Hallo,
die von Andreas vorgebrachten Gründe für die Untauglichkeit des Diskos als Waffe sind für mich nachvollziehbar. Zwar ist der griechische Agon eng mit dem Krieg verbunden, jedoch muss nicht jedes Sportgerät zwangsläufig aus einer Waffe entwickelt sein - man denke etwa an die Sprunggewichte. Die angedeutete Stelle in der Odyssee ist mir nicht erinnerlich, wäre ein genauerer Verweis möglich?
Dagegen kam mir aus der Ilias der Agon an Patroklos’ Leiche im Gedächtnis, wo unter anderem auch ein Wettbewerb stattfindet, den ich als Diskuswurf interpretiere. Die Stelle (23. Gesang, 826-849) ist mE geeignet, Aufschluss über die Entstehung dieses Sportgerätes zu geben. Ich zitiere aus der Prosaübersetzung Gerhard Scheibners:
Dann legte der Pelide einen Klumpen aus reinem Roheisen hin, so wie es aus dem Schmelzofen kommt. Damit pflegte einst der überaus starke Eetion zu werfen, doch der fußstarke, göttliche Achilleus tötete ihn und nahm den Klumpen auf seinem Schiff mitsamt der übrigen Beute. Jetzt trat Achilleus vor und sprach inmitten der Argeier die Worte: "Erhebt euch, ihr Männer, die ihr eure Kräfte auch bei diesem Wettkampf erproben wollt! Wer hier gewinnt, der hat, auch wenn seine fruchtbaren Äcker ganz weit draußen liegen, ständig soviel Eisen zu seiner Verfügung, dass es fünf volle Jahre ausreicht. Denn sein Hirt oder sein Pflüger brauchen, wenn ihnen Eisen fehlt, nicht erst in die Stadt zu gehen, sondern er wird es ihnen liefern.
D.h. der ‚Klumpen‘, mit dem da geworfen wird, ist gleichzeitig auch Kampfpreis und an eine Verwendung als Waffe ist bei diesem Preis nicht gedacht - nicht einmal an eine Weiterverarbeitung zu einer Waffe (waffentechnisch war Eisen gegenüber Bronze noch nicht konkurrenzfähig).
Man kann natürlich einwenden, dass dieser ‚Klumpen‘ nicht gerade eindeutig als ‚Proto-Diskos‘ zu identifizieren ist - und der eine oder andere Bildungsbürger wird vielleicht auch einwenden, dass Voß in seiner klassischen Hexameter-Übersetzung stattdessen von einer ‚Eisenkugel‘ spricht. Nun ist Kugelstoßen allerdings eine Sportart neueren Datums, und die Beschreibung der Wurftechnik deutet schon in Richtung Diskus:
Da packte der göttliche Epeios den Eisenklumpen, schwang ihn im Kreise und warf - eine Technik, bei der natürlich auch an genaues Zielen nicht zu denken ist.
Davon abgesehen - identifiziert man den Weitwurf-Agon bei Patroklos’ Totenfeier mit dem Diskuswerfen, so hat man bei den geschilderten Wettbewerben bis auf den Weitsprung die Disziplinen des klassischen Pentathlon, wie er 708 v.d.Z. bei der Olympiade eingeführt wurde. Hinzu kommen Faustkampf (688 in Olympia eingeführt) und Wagenrennen (erstmals 680). Lediglich bewaffneter Zweikampf und Bogenschießen wurden nicht olympische Agone.
Meine Folgerung: wenn der Diskuswurf tatsächlich auf eine Kampftechnik zurückgehen sollte, so war dies zumindest Homer schon nicht mehr bekannt - was diese These recht unwahrscheinlich macht. Insofern wäre ich an einem evt. Gegenbeleg aus der Odysse schon interessiert.
Freundliche Grüße,
Ralf