Hi Wolfgang,
…laut Deinem Posting bist Du ein Verfechter der
Aristokratie:
Mit der Ablehnung direkter Demokratie werde ich gewiß nicht
zum Verfechter absolutistischer Systeme.
Das habe ich nicht behauptet (Absolutismus). Jedoch bist Du per Definitionem ein Aristokrat. 
Von der Möglichkeit der Ausübung der direkten Demokratie in
deutschen Gemeinden habe ich bisher nicht viel mitbekommen.
Das habe ich nirgends behauptet.
Ich hatte Dich so verstanden, dass Du ein Beispiel für Direkte Demokratie bringen wolltest. Hast Du aber nicht.
Bleiben wir aber bei dem
Beispiel: Wer entscheiden will, was der Schulbus kosten darf,
muß sich mit dem Haushalt der Gemeinde im Detail beschäftigt
haben, braucht Kenntnisse über Finanzierungs- und
Fördermöglichkeiten und muß abwägen, welche anderen Ausgaben
womöglich zurückgestellt werden können.
Genau. Diese Unterlagen werden Dir auch mit dem Stimmzettel als kleines Büchlein zugestellt, in dem nicht nur der genaue Abstimmungstext (z.B. auch eine Gesetzestext), sondern auch die wichtigen Pro- und Contra-Argumente mit den möglichen Folgen in leicht verständlicher (nicht reißerischer) Sprache dargestellt sind, sowohl von den Antragstellern, wie auch von den Antragsgegnern. Das Büchlein hat ca. 5 Seiten pro Abstimmung, die leicht zu lesen sind. Schon alleine dadurch kann man zu einer Entscheidung kommen. Natürlich gibt es im Fernsehen auch Debatten, wo die Pro- und Contra-Argumente genauer erläutert werden und die Politiker sich kloppen 
Dass sich nicht jeder die Debatten anschaut, ist klar, die meisten jedoch lesen mindestens das Büchlein. Wer keine Meinung hat, gibt seinen Zettel leer ab, manche gehen auch gar nicht wählen (wenn sie keine Zeit haben, sich zu informieren z.B.)
Das ist mit Kreuzchen
und Bauchentscheidungen nicht zu machen.
Ich kann nicht umhin: es werden keine Kreuzchen gemacht! Es wird „ja“ oder „nein“ hingeschrieben. Mit Unterschrift und Pipapo. Außerdem gehst Du viel zu schnell davon aus, dass alle „aus dem Bauch heraus“ entscheiden. Abstimmungen gehen nicht von heute auf morgen. Für bundesweite Abstimmungen hat man tatsächliche mehrere Woche (manchmal Monate) Zeit, um sich zu entscheiden. „Aus dem Bauch heraus“ stimmen die wenigsten.
Außerdem: Wenn es darum geht, lauthals zu schreien, „Kaplan muss raus“, im Wissen, dass das Geschreie sowieso keine Folgen hat, ist das etwas ganz anderes, als ein Ausländergesetz abzulehnen oder anzunehmen, dass für ALLE Ausländer gilt.
Im Grunde sind die zu
treffenden Entscheidungen mit denen in einem
Wirtschaftsunternehmen vergleichbar. Wenn der selbständige
Schreinermeister die betrieblichen Entscheidungen von der
Putzfrau und vom Lehrling treffen läßt, fahrt das Unternehmen
binnen kurzer Frist an die Wand, weil den Entscheidungsträgern
der erforderliche Wissens- und Informationshintergrund fehlt.
Dein Vergleich hinkt vor allem in der Hinsicht, dass ja nicht die Putzfrau über den Schreinermeister entscheidet, sondern dass der Schreinermeister gemeinsam mit der Putzfrau und Lehrling (und allen anderen) zusammen Entscheidungen über die betrieblichen Entscheidung aller fällen. Weiterhin stellt der Schreinermeister die nötigen Informationen zusammen, damit auch die Putzfrau weiß, ob sie möchte, ob ihre Rente gekürzt wird, damit ihre Tochter noch eine Rente bekommt, oder ob sie ihre Rente behalten möchte, dafür bei ihrer Tochter erst gekürzt wird.
Dein Vergleich hinkt noch viel mehr, weil nämlich die Nation nicht den Politikern gehört und wir alle Putzfrauen oder Lehrlinge in ihrem Betrieb sind, sondern dass das Land eine Einheit bildet, in der alle gemeinsam im gleichen Boot sitzen. Oder zumindest sitzen sollten. Du hast in der Hinsicht wiederum Recht, dass sich die Politiker hier oft wie der Schreinermeister benehmen, indem sie nämlich den Gewinn abschöpfen und der Putzfrau den Lohn kürzen, um das Unternehmen aufrecht erhalten zu können, ohne dass die Putzfrau die Möglichkeit hätte, sich zu wehren (doch das ist wieder ein anderes Thema).
In der Politik wäre es weltfremd, zu glauben, daß sich Wähler
vor einer Entscheidung wochenlang sachkundig machen, um zu
einer fundierten Beurteilung zu kommen.
Wochenlang muss es auch gar nicht sein. Ganz ehrlich, so schwer ist es jetzt nun auch wieder nicht. Besonders, wenn man die Infos auf dem goldenen Tablett serviert bekommt.
Zurück zur Gemeinde: In jeder Gemeinde gibt es die Möglichkeit
der direkten Einflußnahme, indem der Bürger zu seinem
gewählten Vertreter geht und mit ihm redet.
Achso. Aber kann er direkt etwas entscheiden? Ich meine, reden kann ich auch viel mit anderen, aber ich kann trotzdem dann alleine entscheiden. Und die, welche mit mir reden, wissen das ja auch. Also kommen viele wahrscheinlich gar nicht, weil sie genau wissen, dass ich sowieso das mache, was ich will.
Es gibt stets die
Möglichkeit, in den öffentlichen Sitzungen Fragen zu stellen.
Fragen schön und gut, aber was soll das bringen? Damit kann ich doch nichts beeinflussen. Also warum sollte jemand hingehen und Fragen stellen?
Aber schon den Gang zu den öffentlichen Sitzungen halten
praktisch alle Bürgern für überflüssig.
Genau. Weil sie nämlich nichts bewirken können.
Das sind also Leute
ohne den geringsten Informationshintergrund.
Völlig richtig. Und warum informieren sie sich nicht? Weil es sich nicht lohnt. Weil man sowieso nichts machen kann.
Ich habe mich ebenfalls gründlich über die Einführung von Studiengebühren hier in Hessen informiert, bin mit an Demos, habe mit meiner Unterschrift Aktionen unterstüzt etc etc… und was hat es gebracht? NIchts als verlorene Zeit und Liebesmüh.
Wenn ich aber hätte „nein“ auf einen Zettel schreiben können (und andere auch) - meinst Du nicht, die Leute hätten sich mehr für dieses Thema interessiert? Viele meiner Kommilitonen meinten „es wird doch sowieso durchgedrückt, ich kann ja nichts machen, also interessiert es mich auch nicht“. Das Desinteresse liegt im System selbst begründet.
Jeder Bürger kann sich auf Gemeindeebene ohne viel Aufwand in
das Entscheidungsgremium, den Gemeinderat, wählen lassen.
Du willst mir nicht erzählen, dass ein ganzes Dorf (gleichzeitig) im Gemeinderat sitzen kann, oder?
Eine direkte Demokratie um der reinen Lehre willen halte ich
für eine schöne Illusion, der die Mehrheit der Menschen in
Deutschland nicht gerecht werden kann.
Ich finde es immer wieder traurig, wie wenig Selbstbewusstsein viele Deutschen besitzen 
Also ist für Dich die Schweiz das Land mit den meisten
Schwächen in Mitteleuropa?
Habe ich das behauptet?
Ja, ich zitiere:
„Mit direkter Demokratie triebe man die Schwächen einer Demokratie auf die Spitze.“
Die Schweiz hat sehr viel Direkte Demokratie (verglichen mit den sie umgebenden Staaten). Sie müsste daher das Land mit den meisten Schwächen in Mitteleuropa sein.
Und die Schweizer sind gar nicht so anders als die Deutschen…
Mit einer Aussage hast Du allerdings Recht: „Dieses Volk ist mehrheitlich weit von politischer Reife entfernt“ - wenn die Mehrheit so denkt wie Du. Schade.
Gute Grüße,
Mirjam
PS: ich kann Dir gerne mal das „Abstimmungsbüchlein“ der letzten eidgenössischen Abstimmung schicken, wenn Du Dich dafür interessierst (es liegt hier noch bei mir im Wohnzimmer herum)