hallo Mohamed,
erst einmal wäre es, glaube ich, ganz gut, wenn Du einmal mitteiltest, von welcher Warte aus Du vorhättest zu diskutieren - der des Islam? Oder welcher sonst? Dann wäre Deine Ausgangsposition deutlicher, mit der Du in das von Dir angestrebte Diskussionsforum eintreten möchtest.
Ich habe vor dem Islam sehr große Achtung. Es war der Islam, der dem Abendland einen großen Teil des Erbes der Antike erhielt, es pflegte, weiterentwickelte. Als Europa in all seiner christlichen Pracht noch in wissenschaftlicher Finsternis verharrte und die Vergebung der Sünden verkaufte (um Lucretia Borgia, der Tochter des Papstes, die dritte und vierte Mitgift zu bezahlen …), pflegten die arabischen Hochschulen eine wissenschaftlich fundierte Medizin. Es war der Islam, der die Toleranz der Religionen zuerst praktizierte - in Spanien, noch vor den ersten Kreuzzügen. Meine Haltung zu ihm ist die, die unser Dichter Lessing in seinem Drama „Nathan der Weise“ in der Ringparabel ausdrückte. Und er, dieser Dichter, ist einer der großen humanistischen Geister, die unsere europäische Kultur geprägt haben. Zum Glück. Zum Glück.
Um mit Lessing zu sprechen - wir haben den gleichen Ring bekommen … und fragt sich, wie wir mit unserem Erbe umgehen. Täten wir das nämlich so, wie wir es in der Bibel oder bei den Humanisten lesen können, gäbe es sehr viel weniger Haß und Streit von unserer Seite aus. Aber es gibt sie. Und ich möchte ebensowenig wie mit Dir oder irgendeinem anderen Moslem mit einem katholischen Christen über seine Glaubensauffassung diskutieren. Ein Glaube, der Dämonenaustreibungen (Exorzismus) heute noch für möglich hält. Ein Glaube, der sich anmaßt, zu bestimmen, wen Gott zu den Stufen seines Throns erhebt ( die Heiligen…); ein Glaube, der so viel materielle und irdische Macht sucht und ausübt (und wie … Opus dei…) - er reizt mich nicht zur Glaubens-Diskussion, denn in unserer Bibel steht, Gottes Reich sei nicht von dieser Welt.
Ebensowenig reizt mich ein Glaube zur Diskussion, der Frauen in zahlreichen Ländern so unendlich viel Leid, Verletzung, Unterdrückung, Erniedrigung, Entrechtung zumutet; der derartig grausame Strafen wie die der Scharia möglich macht; der Fatwas erläßt. Ob das alles so im Koran steht ( und wie z.T. zweifelhaft dessen Quellen vielleicht sind), darüber kann man diskutieren, tut es auch im Islam, wie ich weiß, aber nicht mit mir. Denn so aufgeschlossen, so vernünftig, so diskussionsoffen, so aufgeklärt auch jeder einzelne Moslem, jeder einzelne katholische Christ sein mag, mit dem ich diskutieren könnte - was könnte, was würde sich an den aufgezählten Verletzungen der Menschenwürde, den traurigen Entscheidungs- und Handungsabläufen der genannten Art ändern? Nichts.
Ändern kann nur die Diskussion in den eigenen Reihen. Jeder kann nur in seiner eigenen Religion wirken. Und genau das sollte er tun. Oder es versuchen.Wir können darauf drängen, daß jeder etwas mehr von den anderen Religionen weiß, aber ob man seine Zeit mit Diskussionen verbringt, die nichts ändern, ist eine andere Frage.
Jeder hüte seine Religion und beeinflusse, wenn er kann, diejenigen um sich herum, die zu Härte, Unbarmherzigkeit und Radikalität um des Glaubens willen aufrufen. Ich glaube, wir sollen im Glauben leben, nicht für ihn. Gruß, I.