Wie sich selbst entdecken?

Buddhanatur vs. Materialismus
Hi Claus.

Natürlich besteht die Buddhanatur unabhängig vom Körper und
vom Ich.

Ähm, wie willst du das beweisen? Das ist Glaube, kein Wissen!

Doch, es ist Wissen, aber es ist kein naturwissenschaftlich beweisbares Wissen. Die Buddhanatur entzieht sich der Messung und Darstellung durch physikalische Messgeräte, sie ist reines Bewusstsein. D a s aber kann geistig erfahren werden („Satori“), und dann gehört es zum Wissen des/der Erfahrenden. Die Geschichte des Buddhismus ist voll von Berichten darüber. Übrigens auch die moderne Geschichte, speziell seit den 60ern des letzten Jahrhunderts.

Im Buddhismus geht es, anders als im Christentum, nicht um Glauben. Es geht um (die Erlangung von) Wissen jenseits des naturwissenschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Horizontes.

Und wer sich, was Wissen betrifft, einzig auf die Indizierbarkeit durch physikalische Instrumente verlässt, wird ewig im materialistischen Universum hängen bleiben.

Gruß

Horst

Hallo Junktor,

Ist diese (Zitat):
„Dieses Potential bedarf der Kultivierung, um Frucht zu tragen.“
Kultivierung nicht eben dieses Streben?

es ist jedenfalls (im Zen) kein Streben nach etwas, kein Wollen von etwas.

Gemäß dem Liuzudashi fa bao tan jing (‚Plattform-Sutra‘, gewissermaßen die ‚Gründungsurkunde‘ des klassischen Zen der Tang-Dynastie) ist Zenpraxis das natürliche Manifestieren des Geistgrundes ohne Irrtümer (der ethische Aspekt der Buddhanatur), ohne Torheit (ihr Weisheitsaspekt) und ohne Verwirrung (ihr Aspekt geistiger Vereinheitlichung). Der geistesgeschichtliche Hintergrund dieser Auffassung und ihre Implikationen sind zu komplex, um sie hier (für Leser ohne buddhistischen Hintergrund) auch nur grob zu umreißen; vielleicht ist es in diesem Brett ausreichend, darauf zu verweisen, dass das hier angesprochene Konzept ‚Geistgrund‘ eine frappierende Nähe zum nicht-thetischen Bewusstsein aufweisst, das Jean-Paul Sartre (mit Rückgriff auf Edmund Husserl) postuliert hat. Die angesprochenen drei Aspekte (die sich selbstredend bei Sartre nun wieder nicht finden) stehen natürlich für die drei Komponenten des edlen achtfachen Pfades (arya ashtanga marga) - sila, prajna und samadhi.

Ganz konkret bedeutet dies, nicht zu tun oder zu streben (hier ist eine unübersehbare Nähe zu daoistischen ‚wu wei‘, ‚Nicht-Tun‘), sondern die ‚angeborene‘ Buddhanatur (Sartres präreflexives ‚cogito‘) einfach durch Beruhigung der reflexiven ‚Trübungen‘ des Bewusstseins (klesha, Sartre spricht hier vom Ego als einer ‚Dichtigkeit‘ [opacité] im Bewusstsein) unverzerrt hervortreten zu lassen. Alles Intentionale - natürlich auch jedes Streben - bewirkt dabei gerade das Gegenteil.

Sehr deutlich wird dies in der Praxis des shikantaza (Nichts-als-Sitzen), der im Soto-Zen bevorzugten Übung. Aber auch die im Rinzai-Zen zentrale Methode der Koan-Arbeit führt durch ein zum äußersten Extrem getriebenes ‚Streben‘ (nach der Lösung eines unlösbaren Problems) zu einer Art Kurzschluss und damit zur ‚Nichtung‘ jeglichen Strebens. Dies ist dann der ‚Durchbruch‘, die Wesenschau (kensho). Der der Kyoto-Schule angehörende Philosoph Shin’ichi Hisamatsu (Schüler Nishida Kitaros und Lehrer Masao Abes) hat dieses Prinzip mit seinem ‚fundamentalen Koan‘ formuliert: doshitemo ikenakereba do sum ka (‚wenn alles, was du tust / bist, nichts tut, was tust du [dann]?‘).

Ausführlicheres zur Zenpraxis (allerdings speziell auf Soto-Zen bezogen) in diesem Vortrag vom diesjährigen Vesakh-Fest in Hamburg: http://zensplitter.blogspot.com/2010/06/zazen-als-bu…

Die ‚Kultivierung‘ - um auf Deine Frage zurück zu kommen - ist die Integration der Wesenschau / Manifestation des Geistgrundes in das alltägliche Handeln, das Alltagsbewustsein (heijōshin, ‚alltäglicher Geist‘ - ein Kernbegriff des Zen). Anders ausgedrückt: Ineinander-Aufgehen von präreflexivem und reflexivem ‚cogito‘, ohne dass das Eine das Andere verdeckt.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Hallo Horst,

Dass die Buddhanatur angeboren ist, davon geht der Verfasser
der von dir kritisierten Formulierung sicher auch aus.

wie vielleicht in meiner Antwort an Junktor deutlich geworden ist, ist es das Intentionale, das mE an der Sache völlig vorbei geht.

„Der Zen-Buddhismus praktiziert das Loslösen von inneren
Konzepten, die der Entfaltung der Buddha-Natur im Wege
stehen.“

Statt dem aktiven ‚Loslösen‘ würde ich hier das (wenn auch nur etwas) treffendere ‚Loslassen‘ vorziehen. Noch besser freilich wäre das passive ‚Nicht-Ergreifen‘.

„Entfaltung“ kann hier nur meinen, dass die Buddhanatur
sozusagen knospenhaft im menschlichen Geist vorhanden ist. Das
„Erlangen“ entspricht der Entfaltung der unbewussten Knospe
zur bewussten Blüte.

Die Buddhanatur ist gemäß Zen-Doktrin stets voll und ganz (ungemindert) präsent und lediglich durch die klesha (volitive Antriebe bedingt durch eine kognitive ‚Fehlhaltung‘) verzerrt. Sie ist daher durch Wegfall der Antriebe auch unmittelbar (impliziert auch ‚plötzlich‘, ‚schlagartig‘) realisierbar - das ist die für das Zen spezifische subitistische dunjiao-Doktrin.

Das „Entfalten“ bezieht sich hingegen auf ein gradualistisches Konzept von Erleuchtung. In diesem (didaktischen) Zusammenhang sollte man auch nicht von buddhata (‚Buddha-Natur‘) sprechen, sondern von Tathagatagarbha (‚Buddha-Schoß‘, ‚Buddha-Keimling‘)

Auch wird Shunryu Suzuki zitiert mit den Worten:

„Unsere selbstbezogenen Vorstellungen sind Täuschungen, die
unsere Buddha-Natur verdecken.“

Eben - verdecken ist etwas Anderes als ‚Entfaltung behindern‘. Ansonsten möchte ich auf meine Antwort an Junktor verweisen.

Freundliche Grüße,
Ralf

Noch kurz zum offtopic (ich hoffe, der MOD toleriert es):

PS. Habe z.Zt. Probleme, wirklich gut deutsch sprechende
VietnamesInnen aufzutreiben. Zwei Studentinnen sind verzogen,
und einer ist in Urlaub). Bleibe aber am Ball.

Nochmals Danke. Für mich ist ziemlich klar, dass hinter den merkwürdigen Anschuldigungen lediglich eine völlig undifferenzierte und abwegige Gleichsetzung ‚Gegner des Diem-/Ky-Regimes‘ = Vietcong = Kommunist = ‚Agent des aktuellen Regimes in Hanoi‘ steht und weiter nichts. Interessant wäre für mich trotzdem vor allem, ob an den Vorwürfen gegen Vo Van Ai etwas dran ist, da er als offizieller Sprecher der UBCV auftritt und ich mangels direkten Kontaktes zur UBCV nicht verifizieren kann mit welchem Recht. Die Vorwürfe gegen (u.a.) Thich Quang Do und Nguyen Van Ly sind mE völlig aus der Luft gegriffen.

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Warum gerade Buddha?
Hi Horst,

was du in bekannt unermüdlicher Leidenschaft für die „Wahrheit“ bekundest, teile ich voll und ganz, allerdings mit folgenden Einschränkungen:

Kein Mensch kann eine „Buddha-Natur“ erlangen, ohne seinen Körper, denn dann wäre er nicht mehr am Leben, sondern tot. Wenn es trotzdem weiter behauptet wird, ist es kein Wissen, sondern Glauben. Glauben steht aber der Philosophie traditionell seit Sokrates diametral entgegen, wobei das nicht so trennscharf ist, wie es sich die Wissenschaft ja gerne wünscht.

Die Unterscheidung ist eher ein Diktum. Vergleiche Habermas und seine Dankes-rede bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, erschienen im Suhrkamp-Verlag als Sonderdruck, mit dem Titel „Glauben und Wissen“, Zitat: „Der… Glaube an eine Wissenschaft, die eines Tages das personale Selbstverständnis durch eine objektivierende Selbstbeschreibung nicht nur ergänzt, sondern ablöst, ist nicht Wissenschaft, sondern schlechte Philosophie.“ (Heraushebung im Original, es lohnt sich, gerade die Heraushebung besonders zu beachten!).

Warum gerade Buddha? Weil er als steinreicher Königssohn erkannte, dass auch er als Hochwohlgeborener sterben muss und er deshalb sieben Jahre meditierte, um alle materiellen Bedürfnisse scheinbar zu überwinden? Buddha glaubte in diesem höchsten Seins-Zustand nicht mehr an den Hinduismus und dessen Gottheiten, sondern an sich SELBST!

Nach Buddhas Tod gab es aber sofort über 30 verschiedene Lehren, die den Buddha völlig verschieden auslegten und sich in ihrem Anspruch auf die einzige und absolute „Wahrheit“ bekriegten. Deshalb kamen die Klügsten zu dem provokanten Spruch: „Wenn du Buddha triffst, schlag ihn tot!“ Die Schüler sollten sich in ihrem eigenen wahren SELBST (!) verwirklichen und nicht den steinernen Buddha wie einen Götzen verehren…

Gruß
C.

Nyanaponika
Hi Ralf.

"Der Zen-Buddhismus praktiziert das Loslösen von inneren
Konzepten

Statt dem aktiven ‚Loslösen‘ würde ich hier das (wenn auch nur
etwas) treffendere ‚Loslassen‘ vorziehen. Noch besser freilich
wäre das passive ‚Nicht-Ergreifen‘.

Mir ist schon klar, um was es dir geht. Der Begriff „Streben“ löst sicher bei vielen Adepten falsche Assoziationen aus. Aber so ganz ohne intentionalen Aspekt scheint auch das Nicht-Ergreifen nicht praktizierbar zu sein. Zwischen dem Haften und dem Nicht-Haften(bzw.-ergreifen) muss es einen kleinen, aber wichtigen Zwischenschritt geben, den man intentional nennen kann. Das zeigt z.B. der dir sicher wohlbekannte folgende Text von Nyanaponika (ich zitiere schnell herausgegriffene Stellen). Natürlich steht Nyanaponika nicht für Zen, aber sein Text ist und bleibt ein buddhistischer Klassiker.

http://www.palikanon.de/diverses/satipatthana/satipa…

„Der jeweils erste Teil der ersten wie der vierten Übung gehört seiner Natur nach zur Übungsstufe des Reinen Beobachtens (…) Diese anfängliche reine Feststellung des Bewußtseinszustandes gehört also eigentlich zur Geistbetrachtung. Hier dient sie als die unerläßliche Vorbereitung für die nun folgende zweite Phase dieser drei Übungen. In ihr wendet sich zielbewußte und gründlich untersuchende Wissensklarheit der Aufgabe zu, die «Hemmungen» und «Fesseln» zu vermeiden, sie zeitweilig aufzuheben und zu lösen und schließlich endgültig zu vernichten, sowie die Erleuchtungsglieder zu erzeugen und zu entwickeln.“

(der letzte Satz zeigt, dass intentionale Faktoren wie Zielbewusstheit und Gründlichkeit im Spiel sind sowie die aktive „Erzeugung und Entwicklung“ der Erleuchtungsglieder)

(Ähnliches zeigt das folgende Zitat:smile:

„Nur durch die eigene, bewußt aufgenommene und genutzte Erfahrung wird diese Kenntnis zum wirklichen geistigen Besitz werden. Es ist durch die direkte Beobachtung der Hemmungen, Fesseln und Erleuchtungsglieder, daß man solche Erfahrungen sammelt, nämlich über die äußeren und inneren Umstände, welche das Entstehen oder Nichtentstehen der betreffenden Geisteszustände fördern oder hemmen.“

(hier meine ich: „bewusst aufgenommen und genutzt“, „direkte Beobachtung“, „Erfahrungen sammeln“)

Das „Erlangen“ entspricht der Entfaltung der unbewussten Knospe
zur bewussten Blüte.

Die Buddhanatur ist gemäß Zen-Doktrin stets voll und ganz
(ungemindert) präsent und (…) durch Wegfall der Antriebe auch
unmittelbar (…) realisierbar - das ist die für das Zen
spezifische subitistische dunjiao-Doktrin.
Das „Entfalten“ bezieht sich hingegen auf ein gradualistisches
Konzept von Erleuchtung.

Das ist mir schon klar. Ich sehe aber beide Varianten als Grade ein und desselben Prozesses. Über terminologische Fragen lässt sich natürlich immer debattieren. Warum beim Zen nicht von einer Blitz-Entfaltung der Buddhanatur sprechen? Und ist es wirklich so blitzartig? Die Erleuchtungen der alten Meister kamen doch nie aus dem Nichts, ihnen ging in der Regel ein Prozess der geistigen und ethischen Bildung voraus.

(Nachdem ich obiges schrieb, ging ich in den Wiki-Artikel „Satori“ und fand folgende (ok, ist nur Wiki) Bestätigung:

Satori ist die Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins, das auch als Urgrund oder Buddha-Natur bezeichnet wird (…) Auch wenn Satori der heute vorherrschenden Lehrmeinung zufolge blitzartig und unerwartet auftritt, geht dem Satoriereignis im Allgemeinen eine jahrelange Vorbereitungspraxis, zumeist durch Zazen, voraus."

Zitat Ende.

Ich gehe später noch ein bisschen auf deine andere Antwort ein.

Gruß

Horst

PS.

Für mich ist ziemlich klar, dass hinter den
merkwürdigen Anschuldigungen…

Dass er in Goldner auch gleich einen Agenten sah, macht die Behauptungen nicht wirklich plausibler, aber schau´n wir mal. Auf jeden Fall reagierte meine sprachlich wenig talentierte Frau (neuerdings zum Nhat-Hanh-Fan mutiert) auf die neuen Zitate mit Äußerungen wie „nicht richtig“ usw., was zeigt, dass die Zitate kritisch mit dem Thich umgehen.

Bis demnächst

@MOD: der OT-Dialog im Thread ist hiermit beendet.

Problematik des Begriffs ´Glauben´
Hi Claus.

was du in bekannt unermüdlicher Leidenschaft für die „Wahrheit“ bekundest, teile ich voll und ganz…

Danke, das stärkt mich auf meinem Kreuzesweg.

allerdings folgenden Einschränkungen:

Na gut…

Kein Mensch kann eine „Buddha-Natur“ erlangen, ohne seinen
Körper, denn dann wäre er nicht mehr am Leben, sondern tot.

Das wird von manchen buddhistischen Quellen bestritten. Laut dem Tibetanischen Totenbuch ist das sehr wohl auch im Bardo (dem „Totenreich“) möglich, und zwar in jeder Phase, die der „Tote“ dort durchlebt, wenngleich der Schwierigkeitsgrad extrem schwanken kann).

http://tod-im-buddhismus.bodhibaum.net/bardo/bardo-t…

Zitat aus dem Kommentar:

„Diese fundamentale Einsicht, daß das dem eben Verstorbenen erscheinende Licht Geist ist, wird durch zwei Methoden ermöglicht. Die erste besteht darin, daß das Licht als Buddha Amitabha erfahren wird, die zweite darin, daß das Licht als der eigene Yi-dam erlebt wird. Über Buddha Amitabha wurde bereits gesprochen. Er ist der Buddha des unermeßlichen Lichtes, nicht eines irdischen Lichtes, sondern eines transzendenten Lichtes, das der Grund alles Daseienden ist. Im Licht allein ist die unfaßbare Wirklichkeit der Phänomene, eben ihre Leere, zu erschauen. Der Gläubige, dem die meditative Imagination des Buddha Amitabha vertraut ist, kann nun leicht zur Einsicht in die wahre Natur dieses Lichtes kommen, wenn er dieses eben mit dem Wesen des Buddha gleichsetzt.“

Zitat Ende.

(Ich weiß nicht, welchen Sinn das tibetische Originalwort hat, für das das dt. „Gläubige“ in der Übersetzung steht, aber mit Glauben im christlichen Sinn kann das nichts zu tun haben, d.h. das Bedeutungsumfeld des tibetischen Begriffs - sein Konnotationsfeld - ist anders als das deutsche).

Wenn es trotzdem weiter behauptet wird, ist es kein Wissen,
sondern Glauben. Glauben steht aber der Philosophie
traditionell seit Sokrates diametral entgegen, wobei das nicht
so trennscharf ist, wie es sich die Wissenschaft ja gerne
wünscht.

Das ist jetzt nur ein Spiel um Worte. Wir haben hier eine Sache, die von wenigen gewusst und von vielen nicht gewusst wird. Diese Vielen wiederum teilen sich auf in welche, die die Sache bezweifeln und in welche, die die Sache „glauben“ (im Sinne eines intuitiven Für-Wahr-Haltens).

Das hat mit dem christlichen Glauben (und deine Verwendung des Begriffs scheint mir ausschließlich darauf zurückzugehen) nichts zu tun. Du nimmst nur die christliche Bedeutung, und die impliziert, dass man das Geglaubte n i c h t wissen kann, sondern eben nur glauben.

Im Buddhismus ist das viel differenzierter. Hier führt ein abgestufter Weg von der Intuition zum Wissen.

Natürlich gibt es den Einwand (oft zu lesen im Esobrett seitens der Skeptiker), dass dieses (spirituelle) Wissen nur das Resultat einer Selbstsuggestion sei (quasi ein Placebo-Wissen).

Dagegen spricht vieles. Sehr vieles sogar. So viel, dass das Thema defnitiv einen neuen Thread erfordern würde.

Zitat:
„Der… Glaube an eine Wissenschaft, die eines Tages das
personale Selbstverständnis durch eine objektivierende
Selbstbeschreibung nicht nur ergänzt, sondern ablöst,
ist nicht Wissenschaft, sondern schlechte Philosophie.“

Ich halte viel von Habermas, aber das Spirituelle ist absolut nicht sein Ding.

Deshalb kamen die Klügsten zu dem provokanten
Spruch: „Wenn du Buddha triffst, schlag ihn tot!“ Die Schüler
sollten sich in ihrem eigenen wahren SELBST (!) verwirklichen
und nicht den steinernen Buddha wie einen Götzen verehren…

Aber das ist doch gar nicht unser Diskussionsstand. Wir sind doch schon weiter. Niemand hier hält Gautama für ein überirdisches Wesen. Und vergiss bitte nicht, dass der Urheber jener Zen-Parole mit Sicherheit ein großer Bewunderer des historischen Buddha war.

Gruß

Horst

Natürlich steht Nyanaponika
nicht für Zen, aber sein Text ist und bleibt ein
buddhistischer Klassiker.

Herzlichen Glückwunsch. Damit bist du auf einen der Hauptunterschiede vom Zen zu anderen buddhistischen Lehrmeinungen gestoßen, auch wenn du es offenbar nicht mal bemerkt hast.

Hugh
Marion

Hallo Claus,
ich beschränke mich auf Anmerkungen zum letzten Absatz Deines Postings, weil das z.T. wirklich haarsträubend ist, was Du da schreibst.

Nach Buddhas Tod gab es aber sofort über 30 verschiedene
Lehren,

Eine erste Spaltung (in 2 Schulen, Sthavira und Mahasanghika) gab es auf dem 2. Konzil (sangiti) von Pataliputra. Je nach Datierung (es gibt erhebliche chronologische Probleme) zwischen 100 und 140 Jahren nach Buddhas Tod. In der frühen Phase des Buddhismus werden 18 verschiedene Schulen gezählt, die durch weitere Aufspaltungen entstanden - keinesfalls „sofort“, sondern natürlich im Verlauf mehrerer Jahrhunderte. Standardwerk zum Thema ist André Bareaus ‚Les sectes bouddhiques du Petit Vehicule‘, E.F.E.O. Paris, 1973.

die den Buddha völlig verschieden auslegten

Wer sich ein wenig mit den (allerdings z.T. schwierig bzw. gar nicht zu rekonstruierenden) Lehren dieser Schulen auseinandersetzt, bekommt den Eindruck eher marginaler Unterschiede. Vielleicht mit Ausnahme der Vatsiputriyas (Personalisten). Empfohlene Lektüre: Edward Conze, ‚Buddhistisches Denken. Drei Phasen buddhistischer Philosophie in Indien‘, Suhrkamp 1994.

und sich
in ihrem Anspruch auf die einzige und absolute „Wahrheit“
bekriegten.

Ich weiss nicht, wo Du diesen - entschuldige - Unsinn her hast. Soweit sich die Verbreitungsgebiete einzelner Schulen überschnitten, nutzten sie gemeinsam Klöster und Universitäten. Auch noch, als dann die Mahayana-Schulen hinzukamen. Nach Schulen getrennte Einrichtungen entstanden erst recht spät - in Japan und dann auch Tibet. Dort (in Tibet), wo diese Klöster dann auch politische Herrschaft ausübten, kam es dann auch tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Allerdings nicht wegen des Anspruches auf Besitz einer „absoluten Wahrheit“ sondern aus viel naheliegenderen Gründen. Und Buddha war da im Übrigen auch schon gut zwei Jahrtausende tot. Der buddhistische Wahrheitsbegriff ist übrigens ein hochkomplexes Thema - und die (begrenzte) Gültigkeit unterschiedlicher relativer Wahrheiten im Rahmen spezifischer didaktischer Konzepte im Buddhismus allgemein akzeptiert. Da „absolute Wahrheit“ (paramarthasatya) nach buddhistischem Verständnis nicht kommunizierbar (nur erfahrbar) ist, eignet sie sich auch nicht als Kriegsgrund.

Aber vielleicht hast Du mit dem „bekriegten“ ja nur den intellektuellen Disput gemeint. Die Diskussionskultur (durchaus auch polemisch gewürzt) war und ist im Buddhismus in der Tat hoch entwickelt - begünstigt durch das Fehlen einer obersten Instanz, die inquisitorisch über eine vorgegebene Orthodoxie wacht.

Deshalb kamen die Klügsten zu dem provokanten
Spruch: „Wenn du Buddha triffst, schlag ihn tot!“

Der „Spruch“ stammt von Linji Yixuan (jap. Rinzai Gigen, gest. 866/867) und ist im Linji Lu überliefert (deutsche Ubersetzung: Linji Yixuan: ‚Das Denken ist ein wilder Affe. Aufzeichnungen der Lehren und Unterweisungen des großen Zen-Meistes‘, Übers. Ursula Jarand, O.W. Barth Bern, 1996). Um das Zitat richtig zu verstehen, ist es empfehlenswert, den ganzen Abschnitt im Zusammenhang zu lesen.

Ohne Linjis Aussage nun weiter vertiefen zu wollen - ich kenne keine buddhistische Schule, die nicht den Primat authentischer eigener Erfahrung gegenüber Glauben (eigentlich shraddha, Vertrauen) betont. Das ist buddhistische Grundschule, eigentlich eher Kindergarten. Um an diesem nicht ganz ganz unwichtigen Punkt exemplarisch zu zeigen, wie eine buddhistische Propädeutik als Grundlage weiterführender Lehren aussieht, hole ich hier etwas weiter aus.

Wie so oft, wenn es sich um Grundlagen buddhistischer Lehre handelt, ist ein Blick in den Palikanon zu empfehlen. Eine gute Grundlage gibt hier das Vimamsaka Sutta, M.47 (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m047z.html). Es ist nicht allzu umfangreich, deswegen greife ich hier keine speziellen Passagen heraus, um sie zu zitieren.

Hier wird deutlich, dass auch Buddha selbst nicht von dem Prinzip ausgeschlossen ist, den Lehrer gründlich zu prüfen. Im Schlußsatz wird deutlich gemacht, dass das Vertrauen (shraddha, Pali saddha) „von Gründen gestützt, in Schauung verwurzelt“ und dadurch stark ist.

Shraddha, das Vertrauen in den Erwachten und die Wirksamkeit seiner Lehre, ist also bedingt - während z.B. der christliche Glaube ein bedingungsloser ist. Shraddha beruht auf Weisheit (prajna), wie es ausdrücklich im Pathama Sutta S.48.45 (http://www.palikanon.com/samyutta/sam48.html#s48_45t48) heisst:

Eine einzige Fähigkeit, ihr Mönche, muß der triebversiegte Mönch entfaltet und ausgebildet haben, um das höchste Wissen derart zu erklären. Welche eine Fähigkeit? Dem edlen Jünger, ihr Mönche, der Weisheit besitzt, festigt sich demzufolge das Vertrauen …“.

Diese Weisheit (prajna, Pali panna) muss von dem Vertrauenden tätig selbst erworben und vertieft werden. Eingehend erläutert wird dieser Prozess im Canki Sutta M.95 (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m095z.html) dargestellt:

Wenn ein Mann Vertrauen besitzt, Bhāradvāja, so erhält er die Wahrheit aufrecht, wenn er sagt: ‚Ich vertraue auf das‘; aber er kommt noch nicht mit Bestimmtheit zu dem Schluß: ‚Nur dies ist wahr, alles andere ist falsch.‘ Auf diese Weise, Bhāradvāja, gibt es ein Aufrechterhalten der Wahrheit; auf diese Weise erhält er die Wahrheit aufrecht; auf diese Weise beschreiben wir das Aufrechterhalten der Wahrheit. Aber noch gibt es da kein Erwachen zur Wahrheit.

Das ist also eine erste Stufe von shraddha, ein initialisierendes Vertrauen. Die zweite Stufe setzt dann zunächst Prüfung (wie auch in M.45 beschrieben) und Auswahl eines Lehrers voraus:

Wenn er ihn untersucht hat und gesehen hat, daß er von Geisteszuständen, die auf Verblendung beruhen, geläutert ist, dann setzt er sein Vertrauen in ihn; voll Vertrauen besucht er ihn und erweist ihm Respekt; nachdem er ihm Respekt erwiesen hat, hört er genau zu; wenn er genau zuhört, hört er das Dhamma; wenn er das Dhamma gehört hat, merkt er es sich und untersucht die Bedeutung der Lehren, die er sich gemerkt hat; wenn er ihre Bedeutung untersucht, erlangt er ein reflektives Annehmen dieser Lehren; wenn er ein reflektives Annehmen dieser Lehren erlangt hat, tritt Eifer hervor; wenn Eifer hervorgetreten ist, wendet er seinen Willen an; wenn er seinen Willen angewendet hat, prüft er genau; wenn er genau geprüft hat, bemüht er sich; wenn er sich entschlossen bemüht, verwirklicht er mit dem Körper die letztendliche Wahrheit und sieht sie, indem er sie mit Weisheit durchdringt. Auf diese Weise, Bhāradvāja, gibt es ein Erwachen zur Wahrheit; auf diese Weise erwacht man zur Wahrheit; auf diese Weise beschreiben wir das Erwachen zur Wahrheit. Aber noch gibt es da kein endgültiges Erlangen der Wahrheit.

Aus dem Vertrauen in den Lehrer ergibt sich also nicht ein bedingungsloses Annehmen dessen, was er lehrt - es muss sich vielmehr um ein „Untersuchen“, „reflektives Annehmen“ und „genaues Prüfen“ handeln; dies sind Bedingungen, die zum Erwachen zur Wahrheit (zur eigenen Einsicht) führen und dann durch „Wiederholung, Entwicklung und Entfaltung“ (beständige Übung) zum endgültigen Erlangen der Wahrheit. Dies ist dann kein shraddha mehr, kein Vertrauen in Lehren Anderer, sondern in der Tat durch subjektive Erfahrung erworbenes (wenn auch nicht notwendig objektivierbares) Wissen.

Freundliche Grüße,
Ralf

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Herzlichen Glückwunsch. Damit bist du auf einen der
Hauptunterschiede vom Zen zu anderen buddhistischen
Lehrmeinungen gestoßen, auch wenn du es offenbar nicht mal
bemerkt hast.

Danke für Deine Anmerkung, Marion. So ist es - und dieser „Hauptunterschied“ ist die schon erwähnte ‚dunjiao-Doktrin‘, das distinktive Merkmal der Zentradition. Wobei es im tibetischen Dzogchen anscheinend einen nahe verwandten Ansatz gibt. Was nun Nyanaponika angeht so kommt hier noch hinzu, dass er als Theravadin auch mit dem mahayanischen Konzept ‚Buddhanatur‘ (auf dem die dunjiao-Doktrin beruht) wohl nicht viel anfangen kann.

Freundliche Grüße,
Ralf

Danke für umfangreiches Detailwissen
Hi Ralf,

danke für dein so umfangreiches Detailwissen, das mich sehr bereichert hat.

Gruß
C.

Hi Marion.

Natürlich steht Nyanaponika nicht für Zen, aber sein Text ist und bleibt ein buddhistischer Klassiker.

Damit bist du auf einen der Hauptunterschiede vom Zen zu anderen buddhistischen Lehrmeinungen gestoßen, auch wenn du es offenbar nicht mal bemerkt hast.

Das und Ralfs Antwort an dich wollen wohl sagen, dass mein Verweis auf Nyanaponika offtopic (betr. Buddhanatur) war und zu Ralfs Ausführungen keinen direkten Bezug hatte, da es ihm ja um die Zen-Methode ging.

Das bedeutet aber nicht, dass mir der grundsätzliche Unterschied unbekannt ist. Ich schreibe halt z.Zt. hier ziemlich viel (und das meistens an meinem Grafik-Arbeitsplatz, wo´s ziemlich wimmelt und ich immer wieder in Gespräche verwickelt werde), da kann man auch mal kurz den Überblick verlieren.

Jedenfalls dürfte es für manch anderen Leser lehrreich sein, mit Nyanaponikas Text konfrontiert zu werden.

Gruß

Horst

Sartre vs. Mahayana
Hi Ralf.

verweisen, dass das hier angesprochene Konzept ‚Geistgrund‘
eine frappierende Nähe zum nicht-thetischen Bewusstsein
aufweisst, das Jean-Paul Sartre (mit Rückgriff auf Edmund
Husserl) postuliert hat.

Aber nur eine relative Nähe, da dieses nicht-thetische Bewusstsein längst nicht den metaphysischen Stellenwert hat wie die Buddhanatur in der buddhistischen Philosophie. Es hat auch nicht die ekstatischen Merkmale des „Klaren Lichts“, des Satori usw.

Gruß

Horst

off topic?
Hi Horst,

„Um uns selbst zu entdecken,
müssen wir zunächst Distanz zu uns herstellen – ein
scheinbarer Widerspruch.“

Off topic vielleicht deshalb, weil ich beim Lesen Eurer Beiträge hier im Thread immer wieder auf „mein Thema“, die Kunst, stoße. Das obige Zitat entspricht genau dem, was ein Künstler verinnerlichen muss, um Arbeiten von einer Tiefe zu schaffen, die bleibenden Wert hat und nicht nur an der Oberfläche glänzt. Das funktioniert nicht, wenn man nur in seiner eigenen Gefühlswelt suhlt.

„Der Zen-Buddhismus praktiziert das Loslösen von inneren Konzepten, die der Entfaltung der Buddha-Natur im Wege stehen.“

Und genau so entwickelt sich die Kunst. Wobei man da vielleicht unterscheiden muss zwischen „inneren“ (= psychischen) und „äußeren“ (= geistigen) Konzepten. Das heißt aber nicht, dass man dies aus den Augen verlieren sollte, aber wie schon oben beschrieben: aus der Distanz heraus.

Deshalb gebiert die Eitelkeit eines Künstlers meistens nur Schrott.

Gruß,
Anja

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Hallo Anja,

„Um uns selbst zu entdecken,
müssen wir zunächst Distanz zu uns herstellen – ein
scheinbarer Widerspruch.“

auch wenn Dich dieses Zitat anspricht, so gehört es doch mit zu den Aussagen in dem von Horst verlinktem Text, die bei bei eher Stirnrunzeln auslösen - weil sie nach meiner Auffassung allenfalls an der Oberfläche von Zen kratzen, wenn nicht gar geradewegs an der Sache vorbeigehen.

Ich möchte das Zitat mit einem anderen konterkarieren - einem Zitat von Dogen Kigen aus seinem Essay ‚Das sich selbst präsentierende Koan‘ (Genjokoan):

„Was man das Ergründen des Buddhaweges nennt, ist das Ergründen des Selbst.
Was man das Ergründen des Selbst nennt, ist das Vergessen des Selbst.
Was man das Vergessen des Selbst nennt, ist Aufgehen im Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge.
Was man Bezeugen der Erleuchtung durch die zehntausend Dinge nennt, ist das Ineinander-Aufgehen von Körper und Geist des Selbst und Nicht-Selbst, wenn sie sich lösen und abfallen.“

Gerade diese Aussage gibt mE einen Fingerzeig, wo die Quelle der Affinität von Zenübung und künstlerischem Ausdruck liegt.

Freundliche Grüße,
Ralf

Hallo Tychiades,

vielen Dank für deine hilfreiche und ausführliche
Antwort! :smile:

Ganz konkret bedeutet dies, nicht zu tun oder zu
streben (hier ist eine unübersehbare Nähe zu
daoistischen ‚wu wei‘, ‚Nicht-Tun‘),

In der Tat wurzelt meine Frage in der Auseinandersetzung
mit eben diesem, nur war ich mir nicht ganz sicher,
ob man dies so einfach analog übernehmen kann,
deshalb erwähnte ich das nicht.

Nochmals danke für dein didaktisches Einfühlungsvermögen,
bezüglich des/meines abendländisch geprägten Denkens.

Mit freundlichen Grüßen
Junktor

Hi Hanzo,

nachdem du dein „Fazit“ über die Statements zu deiner Frage abgeben hattest, kamen danach noch weitere Kommentare, so dass die Verwirrung meines Erachtens nur noch größer wurde…

Es geht offensichtlich um ganz unterschiedliche Selbstkonzepte. Von werde, der du bist, über Selbstdistanz bis hin zur totalen Selbstauflösung reichen die unterschiedlichen Konzepte. Und natürlich favorisieren alle Poster nur immer ihre einzige und absolute „Wahrheit“ :smile:)

Um einen besseren Überblick zu diesem wichtigen Thema der Sozial- und Geisteswissenschaften zu erhalten, empfehle ich ein „Giga-Buch“, das ich vor Jahren vom Beltz-Verlag geschenkt bekam, als ich mit der Zeitschrift PSYCHOLOGIE HEUTE für kurze Zeit ein Abonnement abschloss. Dieses Buch war lange Zeit wegen seiner geringen Auflage (damals nur für Insider!) vergriffen. Aber jetzt ist es bei amazon.de wieder frei verfügbar, für ca. 90 Euro (da hat mir also der Beltz-Verlag ein „Giga-Buch“ zu einem damaligen Verkaufspreis von ca. 180 DM geschenkt, für ein läppisches Zeitschriften-Abonnement, das ich längst gekündigt habe).

In diesem „Giga-Buch“ des englischen Soziologen Prof. Charles Hampden-Turner werden SECHSZIG (!) Modelle des Menschen beschrieben, unter anderem aus dem östlichen Kulturkreis, aber zum größten Teil Modell des Westens. Ich denke, dass dieses Buch deswegen besonders relevant ist für das hier angesprochene Thema, weil es die Einseitigkeit einer einzigen und absoluten „Wahrheit“ relativieren kann und gleichzeitig ein Bewusstsein vermittelt, was in der Soziologie seit Max Weber und Jürgen Habermas längst klar ist: Die Weltanschauung ist der Schlüssel zum Verständnis des Denkens, Fühlens und Handelns der Menschen.

In Anbetracht des bevorstehenden neuen Jahres begrüße ich dich mit der Floskel

Prosit Neujahr!
C.

Ego + Buddhanatur = Künstler
Hi Anja.

„Um uns selbst zu entdecken,
müssen wir zunächst Distanz zu uns herstellen – ein
scheinbarer Widerspruch.“

Das obige Zitat entspricht genau dem, was ein
Künstler verinnerlichen muss, um Arbeiten von einer Tiefe zu
schaffen, die bleibenden Wert hat und nicht nur an der
Oberfläche glänzt. Das funktioniert nicht, wenn man nur in
seiner eigenen Gefühlswelt suhlt.

Ob das nun ein „Suhlen“ ist oder was auch immer - die eigene „Gefühlswelt“ darf sehr wohl ein antreibender Faktor bei der Kunstproduktion sein. Abhängig ist das u.a. von dem Bereich, mit dem man sich beschäftigt. In der klassischen und romantischen Poesie und Prosa „suhlten“ sich große Meister wie Goethe und Rilke durchaus in den eigenen Gefühlen und versuchten diese literarisch auszudrücken. Oder nimm einen Maler. Liebt er Landschaften, dann malt er sie. Liebt er schöne Frauen, dann malt er sie. Alles basierend auf den „eigenen Gefühlen“. Und die Beispielkette ließe sich tagelang fortsetzen.

„Der Zen-Buddhismus praktiziert das Loslösen von inneren Konzepten, die der Entfaltung der Buddha-Natur im Wege stehen.“

Und genau so entwickelt sich die Kunst. Wobei man da
vielleicht unterscheiden muss zwischen „inneren“ (=
psychischen) und „äußeren“ (= geistigen) Konzepten. Das heißt
aber nicht, dass man dies aus den Augen verlieren sollte, aber
wie schon oben beschrieben: aus der Distanz heraus.

Ein Kunstwerk ist - im romantischen Sinn - immer auch ein Symbol oder eine Widerspiegelung des Transzendenten, des Unendlichen, des Numinosen (im Kontext des jetzigen Threads: der Buddhanatur). Vermutlich geht es dir um diesen Bezug eines Werks zum Überpersönlichen, zum Transzendenten.

Man kann diesen Bezug als Künstler herzustellen versuchen, aber nicht gänzlich von seiner eigenen Individualität abkoppeln. Gerade letzteres macht ja den besonderen Stil eines Künstlers aus.

Der Künstler steht also, so gesehen, mit einem Bein in der Welt und mit dem anderen im Transzendenten.

Ich nehme die Romantik (als zeitloses Konzept) nur als Beispiel, um der von dir angesprochenen vermeintlichen Dichotomie (Künstler ist entweder ichbezogen oder zum Transzendenten gewendet) ein differenziertes Bild vom Kunstschaffen gegenüber zu stellen. Ego und Buddhanatur schließen sich in der Kunst nicht aus, ersteres schafft die Individualität, letzteres den (bewussten oder unbewussten) Transzendenzbezug.

Hier ist Beethoven das beste Beispiel. Mit ihm geht die Klassik zur Romantik über. Er verkörpert das philosophische Ideal der Zeit (das wahre Ich ist identisch mit dem Weltgeist) als Komponist mit absoluter Perfektion. Er bringt die Subjektivität in die Musik (also das, was du kritisierst), ohne dass deren Transzendenzbezug verloren geht, eben weil Ich und Kosmos im Grunde eins sind (siehe auch Buddhanatur).

Im Action-Painting der 40er-60er Jahre des 20. Jhd. arbeitete man mit Methoden, die denen der Zen-Kunst ähneln, d.h. vor allem mit kompromissloser Spontanität.

Bei Pollock, dem Pionier dieser Methode, sah das z.B. so aus:

http://www.google.de/images?hl=de&q=Jackson+Pollock&…

Deshalb gebiert die Eitelkeit eines Künstlers meistens nur Schrott.

Nicht, wenn er ein guter Künstler ist. Künstler sind doch die eitelsten Gesellen, weißt du das nicht? Stimmte das, was du sagst, gäbe es kaum gute Kunst.

Gruß

Horst

Hi,

Deshalb gebiert die Eitelkeit eines Künstlers meistens nur Schrott.

Nicht, wenn er ein guter Künstler ist. Künstler sind doch die
eitelsten Gesellen, weißt du das nicht?

Ich kenne meine Kollegen :wink:

Stimmte das, was du sagst, gäbe es kaum gute Kunst.

Im Verhältnis zu dem, was produziert wird, trifft das tatsächlich zu.

Gruß zum Rutsch,
Anja

Künstlerbeispiele
Hi Anja.

Deshalb gebiert die Eitelkeit eines Künstlers meistens nur Schrott.

Nicht, wenn er ein guter Künstler ist. Künstler sind doch die
eitelsten Gesellen, weißt du das nicht?

Ich kenne meine Kollegen :wink:

Ein Freund von mir gehört zu den besten und erfolgreichsten Porträtbildhauern von Deutschland, macht also gute Kunst, aber er ist sowas von eitel (wenn auch auf sympathische Weise). Oder nimm Markus Lüpertz, der in Interviews auf mich extrem eingebildet rüberkommt, aber als Künstler ist er mit Recht hoch angesehen. Dalí ist zweifellos das allerbekannteste Beispiel eines eitlen Künstlers. Ich rufe auch viele ziemlich selbstverliebte Hiphopper in Erinnerung (z.B. meine Favoriten Nelly und Diddy), die in ihren Songs (= echte Kunstwerke) hauptsächlich die eigene Gefühls- und Erfahrungswelt zum Ausdruck bringen. Die Liste ließe sich ewig fortsetzen.

Stimmte das, was du sagst, gäbe es kaum gute Kunst.

Im Verhältnis zu dem, was produziert wird, trifft das
tatsächlich zu.

Definitionssache. Leute, die schlechte Kunst produzieren, würde ich nicht als Künstler bezeichnen. Das relativiert deine Aussage also erheblich. Künstler ist, wer g u t e Kunst produziert.

Gruß zum Rutsch,

Gleichfalls.

Horst

Fallibilismus vs. Relativismus
Hi Claus.

Es geht offensichtlich um ganz unterschiedliche
Selbstkonzepte. Von werde, der du bist, über Selbstdistanz bis
hin zur totalen Selbstauflösung reichen die unterschiedlichen
Konzepte. Und natürlich favorisieren alle Poster nur immer
ihre einzige und absolute „Wahrheit“ :smile:)

Bist du einverstanden, wenn ich dich einen „Relativisten“ nenne, welcher „Wahrheit“ für eine Illusion hält? Es gibt allerdings eine Position, die - meines Erachtens - konsequenter als der Relativismus ist. Das ist der Fallibilismus. (Ich bin natürlich weder das eine noch das andere.)

Der Relativist ist nämlich insofern inkonsequent, weil er seinen eigenen Standpunkt verabsolutiert und für unantastbar hält. Er sagt, dass alle unrecht haben, die Anspruch auf Wahrheit erheben, alle außer ihm, denn er allein weiß sich im Besitz der (relativistischen) Wahrheit: „Es gibt keine Wahrheit“. Das logische Problem dabei ist: woher weiß das der Relativist? Ist er allwissend?

Der Fallibilist (kein schönes Wort, ok) sagt etwas anderes. Er sagt: „Wir gehen davon aus, dass es Wahrheit gibt. Wir können aber niemals Gewissheit haben, ob eine Erkenntnis/Position/Anschauung wirklich wahr ist. Sie gilt nur als vorläufig wahr, solange sie nicht widerlegt ist. Einen absoluten Wahrheitsanspruch kann keiner erheben, da die Möglichkeit des Irrtums nie auszuschließen ist.“

Der Unterschied ist klar: der Relativist streitet rigoros ab, dass es Wahrheit gibt, der Fallibilist gibt zu, dass es Wahrheit gibt, diese kann aber nie zweifelsfrei erkannt werden.

Dazu ein paar Sätze aus Wiki:

"Fallibilismus ist eine erkenntnistheoretische Position, nach der es keine absolute Gewissheit geben kann, da sich Irrtümer niemals ausschließen lassen. Eine Strategie der Begründung oder Rechtfertigung mit dem obersten Ziel, eine Letztbegründung zu geben, kann niemals zum Erfolg führen. Daher verbleibt nur, Überzeugungen, Meinungen oder Hypothesen immer wieder auf Irrtümer hin zu überprüfen und nach Möglichkeit durch bessere zu ersetzen.

Die fallibilistische Position hat zur Voraussetzung, dass es eine absolute Wahrheit gibt. Fallibilisten sind demnach keine Relativisten, die dies leugnen. Sie sind auch nicht Nihilisten, welche vertreten, dass sich der Mensch immer irrt. Sie behaupten lediglich, dass er sich immer irren kann. Sie müssen auch nicht unbedingt Wahrheitsskeptiker sein, die vertreten, dass wir immer Grund zu Zweifel an unseren Überzeugungen hätten.

Die fallibilistische Position besagt also an sich nicht, dass es keine gerechtfertigten Überzeugungen gebe, sondern nur, dass auch die beste Rechtfertigung einen möglichen Irrtum niemals ausschließen kann. Fallibilistische Positionen implizieren demnach noch nicht, dass Überzeugungen niemals Wissen im klassischen Sinn sein könnten; sondern nur, dass wir niemals sicher sein können, ob sie wahres Wissen sind."

Zitat Ende.

Gruß Horst

PS. Bin ab sofort für ein paar Tage offline.