Woran erkenne ich, ob es bestimmte Straßen bereits im Mittelalter gab?

In Neubaugebieten ist das ja recht klar: Straßen, Wege und Plätze wurden neu angelegt. Zuvor befand sich dort vermutlich schon immer eine unbebaute Fläche.
In Innenstädten kann man den oft mittelalterlichen Straßenverlauf größtenteils noch nachvollziehen, selbst wenn die ursprüngliche Bebauung im 2. Weltkrieg zerstört worden sein sollte. Wie alte Parzellen wurden dann mit Nachkriegsbebauung zugebaut.
Wie sieht es aber mit den anderen Straßen außerhalb der Stadtkerne aus? Woran kann ich erkennen, ob Straße oder Weg XY bereits vor 400-500 Jahren existierten, oder vielleicht sogar schon vor 800 Jahren? Ich habe mal alte Karten zum Vergleich herangezogen, aber die ältesten Katasterpläne meines Wohnortes sind gerade mal 200 Jahre alt. Wie kann ich herausfinden, ob es diese und jene Straße bereits im z.B. Jahr 1650 gab?

Moin,

hier musst du für jede einzelne Straße gezielt recherchieren.
Gibt es alte Karten, Eintragungen in Chroniken, Erwähnungen.
Es gibt für deine Fragestellung keine Universalantwort.

Viel Spaß

To_i

Servus,

wenn sie auf keiner damals aufgenommenen Karte verzeichnet ist, kannst Du nach Indizien vorgehen, z.B. bei Landstraßen Bildstöcke, Wegkreuze, Sühnekreuze, Gehöfte, aber auch Verlauf der Straße: Im Hügelland erst ab dem 18. Jahrhundert (etwa) Landstraßen in den überschwemmungsgefährdeten Tälern und nicht mehr nach Möglichkeit auf den Höhenrücken gebaut.

Flur- und Ortsnamen können auch Hinweise geben.

Schöne Grüße

MM

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Wie die anderen Archäologen auch: durch Luftbildauswertung, mittels Magnetfeldsonden und durch Grabungen.

Übrigens ist es mittlerweile Pflicht und deshalb Standard bei Neubauprojekten, vorher durch Notgrabungen sicher zu stellen, dass da die Kelten/Römer/Eisenzeitler/… nichts interessantes hinterlassen haben. Weshalb es mittlerweile über 60 Firmen gibt, die sich mit Grabungstechnik beschäftigen.

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Servus,

dienen einem Teil der Fragestellung - mit ihnen lässt sich feststellen, ob irgendwo eine Straße war, die heute nicht mehr dort verläuft.

Wie lange die L 401 bei Standenbühl schon dort verläuft, wo sie heute verläuft, durch Grabung festzustellen, würde den Verkehrsfluss empfindlich stören; @Xperience1982 wird keine Genehmigung dafür bekommen.

Wenn man ihren Namen „Kaiserstraße“ zusammen mit ihrem Verlauf hernimmt, braucht man nichts weiter, um festzustellen, dass es an dieser Stelle um 1800 noch keine Straße gab.

Nur mal 'n Beispiel.

Schöne Grüße

MM

Da ich annehme dass du das Internet bereits durchsucht hast und auch auf Seiten wie z.b. diese hier gestoßen bist, gibt es neben den schon von @anon2160089 genannten Möglichkeiten natürlich diverseste Archive, um an historische Karten zu kommen (in Österreich wären meine Ansätze zuerst die Nationalbibliothek und von dort dann weiter zu den bekannt alten Klöster und Stiften).

Für diese napoleonsche Straße mag das stimmen, trotzdem würde ich da vorsichtiger drangehen, nur als Beispiel: Die Simmeringer Hauptstraße in Wien verläuft - logisch - durch den Bezirk Simmering, dessen namensgebendes Dorf „Simaningen“ 1028 erstmals und 1130 erstmalds urkundlich erwähnt wurde.
Die Straße selber jedoch deckt sich mit der römischen Militärstraße am damaligen Limes zwischen Vindobona und Ala Nova (die dann weiter nach Carnuntum führte) - also ein Jahrtausend zuvor.
Römisches Pflaster wird man vergebens suchen (auch wenn der Straßenzustand teilweise darauf schließen lassen könnte).
Nur so als Beispiel, wobei es sich hier um eine gut dokumentierte städtische Straße (seit 1892) handelt - bei Landstraßen stelle ich mir es etwas mühsamer vor.

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Servus,

grade das ist die Schwierigkeit, wenn man bei bestehenden Wegen und Straßen (ausschließlich) mit archäologischen Methoden vorgehen möchte. Man kann damit recht leicht bei „zu jungen“ Spuren hängenbleiben. Wo „Gras drüber gewachsen ist“, sind die Verläufe von gewesenen Straßen und Wegen zwar mehr oder weniger leicht zu erkennen, aber die Entstehungszeit der heute noch bestehenden Straßen und Wege zu datieren, ist allein mit technischen Mitteln nicht gut möglich; die liefern allenfalls Belege für „mindestens seit…“.

Schöne Grüße

MM

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Eine weitere Schwierigkeit ist dadurch zu erwarten, dass Straßenverläufe längst nicht immer ganz so statisch sind, wie man meinen möchte. Auch früher schon wurden Siedlungen/Siedlungsteile aufgegeben, verlagerten sich, mussten Wegebeziehungen aufgrund von Veränderungen in der Landschaft durch Erosion, Naturkatastrophen, … geändert werden, änderten sich strategische oder wirtschaftliche Interessen, …

Bisserl OT: Wer mal in Wien ist, sollte sich unbedingt auf die Freyung begeben. Dort gibt es noch erhaltenes Pflaster aus dem 12. Jhdt!

Neugierhalber: Weisen eigentlich die wenigen Straßen, die es in Wien außer den üblichen Gassen gibt, von der Bezeichnung her darauf hin, dass sie an der Stelle von mittelalterlichen oder antiken Landstraßen oder Saumpfaden verlaufen? Für die Triester Straße und die Magyarhilfer Straße sind glaub ich Römerstraßen belegt, aber das kann auch Zufall sein.

Interessante Frage. Spontan würde ich da an Straßen mit Berufsbezeichnungen wie die Bäckerstraße denken, wo es meines Wissens nach schon im Mittelalter Bäcker gab.

Das wäre mal ein spannendes Diplomarbeitsthema :smile:

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Das machst du dir zu einfach. Man kann Straßen schließlich auch umbenennen.

So ist es. Wobei vor allem das interessant ist, was man neben dem Straßenbaumaterial noch findet. Zum Beispiel der Müll im Graben. Aber natürlich erkennt man mitunter auch die Bauweise und kann sie zeitlich grob einsortieren.

Beispiel:

Nahe der Schottenkirche Richtung Am Hof, oder?
Aber auch die Bepflasterungen in der Ballgasse, Judengasse, Griechengasse-Hafnersteig, Spittelberg, u.ä. haben zumindest „mittelalterliches“ Flair.
Ansonsten ist ja in der k&k-Zeit da sehr viel modernisiert worden.

Genau. Das Pflaster wurde ‚wiederentdeckt‘, ist also nicht 800 Jahre lang durchgehend benutzt. Ich finde es immer irgendwie etwas Besonderes, wenn ich drüber gehe :wink:

Da die Bezirksspaziergänge (angefangen im Lockdown vorigen Jahres) mich und meine Frau diesmal in den 1. Bezirk brachten, hab ich in dieser Hinsicht nicht nur die Bäckerstraße als solche kennengelernt: Bognergasse (Waffenschmiede), Tuchlauben (eh kloa), Kohlmarkt (Kohlenhändler), Färbergasse, Fleischmarkt, Goldschmiedgasse, uvm. sind zumindest seit dem Mittelalter für diese Zünfte bekannt.
Wobei interessanter wird es bei historische Verfälschungen wie z.b. Coburgbastei.

Kein Wunder, das wir fünf Tage für den ersten Bezirk gebraucht haben …

Schon, aber sind das nicht alles Gassen? Lustigerweise komme ich seit de Lockdowns kaum mehr zum Spazieren im Ersten :wink:

Jetzt steh ich auf der Leitung und beweg mich ungewollt keinen Millimeter …

Ich halte mich strikt an den Arbeitsauftrag von @Aprilfisch:

Vielleicht nehme ich ihn ja auch zu wörtlich :smile:

Ja, in Städten und Dörfern, wo diese (seit vielleicht 200 Jahren systematisch) regelrecht benannt werden.

Über Land führende Straßen und Wege erhalten aber ihre Namen nicht explizit, da kriegt man die Namen auch nicht weg. Rennweg bzw. Rennsteig, Jakobsweg, Triftweg, Hopferbacher Kirchweg und eben auch die Napoleonischen Kaiserstraßen haben ihre Namen von der Funktion her erhalten, diese Namen bleiben. Wenn eine davon wie im Ortsnamen Steinau an der Straße gar keinen differenzierenden Namen trägt, kann man sicher sein, dass es sich um eine ganz wichtige handelt - tatsächlich geht es in diesem Fall dann um die Via Regia, die Fernhandelsstraße von Frankfurt/M nach Leipzig.

Spannend wird es bei mittelalterlichen Fernwegen, die abschnittweise Römerstraßen verwenden, die aber anders verliefen: Wenn man da am passenden Ort (und nur da) schaut und unbedacht aufs Ganze schließt, kommt man zu einem ganz anderen Befund, als wenn man die erhaltenen Dokumente anschaut. Vgl. den Régodane-Weg (Danke an Wolfgang für den Hinweis auf La Garde Guérin!).

Da im Südwesten verläuft übrigens eine möglicherweise bereits phönizische Fernstraße, bei der man mit technisch-archäologischen Mitteln und dem kulturellen Kontext zum selben Ergebnis kommt: Sie ist in der Neuzeit nicht mehr bedeutend gewesen, über ziemliche Strecken in der Bauart der römischen Kaiserzeit erhalten, im 16. - 20. Jahrhundert nur noch zum Schaftrieb benutzt, heute mit der Jakobsweg-Mode ganz, ganz sachte und langsam touristisch wiederbelebt. Das Hübsche ist, dass die Straße wie bei Römers - und das in Spanien - Via de la Plata heißt, von Camino oder Carretera keine Rede.

Schöne Grüße

MM

Ah!!
Dann fallen Fischerstiege und Mölker Steig, Tiefer Graben und Salzgries, Lugeck und Basteien, An Der Hülben und Am Gestade, Am Hof und Schulhof, Neuer und Hoher Markt, Auwinkel und die Ringe auch weg … es wird eng …