Zu Spaemann

Hallo!

Vorgestern in der NZZ las ich einen schönen Text von Robert Spaemann (http://www.nzz.ch/2005/12/17/li/articleDDBED.print.html), fast eine Predigt über Scheu und Scham. Viele hochmoralischen Gedanken, gut geschrieben. Z.B. am Ende steht:

„Scham ist ein natürliches Gefühl, das sich einstellt, wenn jemand konfrontiert wird mit der Tatsache, dass er - jenseits und vor allem Wollen - nicht der ist, der er gern wäre, zu sein glaubte oder zu sein vorgibt. Dass er nicht Herr im eigenen Haus ist, diese Entdeckung ist objektiv eine Beschämung des Menschen. Der Mensch erlebt das nicht als Normalität, freilich auch nicht als Schuld. Die Lehre von den Folgen der Erbsünde wird dem tatsächlichen Phänomen viel eher gerecht. Sich schämen können heisst an seiner Selbstachtung festhalten, ohne sich zu belügen und ohne in Zynismus zu verfallen. Scheu und Scham sind die zarten Wurzeln der Menschlichkeit. Eine Ethik, die das richtige Leben als eine Technologie selbstloser Optimierung der Welt versteht, reisst diese Wurzeln ebenso aus wie der Zynismus skrupelloser Selbstbehauptung. - Man muss sich selbst lieben, um sich schämen zu können.“

In den Kritiken wird dem Autor seine „Sprache des frommen Appells“ vorgeworfen und „maßlose moralische Arroganz“. Warum?

Hallo Peet,

In den Kritiken wird dem Autor seine „Sprache des frommen
Appells“ vorgeworfen und „maßlose moralische Arroganz“. Warum?

Wo sind diese Kritiken nachzulesen? Ohne deren Kenntnis sind die Vorwürfe nicht bewertbar.

Oder geht es Dir mit Deiner Frage darum, ob wir, die Leser dieses Forums, den Wortlaut der Vorwürfe angemessen finden?

Ich gebe gerne meine persönliche Einschätzung dazu, diese ist aber ein Muster ohne Wert angesichts der Tatsache, dass Spaemanns Text keiner ist, den man mal in ein paar Zeilen abhandeln könnte.

„Sprache des frommen Appells“

Appelliert den der Text überhaupt?
In erster Linie diagnostiziert er.
Nun diagnostiziert er aber auf solche Weise, dass er einen Ab-fall diagnostiziert, eine Ver-rückung, ein Ver-lieren einer „natürlichen Mitgift“, der Scham.
Eine solche Diagnose des Ver- trägt den Appell notwendig in sich, einen Appell nicht zum Schämen, sondern zur Scham als solcher, dem „-“ des Ver-.

Ist dieser Appell ein „frommer“?
Weder tritt Spaemann als ein Frommer auf, noch fordert er den Frommen.
Weder leugnet Spaemann die christliche Herkunft seines Diskurses, noch kapselt er sich darin ein.

„maßlose moralische Arroganz“

die Scham ist gerade nicht ein Gut/Böse, sondern ein Gefühl, das erst reflektierend ein Gut oder ein Böse sein kann, „zerstört werden kann, zum Beispiel durch moralische Instrumentalisierung der Scham“

Macht sich Spaemann der maßlosen Arroganz schuldig?

Ich meine Ja:

  1. der unendlich-maßlosen Arroganz, uns Heutige, die heutige Gesellschaft, als ein Nimmer, Nicht-wie-Immer, zu konzipieren: „Immer haben sich Menschen geschämt“, nur wir Heutigen erfinden 'funktionale Äquivalente", wir sind die Entwurzler aller Menschlichkeit.

  2. der überheblich-maßlosen Arroganz, in einem Atemzug die Niederreißung der Schamschwellen zu beklagen mit der Feststellung, dies würde "einem [„einer“, der eindeutig nicht „alle’ referenzieren kann] die Schamesröte ins Gesicht“ treiben

  3. der kategorial-maßlosen Arroganz, die Scham als Gegenbegriff einzig zu Lüge und Zynismus zu konzipieren, ans Ufer der Selbstachtung nur den Steg der Scham zu bauen.

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

danke für deine Meinung. Du hast mich mit deiner Zustimmung überrascht, dem Philosophen die Arroganz vorzuwerfen, wie es 2001 FAZ (Kritik zu seinem Sammelband) getan hat.

Versuchen wir dahinter zu kommen?

Was ist die Arroganz in diesem Fall? Die Überheblichkeit? Sagt der Autor die Wahrheit oder die Unwahrheit? Hat er das Recht, sie oder sie zu sagen? Was soll an seinem Tonfall überheblich sein?

Gruß

Macht sich Spaemann der maßlosen Arroganz schuldig?

Ich meine Ja:

  1. der unendlich-maßlosen Arroganz, uns Heutige, die heutige
    Gesellschaft, als ein Nimmer, Nicht-wie-Immer, zu konzipieren:
    „Immer haben sich Menschen geschämt“, nur wir Heutigen
    erfinden 'funktionale Äquivalente", wir sind die Entwurzler
    aller Menschlichkeit.

  2. der überheblich-maßlosen Arroganz, in einem Atemzug die
    Niederreißung der Schamschwellen zu beklagen mit der
    Feststellung, dies würde "einem [„einer“, der eindeutig nicht
    „alle’ referenzieren kann] die Schamesröte ins Gesicht“
    treiben

  3. der kategorial-maßlosen Arroganz, die Scham als
    Gegenbegriff einzig zu Lüge und Zynismus zu konzipieren, ans
    Ufer der Selbstachtung nur den Steg der Scham zu bauen.

Hallo,

Vorgestern in der NZZ las ich einen schönen Text von Robert
Spaemann
(http://www.nzz.ch/2005/12/17/li/articleDDBED.print.html),
fast eine Predigt über Scheu und Scham. Viele hochmoralischen
Gedanken, gut geschrieben. Z.B. am Ende steht:

„Scham ist ein natürliches Gefühl, das sich einstellt, wenn
jemand konfrontiert wird mit der Tatsache, dass er - jenseits
und vor allem Wollen - nicht der ist, der er gern wäre, zu
sein glaubte oder zu sein vorgibt. Dass er nicht Herr im
eigenen Haus ist, diese Entdeckung ist objektiv eine
Beschämung des Menschen. Der Mensch erlebt das nicht als
Normalität, freilich auch nicht als Schuld. Die Lehre von den
Folgen der Erbsünde wird dem tatsächlichen Phänomen viel eher
gerecht. Sich schämen können heisst an seiner Selbstachtung
festhalten, ohne sich zu belügen und ohne in Zynismus zu
verfallen. Scheu und Scham sind die zarten Wurzeln der
Menschlichkeit. Eine Ethik, die das richtige Leben als eine
Technologie selbstloser Optimierung der Welt versteht, reisst
diese Wurzeln ebenso aus wie der Zynismus skrupelloser
Selbstbehauptung. - Man muss sich selbst lieben, um sich
schämen zu können.“

Der Text ist tatsächlich eine Predigt.
Neben der Form gibt es jedoch auch inhaltlich eher mythisch-religiöse Implikationen, nicht nur die Beispiele aus der Bibel, sondern zumal das Erbsünde-Motiv, über das sich kaum philosophisch streiten lässt.

Folgende Bemerkungen dazu:

Spaemanns Bestimmung: „Die Scham … bezieht sich darauf, dass ich das, was ich tat, tun konnte“ steht, trotz einiger Überschneidungen, in gewissem Gegensatz zu einer anderen, m.E. entwickelteren, Philosophie der Scham, nämlich der von Günther Anders. Danach ist die Scham weniger ethisch, auf das menschliche Handeln bezogen, sondern entsteht im entwicklungsgeschichtlichen Kontext der Ich-Erfahrung des Kindes (Das Kind schämt sich, plötzlich als ein von der Mutter isoliertes Ich angesprochen zu werden und „verkriecht sich unter die Röcke der Mutter“) und bezieht sich dann zumal auf die natürliche Mitgift, für die man gerade nichts kann (z.B. einen Buckel zu haben).

Spaemann charakterisiert m.E. zu unreflektiert gängige (Ab-)Wertungen als „Merkmale“ der Gesellschaft („Erlebnisgesellschaft“, „hedonistischen Zivilisation“), konstatiert eine um sich greifende „Schamlosigkeit“ zumal im pekuniären (fragwürdig: „Bereicherung“ vs. ererbten „Reichtum“ der ja durch die Bereicherung der Vorfahren entstanden ist) und zumal sexuellen Bereich und neigt m.E. hierbei zur Romantisierung vergangener Epochen und anderer Kulturen.

Dabei bemüht er, dass sich „Europa auf seine Weise ausserhalb eines jahrtausendealten Menschheitskonsenses“ stelle, was nun wirklich ein schwaches Argument ist, wenn man z.B. bedenkt, dass auch Slaverei einen jahrtausendealten Menschheitskonsens dargestellt hat.

Und wenn er beklagt, dass man, wenn man „Besucher aus Ländern mit islamischer…Tradition begleitet bei ihrem Sich-Bekanntmachen mit unserer Zivilisation und auf Schritt und Tritt Schamlosigkeiten begegnet“, sollte er einmal, wie ich, zehn Tage mit einer Gruppe junger Frauen durch ein Land mit islamischer Kultur reisen und beobachten, welchen Schamlosigkeiten diese dort ausgesetzt sind, und zwar nicht durch Bilder, sondern durch lebende (männliche) Personen.

Die Passagen zu Sexualität und Liebe sind m.E. religiöser Schwulst, der dazu angetan ist, Sexualität nur zu legitimieren, wenn schon nicht katholisch als Dienerin des Zeugungsaktes, so doch als „Hingabe“ an den geliebten Partner, was immer das heißen mag, unter Herabwürdigung einer „hedonistischen“ Sexualität.

Kein Wort hier von dem jahrhundertelangen „Menschheitskonsens“, in den sich der Artikel hiermit einreiht, in welchem die Verteufelung von Leiblichkeit und Sexualität sich als vorzügliches Instrument erwies, die Menschen zu unterdrücken und in Unfreiheit zu halten. Das bezieht sich allerdings nicht auf die Herrschenden. Kein Wort auch bei der sicher berechtigten Kritik an der ausufernden Schamlosigkeit heute davon, dass diese bekanntermaßen immer schon schamlos waren.

Grüße
oranier

Hallo,

Spaemann charakterisiert m.E. zu unreflektiert gängige
(Ab-)Wertungen als „Merkmale“ der Gesellschaft
(„Erlebnisgesellschaft“, „hedonistischen Zivilisation“),
konstatiert eine um sich greifende „Schamlosigkeit“ zumal im
pekuniären (fragwürdig: „Bereicherung“ vs. ererbten „Reichtum“
der ja durch die Bereicherung der Vorfahren entstanden ist)
und zumal sexuellen Bereich und neigt m.E. hierbei zur
Romantisierung vergangener Epochen und anderer Kulturen.

Unreflektiert. Sehe ich auch so.
Viel schwieriger ist es, den „Pseudo-Charakter“ der erhaschten
Erlebnisse und des aktuellen (Vulgär-)Hedonismus dingfest zu machen.

Dabei bemüht er, dass sich „Europa auf seine Weise ausserhalb
eines jahrtausendealten Menschheitskonsenses“ stelle, was nun
wirklich ein schwaches Argument ist, wenn man z.B. bedenkt,
dass auch Slaverei einen jahrtausendealten Menschheitskonsens
dargestellt hat.

Europa war seit „der Aufklärung“ auf dem Weg, sich aus dem
jahrtausendealten Menschheitskonsens - zu dem ausser Sklaverei vor
allem das Prinzip der Bluts- und/oder Wahngemeinschaften als Stifter
gesellschaftlichen Zusammenhalts und individueller Identität
gehörten - zu befreien.
Dabei strauchelte Europa („der Westen“) im 20. Jh. ganz gewaltig und
liegt desorientiert im Dreck („end of history“ - aber ganz anders als
von Fukuyama et al. gemeint).
Die Frage ist heute, ob es sich wieder aufrichten und den Weg weiter
gehen kann. Voraussetzung wäre wohl, das Straucheln als solches zu
erkennen und dann produktiv zu deuten - wofür ich derzeit wenig
Ansätze sehe.
Spaemanns Wunsch nach Umkehr halte ich jedenfalls für unrealistisch.

Die Passagen zu Sexualität und Liebe sind m.E. religiöser
Schwulst, der dazu angetan ist, Sexualität nur zu
legitimieren, wenn schon nicht katholisch als Dienerin des
Zeugungsaktes, so doch als „Hingabe“ an den geliebten Partner,
was immer das heißen mag, unter Herabwürdigung einer
„hedonistischen“ Sexualität.

Das sexuelle Leben ist sicher einer der wichtigsten Indikatoren zur
Scheidung von „wahrem“ und „falschem“ Hedonismus – aber auch ein
sehr schwierig zu nutzender (deshalb die „_“).

Kein Wort hier von dem jahrhundertelangen
„Menschheitskonsens“, in den sich der Artikel hiermit
einreiht, in welchem die Verteufelung von Leiblichkeit und
Sexualität sich als vorzügliches Instrument erwies, die
Menschen zu unterdrücken und in Unfreiheit zu halten.

Die Sache mit der (nicht nur sexuellen) Freiheit ist m.E. sehr viel
problematischer, denn wir sehen ja seit einigen Jahrzehnten, was
entstanden ist, als die Verteufelung kurzerhand durch Lizenz
ersetzt wurde. Ein sinnfälliger Aspekt jenes „Strauchelns“ Europas
auf dem Weg, sich aus dem von Spaemann so verklärten
Menschheitskonsenses zu befreien…

Servus
Nescio

1 Like

Hallo Peet,

danke für deine Meinung. Du hast mich mit deiner Zustimmung
überrascht, dem Philosophen die Arroganz vorzuwerfen, wie es
2001 FAZ (Kritik zu seinem Sammelband) getan hat.

ich weiß nicht, welche Art der „Arroganz“ die FAZ ihm vorgeworfen hat.

Was ist die Arroganz in diesem Fall?

Ich glaube, meine drei Arroganzen lassen sich nicht sehr leicht auf eine reduzieren; ihr gemeinsamer Nenner aber ist ein „Mehr-als-rechtfertigbar“, ein „Über-Maß“.

Die Überheblichkeit?

dies trifft nur auf Nr. 2 zu; es ist die Überheblichkeit im Wortsinne selbst; der Text hebt die Scham über die Nicht-Scham, also Scham/Schamlosigkeit über eine spezifische Undifferenziertheit;
er beklagt die Nicht-Scham, die ja nicht einmal ein eigener Wert ist, sondern nur der Abfall-Wert der Scham, im Namen der Scham;
im Namen einer Scham, die im eigenen Gesicht des Autoren, damit im Anlass des Textes selbst, zu finden ist, die Teil seiner Identität ist, nicht mehr aber Teil der „widersprüchlichen Hedonisten“, der „Erlebnisgesllschafter“, der „Äquivalenzsucher“.

Was soll an seinem Tonfall überheblich
sein?

Nichts! meine Kennzeichnung des Textes als überheblich-arrogant, hat sich auf die im letzten Posting und eben dargelegte Überheb-lichkeit der einen Form über die andere, und des Text-Sprechers über die Objekte des Sprechens, die „Abgefallenen“, bezogen, nicht auf den Tonfall des Textes selbst, an dem ich nichts Überhebliches finde.

Viele Grüße
franz

Hallo Nescio,

Spaemann charakterisiert m.E. zu unreflektiert gängige
(Ab-)Wertungen als „Merkmale“ der Gesellschaft
(„Erlebnisgesellschaft“, „hedonistischen Zivilisation“),
konstatiert eine um sich greifende „Schamlosigkeit“ zumal im
pekuniären (fragwürdig: „Bereicherung“ vs. ererbten „Reichtum“
der ja durch die Bereicherung der Vorfahren entstanden ist)
und zumal sexuellen Bereich und neigt m.E. hierbei zur
Romantisierung vergangener Epochen und anderer Kulturen.

Unreflektiert. Sehe ich auch so.
Viel schwieriger ist es, den „Pseudo-Charakter“ der erhaschten
Erlebnisse und des aktuellen (Vulgär-)Hedonismus dingfest zu
machen.

Zustimmung! Ich kann seiner Kritik ja spontan viel abgewinnen, er bringt die Zeiterscheinungen aber mit der Übernahme von Mode-Schlagwörtern nicht überzeugend auf den Begriff.

Dabei bemüht er, dass sich „Europa auf seine Weise ausserhalb
eines jahrtausendealten Menschheitskonsenses“ stelle, was nun
wirklich ein schwaches Argument ist, wenn man z.B. bedenkt,
dass auch Slaverei einen jahrtausendealten Menschheitskonsens
dargestellt hat.

Europa war seit „der Aufklärung“ auf dem Weg, sich aus dem
jahrtausendealten Menschheitskonsens - zu dem ausser Sklaverei
vor
allem das Prinzip der Bluts- und/oder Wahngemeinschaften als
Stifter
gesellschaftlichen Zusammenhalts und individueller Identität
gehörten - zu befreien.
Dabei strauchelte Europa („der Westen“) im 20. Jh. ganz
gewaltig und
liegt desorientiert im Dreck („end of history“ - aber ganz
anders als
von Fukuyama et al. gemeint).
Die Frage ist heute, ob es sich wieder aufrichten und den Weg
weiter
gehen kann. Voraussetzung wäre wohl, das Straucheln als
solches zu
erkennen und dann produktiv zu deuten - wofür ich derzeit
wenig
Ansätze sehe.
Spaemanns Wunsch nach Umkehr halte ich jedenfalls für
unrealistisch.

Das meinte ich mit „Romantisierung“.

Die Passagen zu Sexualität und Liebe sind m.E. religiöser
Schwulst, der dazu angetan ist, Sexualität nur zu
legitimieren, wenn schon nicht katholisch als Dienerin des
Zeugungsaktes, so doch als „Hingabe“ an den geliebten Partner,
was immer das heißen mag, unter Herabwürdigung einer
„hedonistischen“ Sexualität.

Das sexuelle Leben ist sicher einer der wichtigsten
Indikatoren zur
Scheidung von „wahrem“ und „falschem“ Hedonismus – aber auch
ein
sehr schwierig zu nutzender (deshalb die „_“).

Das verstehe ich so nicht recht. Worin siehst du konkret diesen Unterschied, hat der deines Erachtens für Spaemann eine Bedeutung oder geht es ihm um Gegnerschaft gegen den Hedonismus überhaupt?

Kein Wort hier von dem jahrhundertelangen
„Menschheitskonsens“, in den sich der Artikel hiermit
einreiht, in welchem die Verteufelung von Leiblichkeit und
Sexualität sich als vorzügliches Instrument erwies, die
Menschen zu unterdrücken und in Unfreiheit zu halten.

Die Sache mit der (nicht nur sexuellen) Freiheit ist m.E. sehr
viel
problematischer, denn wir sehen ja seit einigen Jahrzehnten,
was
entstanden ist, als die Verteufelung kurzerhand durch Lizenz
ersetzt wurde. Ein sinnfälliger Aspekt jenes „Strauchelns“
Europas
auf dem Weg, sich aus dem von Spaemann so verklärten
Menschheitskonsenses zu befreien…

Kein Dissens! Ich habe bewusst nur die Negation angesprochen: Die historische Unterdrückung und Unfreiheit, die Spaemann offenbar ignoriert, bin aber weit davon entfernt, unseren gesellschaftlichen Zustand, den er zurecht kritisiert, für sexuell emanzipiert zu halten.

Allerdings: Sein Lösungsversuch: Einbettung der Sexualität in die liebende Hingabe, geht ins Mystische, erinnert mich ein wenig an E. Fromm, der von einem realistischen Befund ausgeht um dann bei der Liebe „aus der Mitte“ heraus zu landen.

Ich habe eben den Verdacht, dass diese „Mitte“ und diese „liebende Hingabe“, kontrastiert mit sexueller Lust, leztlich einen Regress zur alten Sexualfeindlichkeit darstellen und, bzw. oder, Ideale sind, die außerhalb unseres wirklichen Erlebnishorizonts liegen.

Das Ideal der Liebe aber, dem wir zustreben, wissend, dass wir es nicht erreichen, ist seit jeher Gegendstand der Dichtung, nicht des begrifflichen philosophischen Denkens.

servus,
oranier

Hallo Franz,

durch die weitere wiederholte Lektüre komme ich zum Schluss, mehr von Spaemann lesen zu müssen. Ich ordne für mich diesen Text und einige andere, die ich von ihm im Netz gefunden habe (z.B. http://www.kirchen.ch/pressespiegel/nzz/2001012092.pdf), als eine christlich geprägte, im zum Nachdenken stark motivierenden Predigtton gehaltene Kulturkritik aus der konservativen Position ein. Davon kann man viel profitieren, auch wenn man nicht mit allem einverstanden ist. Mehr von solcher Arroganz, würde ich sagen! :smile:

Gruß

Hallo Peet,

Ich ordne für mich diesen
Text und einige andere, die ich von ihm im Netz gefunden habe
(z.B. http://www.kirchen.ch/pressespiegel/nzz/2001012092.pdf),
als eine christlich geprägte, im zum Nachdenken stark
motivierenden Predigtton gehaltene Kulturkritik aus der
konservativen Position ein. Davon kann man viel profitieren,
auch wenn man nicht mit allem einverstanden ist.

Das sehe ich genauso.

Mehr von
solcher Arroganz, würde ich sagen! :smile:

:wink:

Arroganz schadet nicht dem Wahrheitsanspruch eines Textes, sie verringert aber in vielen Fällen die Bereitschaft des Lesers zum genauen Lesen.

Viele Grüße
franz
der übrigens im Rahmen des Studiums mal einen Aufsatz zur Spaemann-Luhmann-Auseinandersetzung in „Paradigm lost“ geschrieben hat, und für seine Parteinahme zu Gunsten Spaemanns von der Frau Prof. zu hören bekam: „Was willste denn mit dem noch“ :wink:

Hallo Peet,

durch die weitere wiederholte Lektüre komme ich zum Schluss,
mehr von Spaemann lesen zu müssen. Ich ordne für mich diesen
Text und einige andere, die ich von ihm im Netz gefunden habe
(z.B. http://www.kirchen.ch/pressespiegel/nzz/2001012092.pdf),
als eine christlich geprägte, im zum Nachdenken stark
motivierenden Predigtton gehaltene Kulturkritik aus der
konservativen Position ein. Davon kann man viel profitieren,
auch wenn man nicht mit allem einverstanden ist. Mehr von
solcher Arroganz, würde ich sagen! :smile:

Auch wenn ich hier nicht mit angesprochen bin, erlaube ich mir folgende Antwort:
Auch ich sehe das so, trotz meiner kritischen Anmerkungen oben.
Ein Problem bei den Zivilisationskritikern, zu denen ich auch den von mir hochgeschätzten Günther Anders zähle, ist, dass sie, wo sie Richtiges sehen, ratlos sind, wo es um die Frage nach Alternativen geht.
Eigentlich antworte ich hier aber für folgenden Hinweis:
Spaemann liefert m.E. einen der philosophisch fundiertesten Beiträge zu der vom unsäglichen P.Singer initiierten Euthanasie-Debatte.
Falls er dich auch von dieser Seite interessiert: Es gab um 2000 eine von der „Zeit“ herausgegebene Aufsatzsammlung mit ein oder zwei Aufsätzen von Spaemann hierzu.
Leider habe ich im Moment keine genaueren Quellen-Angaben, aber bei Interesse kann ich sie heraussuchen.

Grüße
oranier

Hallo,

…eine christlich geprägte, im zum Nachdenken stark
motivierenden Predigtton gehaltene Kulturkritik aus der
konservativen Position ein. Davon kann man viel profitieren,
auch wenn man nicht mit allem einverstanden ist.

Oranier:

Auch ich [mit peet und franz] sehe das so, trotz meiner kritischen
Anmerkungen oben.

Dass man auch von einer Kulturkritik von „rechts“ lernen kann,
derzeit vielleicht sogar mehr als von einer von „links“,
bestreite ich nicht,
ebensowenig, dass man jeweils „nicht mit allem einverstanden“ sein
muss.
Da kommt es wohl darauf an, ob das, womit man nicht einverstanden
ist, Spaemanns konservative Position an sich ist oder nur dieses oder
jenes Urteil, das er abgibt.

Ein Problem bei den Zivilisationskritikern, zu denen ich auch
den von mir hochgeschätzten Günther Anders zähle, ist, dass
sie, wo sie Richtiges sehen, ratlos sind, wo es um die Frage
nach Alternativen geht.

Meinst du damit auch Spaemann ?

Eigentlich antworte ich hier aber für folgenden Hinweis:
Spaemann liefert m.E. einen der philosophisch fundiertesten
Beiträge zu der vom unsäglichen P.Singer initiierten
Euthanasie-Debatte.

Insgesamt habe ich den Eindruck, Spaemann hat bei euch recht gut
gepunktet, auch wenn die Sympathiebekundungen noch verhalten sind.
Tja, wenn sich sogar unser international höchst geschätzter und mit
Ehrungen überhäufter Jürgen Habermas, der „Erbe der kritischen
Theorie“, und ein erzkonservativer Papst als Ko-Autoren finden,
um ein Büchlein mit dem Titel „Dialektik der Säkularierung“
zu fabrizieren…dann…

Gute Nacht
Nescio

Hallo Nescio,

… franz]

das fasse ich als Aufforderung zur Erklärung auf (in Anbetracht unserer beider Diskussionsgeschichte):

ebensowenig, dass man jeweils "nicht mit allem einverstanden"
sein
muss.
Da kommt es wohl darauf an, ob das, womit man nicht
einverstanden
ist, Spaemanns konservative Position an sich ist oder nur
dieses oder
jenes Urteil, das er abgibt.

Niemand kann mit einigen Urteilen einverstanden sein. Dies betrifft in erster Linie die von Oranier angeprochene eklatante „soziologische Schwäche“ des Textes.

Ich selbst bin natürlich mit der Position Spaemanns grundsätzlich nicht einverstanden (meine drei „Arroganzen“ beziehen sich ja eben auf die Position).

Insgesamt habe ich den Eindruck, Spaemann hat bei euch recht
gut
gepunktet, auch wenn die Sympathiebekundungen noch verhalten
sind.

Wie kommst zu diesem Eindruck?

Tja, wenn sich sogar unser international höchst geschätzter
und mit
Ehrungen überhäufter Jürgen Habermas, der „Erbe der kritischen
Theorie“, und ein erzkonservativer Papst als Ko-Autoren
finden,
um ein Büchlein mit dem Titel „Dialektik der Säkularierung“
zu fabrizieren…dann…

Was dann? „Gute Nacht“ was?

Viele Grüße
franz

Hallo Franz,

(in Anbetracht unserer beider Diskussionsgeschichte):

Ich selbst bin natürlich mit der Position Spaemanns
grundsätzlich nicht einverstanden (meine drei „Arroganzen“
beziehen sich ja eben auf die Position).

OK, aber…

Insgesamt habe ich den Eindruck, Spaemann hat bei euch recht gut
gepunktet, auch wenn die Sympathiebekundungen noch verhalten sind.

Wie kommst zu diesem Eindruck?

Durch das, was ich in diesem Strang gelesen habe, auch ein bisschen
zwischen den Zeilen. Es wäre aber zu mühsam, das hier mit Textstücken
zu belegen und zu erklären.

Tja, wenn sich sogar … der „Erbe der kritischen
Theorie“, und ein erzkonservativer Papst als Ko-Autoren finden,
um ein Büchlein mit dem Titel „Dialektik der Säkularisierung“
zu fabrizieren…dann…

Was dann? „Gute Nacht“ was?

Dann muss es schlimm bestellt sein um den ideologischen status quo.
Noch so ein „Eindruck“, diesmal allgemeiner (der dir aber bekannt
vorkommen wird): Wenn eine Stimme wie die Spaemanns oder auch
Ratzingers heute weithin aufmerksames Gehör findet und nicht Wenigen
sogar als relativ stark erscheint, so liegt das daran, dass die
geistig-politische Strömung, die ich mal pauschal „Aufklärung“ nenne,
dissipierte, versiegte, sich aufgelöst hat (in einem Beitrag oben
habe ich ein anderes Bild, das des Strauchelns und am Boden Liegens
gebraucht).

Cheerio
Nescio

Hallo Nescio,

Auch ich [mit peet und franz] sehe das so, trotz meiner kritischen
Anmerkungen oben.

Dass man auch von einer Kulturkritik von „rechts“ lernen kann,
derzeit vielleicht sogar mehr als von einer von „links“,
bestreite ich nicht,

„links“ und „rechts“ sind Kategorien, die im Bereich des Politischen einen Orientierungswert haben, auch wenn das heute vielfach bestritten wird, zumal von Rechten, die sich nicht gerne mit „rechts“ identifizieren und zunehmend Begriffe der Linken (z.B. „Reform“) adaptieren und besetzen.
Für die Bewertung von Philosophien sind diese Kategorien wenig tauglich. Sartre war ein aufrechter Linker, aber im Vergleich zu dem rechten Heidegger sicher ein lausiger Philosoph.

Ein Problem bei den Zivilisationskritikern, zu denen ich auch
den von mir hochgeschätzten Günther Anders zähle, ist, dass
sie, wo sie Richtiges sehen, ratlos sind, wo es um die Frage
nach Alternativen geht.

Meinst du damit auch Spaemann ?

Womit genau? Sein mystischer Ausweg aus der Schamlosigkeit ist doch ein Zeichen von Ratlosigkeit, oder?

Insgesamt habe ich den Eindruck, Spaemann hat bei euch recht
gut
gepunktet, auch wenn die Sympathiebekundungen noch verhalten
sind.

Woraus du das im Hinblick auf den Text entnimmst, ist mir unklar. Ich denke, meine kritischen Anmerkungen sprechen hier für sich, und ich hatte deinen Kommentar eher als Zustimmung gedeutet.
Was die leidige Euthanasie-Debatte betrifft, die wir hier gerne einmal gesondert diskutieren können: Da liegen meine Sympathien ungeteilt bei jemandem, der auch Behinderten die Definition des Menschseins im vollen Sinne zuspricht.

Grüße
oranier

Hallo,

Dass man auch von einer Kulturkritik von „rechts“ lernen kann,
derzeit vielleicht sogar mehr als von einer von „links“,
bestreite ich nicht,

„links“ und „rechts“ sind Kategorien, die im Bereich des
Politischen einen Orientierungswert haben…
Für die Bewertung von Philosophien sind diese Kategorien wenig
tauglich.

In gewissem Sinne, dem auch die „_“ oben zu verdanken sind, kann
ich dir zustimmen. Aber generell sind für mich Philosophie und
Politik (nicht die alltägliche, sondern eher eine aus der oben
genannten Kulturkritik resultierende) nicht trennbar – wobei ich
natürlich weiss, dass sie bei den meisten Philosophen getrennt sind
(-> „Religion ist Privatsache“).

Ein Problem bei den Zivilisationskritikern, zu denen ich auch
den von mir hochgeschätzten Günther Anders zähle, ist, dass
sie, wo sie Richtiges sehen, ratlos sind, wo es um die Frage
nach Alternativen geht.

Meinst du damit auch Spaemann ?

Womit genau?

Ich fragte, ob du in puncto Ratlosigkeit nach „richtiger“ Kritik
Spaemann neben Anders (und eigentlich alle ?) Zivilisationskritiker
stellst. Aber du hast ja geantwortet:

Sein mystischer Ausweg aus der Schamlosigkeit ist
doch ein Zeichen von Ratlosigkeit, oder?

Da stimme ich dir erst mal zu.
Aber man kann natürlich näher hinsehen:

  1. Er selbst scheint doch zu meinen, er wisse Rat:
    Wenn die Mächtigen und dann noch die Menschen überhaupt auf ihn hören
    würden, würde er (hat er vielleicht sogar in anderen Schriften)
    konkrete Anweisungen zu Politik, Erziehung, Bildungswesen etc. geben.
  2. Was folgt daraus, dass Anders, Spaemann und viele andere
    angesehene professionelle Denker in unseren Augen ratlos sind, für
    uns ? Defaitismus ? Ein (ebenso illusionäres) Bewusstsein davon,
    Rat zu wissen (den die Menschen zu ihrem Nachteil nicht hören
    wollen)? …

Insgesamt habe ich den Eindruck, Spaemann hat bei euch recht gut
gepunktet, auch wenn die Sympathiebekundungen noch verhalten sind.

Woraus du das im Hinblick auf den Text entnimmst, ist mir
unklar. Ich denke, meine kritischen Anmerkungen sprechen hier
für sich, und ich hatte deinen Kommentar eher als Zustimmung
gedeutet.

Jaja, stimmt schon. Aber, wie schon an Franz geschrieben, stammt mein
Eindruck auch aus dem (zugegebenermassen riskanten) Lesen zwischen
den Zeilen. Macht aber wenig, wenn er falsch war. Die Bilder, die wir
uns hier gegenseitig von uns machen, werden doch laufend korrigiert.

Servus
Nescio

Hallo Oranier,
die folgende Stelle hatte ich noch nicht beantwortet:

Die Passagen zu Sexualität und Liebe sind m.E. religiöser
Schwulst, der dazu angetan ist, Sexualität nur zu
legitimieren, wenn schon nicht katholisch als Dienerin des
Zeugungsaktes, so doch als „Hingabe“ an den geliebten Partner,
was immer das heißen mag, unter Herabwürdigung einer
„hedonistischen“ Sexualität.

Das sexuelle Leben ist sicher einer der wichtigsten
Indikatoren zur Scheidung von „wahrem“ und „falschem“ Hedonismus –
aber auch ein sehr schwierig zu nutzender (deshalb die „_“).

Das verstehe ich so nicht recht. Worin siehst du konkret
diesen Unterschied, hat der deines Erachtens für Spaemann eine
Bedeutung oder geht es ihm um Gegnerschaft gegen den
Hedonismus überhaupt?

Ich wollte nur sagen, dass es m.E. zweierlei Hedonismus gibt,
dass aber die Scheidung beider - zweckmässigerweise anhand
möglichst wissenschaftlicher (biol/soziol/psychol) Sexuologie -
erhebliche Probleme aufwirft, in deren Erörterung einzusteigen hier
kaum sinnvoll ist.
Für Spaemann hat diese Scheidung höchstwahrscheinlich keine
Bedeutung, sonst würde er nicht undifferenziert und ohne Vorbehalt
unsere gegenwärtige „Spassgesellschaft“, insbesondere deren
Erscheinungsformen des sexuellen Lebens (cf. Siguschs
„Neosexualitäten“) als hedonistisch bezeichnen. Vermutlich kommt ihm
sogar zupass, dass er auf love parade, dark rooms etc.pp.
zeigen kann und sagen: Das ist Hedonismus.
Hierin deckt sich ja wohl meine ungefähr mit deiner Auffassung:

…bin aber weit davon entfernt, unseren
gesellschaftlichen Zustand, den er zurecht kritisiert, für
sexuell emanzipiert zu halten.

Schwierig wird’s natürlich, wenn die Kriterien der Kritik auf den
Prüfstand müssen; wenn Kriterien zu benennen sind, wann eine
Gesellschaft als sexuell emanzipiert anzusehen wäre; und ob das
isoliert überhaupt möglich ist oder nur im Verbund mit allgemeiner
Emanzipation…

Allerdings: Sein Lösungsversuch: Einbettung der Sexualität in
die liebende Hingabe, geht ins Mystische, erinnert mich ein
wenig an E. Fromm, der von einem realistischen Befund ausgeht
um dann bei der Liebe „aus der Mitte“ heraus zu landen.

Ich habe eben den Verdacht, dass diese „Mitte“ und diese
„liebende Hingabe“, kontrastiert mit sexueller Lust, leztlich
einen Regress zur alten Sexualfeindlichkeit darstellen…

Den Verdacht habe ich allerdings auch.

Die spontane Zustimmung, die Spaemann et al. zu ihrer Kulturkritik
bekommen, scheint mir darauf zu gründen, dass sie selbstbewusst gegen
die herrschende Ideologie, der Viele sich - vielleicht mehr noch
theoretisch als praktisch - hilflos ausgeliefert sehen, Position
beziehen (die neulich angesprochene neue ideologische Allianz
Habermas/Ratzinger scheint mir ein sinnfälliges Symbol für die
Kapitulation der „säkularen Partei“ zwecks gemeinsamen Kampfs gegen
das immer praktischer/spürbarer werdende „Elend des Liberalismus“ zu
sein). Düstere Zeiten…

Servus
Nescio

Hallo Nescio,

Schwierig wird’s natürlich, wenn die Kriterien der Kritik auf
den
Prüfstand müssen; wenn Kriterien zu benennen sind, wann eine
Gesellschaft als sexuell emanzipiert anzusehen wäre;

Ich denke, eine Gesellschaft ist tendenziell sexuell emanzipiert, wenn die Menschen Sexualität als Bereicherung des Lebens nicht nur ersehnen, sondern in der Realität erleben.

und ob das isoliert überhaupt möglich ist oder nur im Verbund mit
allgemeiner Emanzipation…

So denke ich jedenfalls: Die Vorstellungen von Teilen der 68er, dass die sexuelle Befreiung der Individuen als die Initialzündung für die gesellschaftliche Befreiung überhaupt sich erweisen würde, haben sich als Illusion erwiesen.

die neulich angesprochene neue ideologische Allianz
Habermas/Ratzinger

Die sehe ich noch nicht recht. wie drückt die sich inhaltlich aus?

Grüße
oranier

Hallo Oranier,

Schwierig wird’s natürlich, wenn die Kriterien der Kritik auf den
Prüfstand müssen; wenn Kriterien zu benennen sind, wann eine
Gesellschaft als sexuell emanzipiert anzusehen wäre;

Ich denke, eine Gesellschaft ist tendenziell sexuell
emanzipiert, wenn die Menschen Sexualität als Bereicherung des
Lebens nicht nur ersehnen, sondern in der Realität erleben.

Warum dann nur „tendenziell“ ?
Aber mein Haupteinwand ist: Da du behauptet hast, die hiesige
Gesellschaft sei sexuell nicht emanzipiert, meinst du also,
die Menschen hier würden Sexualität nicht als Bereicherung ihres
Lebens erleben. Wollte man der Sache genauer nachgehen,
ergäbe sich m.E. eine Fülle von Problemen…

Die Vorstellungen von Teilen der
68er, dass die sexuelle Befreiung der Individuen als die
Initialzündung für die gesellschaftliche Befreiung überhaupt
sich erweisen würde, haben sich als Illusion erwiesen.

Dann meinst du also doch, es habe in den letzten Jahrzehnten eine
sexuelle Befreiung/Emanzipation stattgefunden ???
Nur sei darauf nicht die gesellschaftliche Befreiung gefolgt.
Woran erkennst du denn letzteres ?
(Nimm diese Frage ruhig als rhetorische; ich bin der letzte, der
darauf eine Blitzantwort erwartet :wink:


> > die neulich angesprochene neue ideologische Allianz  
> > Habermas/Ratzinger
> 
> Die sehe ich noch nicht recht. wie drückt die sich inhaltlich aus?

Da reicht mir die formale: Habermas als Juniorpartner des Papstes bei   
Herder. Inhaltlich begann sie - schleichend - im Grunde schon beim   
Horkheimer der 40er Jahre, und der Buchtitel "Dialektik der   
Säkularisation" knüpft ja auch treffend dort an.   
  
Servus   
Nescio  

Habermas/Ratzinger
Hallo oranier,

den Text gibt es online zu lesen:

http://www.kath-akademie-bayern.de/contentserv/www.k…

Gruß

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Hallo peet,

den Text gibt es online zu lesen:

Danke für den Hinweis! Werde ich sogleich morgen lesen.
Ich hoffe, mein Hinweis auf die Euthanasie-Debatte war dir auch dienlich.
Grüße
oranier