Westfernsehen in DDR: Wer hat's gesehen? Strafen?

Hallo Wissende,

die Leute in der DDR haben ja Westfernsehen gesehen bzw. Radio gehört. Ich wüsste gerne, wie weit verbreitet das war. Hat das (fast) jeder gemacht? Oder nur einige Leute, die dem Regime ohnehin schon kritisch gegenüber standen?

Und was hat man gesehen bzw. gehört? Nur schnell die Nachrichten mit Kopfhörer, und dann schnell wieder auf den „richtigen“ Sender umgeschaltet, oder auch mal die neueste Folge von Knight Rider weil’s so schön war?

Und schließlich: Was ist passiert, wenn man erwischt wurde?

Schöne Grüße

Petra

Moin,
ich bin zwar Wessi, war aber bis zur Wende fast jeden Sommer in der DDR, weil wir dort Verwandschaft hatten.

Hat das
(fast) jeder gemacht? Oder nur einige Leute, die dem Regime
ohnehin schon kritisch gegenüber standen?

Nach meiner Beobachtung hat das jeder gemacht, selbst die sonst 104 %igen kannten Details aus Westserien :wink:

Und was hat man gesehen bzw. gehört? Nur schnell die
Nachrichten mit Kopfhörer, und dann schnell wieder auf den
„richtigen“ Sender umgeschaltet, oder auch mal die neueste
Folge von Knight Rider weil’s so schön war?

Die meisten schauten sich die Nachrichten an, das ZDF-Magazin wurde als interessante Kontraproduktion zum Schwarzen Kanal geschätzt.
Beide Sendungen waren als tendentiell bekannt.
Die Westserien waren zwar auch von Interesse, aber nicht so hoch im Kurs wie die Nachrichten.

Und schließlich: Was ist passiert, wenn man erwischt wurde?

Es wurde zwar nicht an die große Glocke gehängt daß man Westfernsehen schaut, man guckte es aber auch nicht unter der Bettdecke.
Eine Tante meines Vaters war bei der Stasi und schaute auch West.
Ich weiß auch gar nicht mehr, ob das Schauen von Westsendern verboten oder nur verpönt war.

Gandalf

Hi
wer’s empfangen konnte hat’s geschaut. Einige Gegenden waren da halt benachteiligt… das „Tal der Ahnungslosen“ z.B.
Wir Westler haben ja auch mit Begeisterung Ostfernsehn geschaut wenn die Sendereichweite reichte. Ostsandmann war immer der bessere Sandmann.
Und den Schwarzen Kanal konnte man sich doch nicht entgehen lassen… bessere Comedy gab’s nie wieder.

pita

Hallo Pita,

ooch … bis zu uns hat das DDR-Fernsehen leider nicht gereicht. Kein Ostsandmann für mich. Nur der ORF1 hat’s geschafft, der ORF2 schon nicht mehr.

Schöne Grüße

Petra

Hallo Petra,

die Leute in der DDR haben ja Westfernsehen gesehen bzw. Radio
gehört. Ich wüsste gerne, wie weit verbreitet das war. Hat das
(fast) jeder gemacht?

Ja, fast jeder, der im Empfangsbereich lag. Ich habe Bekannte, die Kinder von Genossen waren, die mir sagten, daß ihre Eltern tatsächlich kein Westen gesehen bzw. gehört haben, aber sonst wirklich jeder.

Und was hat man gesehen bzw. gehört?

Tagesschau, Tatort, Filme, Unterhaltungssendungen, Report, Kennzeichen D, Sport, eigentlich fast alles.

Nur schnell die
Nachrichten mit Kopfhörer, und dann schnell wieder auf den
„richtigen“ Sender umgeschaltet

Nein, das ist Unsinn. Offiziell war es ja, soviel ich weiss, nie verboten (bis auf die Armee). Keine Ahnung, wie es sich mit Stasi-Angehörigen verhielt.

Und schließlich: Was ist passiert, wenn man erwischt wurde?

Nichts. Die DDR war ein Überwachungsstaat, aber keiner hat an der Tür gelauscht, welchen Sender man hörte oder sah.
Je nach Zeit konnte es im Zusammenhang mit anderen Dingen unangenehm werden. Um es konkret zu machen, in den harten 50-er Jahren konnte es schon strafverschärfend werden, wenn man aus realen oder vermeintlichen Gründen in die Mühlen der Justiz geriet und dann noch als RIAS-Hörer „entlarvt“ wurde.
So ca. 1961 gab es die „Aktion Ochsenkopf“, in der eifrige FDJ-ler auf die Dächer stiegen und den Leuten die Westantennen abmontierten.
http://wissen.spiegel.de/wissen/image/show.html?did=…
Aber das war eine sehr kurze Aktion, vielleicht maximal ein halbes Jahr lang, die bald wieder abgeblasen wurde, weil es mehr Ärger als Nutzen brachte.
Spätestens seit den 70-er Jahren war „Westfernsehen“ relativ unproblematisch. Allerdings tat z.B. ein Ingenieur klug daran, nicht pausenlos auszuposaunen, was er gestern im Westfernsehen gesehen hatte, wenn eine Beförderung anstand und sein konkurrierender Kollege, der sich linientreuer gab, ebenfalls Aussichten auf die Beförderung hatte.
Ähnliches galt für die Schule. Mit seinen Klassenkameraden konnte man schon über den Beat-Club diskutieren, aber den Staatsbürgerkundelehrer mit Argumenten aus dem Westfernsehen zu kommen tat man wahrscheinlich nur, wenn die eigene Einstellung eh schon bekannt war. Der Zulassung für die Erweiterte Oberschule (=Abitur) war es gewiss nicht förderlich.
Noch genauer (und auch wissenschaftlicher) erfährst Du hier was:
http://www.bpb.de/publikationen/K3L7NU,0,Die_ARD_in_…
und hier:
http://www.scheida.at/scheida/Televisionen_DDR.htm
(speziell 10. und 11.)

Viele Grüße
Marvin

na, als direkter Hauptstadt-Nachbar hatten wir alles, Osten, Westen, Amis, Briten, Franzosen… an Russisch-TV kann ich mich nicht erinnern… 4 Panzersoldaten und ein Hund…

an Russisch-TV kann ich

mich nicht erinnern… 4 Panzersoldaten und ein Hund…

Das war eine polnische Serie und kam auf DDR1

http://de.wikipedia.org/wiki/Vier_Panzersoldaten_und…

Fast alle
Hallo,

die Leute in der DDR haben ja Westfernsehen gesehen bzw.
Radio gehört.

Ja, und das sehr regelmäßig und intensiv.

Da gab es einen netten Witz:

Omas FS geht nicht und sie bestellt den Fernsehmechaniker.
Der schaut sich das Gerät an und stellt fest, es steht 
auf Kanal 7 (=Westfernsehen). 
Fragt er, ob Oma viel Westfernsehen schaut.
Antwort: Nö,nö, nur Montags wenn "Der Alte Film" kommt,
schalte ich mal nach drüben. 

Falls du den nicht verstehst, frage noch mal nach oder
lese hier: (etwas versteckt am Ende des 1. Absatzes)
http://de.wikipedia.org/wiki/Willi_Schwabes_Rumpelka…

Ich wüsste gerne, wie weit verbreitet das war.

Sehr weit verbreitet. Soweit man irgendwie die
Möglichkeit hatte, eine Antenne (auch große Bauformen)
nach einem Westsender auszurichten, wurde West-FS geschaut.
Die Empfangsbedingungen waren freilich nicht überall gut,
aber bis über 200km Entfernung konnte man überbrücken.
Da reichte schon allein der Umkreis von Westberlin, um
weite Gebiete auch im Nord-Osten bis Südosten zu erreichen.

Der Streifen entlang der Grenze war ja auch gut abgedeckt,
da die westlichen „Kalten Krieger“ freilich der Meinung
waren, ihre Botschaft nach dem Osten senden zu müssen,
und das ganz auch noch ohne GEZ-Einnahmen :wink:

Pech hatten nur Leute in Tälern weiter entfernt, weil da
nix mehr rein kam („Tal der Ahnungslosen“).

Hat das (fast) jeder gemacht?

Ja, obwohl nicht jeder damit geprahlt hat.

Oder nur einige Leute, die dem Regime
ohnehin schon kritisch gegenüber standen?

Und was hat man gesehen bzw. gehört?

Alles, je nach Interessengebieten.

Und schließlich: Was ist passiert, wenn man erwischt wurde?

Normal nix.

Es gab auch Zeiten in den 60iger Jahren, wo in manchen
Städten von etwas radikalen jungen Genossen den Leuten
die Westantenne abgesägt wurde. Aber das waren wohl
tatsächlich nur seltene Ausnahmen im „Klassenkampf“.

Ansonsten hat man natürlich gegen das Westfernsehen
propagiert, aber selbst unter guten Genossen (der SED)
war das nicht groß der Rede wert, wenn man privat WF hatte.

Um so was zu begründen, hat man z.B. argumentiert,
dass man Westfernsehen sehen muß, um zu wissen,
mit welchen Methoden der Klassenfeind so arbeitet.

Es gab allerdings auch Ausnahmen bei der Freizügigkeit.
In öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Heime,
Jugendherbergen, Armee, Polizei usw.) war Westfernsehen
in der Regel durch Hausordnung oder Dienstbefehle usw.
verboten.
Um das durchzusetzen wurde teilweise die Möglichkeit zur
Senderwahl so blockiert, so dass nur noch Ostfernsehen
funktioniert hat. Findige Bastler haben aber des öfteren
die Blockade entfernt und dann heimlich WF konsumiert.
Da gab es gelegentlich Streß mit Vorgesetzten oder Leitern.
Gruß Uwi

Hallo,

an Russisch-TV kann ich

mich nicht erinnern… 4 Panzersoldaten und ein Hund…

Das war eine polnische Serie und kam auf DDR1
http://de.wikipedia.org/wiki/Vier_Panzersoldaten_und…

genau, eine Kombination, aus McGuyver, A-Team und Lassie,
aber alle zusammen kommen da nicht ran :wink:
Gruß Uwi

Hallo,

alle außer den ARD Bürgern - Außer Raum Dresden!

Gruß
Hans

ja, sag ich doch, ich kann mich nicht an russisches TV erinnern. 4PS hab ich natürlich im DDR1 gesehn.

Huhu Petra,

Zur Ergänzung: Armeeangehörige durften offiziell natürlich kein Westfernsehen sehen. Seltsam war nur, dass sich NVA-Offiziere und -Fähnriche in Dallas und Denver damals so genau auskannten. Sicher haben die nur die Zusammenfassung der Abteilung Aufklärung gelesen. Aber interessant fand ich die Gespräche damals schon.
Im Tal der Ahnungslosen, also Sachsen, gab es Dörfer, in denen alle anpackten, Schächte aushoben, Kabel verlegten, eine Satellitenanlage im Großformat bauten und deren Signale in ebenjene Kabel speisten.
Natürlich erst in den 1980ern.

Strubbel
F:open_mouth:)

Hallo Strubbel,

Im Tal der Ahnungslosen, also Sachsen

Da fühle ich mich doch an meiner Sachsen-Ehre gepackt :wink: und muß das präzisieren. Keinesfalls ganz Sachsen, sondern nur ein kleiner, unbedeutender Teil davon, nämlich Dresden und weitere Umgebung war ahnungslos :wink:
Außerdem musste sich natürlich ein Teil der Fischköppe (Rügen und östliches Mecklenburg) mit dem DDR-Fernsehen begnügen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Westfernsehen#Reichweit…

Viele Grüße
Marvin

Tach Marvin,

ich hab ja nicht ganz Sachsen geschrieben. Selbst bei Dresden, uffn Berg, konnte man WF empfangen. Nu!
In MV konnte man mit starken Antennen sowohl Westfernsehen, als auch Nordfernsehen empfangen: Schweden. Wichtig bei Musikvideos usw.

Strubbel
V:open_mouth:)

Es gab auch Zeiten in den 60iger Jahren, wo in manchen
Städten von etwas radikalen jungen Genossen den Leuten
die Westantenne abgesägt wurde.

War das die Sache mit den „Ochsenköpfen“? Ich hab da mal was gelesen über Maßnahmen gegen den Sender auf dem Ochsenkopf.
Und die Fragen im Kindergarten, ob die Fernsehuhr Punkte oder Striche für die Minuten hat - Legende oder Wirklichkeit? Das ließe dann doch auf ein gewisses Maß an Bespitzelung schließen, falls es systematisch gemacht worden wäre.
Beste Grüße!
H.

Alle die konnten haben geschaut und es hat niemanden interessiert. In meiner Klasse haben wir uns auf dem Pausenhof immer über die letzte MacGyver-Folge unterhalten und da konnte man gut sehen, dass zumindest von den Jungs jeder geschaut hat.

Bei uns wurde quasi nie DDR1 oder DDR2 geschaut. Allein schon wegen der Sesamstrasse, der Sendung mit der Maus und Hallo Spencer, die meine Kindheit durchaus geprägt haben…

Meine Großeltern sahen das schon kritischer, aber natürlich hatten auch die die ganzen Westsender in ihren Fernseher programmiert.

Hallo,

Es gab auch Zeiten in den 60iger Jahren, wo in manchen
Städten von etwas radikalen jungen Genossen den Leuten
die Westantenne abgesägt wurde.

War das die Sache mit den „Ochsenköpfen“? Ich hab da mal was
gelesen über Maßnahmen gegen den Sender auf dem Ochsenkopf.

??? Davon weiß ich jetz nix.

Und die Fragen im Kindergarten, ob die Fernsehuhr Punkte oder
Striche für die Minuten hat - Legende oder Wirklichkeit?

Im großen und ganzen hat es nicht interessiert und
Kindergartenkinder verraten sich viel einfacher, wenn sie
z.B. vom Krümelmonster oder Kermit der Frosch reden.

Das ließe dann doch auf ein gewisses Maß an Bespitzelung
schließen, falls es systematisch gemacht worden wäre.

Ach, du meist das die StaSi Kindergärten bespitzel mußte,
um rauszubekommen, was eh jeder weiß?
Gruß Uwi

Hallo Hannes,

War das die Sache mit den „Ochsenköpfen“?

Ja.

Ich hab da mal was
gelesen über Maßnahmen gegen den Sender auf dem Ochsenkopf.

Weniger gegen den Sender, sondern mehr gegen die Antennen auf dem Dach.

Und die Fragen im Kindergarten, ob die Fernsehuhr Punkte oder
Striche für die Minuten hat - Legende oder Wirklichkeit?

Das habe ich schon in der DDR gehört, halte es aber für eine „Urban legend“. Jedenfalls habe ich noch nie jemanden getroffen, dem solch eine Frage im Kindergarten oder in der Schule gestellt wurde. Dies entsprang wohl mehr der unbewussten Furcht, daß solch ein „unsozialistisches Verhalten“ zu „Minuspunkten“ in der Personalakte und damit zu Nachteilen im Leben führen könnte. Schliesslich hat die DDR als totalitärer Staat immer wieder ein persönliches Bekenntnis zum Sozialismus und zum sozialistischen Staat eingefordert. Selbst solche scheinbar privaten Dinge wie die Bewerbung um eine Neubauwohnung, Urlaubsplatz im Ferienheim an der Ostsee, Zulassung des Sohnes für die Erweiterte Oberschule, Jahresendprämie usw. waren u.a. von der Einschätzung der politischen Einstellung abhängig. War man „gesellschaftlich aktiv“, „eine gefestigte sozialistische Persönlichkeit“, so hatte man bessere Chancen als jemand, der noch „keinen festen Klassenstandpunkt“ besaß oder gar als „feindlich-negativ“ eingeschätzt wurde.

ließe dann doch auf ein gewisses Maß an Bespitzelung
schließen, falls es systematisch gemacht worden wäre.

„gewisses Maß an Bespitzelung“ ist gut gesagt :wink: Schliesslich folgte die Stasi der Devise ihres Chefs „Genossen, wir müssen alles wissen“, „An uns darf nichts vorbeigehen!“. Aber das hat sie gründlicher gemacht als mit der Befragung von Kleinkindern nach Punkten oder Strichen auf der Fernsehuhr :wink:
Apropos Fernsehuhr, auch an die westliche Fernsehuhr knüpft sich solch eine östliche Legende: Zu meiner Jugendzeit ging das Gerücht, wenn in der ARD-Fernsehuhr ein bestimmtes Zeichen erschien (welches ist mir nicht mehr erinnerlich), kam 15 Minuten nach offiziellem Sendeschluss ein kurzer Striptease-Film…
Zu meiner großen Enttäuschung habe ich dieses Zeichen nie gesehen :frowning:

Viele Grüße
Marvin

1 Like

Besten Dank für die Antwort!

Ich hab da mal was
gelesen über Maßnahmen gegen den Sender auf dem Ochsenkopf.

Weniger gegen den Sender, sondern mehr gegen die Antennen auf
dem Dach.

Wenn ich mich an den Bericht recht erinnere, wurden die auf dem Dach irgendwie umgedreht. Von den Jungen Pionieren, denke ich
Freundlichen Gruß!
H.

Hallo,

Von den Jungen Pionieren, denke ich

Du solltest nicht allen Unsinn glaube, der dir irgendwo
erzählt wird, von wegen StaSi im Kindergarten und so …

Junge Pionier waren die Schüler der Klassen 1-4 (also
ca. 6-11 Jahre alt).
Dass diese KINDER auf dem Dach politisch motiviert Antennen
verbogen hätten, halte ich für eine ziemlich sinnlose
Behauptung.
Gruß Uwi