willkürliche ALG-Sperre

Hallo,
ich habe von einem Arbeitslosen gehört, dem zuerst unterstellt wurde, er habe sich auf eine angebotene Stelle nicht beworben.
Im Anhörbogen stellte er klar, dass er sogar beim Vorstellungsgespräch war.
Daraufhin wurde ihm 3 Wochen ALG gestrichen, weil er im VG gesagt haben soll, er sei an der Stelle nicht interessiert. Das klingt wie ein Witz.
Kann es sein, dass die AAn angewiesen sind, auf diese Weise Geld einzusparen, denn bis der Vorgang durchs Sozialgericht gegangen ist, vergeht ein Jahr.
Wer weiss da was darüber?
Guten Abend.

Hallo,

ich würde da mal Sokrates zitieren wollen:

„Ja, guter Freund! Lass sehen, ob das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe hindurchgeht: Das erste ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?"

VG, René

ob es wahr ist?

Klingt wirklich sehr abenteuerlich.
Aber ganz aus der Luft gegriffen ist die Vermutung wohl doch nicht.

Hallo,

dem zuerst unterstellt wurde, er habe sich auf eine angebotene Stelle nicht beworben.

dies konnte er wiederlegen! S.u.

Im Anhörbogen stellte er klar, dass er sogar beim Vorstellungsgespräch war.

Alles Bestens!

Daraufhin wurde ihm 3 Wochen ALG gestrichen,

wohl kaum!

weil er im VG gesagt haben soll, er sei an der Stelle nicht interessiert.

korrekte(re) Begründung der Streichung der Leistungen!

Kein Interesse an Arbeit= Sanktionen!

Ob dies fachlich und sachlich korrekt ist, kann nur der(die)Sachbearbeiter(in) entscheiden und zur Not die Amtsleitung oder das Sozialgericht!

VG, René

Nein, das ist die Rechtslage!
Hi!

Daraufhin wurde ihm 3 Wochen das ALG gestrichen, weil er im VG gesagt haben soll, er sei an der Stelle nicht interessiert.
Das klingt wie ein Witz.

Isses aber nicht.

  1. Die AA denkt sich das nicht aus (düfte sie auch gar nicht, weil Rechtsbruch = strafbar), sondern beruft sich auf die schriftliche(!) Rückmeldung des AG, die sich auch in der Akte befindet.

  2. Tatsache und rechtens ist, dass der Arbeitslose im Zweifel erstmal* in der Beweispflicht ist, dass er eine solche Behauptung, wie vorgeworfen, nicht getätigt hat.

  3. Tatsache ist auch, dass sowohl manche AG das Blaue vom Himmel runterlügen (und damit erstmal* durchkommen) (hier habe ich verschiedene Theorien, warum, ist aber letztlich schnuppe) als auch, dass viele Arbeitslose solche Bemerkungen wirklich machen. (In der Regel die, die damit bis dahin noch nicht auf die Schnauze geflogen sind, weil sie sowohl AGs erwischt haben, denen klar war, dass ihnen eine solche „negative“ Rückmeldung zusätzliche Arbeit (in Form von weiteren Stellungnahmen im Rahmen der Sperrzeitermittlung) macht, als auch höchstwahrscheinlich bislang (noch) gar nicht gecheckt haben, dass es sowas wie mehr oder weniger automatische AG-Rückmeldungen gibt.)

*) „erstmal“ = solange nicht bzw. bis der Arbeitslose vors SG zieht. Was da rauskommt, muss der Einzelfall zeigen. („Vor Gericht und auf hoher See …“ :smile: Weiteres siehe auch unten.
Auf jedem Fall würde ich jedem Arbeitslosen, der sich keines Fehlverhaltens bewusst ist, raten zu klagen! (Einem Widerspruch wird aufgrund der Beweislastumkehr zumeist nicht stattgegeben.) Klagen ist vor dem SG auch erstmal grundsätzlich kostenlos. (Nur für den eigenen Anwalt müsste man ggf. was zahlen (wenn kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe), aber zumindest in der 1. Instanz besteht auch kein Anwaltszwang, sodass man sich quasi selbst vertreten kann.

Kann es sein, dass die AAn angewiesen sind, auf diese Weise Geld einzusparen, denn bis der Vorgang durchs Sozialgericht gegangen ist, vergeht ein Jahr.

Nein! Definitiv nicht! Ich sage hier dasselbe, wie schon die Tage bei einem ähnlichen Vorwurf: Ein solches Vorgehen wäre offener Rechtsbruch und kriminell! (Und sooo schlecht sieht unsere Haushaltslage nun auch wieder nicht aus. Wir finanzieren uns schließlich zum größten Teil aus Versicherungs-, nicht aus Steuergeldern wie die Alg-II-Baggage. :wink:
Vielmehr ist die Rechtslage so, dass ohne Beweise gegen den Arbeitslosen entschieden werden muss (Beweislastumkehr). Ein solches Vorgehen ist also nicht in erster Linie die „Schuld“ der AA (und schon gar keine Willkür!), sondern Ergebnis der Rechtslage, für die die AA nicht verantwortlich ist, diese aber verpflichtet ist umzusetzen.

Inwieweit die Beweislastumkehr dann (im Einzelfall oder regelmäßig) auch vor dem SG Bestand hat bzw. ob diese überhaupt verfassungskonform ist, übersteigt allerdings meine Kenntnis.
Ich weiß nur, dass es dazu bislang kein negatives höchstrichterliches Urteil (BSG, BVerfG) gibt, weil sonst die gesetzlichen Regelungen umgehend zunächst hätten ausgesetzt und dann schnellstmöglich geändert werden müssen. Nichts davon ist jedoch bislang geschehen. Da die Beweislastumkehr schon von Beginn der Einführung des SGB III (1998) gilt, es mich sehr wundern würde, wenn sich deswegen bis heute noch niemand durch alle Instanzen geklagt hätte (vgl. die zahlreichen höchstrichterlichen Urteile seit Einführung von Hartz IV 2005) und bis heute noch kein hohes Gericht gegen diese geurteilt hat, gehe ich allerdings schwer davon aus, dass die Beweislastumkehr rechtens ist.
(Wenn Du an konkreten einschlägigen HRR-Urteilen interessiert bist, empfehle ich Dir, mal die entsprechenden Online-Gerichtsdatenbanken zu durchforsten.)
Des Weiteren ist mir nicht bekannt, dass aktuell ein solches mehrinstanzliches Verfahren anhängig wäre. (Das muss aber nicht unbedingt was heißen.)

Wer weiss da was darüber?

Reicht das für den Anfang? :smile:

LG
Jadzia

PS: Noch als Ergänzung: Aus dem Stand heraus bin ich mir fast 100 %-tig sicher, dass die Beweislastumkehr nur in Bezug auf § 144 SGB III (Sperrzeit) gilt und nicht für das gesamte SGB III!

Danke, auch Rene, für die ausführlichen Hinweise.
Wenn noch eine Sperre dazukommt, und dann in einem Jahr das Sozialgericht die erste Sperre aufhebt, da werden die Rechenmbretter bei der AA glühen.

Hallo,

ich habe hierzu:

Tatsache und rechtens ist, dass der Arbeitslose im Zweifel erstmal* in der Beweispflicht ist, dass er eine solche Behauptung, wie vorgeworfen, nicht getätigt hat. :

eine Frage.

Gibt es irgendwelche Empfehlungen oder sogar eine Art „Usus“, wie sich ein Bewerber in einem Vorstellungsgespräch verhalten sollte?
Ich meine damit: wenn jemand ALG II bezieht und ein Vorstellungsgespräch hat, wie kann er beweisen, dass er nicht gesagt hat „Ich will das nicht machen…“?
Es gibt ja zum Beispiel viele, die sich beim potentiellen AG bescheinigen lassen, dass der keine Fahrtkosten zum VG bezahlt. Gibt es irgendwas ähnliches auch für solche Fälle oder gibt es hier Empfehlungen? Oder wie muss so ein Beweis aussehen? (Frage aus reiner Neugierde… und weiß, dass du „Praktikerin“ bist. Kommt sowas vor, dass jemand sich das bescheinigen lässt?)

Ich schätze deine Antworten hier sehr, weil sie wirklich sehr fachlich sind und man sich auch auf sie verlassen kann. Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen.

Wir finanzieren uns schließlich zum größten Teil aus Versicherungs-, nicht aus Steuergeldern wie die Alg-II-Baggage. :wink: :

Solche Ausdrücke empfinde ich als beleidigend, auch mit :wink:
Viele der ALG II „Baggage“ haben jahrelang in die genannten Versicherungen eingezahlt! Das Problem mit der ARGE ist (meiner persönlichen Meinung nach), dass es Sachbearbeiter gibt, die genauso denken, wie du es hier schreibst. Sorry… aber ich mag solche Begriffe nicht so stehen lassen.

Gruß
Shannon

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Bewerbungsgespräche + Missverständnis
Hi!

Zu Deinen Fragen kann ich Dir gar nicht viel sagen, denn …

Gibt es irgendwelche Empfehlungen oder sogar eine Art „Usus“, wie sich ein Bewerber in einem Vorstellungsgespräch verhalten sollte?

… sowas wie offizielle Kriterien gibt’s da nicht und es muss im Zweifel immer der Einzelfall detailiert geprüft werden mit Anforderungen von schriftlichen Stellungnahmen von Arbeitslosem und AG. Was sich im vom AG rücklaufenden Vermittlungsvorschlag (das ist quasi 'ne Kurzstellungnahme) noch sperrzeitverdächtig angehört hat (und nur auf solche VVs hin wird (weiter)ermittelt; die „unverdächtigen“ landen gleich in der Aktenablage), löst sich nach Anhörung oft auch in Wohlgefallen auf.

Kurz könnte ich eine Antwort auf Deine Frage nur so auf einen Nenner bringen: Der Arbeitslose hat alles zu unterlassen, dass eine Anstellung beim AG gefährden könnte.
Wobei es natürlich auch hier wieder Grauzonen gibt. Weiß einem Bewerber mal nach, dass die Rechtschreibfehler in seiner Bewerbung Absicht waren und nicht auf Unzulänglichkeiten zurückzuführen sind… Zumindest das eine oder andere Mal kann man damit durchkommen.
Auch ist es sperrzeittechnisch relevant, wie subtil ein Bewerber seine vermeintlichen Schwächen dem AG vermittelt bzw. ob er dem AG seine chronische Unpünktlichkeit (ob wahr oder nicht) geschickt durch die Blume mitteilt oder ihm direkt ins Gesicht sagt: „Ich schaffe es morgens schlecht aus dem Bett und es kann sein, dass ich gelegentlich mal ein paar Minuten zu spät komme“ (am besten noch gepaart mit einer Verspätung beim Vorstellungsgespräch).

wenn jemand ALG II bezieht und ein Vorstellungsgespräch hat, wie kann er beweisen, dass er nicht gesagt hat: „Ich will das nicht machen…“?

Mal davon abgesehen, dass ich hier von Alg I bzw. § 144 SGB III rede (ich vermute jedoch, dass im SGB-II-/Alg-II-Bereich dieselben Kriterien angelegt werden; das ist aber nicht so mein Gebiet): gar nicht.
Im Zweifel steht Aussage gegen Aussage und das Ganze wird vermutlich vors SG gehen müssen, wie ich ja schon in meinem Vorposting ausgeführt hatte.

Gibt es irgendwas Ähnliches auch für solche Fälle oder gibt es hier Empfehlungen?

Nur was ich oben schon geschrieben hatte. Offizielle Richtlinien dazu sind mir unbekannt.

Oder wie muss so ein Beweis aussehen?

Zeuge mitnehmen (was beim Vorstellungsgespräch aber wohl weniger gut ankäme)…

(Frage aus reiner Neugierde … und weiß, dass du „Praktikerin“ bist. Kommt sowas vor, dass jemand sich das bescheinigen lässt?)

Hier weiß ich nicht so genau, was Du mit „das“ meinst?!

Ich schätze deine Antworten hier sehr, weil sie wirklich sehr fachlich sind und man sich auch auf sie verlassen kann.

Danke. :smile:

Trotzdem kann ich es mir nicht verkneifen.

Das ist auch gut so, denn dann kann ich das Missverständnis (dem ob meiner offensichtlich mehr als missverständlichen Formulierung vielleicht auch noch andere aufgesessen sind) aufklären (hoffentlich)!

Wir finanzieren uns schließlich zum größten Teil aus Versicherungs-, nicht aus Steuergeldern wie die Alg-II-Baggage. :wink:

Viele der ALG-II-„Baggage“ haben jahrelang in die genannten Versicherungen eingezahlt!

Ich meinte damit NICHT die Alg-II-Empfänger, sondern meine Kollegen aus dem Alg II!!
Solche leicht despektierlichen Seitenhiebe zwischen Alg-I-lern und Alg-II-lern sind bei „uns“ oft Usus und auch auf keinen Fall böse oder beleidigend gemeint!! Eher liebevoll-neckend. :smile:

Ich würde NIEMALS eine Gruppe von Leistungsempfängern/Arbeitslosen/Kunden (wie auch immer man die Menschen nennen mag) als „Baggage“ oder Ähnliches beschimpfen! Das wäre in der Tat beleidigend und unverschämt. Nicht nur das: Wenn ich das wirklich so gemeint hätte, wie es offensichtlich angekommen ist, müsste ich wohl ernsthaft mein Menschenbild überdenken und meinen Job gleich obendrein…

Das Problem mit der ARGE ist (meiner persönlichen Meinung nach), dass es Sachbearbeiter gibt, die genauso denken, wie du es hier schreibst.

Dazu kann ich nicht wirklich was sagen, da ich so viele Alg-II-SBs nicht gut genug kenne.
Für meine Kollegen aus dem Alg I würde ich jedoch grundsätzlich eine solche Haltung verneinen!
Aber auch wenn das oftmals so ankommen mag: Ich kann (oder will) mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass so eine menschenverachtende Grundhaltung im SGB II die Regel sein soll. Ich vermute vielmehr, dass das nur der äußere Eindruck ist, hinter dem in Wirklichkeit Überforderung, Stress o. Ä. steckt (und auch bei Alg-I-lern der Grund für manchmal unangemessenes Verhalten gegenüber den Arbeitslosen ist).

aber ich mag solche Begriffe nicht so stehen lassen.

Das ist auch völlig in Ordnung! Ich hoffe aber, ich konnte das aufklären. War wirklich sehr unglücklich formuliert
Sorry! Auch an die, die sich vielleicht angegriffen gefühlt haben!

LG
Jadzia