Hallo!
wie man an zahlreichen Crashtests zwischen älteren und moderneren :Autos sehen kann sind alte Autos erheblich unsicherer
Wieso wurden alte Autos so schlecht konstruiert? Ich meine damit :nicht die fehlenden Airbags (die es aber auch seit rund 30 :Jahren gibt) sondern die Struktur welche sich nicht optimal :verformt hat. Wieso war es damals nicht moeglich einfach :Autos so zu bauen dass Sollverformungsstellen (Knautschzonen) :die Energie aufnehmen? Dazu braucht man doch keinen :Computer sondern nur ein wenig Sachverstand. Oder war es :damals einfach nicht relevant?
An der Relevanz fehlte es bei bis zu 19.000 Verkehrstoten allein in Westdeutschland in den 70er Jahren ganz sicher nicht http://de.wikipedia.org/wiki/Verkehrstod#Deutschland . Es fehlte an dem, was du „nur ein wenig Sachverstand“ nennst. Es fehlte auch an Computern, aber die allein hätten nichts genützt, weil man von der Konstruktionssoftware, die erst in den letzten 30 Jahren entstand, nicht einmal zu träumen wagte. Es fehlte an mathematischer Methodik, an geeigneter Sensorik und Messtechnik und schließlich fehlte mit der Unfallforschung ein ganzer Wissenschaftszweig. Selbst wenn all das vorhanden gewesen wäre und etwa 1970 oder 1980 hätten die kompletten Konstruktionsunterlagen für ein Fahrzeug nach heutigem Sicherheitsstandard zur Verfügung gestanden, hätte man es nicht bauen können, weil die Werkstoffe und Fertigungsverfahren fehlten.
Man konnte früher mechanische Strukturen in vergleichsweise einfacher Form rechnen und bauen. Bei einem Unfall entstehen zwischen ursprünglicher Form und dem Endzustand (wenn also die einwirkende Energie absorbiert wurde) für jeweils kurze Zeit unendliche viele neue mechanische Strukturen. Die Vorausberechnung solcher Vorgänge erforderte die geeignete mathematische Methode, hier die Finite-Elemente-Methode (FEM) http://de.wikipedia.org/wiki/Finite-Elemente-Methode . FEM kann man „zu Fuß“ anhand einfacher Strukturen begreifen, aber in der Praxis erfordert die Methode geeignete Rechner, schnelle Rechner und große, schnelle Speicher für abermillionen Rechenoperationen. Die Hardware ist das Eine, aber ohne die parallel laufende Entwicklung geeigneter Software-Tools wäre das alles nur brotlose Kunst. Die schönsten mechanischen Konstruktionen nützen aber wenig, wenn man über das Ziel aller Maßnahmen, nämlich die auf die Insassen eines Fahrzeugs wirkenden Kräfte, zu wenig weiß. Aus naheliegenden Gründen kann man nicht lebendige Menschen für laufende Laborversuche benutzen. Man braucht also Dummys mit geeigneter Sensorik. Auch diese Technik musste erst entwickelt werden (Anm.: Einige Jahrzehnte früher nahmen Militärs in der Luftfahrt für den Erkenntnisgewinn Freiwillige, deren Überleben mindestens fragwürdig war).
Ohne auf technische Details einzugehen, lässt sich feststellen, dass die Entwicklung „sicherer“ (die Anführungszeichen erläutere ich noch) Fahrzeuge ohne Quantensprüngen gleichkommenden Fortschritten auf praktisch allen ingenieurwissenschaftlichen Gebieten nicht denkbar gewesen wäre. Es sträuben sich die Haare, wenn dann ein blutiger Laie ohne die geringste Vorstellung von „ein wenig Sachverstand“ schreibt. Es wird ein oder zwei Jahre her sein, als ich den Repräsentanten eines chinesischen Herstellers von Luxuskarossen angesichts katastrophaler Crashtest-Ergebnisse seine Ahnungslosigkeit vom Stapel lassen hörte, als er nämlich sagte, die nächsten Tests in ein paar Monaten würden selbstverständlich viel besser ausgehen. Es ist nämlich nicht mit ein paar Tiefziehwerkzeugen für’s Blech getan. Vielmehr gehört nebst Know-how eine komplette ingenieurwissenschaftliche und industrielle Infrastruktur dazu, um solche komplexen Produkte zu schaffen.
Wie versprochen die Erläuterung zu den Anführungszeichen beim Wörtchen „sicher“: Wenn es darum geht, mechanische Energie zu absorbieren, taucht in Rechnungen immer der Audruck m*v² auf. Die Energie ist der Masse proportional und dem Quadrat der Geschwindigkeit. Das heißt in der Praxis: Wenn ein 40-t-Zug mit 100 km/h auf einen Pkw kracht, macht man sich um die Stabilität der C-Säule oder irgendeiner anderen Struktur keine Sorgen mehr. Die Energie liegt so deutlich jenseits des Beherrschbaren, dass man keine rettende mechanische Struktur sucht, sondern den Crash mit elektronischen Assistenzsystemen von vornherein verhindern muss.
Aus dem gleichen Grund gibt es für die Insassen des neuesten Audi oder Mercedes beim Frontalcrash mit hoher Geschwindigkeit an den Baum oder in den Gegenverkehr keine höhere Überlebenschance als beim gleichen Unfall vor 30 oder 40 Jahren mit dem damaligen Stand der Technik. Masse und insbesondere Geschwindigkeit müssen nur groß genug sein, um jede mechanische Struktur schlichtweg zerreissen und sich in ihre Bestandteile zerlegen zu lassen. Selbst wenn z. B. ein Gurt hält, sind irgendwann die Kräfte so groß, dass die Strukturen des menschlichen Körpers vom Sicherheitsgurt zerstört werden. Die Argumentation, Autos seien nicht sicherer geworden, weil sie sich beim Crash mit 150 km/h genau so zerlegen wie vor 30 Jahren, geht deshalb am Problem vorbei. Vielmehr geht es darum, den Crash bei 60 km/h oder mit Glück auch noch bei 80 km/h ohne lebensbedrohliche Verletzungen zu überstehen. Und dabei hatten die Insassen vor 30 oder 40 Jahren ganz schlechte Karten.
Zugegeben, dabei http://files.mercedes-fans.de/gallery_pictures/2011/… kann ich ins Schwärmen kommen. Aber nicht nur, weil das Schmuckstück als gut erhaltenes Exemplar so teuer ist, gehört es nicht als Alltagsauto auf die Straße. Manche Chirurgen hatten nämlich früher das zweifelhafte Vergnügen, neben Griffen, Bedienhebeln und Zierleisten aller Art u. a. den metallenen Hupring des Lenkrads aus den Innereien von Unfallopfern zu operieren – nach einem Unfall bei 60 km/h.
Gruß
Wolfgang