Wie ist zur Zeit das 'normale Leben' im Irak?

Hallo,

wie man allerüberall im Blätterwald verfolgen kann, ist der Irak nur dann eine Meldung wert, wenn mal wieder bei einer Explosion oder sonstigen Massakern soundsoviele Menschen oder Prominente ums Leben kommen. Das normale Leben, insbesondere die Entwicklung „der“ bzw. einer Demokratie scheint nur peripher interessant, wenngleich doch genau dies meines Erachtens ebenfalls zum Wesentlichen des Vor-Ort-Geschehens gehört. Wie lebt man zur Zeit im Irak, wo doch eben nicht zu jeder Tages und Nachtzeit an allen erdenklichen Orten Sprengsätze etc. explodieren. Dieses „normale“ Leben, in welchem gelacht, geweint, geliebt, gedacht, gearbeitet, spazierengegangen, im Gym geschwitzt, diskutiert, im Internet gesurft wird etc. pp. WIE IST DAS?? Wie denkt der normale Iraker inzwischen über „Ungläubige“? Sind diese nach wie vor der letzte Dreck, lebensunwertes Leben, das man nach eigenem Ermessen abmetzeln oder auch nur mit mit Häme überziehen kann? Inwieweit hat sich die neue Regierung bereits formiert? Gibt es bereits neue Gesetze, auf deren Fundament das Alltagsleben in geordneten und für die Mehrheit zufriedenstellenden Bahnen verläuft, ohne Terror und allgegenwärtige Angst?

Wie verhalten sich die Frauen? Laufen sie nach wie vor verschleiert herum oder beginnen sie bereits neue Freiheiten zu genießen und sich den „Herren der Schöpfung“ ebenbürtig zu fühlen?

Gruß
Uwe

Moin Uwe,

hast du dich mal damit beschäfigt, wie das Leben im Irak vor dem Überfall der USA aussah ?

Wie denkt der normale
Iraker inzwischen über „Ungläubige“? Sind diese nach wie vor
der letzte Dreck, lebensunwertes Leben, das man nach eigenem
Ermessen abmetzeln oder auch nur mit mit Häme überziehen kann?

Wieso „inzwischen“ ? Unter Saddam Hussein war der Irak eines der am westlichsten geprägten arabischen Länder. Hussein war schließlich der Mann der USA, bevor er sich zu stelbständig machte. Religiöser Fundamentalismus und Verdammung von „Ungläubigen“ dürfte unter Hussein weniger eine Rolle gespielt haben.

Wie verhalten sich die Frauen? Laufen sie nach wie vor
verschleiert herum oder beginnen sie bereits neue Freiheiten
zu genießen und sich den „Herren der Schöpfung“ ebenbürtig zu
fühlen?

Auch hier: Die Situation der Frauen im Irak war ausgesprochen gleichberechtigt. Das Familienrecht z.B. war westlich orientiert und bot Frauen ähnliche Sicherheiten wie in westlichen Ländern. Damit ist seit dem Fall Husseins und dem Nachgeben der USA vor religiösem Fundamentalismus, die Scharia wieder als Grundlage des Rechts einzusetzen, leider Schluss. Die Lage der Frauen dürfte sich somit eindeutig verschlechtert haben.

http://members.aol.com/sozlmn/040315.htm
http://www.gsoa.ch/gsoa/zeitung/110/index.php?select…

Und hier noch eine Stimme zur Gesamtsituation:
http://www.irinnews.org/report.asp?ReportID=43408&Se…

Fazit: Für die normalen Menschen im Irak scheint sich wohl kaum was verbessert zu haben, ganz im Gegenteil.

Gruß
Marion

Hi,

hier ein Artikel dazu:

http://www.sueddeutsche.de/,kull4/kultur/artikel/707…

Es gibt außerdem auch eine Menge Blogs aus dem Iraq - dieser hier enthält Links zu vielen weiteren:

http://healingiraq.blogspot.com/

Keine Ahnung allerdings, wie authentisch bzw. unabhängig die jeweils sind.

Messalina

Hallo,

der Irak und Syrien waren beides laizistische, sozialistisch orientierte Staaten. Im Irak gab es in den letzten Jahren vor dem zweiten Irakkrieg schon eine schleichende Hinwendung an den Islamismus, jetzt nach der Eroberung durch die Amerikaner und ihre Verbündeten wird der Irak immer mehr zu einer islamistischen Gesellschaft.

Ich bin eine syrische Christin und kann, wenn ich in der Heimat bin, ohne Schleier auf die Strasse gehen, ich kann in Diskotheken gehen und ich kann auch in einem Restaurant alleine mit meiner Mutter essen und einen Wein trinken (in Damaskus).

Im Libanon ist es noch, zumindestens in Beirut, ähnlich tolerant.

Natürlich ist die Stellung der Frau nicht zu vergleichen mit Mitteleuropa, aber für ein Land mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung ist es sehr gut.

Ich persönlich habe starke Angst, dass es sich in Syrien ähnlich zum schlechten verändern könnte wie im Irak, wenn durch den aussenpolitischen Druck das politische System zusammenbricht.

Trotzdem erkenne ich aber auch, dass es Defizite bei Demokratie und Menschenrechten gibt.

Gruß

Tahere

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Und ganz nebenbei haben noch echte Wahlen stattgefunden. Ist aber nicht nötig, das zu berücksichtigen. War doch so kuschelig unter Saddam.

Ach ja und als Kurde oder Schiite hat es sich ja auch soooo gut im Irak gelebt.
Und, ach Gott, war das immer ein heiteres Späßchen wenn ganze Straßenzüge platt gemacht wurden und deren Bewohner in irgendwelchen Geheimpolizeikellern gelandet sind, nur weil jemand behauptet hat da wohne ein Dissident…

Ach Pendragon, hör doch auf. Es war richtig schlimm vorher…
FÜr die Irakis muss es ein Weg vom Regen in die Traufe bedeutet haben nach dem Krieg, allerdings besteht die Chance, dass es sich bessert. Die bestand vorher nicht.

grüße
Raoul

hallo,

Welche Iraker meinst Du denn?

  • Kurden im Norden
  • Sunniten im Kurdengebiet
  • Sunniten im Zentralgebiet
  • Shiiten im Sunnitengebiet
  • Shiiten im Süden

Am interessantesten ist das Leben wahrscheinlich
in Falludscha. Dort herrscht ein wenig
Stalingrad-Flair.

Die Kurden spielen jetzt „Saddam“ mit den Sunniten,
die Shiiten spielen „Saddam“ mit den Christen
und den Sunniten.

Das ist das normale Leben. Entscheidend wird es sein,
wie die generalsposten in der Armee verteilt werden.

Diese werden die Shiiten und die Kurden unter sich
aufteilen. Die Sunniten werden praktisch zu den
„neuen Kurden“.

Grüße

CMБ

Moin,

Ach ja und als Kurde oder Schiite hat es sich ja auch soooo
gut im Irak gelebt.

Ich erlaube mir, John Pace, den Chef des UN Human Rights Office für den Irak aus dem von mir verlinkten Interview (lesen bildet) zu zitieren:

"Q: Do you think that the human rights situation in Iraq is better now than under Saddam Hussein?

A: In some respects it is, in some respects it is not. If you take it from the point of view of the individual, it is very very bad, if you belong to one group or another. The absence of protection of the individual, and the state of near anarchy in some areas reflect a negative human rights situation. Under Saddam certain groups were favoured, others were not. So
those who were favoured are now suffering. And those who were not also do not have protection of their rights."

Brauchst du eine Übersetzung ?
Oder hast du vielleicht besser Quellen ?

Gruß
Marion

Hi,
weder noch. Aber: Ich habe ja geschrieben, dass es für die meisten Iraker ein Weg vom Regen in die Traufe gewesen ist. Auch habe ich nie bestritten, dass die Amis versucht haben, den „Teufel mit dem Bezelbub auszutreiben“. Allerdings: Was mich an der ganzen Diskussion seit beginn des Krieges stört, ist die Verdrehung der Tatsachen. Saddam wird als kleiner armer Diktator und die Amis als böse Imperialisten dargestellt. Die Idee der Amis war richtig (einen Diktator abzusetzen). Der Weg allerdings war grundverkehrt. Dem stimme ich ja uneingeschränkt zu, nur besteht jetzt wenigstens die Chance, dass sich der Irak hin zum besseren wendet, diese Chance bestand vorher nicht.
grüße
Raoul

Moin,

Was
mich an der ganzen Diskussion seit beginn des Krieges stört,
ist die Verdrehung der Tatsachen. Saddam wird als kleiner
armer Diktator und die Amis als böse Imperialisten
dargestellt.

Wenn jemand das so platt darstellen würde, würde mich das auch stören. Bei der Ausgangsfrage ging es jedoch um die Lebenssituation der Menschen, speziell die der Frauen im Irak, und darauf hab ich mit Verweis auf entsprechende Quellen versucht eine Antwort zu geben.

Was stört dich daran ?

Wenn du das Regime unter Hussein und die Situation unter der amerikanischen Militärbesatzung bewerten willst, brauchst du Kritierien, und eine davon kann die Lebenssituation der Menschen sein.

Die Idee der Amis war richtig (einen Diktator
abzusetzen). Der Weg allerdings war grundverkehrt. Dem stimme
ich ja uneingeschränkt zu, nur besteht jetzt wenigstens die
Chance, dass sich der Irak hin zum besseren wendet,

Das sehe ich als reines Wunschdenken.

diese
Chance bestand vorher nicht.

Das sehe ich anders. Es impliziert nämlich, dass nur ein militärischer Einmarsch in den Irak als einziges Mittel eine Verbesserung der Verhältnisse schaffen konnte. Das sehe ich anders. Es gab druchaus Alternativen, aber diese haben wir ja vor Jahren hier schon diskutiert.

Gruß
Marion

Hi,
weder noch. Aber: Ich habe ja geschrieben, dass es für die
meisten Iraker ein Weg vom Regen in die Traufe gewesen ist.
Auch habe ich nie bestritten, dass die Amis versucht haben,
den „Teufel mit dem Bezelbub auszutreiben“. Allerdings: Was
mich an der ganzen Diskussion seit beginn des Krieges stört,
ist die Verdrehung der Tatsachen. Saddam wird als kleiner
armer Diktator und die Amis als böse Imperialisten
dargestellt.

Dass Saddam unschuldig oder gar nett war, hat doch keiner behauptet. Aber das heisst es keineswegs, dass die Amis besser wären! Es gibt einen interessanten Brief eines Irakers an den den US-Präsidenten Bush:
http://www.tomdispatch.com/indexprint.mhtml?pid=2222
(weiter unten unter „To The Honorable Mr. George W. Bush, The President of the United States of America“)
oder auf deutsch:
http://www.freace.de/artikel/200503/080305a.html

Die Idee der Amis war richtig (einen Diktator
abzusetzen). Der Weg allerdings war grundverkehrt.

Die Idee war nicht einen Diktator abzusetzen, denn diese Idee hätte sich nicht rentiert! Die Idee war und ist die Vorherrschaft zu bekräftigen. Da ist ein grosser Unterschied zwischen!

nur besteht jetzt wenigstens die
Chance, dass sich der Irak hin zum besseren wendet, diese
Chance bestand vorher nicht.

Warum sollte es unter Saddam keine Chance zur Besserung gegeben haben? Im schlimmsten Falle hätten sie auf seinen Tod warten müssen. Ich sehe das im Gegenteil: Für den normalen Menschen ist die Lage inzwischen schlimmer, denn ein US-Präsident folgt dem nächsten und wie wir an den Wahlen sehen konnten: so richtig grosse Unterschied gibt es zwischen ihnen nicht!

Gruss, Omar Abo-Namous

hi

Dass Saddam unschuldig oder gar nett war, hat doch keiner
behauptet. Aber das heisst es keineswegs, dass die Amis besser
wären! Es gibt einen interessanten Brief eines Irakers an den
den US-Präsidenten Bush:

Naja, das ist ein Beispiel. Ich habe heut zufällig im Focus vom 22. März 2004 geblättert. Da war eine Umfrage unter Irakern drin. knapp 56 % haben den Einmarsch der Amerikanern gut geheißen, 22% waren sich unklar, der Rest dagegen.

Die Idee war nicht einen Diktator abzusetzen, denn diese Idee
hätte sich nicht rentiert! Die Idee war und ist die
Vorherrschaft zu bekräftigen. Da ist ein grosser Unterschied
zwischen!

Falsch. Lies mal die Einschätzungen von diversen Amerika Beobachtern etc. G.W.Bush ist wirklich ein Novum. Aber weisst Du warum? Vor G.W. wollten die Amerikanischen Präsidenten mit ihrer Aussenpolitik nur die Interessen Amerikas verteidigen (und zwar alle auch J.F.K etc.). Bush hat die (mag sein fixe) Idee, die Amerikanische Idee zu verteidigen. Also Freiheit etc. Und das ist eigentlich eine sehr gute Idee. Leider schlecht umgesetzt. Und dabei geht es ihm (nach Ansicht der Beobachter) nur zweitrangig um die Interessen Amerikas.

Warum sollte es unter Saddam keine Chance zur Besserung
gegeben haben? Im schlimmsten Falle hätten sie auf seinen Tod
warten müssen.

Ist das nicht schlimm???

Ich sehe das im Gegenteil: Für den normalen

Menschen ist die Lage inzwischen schlimmer, denn ein
US-Präsident folgt dem nächsten und wie wir an den Wahlen
sehen konnten: so richtig grosse Unterschied gibt es zwischen
ihnen nicht!

WAS??? das ist eine sehr fundamentale Ansicht! Die musst Du mir erklären!

Gruss, Omar Abo-Namous

ebensolchen…

hi raoul,

(und zwar alle auch J.F.K etc.). Bush hat die (mag sein fixe)
Idee, die Amerikanische Idee zu verteidigen. Also Freiheit
etc. Und das ist eigentlich eine sehr gute Idee. Leider
schlecht umgesetzt. Und dabei geht es ihm (nach Ansicht der
Beobachter) nur zweitrangig um die Interessen Amerikas.

also, wenn bush die freiheit als amerikanische idee verteidigen will, soll er doch erstmal vor der eigenen tür kehren. unter keiner us-regierung wurden die freiheitsrechte im inneren so massiv beschnitten wie unter bush.

grüße,

barbara

Anarchie oder Medienhype?
Hallo,

ich möchte hier nicht unnötig provozieren, aber ich haben zum Irak eine etwas anderen Standpunkt.

Mir ist nicht so ganz klar, was im Irak derzeit so schlimm sein soll. Unsere Berichterstattung fokusiert täglich auf die Anschläge in zwei, drei Städten im Irak. Doch wenn man sich mal nüchtern den Bodycount anschaut, dann kann man wohl kaum von Bürgerkrieg, nicht mal wirklich von größeren Unruhen sprechen. Wir reden hier von 20 bis 30 Zivilisten pro Tag, da ist der deutsche Straßenverkehr genauso schrecklich (auch wenn es nicht der beste Vergleich ist).
Man sollte sich mal überlegen, was alles nicht passiert (bzw. von was es bisher keine Meldung gab). Es gibt keine Massaker, keine ethnischen Säuberungen, keine verbreitete Selbstjustiz, keine humanitäre Katastrophe, fast keine Warlords (im Gegensatz zu Afgahnistan) und der Widerstand ist relativ zur Größe des Landes doch sehr gering. Kein Vergleich zu dem, was z.B. auf dem Balkan passiert ist.
Dabei würde es dem Widerstand weder an Geld noch an Waffen fehlen. Selbst mit der internationalen Unterstützung und dem Rückzugsgebiet Iran ist der Widerstand lächerlich schwach. Fehlt es an der Unterstützung im Irak?
Für meine Begriffe scheinen die Amerikaner doch die Lage sehr gut unter Kontrolle zu haben. Selbst die Wahlen sind gut verlaufen… wer hätte das gedacht?

Ich war selbst vor zwei Jahren streng gegen den Krieg und habe auch heute noch moralische Bedenken. Doch war ich auch damals (und damit in Deutschland wohl kaum allein) überzeugt, dass die Besatzung eine Katastrophe wird. Doch jetzt sehe ich keine Katastrophe, auch wenn die Medien es gerne mal so darstellen („only bad news are good news“).

Sehe ich das falsch?

Viele Grüße,
Hannes

Hallo,

deinen „bodycount“, deine „20 bis 30 Zivilisten pro Tag“, das finde ich ziemlich zynisch.

Gruß

Tahere

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

aber er ist ehrlich! owt
.

Wieso, wird Zynismus besser, wenn er ehrlich ist?

M.

Wieso, wird Zynismus besser, wenn er ehrlich ist?

wer sagt denn sowas?

cu
alex

Wieso, wird Zynismus besser, wenn er ehrlich ist?

wer sagt denn sowas?

Was sonst wollten Sie damit sagen?

Messalina

Hallo,

wenn ich den Thread neutral durchlese, wollte er wahrscheinlich sagen, daß der User Hannes ehrlich, ohne zu schönen, etwas zu einem Sachverhalt schrieb.

Der User Alex bestritt nicht, daß der Post zynisch war, auch wenn Ihr krankes Hirn dies interpretiert.

Sollte ich falsch liegen bitte ich um Korrektur.

Gruß
N.