Wieso haben sich die Armenier auf den Westen verlassen?

Politik Auslandspolitik
#1

Hallo,

die Armenier wußten, dass sie mit Aserbaidschan einen nicht gerade wohlgesonnenen Nachbarn haben, der es seit Jahrzehnten auf ein gewisses Gebiet abgesehen hat.

Bisher hat Rußland sie militärisch vor Aserbaidschan geschützt - dann kehrte Armenien Putin den Rücken und näherte sich dem Westen an. Putin hat damit natürlich wenig Motivation, dieses Land weiter durch seine Armee zu schützen.

Jetzt mussten 120.000 Armenier fliehen, weil es dem Westen - anders als in der Ukraine und im Kosovo - egal ist, was mit den Armeniern geschieht und außer mahnender Worte keinerlei wirksame Sanktionen gegen Aserbaidschan verhängt wurden.

Wieso war die Unzuverlässigkeit bzw. Gleichgültigkeit des Westens für Armenien nicht absehbar?

Gruß
Desperado

#2

Selbst schuld kann man da nur sagen.
Lange genug haben die Armenier die Russen hofiert und sind ja auch in die Verteidigungsorganisation der Russen eingestiegen.

Warum sollte der Westen plötzlich große Gefühle für Armenien entdecken?

Weil plötzlich die russische Schiene nicht mehr funktioniert?
Dafür soll der Westen Aserbaidschan, das ihm einen Weg aus der Energieabhängigkeit von Russland bietet, verärgern?
Und dazu auch noch die Aserbaidschan unterstützende Türkei, ein aktives NATO-Mitglied?

Die Arminier haben einfach zu lange auf das falsche Pferd gesetzt.
Der herrschende korrupte Familienclan wird sich nach Russland absetzen und die Armenier müssen sehen wie sie selber zurechtkommen - das war’s.

Wenn Armenien die völlige Unterjochung durch Aserbaidschan verhindern will, sehe ich eigentlich nur noch den Beitritt zur russischen Föderation.
Der Westen wird sich jedenfalls nicht in dieser Weltgegend, direkt an der russischen Grenze, in den Konflikt einmischen.

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#3

Weil sich Armenien und die EU in einem Annhäherungsprozess befanden, der Armeniens Bindung an Rußland teilweise in Frage stellte.

Das wird der Westen nicht tun - aber dann sollte sich die EU auch das Geschwätz über Werte sparen und einfach deutlich kommunizieren, dass es nur um die eigenen Interessen geht.

#4

Soviel ich weiß hat sich doch Armenien bei der UNO Generalversammlung in der Abstimmung über die Ukraine der Stimme enthalten? So eng scheint die Bindung von Armenien an Europa wohl doch nicht gewesen zu sein.
Egal wie, Armenien hat sich einfach zu lange auf Russland verlassen.

Ich verstehe auch, dass es nicht einfach ist eine jahrzehntelange enge Bindung einfach so aufzugeben aber von Realismus war die Politik Armeniens zu der Zeit nicht geprägt.

Von 1988 bis 1994 eroberte Armenien Gebiete in Aserbaidschan mit Rückendeckung aus Russland.
Aserbaidschan hat die Ordnung auf seinem völkerrechtlich anerkannten Staatsgebiet wiederhergestellt.

Warum sollte sich der Westen für Armenien gegen das Völkerrecht stellen?

Umgekehrt wären die Armenier mit den Aserbaidschanern auch nicht gnädiger umgegangen.

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#5

Na servas, diese Verdrehung der Tatsachen ist selbst für dich eine kognitive Meisterleistung.

Tatsächlich ist es so, dass Armenien bis heute Mitglied des OVKS ist, einem Militärbündnis mit Russland an der Spitze. Genau wie bei der NATO gibt es auch hier die Klausel, dass ein Angriff auf ein einzelnes Mitglied als Angriff auf alle Mitglieder gewertet wird.

Bereits seit Mai 2021 gab es Konflikte zwischen Armenien und Aserbaidschan. Im selben Monat bat Armenien dann um Unterstützung durch die KVKS, aber Russland verlegt nur ein paar Truppen in die Gegend und blieb sonst tatenlos.

Im Juli eskalierte die Situation abermals, wieder bat Armenien Russland um Hilfe, wieder wurden man vertröstet.

Im November gab es wieder Gefechte mit Verlusten auf beiden Seiten. Armenien bat Russland wie üblich um Hilfe und bekam keine.

Im März 2022 war Russland dann in der Ukraine beschäftigt. Armenien bittet darum, dass Russland weitere Soldaten als Friedenswächter schickt. Russland macht nichts.

Im August flammen die Kämpfe wieder auf und Armenien kritisiert wieder öffentlich die mangelnde Unterstützung durch russische Friedenstruppen. Konkret wird kritisiert, dass gerade an der Grenze keine russischen Soldaten stationiert sind.

Im September greift Aserbaidschan massiv an und tötet 49 armenische Soldaten. Russland schlägt eine ‚fact-finding mission‘ vor.

Im Oktober kommen Videos von aserbaidschanischen Kriegsverbrechen in Umlauf. Der armenische Präsident fährt nach Moskau und fordert Unterstützung an. Russland reagiert nicht.

Im Dezember kommt es immer wieder zu Zwischenfällen und erneut wird armenische Kritik an Russland laut. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums bezeichnet Kritik an den Friedenstruppen als ‚inakzeptabel‘.

Im Februar 2023 wird es dann interessant. Armenien hat eingesehen, dass Russland nicht willens ist, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen und hat eine Überwachungsmission der EU angeregt. Russland verbittet sich diese ‚Einmischung‘ der EU und stellt fest, dass ‚der Frieden von russischen Friedenstruppen aufrechterhalten wird‘.

Im März wiederholt Russland die Behauptung, dass Russland alles tut, um eine Eskalation zu verhindern. Auf die Frage, wie Russland reagieren würde, falls Aserbaidschan Berg Karabach angreift, heißt es nur, man wolle nicht spekulieren.

Im April errichtet Aserbaidschan im Latschin-Korridor einen Checkpoint und kontrolliert nun den Warenfluss nach Berg-Karabach. Russland hat sich eigentlich dazu verpflichtet, dieses Korridor zu schützen. Russland erklärt, Armenien müsse sich halt mit Aserbaidschan einigen.

Im Mai erwägt Armenien offen, aus der OVKS auszutreten. Ebenfalls wird bekannt, dass Russland bereits bezahlte Rüstungsgüter nicht an Armenien geliefert hat.

Im August spitzt sich die Lage zu. Der Korridor wird von Aserbaidschan kontrolliert und es kommen kaum noch Hilfsgüter nach Berg-Karabach. Armenien bittet den UN-Sicherheitsrat darum, Aserbaidschan für die Blockade zu verurteilen und eine Verbesserung der humanitären Lage zu erwirken. Russland ist der Meinung, dass dieses Thema beim UN-Sicherheitsrat nichts zu suchen hat und verweigert Armenien die Unterstützung.

Am 31. August klagt Armenien öffentlich über die russische Untätigkeit. Russland habe mehrfach die Hilfegesuche an die OVKS ignoriert und teileweise sogar aktiv Aserbaidschan unterstützt. Umgekehrt gibt Russland alleine Armenien die Schuld für die gegenwärtige Situation und bezeichnet Kritik an den eigenen Friedenstruppen als ‚unangemessen, falsch und ungerechtfertigt‘.

Im September besetzt Aserbaidschan nach zweitägigen Kämpfen Bergkarabach.

Russland hat Armenien hingehalten, belogen, betrogen und am Ende verraten. Über die Gründe kann man gerne reden, aber was du hier schreibst ist einfach nur sinnfreier Schwachsinn ohne jeden Bezug zur Realität.

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#6

Gegenfrage: Wieso hat der Westen Serbien bombardiert?

Wieso unternimmt der Westen nichts, wenn Aserbaidschan (Partner der Türkei und wichtiger Gaslieferant) das gleiche tut?

#7

Ja, reden wir doch darüber. Liegt es vielleicht daran, dass sich Armenien, genau wie die Ukraine, dem Westen angenähert hat und Putin nur für die Drecksarbeit nützlich gewesen wäre bis das Land in die EU und / oder NATO aufgenommen worden wäre?

#8

Heißt das, du hast jetzt schon das Interesse an deinem ursprünglichen Thema verloren?

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#9

Weil es nicht im Westen geschieht.
Die beiden Länder sind praktisch Mittelasien und grenzen direkt an Russland.
Habe ich nicht einmal von Dir so Äußerungen gelesen, dass der Westen Russland/Putin nicht reizen/provozieren solle?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass wenn der Westen/USA in Armenien tätig geworden wäre, wäre der erste Aufschrei von Dir gekommen, weshalb Russland so unnötig provoziert werde.

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#10

Wenn der Westen militärisch tätig wird hat das, zumindest laut den beteiligten Regierungen, immer ausschließlich moralische Gründe. Und die gleiche Moral gilt nicht mehr, wenn das Land ein paar km weiter entfernt liegt?

#11

Klage doch Deinen Anspruch, den Du an den Westen hast, bei genau diesem Westen ein.

#12

Bei der offensichtlichen Doppelmoral des Westens könnte man doch fast schon denken, dass militärische Aktionen oder wirtschaftliche Sanktionen strategische anstatt moralische Gründe haben könnten…

#13

Angenommen, das wäre wirklich so. Wieso bist du der Meinung, dass Armenien die Seite in diesem Konflikt ist, die moralisch überlegen wäre?

Armenien wurde 1994 mehr oder weniger Opfer des eigenen Erfolges. Die Erfolge auf dem Schlachtfeld erzeugten in der Bevölkerung eine Erwartungshaltung die sich in einem Friedensabkommen widerspiegeln, mit dem weitere Konflikte vorporgrammiert waren.

Völkerrechtlich gehörte Berg-Karabach weiterhin zu Aserbaidschan und die UN verabschiedete mehrere Resolutionen, in denen das Gebiet als Teil Aserbaidschans bezeichnet wurde. Zuletzt wurde 2008 von der Vollversammlung eine Resolution verabschiedet, in der Armenien zum Abzug aus den ‚besetzten aserbaidschanischen Gebieten‘ aufgefordert wurde.

Auch von der EU gab es eine Resolution, in der Armenien aufgefordert wurde, die besetzten Gebiete zurückzugeben. Dazu kommt, dass kein einziges UN Mitglied jemals die Republik Arzach anerkannt hat. Dein Vorwurf, der Westen müsse Armenien aus moralischen Gründen unterstützen, entbehrt also jeglicher faktischen Grundlage.

Das gilt aber natürlich auch für deine Ansicht, dass Russland das Recht hätte, einem Bündnispartner die Unterstützung zu verwehren, falls dieser seine Außenpolitik nicht zu 100% auf Russland ausrichtet. Überhaupt hat Russland Armenien ja nicht nur im Stich gelassen, es hat Armenien absichtlich ins Messer laufen lassen und sicher gestellt, dass es sich eben keine Hilfe von Außen suchen konnte. Und wie @Cook1 völlig richtig angemerkt hat, wärst du der Allererste gewesen, der ein Fass aufgemacht hätte, wenn der Westen ein Mitglied der OVKS unterstützen würde.

Und wenn wir schon dabei sind: Der eigentliche Grund, wieso Russland Armenien nicht geholfen hat, ist recht einfach. Russland war einfach nicht in der Lage neben dem Krieg in der Ukraine einen weiteren Krieg zu führen. Zudem war die Ausgangsposition recht eindeutig, da sich die beiden Länder in den Jahren seit dem letzten Krieg sehr unterschiedlich entwickelte:

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Sowohl was die Wirtschaftsleistung als auch das Militärbudget betrifft, ist Aserbaidschan um mehr als das Dreifache überlegen. Bei der Bevölkerung ist Armenien seit 1989 von ca. 3,3 Millionen Einwohnern auf ca. 2,19 Millionen geschrumpft. Aserbaidschan ist im gleichen Zeitraum von ca. 7 Millionen auf 10,1 Millionen gewachsen. Auch bei den Streitkräften war Aserbaidschan in jedem Teilbereich um mindestens das Dreifache überlegen. Vom technologischen Vorteil, den sich das ölreiche Aserbaidschan sichern konnte, gar nicht zu reden.

Das Einzige, was Aserbaidschan vor einem Angriff auf Armenien bzw. Arzach abhielt, war die OVKS bzw. Russland. Der Krieg um Bergkarabach 2020 zeigte dann recht deutlich, dass Armenien hoffnungslos unterlegen war und dass Russland hier massive Unterstützung leisten müsste, um einen Ausgleich zu erreichen. Das konnte bzw. wollte sich Russland spätestens seit dem Überfall auf die Ukraine nicht mehr leisten.

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#14

Keine Ahnung, wieso ich hier 2,19 Millionen geschrieben habe. Die korrekte Zahl wäre 2,93 Millionen.

#15

Nein, das ist völlig unmöglich. Seit Erasmus von Rotterdam und der Gründung des Völkerbundes verfolgt “Der Westen“ keine strategischen Ziele mehr.

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#16

Bitte keine Fakten,

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#17

Du meinst das Gebiet das zu Aserbaidschan gehört, von Armenien völkerrechtswidrig besetzt wurde und ethnisch gesäubert wurde?

Oder über was sprechen wir hier ?

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#18

Nein, das sind alles Fakten, die nicht zu Desperados Vorstellungen passen und daher hier völlig fehl am Platz sind!

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#19

Es geht hier um eine moralische Debatte - und Du rechtfertigst eine ethnische Säuberung mit der militärischen Stärke Aserbaidschans?

Mir ist der Hintergrund durchaus bekannt - aber was unterscheidet denn die Situation von der im Kosovo, welches völkerrechtlich auch zu Serbien gehörte?

Würdest Du es auch rechtfertigen, wenn Deutschland seine Ostgebiete wieder zurück erobert?

#20

Stell dich bitte nicht dümmer als unbedingt notwendig. Die Frage zur Moral habe ich in den ersten vier Absätzen behandelt und es ist nicht weiter überraschend, dass du darauf nicht weiter eingehen möchtest.

Bei dem Satz, den du wie üblich aus dem Zusammenhang gerissen hat, geht es um die Motive Russlands, Armenien im Stich zu lassen. Auch hier keine große Überraschung, dass du nicht darauf eingehen möchtest.

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