Panikreaktionen
Hallo Julia,
wir sind uns durchaus darin einig, dass die Beschränkung von Raum Sicherheit zu geben vermag. Das ist auch bei Hunden grundsätzlich erfolgreich und empfiehlt sich beispielsweise dann, wenn Hunde beim Alleinsein in der Wohnung randalieren.
Denn das „sich in die Panik reinsteigern“ findet u.a. körperlich statt. Und das Pendant zu ruhigen Atemübungen für einen Menschen sehe ich beim Hund darin, ihn zu nötigen, sich körperlich ruhig zu verhalten.
Auch das funktioniert grundsätzlich beim Hund. Panik entsteht, wie du weißt, über die Aktivierung von sympathischem und parasympathischen Nervensystem. Auch bei Hunden gibt es unterschiedliche Typen, die entweder stärker zu einer sympathischen oder zu einer parasympathischen Reaktion neigen. Im letzteren Fall reagiert der Hund eher mit Erstarren, in ersteren entwickelt er Fluchtverhalten.
Da Hunden bestimmte kognitive Fähigkeiten fehlen, ist bei ihnen eine systematische Desensiblisierung meist weniger erfolgreich als ein Flooding. Insofern ist die Idee mit der Box ganz richtig. Allerdings gibt es mehrere Probleme.
Erstens: Flooding ist dann am ehesten erfolgreich, wenn der Hund über einen Zeitraum von mindestens einigen Tagen immer wieder dem auslösenden Reiz ausgesetzt werden kann. Das Gehirn lernt, dass die Situation überlebt wird und kann eine Neubewertung vornehmen. Das ist bei Gewittern eher schwierig zu bewerkstelligen. Sobald einige Tage zwischen den Gewittern liegen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass das Flooding zu einem dauerhaften Erfolg führt.
Hinzu kommt, dass beim Hund - im Unterschied zum Menschen - die Großhirnrinde weniger gut entwickelt ist und deshalb die Kommunikation mit den restlichen Hirnregionen schlechter funktioniert. Die Großhirnrinde ist es aber, die Bewertungen von Situationen vornimmt. Beim Hund dominiert das limbische System, das für seine Wahrnehmung der Welt verantwortlich ist. Die Aussichten auf einen dauerhaften LERN-Erfolg sind also eher gering.
Im ersten Fall lässt die Panik irgendwann deutlich nach, vor allem ist auch DANACH deutlich schneller wieder Ruhe eingekehrt (Gewitter vorbei, Hund aus der Box wieder raus, Hund halbwegs entspannt).
Das hängt damit zusammen, dass der Hund in der Box nur diesen Ort als gefährlich einstuft, während er im anderen Fall jeden Ort, an dem er sich aufgehalten hat, als gefährlich bewertet. Insofern dient die Box schlicht und ergreifend dazu, als „Ort des Schreckens“ eingestuft zu werden, während die Welt außerhalb sicherer Grund ist.
Auch aus meinen Erfahrungen mit Menschen kommen Betablocker für mich nicht in Frage.
Damit schränkst du nach meiner Einschätzung ein erfolgreiches Verhaltenstraining sehr ein. Bei einem Hund wie deinem, der zum Fluchttyp gehört, wäre die Blockierung der Beta-Rezeptoren genau das, was ihm helfen könnte, körperlich ausreichend ruhig zu bleiben, um lernfähig zu sein.
Ich selber würde tausendmal lieber in einer bequemen und luftigen Besenkammer schlafen als Betablocker verabreicht zu bekommen.
Hier verlässt du deine ansonsten eher wissenschaftliche Betrachtungsweise und vermenschlichst den Hund
. Anzumerken ist noch, dass die Medikamentierung ausschließlich situativ erfolgt.
Bisher mache ich es so, wenn sie bei mir im Zimmer ist, dass ich sie sich hinlegen lasse, wenn sie panisch wird (immer wieder), weil das noch den meisten Erfolg bringt.
Das „immer wieder“ hängt damit zusammen, dass die körperliche Stressreaktion einfach zu groß ist, um liegenzubleiben. Der ganze Hund ist auf „FLUCHT“ ausgerichtet und kann schlicht und ergreifend nicht liegenbleiben. Womit wir wieder bei den Betablockern wären
. Mit deiner Methoden hättest du viel höhere Aussichten auf Erfolg, wenn der Hund in diesem Moment auch lernfähig wäre.
Dass er bislang irgendwann trotzdem ruhiger wird, hängt damit zusammen, dass bereits einige Minuten nachdem das sympathische Nervensystem seine maximale Erregung erreicht hat, eine Gewöhnung an den Stressor verhindert, dass dieses überbeansprucht wird. Dass es schneller geht, hat lediglich damit zu tun, dass die maximale Aktivierung durch die Unterbindung der Fluchtreaktion schneller erreicht wird, als wenn er weglaufen kann.
Letzten Endes ist es auch das, was in der Box passiert: Die körperliche Reaktion beruhigt sich wieder.
Womit ich bei einem anderen Punkt wäre: Wenn der Hund nach der Beruhigung in der Box bleibt, kann es passieren, dass er in nicht allzuferner Zukunft die BOX als Auslöser für den Stress bewertet. Dann wäre damit zu rechnen, dass der Hund auch nach Ende des Gewitters in der Box weitere Panikattacken bekommt. In der Folge wäre sogar eine Generalisierung dahingehend denkbar, dass der Hund bereits beim ANBLICK der Box in Panik gerät.
Schöne Grüße
Jule