Servus,
praktisch alle wichtigen Stichworte hast Du schon bekommen. Die wundervolle Albertina, die für sich allein wenigstens zwei Tage wert ist, ist glaub ich noch nicht dabei gewesen, das (für meinen Geschmack ein bissel arg disneylandisierte, aber dennoch sehr sehenswerte) Hundertwasserhaus auch noch nicht, und das weniger bekannte, aber in seiner Malerei schon auch besondere Arik-Brauer-Haus (der hat halt auch ein Haus bemalen dürfen, damit er nicht beleidigt ist) darf noch dabei. Dann die ziemlich einzigartigen monumentalen Wiener Arbeiterburgen, Wohnhöfe aus den optimistischen 1920er Jahren; der Botanische Garten, an dem man leicht vorbeirennt, wenn man bloß das Obere Belvedere im Sinn hat oder gar leichtsinnigerweise das Obere und das Untere Belvedere in einem Rutsch besuchen will (führt zu einer ungesunden Überdosis an ästhetischen Eindrücken); die nicht so viel öffentlich zu sehenden Berglzimmer im Erdgeschoß von Schönbrunn; die eigenartig monströsen Flaktürme; die vielen anderen Märkte - der Naschmarkt hat mich in 2008 (oder wann auch immer das war) nicht mehr sehr erfreut, alldieweil ich ihn 1981 (oder so ähnlich) comme il faut früh morgens nach einer durchgesumpften Nacht besucht hatte; der Gürtel, heute nicht mehr so arg wie zu Georg Danzers Zeiten, mit seinen Küchen, Kellern und Tischen, die heute noch bzw wieder das ganze kakanische Imperium mit rumänischen Mititei, Pörkölt aus der Puszta, triester Polenta, ostslawonischer Karpfensuppe und krawotischen Confiseriewaaren etc. etc. repräsentieren. Für ***dalmatische Fischküche muß man - wie für fast alles in Wien - „wön kennan“ (Merci, *j. & B.!).
Ob der Wiener als solcher garstig ist oder nicht, kann ich als Zaungast nicht beurteilen - mir ist persönlich kein solcher begegnet. Wobei mir scheint, daß allen Einwohnern von im 19. Jahrhundert mit der Industrialisierung groß gewordenen Stätten dieser Ruf voraneilt; die mich umgebenden Monnemer sind im Grund herzensgute Menschen, bloß sie zeigen das halt nicht immer so deutlich. Grad so scheint es sich mir auch mit den Einwohnern von Frankfurt, Berlin, Stuttgart, München, Prag, Wien, Madrid, Milano etc. zu verhalten. Gefürchtet ist die quasi reflexhafte Bösartigkeit, mit der die Wiener Gendarmerie auf deutsche Autokennzeichen reagiert. Aber das Blech muß man ja nicht unbedingt mitnehmen. Der Wiener Empfang für meinen Vater, als er nach tagelangem Bahntransport aus dem Lazarett in Thessaloniki mit frisch amputiertem Haxen von zwei alten Wiener Sanis durchaus unsanft in eine Wanne mit brühheißem Wasser geworfen wurde, deren einer seinen Aufschrei kommentierte mit den Worten „Göma, göma, sei stad - hom mia dön deppatn Kriag ogfangt oda Üa?!“, liegt beinahe siebzig Jahre zurück und hat sich auch dem Anlaß nach inzwischen erledigt…
Wieauchimmer: Von einem Schulfreund hinterbracht noch eine Episode, die die Sache mit der Grobheit vielleicht ein bissel relativieren kann.
S., einer von der Biberacher „Thomae-Bande“, Kinder von Chemikern, Pharmazeuten, Biologen etc. aus allen Teilen Deutschlands, die alle im gleichen Viertel wohnten und es teilweise fertigbrachten, in Biberach achtzehn Jahre zu leben, ohne ein Wort Schwäbisch zu beherrschen, war nach Wien gezogen und widmete sich dem Studium der Bildenden Künste. Nach einiger Zeit hat er bei irgendeiner internen Ausschreibung an der Hochschule mit einer Arbeit einen kleinen Preis gewonnen, der für sich allein nichts wert war, aber dennoch unter den Studiosibus heiß begehrt, weil er die Tür zu einem der Halbgötter öffnete, der eine extrem wichtige Quelle für Empfehlungsschreiben darstellte. Nachdem S. nun einen sehr anregenden Abend mit dem Halbgott verbracht, gut gegessen und getrunken und wohl auch dieses und jenes dischkuriert hatte, stand er spät in der Nacht sich verabschiedenderweise im Treppenhaus und vernahm die Worte (Sprachkundige mögen mir die unzulängliche Wiedergabe nachsehen):
„Oba zwaa Sochn möcht i Eahnan no auf ön Weg göbn: Öasdens, Sü san Reichsdeutscher. Zwaadens, Sü san nöd kadolisch. Oiso werden’S s in Wean nüü zu wos bringan!“
Nun, S. hat noch einen draufgelegt, einen Magister in anderen Dingen abgelegt und betreibt jetzt im Alsergrund eine Praxis als Psychotherapeut, die offenbar ihren Mann nährt - obwohl es in W. mindestens so viele Psychotherapeuten wie in deutschen Städten Dönerbuden gibt.
Wie auch immer - viel Vergnügen wünscht
MM
- achjaübrigens: Wenn Du, freilich ohne selber etwas sprachlich zu reproduzieren, Dich ein wenig einhören willst: Unverändert klasse sind die Werke von Wolfgang Ambros, Ludwig Hirsch, Arik Brauer, Georg Danzer, André Heller & Helmut Qualtinger. Evendöll auch Ostbahn-Kurti & die Chefpartie.