendung der o.g.
Grundsätze z.B. hier auch keinen Raum. Das (etwas
konstruierte) Problem kann man im Übrigen wieder unter
Anwendung der allgemeinen Regeln lösen, denn wie gesagt: Die
Willenserklärung ist ja auszulegen, außerdem unterliegt sie
der Gestaltungsfreiheit.
Und hier stossen wir auf das Problem: Du wirst mir vor, vom ergebnis auf den Tatbestand zu schließen. Du hingegen nimmst einen Tatbestand und versuchst auf biegen und brechen ein Ergebnis da rein zu quetschen. Wenn es aber nicht funktioniert wird frei nach Goethe verfahren:„Im Auslegen seit frisch und munter / Legt ihr’s nicht aus, so legt was unter“
Aber so einfach geht es nicht. Auf der einen Seite sagst Du, dass ein Angebot vorliegt, wenn das aber zu nem unbefriedigenden Ergebnis führt, soll solange ausgelegt bzw. der objektive Empfänger befragt werden, bis es passt. Da finde ich die hM doch sehr viel praktischer und einleuchtender: Es kann nämlich keinen Unterschied machen, ob ich sage „Guten Tag Herr Bäcker, ich möchte gerne ein 1kg Weissbrot kaufen, gehen Sie mit mir diesbezüglich einen Kaufvertrag ein?“ (unzweifelhaft ein Angebot meinerseits) oder ob ich zum Regal gehe mir das Brot aus dem Regal hole und es Bäcker auf die Verkaufstheke knalle.
Das entspricht nicht meiner Rechtsauffassung. Ein Kunde
betritt ein Geschäft und sieht einen Monitor für € 1,99; wie
darf er diese Etekettierung bei verständiger Würdigung
auslegen? Maßgeblich sind die §§ 157, 133, 242 BGB und - nein
- er darf nicht von einem Angebot zum Kaufpreis von € 1,99
ausgehen.
Du kennst doch sicher das Standardfällchen zum Thema Irrtum: A wird in der Stadt angesprochen ob er SPenden möchte und schreibt versehentlich in das Spendenformular 100,- statt 10,- €. Nach allgemeiner Auffassung kommt zwar ein Vertrag zustande, dieser kann aber wegen Irrtum angefochten werden. Worin besteht jetzt der Unterschied zu meinem Beispiel? Am Produkt? Dann nimm statt dessen einmal billig Kopfhörer für 1,99 € und CDs für 10,99 €. Darf der Kunde jetzt bei verständiger Würdigung auch nicht auf den Preis vertrauen? Wenn er aber auf den Preis vertrauen darf, und darin schon ein Angebot liegt, ist dieses gem. § 145 bindend, da beisst die Maus kein Faden ab. Und wenn das Angebot bindend ist, dann habe ich erstmal Anspruch darauf, dass der KV über die CD zum Preis von 1,99€ erfüllt wird. Zwar hat der Verkäufer die Möglichkeit anzufechten und diese würde auch ex tunc wirken, bis die Anfechtung wirksam ist, hat der Käufer aber einen Erfüllungsanspruch mit allem pipapo…
Aber selbst wenn: Du versuchst die ganze Zeit, meine Ansicht
mit den (vermeintlich) nachteiligen Ergebnissen zu
untermauern. So funktioniert Recht aber nicht. Du schließt vom
(gewünschten) Ergebnis auf den Tatbestand. Man muss aber vom
Tatbestand auf das Ergebnis schließen.
weil nicht sein kann, was nicht sein darf?
Habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht. Man kann das
ohne weiteres beim Tante-Emma-Laden anders sehen.
Kann man eben mE nicht. s.o.
gruß
Raoul