Wäre es allgemein üblich, sich 100mal die Hände zu waschen,
könnte man es kaum noch als Zwangshandlung bezeichnen, oder?
Doch.
Zähneputzen ist sicher allgemein üblich. Im letzten Uerlaub hatte ich meine Zahnbürste vergessen, konnte erst am zweiten Tag eine kaufen. Ich hab trotzdem gut geschlafen.
Zähneputzen kann aber auch eine Zwangshandlung sein. Dann würde ich in dem Moment, wo ich merke: „Ich habe die Zahnbürste vergessen“, unter Umständen eine Panikattacke bekomme. Ich würde mich die ganze nacht hin- und herwälzen und mir ausmalen, wie die Zähne faulen. Am nächsten Tag 100 Kilometer zu dem Drogerieshop fahren, der auch Sonntags geöffnet hat … Wenn dadurch ein Leidensdruck entsteht, dann ist das ein behandlungswürdiges Problem.
So gesehen kann man auch unter Kannibalen jemanden finden, der zwanghaft Menschenfleisch essen muß. Weil es für ihn eben nicht nur Norm, sondern Zwang ist.
Im Grunde ist es doch eher so, dass ein bestimmter „Drang“
vorliegt, der aber erst durch äußere Definitionen, und somit
durch subjektive Normvorstellungen, zum „Zwang“ deklariert
wird.
Nein, eigentlich nicht. Zum Zwang wird es durch die Absolutheit, mit der die Handlung ausgeführt werden muß.
Ich kann die gesellschaftliche Norm, meinen Penis nicht zu zeigen, scheiße finden und munter dagegen verstoßen, ohne daß das nicht im geringsten zwanghaft sein muß. Oder ich kann es aufgrund eines Zwanges tun.
Nun, aber man kann sich doch willentlich auch nicht von seiner
Homosexualität befreien.
Nein, aber mein Umgang damit kann zwanghaft oder nicht zwanghaft sein.
Gruß,
Max