Hallo,
jetzt ist mir dieser Thread die letzten Tage etwas durchgerutscht, sorry.
Ich habe mich durch die Threads gelesen und da jeder nur
Theorien bietet (es gibt ja auch nichts Greifbares zu solchen
Überlegungen), hier meine two cents:
Der Mensch hat eine lange Entwicklung als Tier hinter sich.
Richtig. Aber führen Tiere Kriege? Das scheint mir eher eine
„Errungenschaft“ des Menschen zu sein (Anmerkung: Die
Feldzüge, die
Ameisen gegeneinander führen, sind keine Kriege).
Die Ameisenfeldzüge sind keine Kriege? Das kommt doch sehr darauf an, wie man Krieg definiert. Ansonsten gehen ja alle Herdentiere her und verteidigen Territorien. Katzenartige Rudeltiere greifen bei der Revierverteidigung zu tödlicher Gewalt (jedenfalls die größeren), Hundeartige inklusive Wölfen und Dingos töten einander für Wasserstellen.
Auch wenn wir gerne so tun, als seien wir ganz toll, das alte
Tier sitzt immer noch tief drin. Wir verteidigen Revieren, wir
verteidigen unsere „comfort zones“ und in größerem Rahmen
verteidigen wir unser Land - weil es unser Revier ist. Das ist
eigentlich schon der erste Teil der Antwort. Wir verteidigen,
was wir für unser halten. Und deswegen ist Militär die erste
Antwort auf das Militär anderer. Die aktive Verteidigung ist
ein angeborenes Verhaltensschema.
Das wir, wenn man so will, aus einer Art Hordeninstinkt heraus
unser Territorium schützen, hat uns die Natur zweifellos
mitgegeben.
Da stimme ich dir zu. Diese Verhaltensweisen, die ihren Sitz
in den ältesten Hirnregionen haben, beziehen sich aber auf
das Überleben einer Sippe oder Horde, also einer relativ
überschaubaren
Gruppe. Es ist in einem zig-Millionen-Volk wohl auch
vorhanden,
aber deutlich schwächer ausgeprägt. Anders als deine ist meine
Auffassung von „Nation“, einem juristischen Konstrukt, nicht
die
einer Großhorde. Wäre dem so, würde die Zahl der Kriege nicht
abnehmen. Aber es tut sich ja was in dem Verhältnis zwischen
den Nationen, zumindest in Westeuropa. 1914 bejubelten
Millionen
Irregeleiteter den Ausbruch des Krieges, nachdem die
jahrelange Säbelrasselpolitik von Wilhelm II. und Konsorten
aus
Politik und Wirtschaft andere Nationen zum Feindbild, ja zum
„Erbfeind“ werden ließ. Kein demokratischer Politiker in ganz
Europa könnte heute ähnliches fordern, ohne dass er sogleich
zurücktreten müsste
Geschichte ist ein Prozess. Nationen entstanden als Großhorden. Das heutige juristische Konstrukt ist lediglich eine Entwicklung daraus. Wobei es sicher auch ein Fehler wäre, den Begriff einer Großhorde auf Nationen zu beschränken, es können genausogut Religionsgemeinschaften diese Rolle übernehmen.
Was das Beispiel Westeuropa angeht, so sehe ich die Dinge zweispältig. Einerseits hat gerade Westeuropa eine lange Geschichte der Kriege. Böse Menschen (zu denen ich mich surchaus manchmal auch zähle) könnten auf die Idee kommen, dass Westeuropa einfach etwas müde ist. Aber Scherz bei Seite, es gibt in Westeuropa relativ wenig Aggressionsdruck. Die Bevölkerungszahlen sind rückläufig, die Ressourcenkriegführung hat sich im Rahmen der Globalisierung auf den Wirtschaftssektor verlagert und selbst da ist Westeuropa zu sehr in der Defensive um wirklich erfolgreich Aggressivität zu zeigen. Aber man sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Parameter für Westeuropa, nicht aber die ganze Welt gelten.
Zweitens gibt es immer auch das Revier „der anderen“. Das
Problem ist ein doppeltes. Erstens, es sind „die anderen“. Sie
sehen anders aus, vielleicht wohnen sie auch nur woanders,
vielleicht sprechen sie eine andere Sprache. Irgendwie sind
sie anders. Denn in einer Hordengesellschaft (und Nationen
sind nichts anderes als Großhorden) kann die Horde nicht ohne
eine Identifikation des Individuums fortbestehen. Also muss
sich die Horde über Zugehörigkeiten definieren. Wir sind
Deutsche, wir sind keine Franzosen, wir sind keine Russen. Wir
teilen diese und jene kulturelle Basis und die Franzosen
fressen Frösche. Du siehst, ein gewisses Maß an Ignoranz
gegenüber anderen hilft bei der Selbstdefinition. Aber wenn
die Franzosen sowieso nur blöde Froschfresser sind, dann
können wir denen auch aufs Maul hauen und uns das recht
hübsche Rhonetal unter den Nagel reißen. Oder Paris, wir
reisen ja sowieso dauernd dahin. Und so wird aus Verteidigung
der Angriff. Und um dem zu begegnen haben die Froschfresser
natürlich auch Militär.
Natürlich, man kann ähnliche Beispiele an jeder anderen Nation
an jeder anderen Minderheit an jeder anderen Religion
aufhängen. Aber die beiden Grundmechanismen bleiben ja immer
die gleichen: Jemand will etwas und jemand glaubt, dass er
besser ist. Gründe zu definieren, warum man besser ist gibt es
zu Tausenden.
Warum ich es technisch trotzdem nicht schlecht finde, Frieden
den Soldaten zu überlassen hat einen einfachen Grund. Im
Gegensatz zu Politikern denken Soldaten viel mehr über Krieg
nach. Im Zeitalter moderner Kriegsführung gehen Soldaten nicht
mehr auf kriegerische Abenteuer. Sie gehen weil es befohlen
ist. Im Gegensatz zu Politikern, die nicht gehen sondern
befehlen.
Geht das nicht regelmäßig schief? Außerdem: Söldner sind immer
nur das ausführenden Organ, zumindest die Menschen, die für
Bodenschätze und Marktwirtschaft Leib und Leben geben.
Wenn man die Entscheidung dem Militär überlassen hätte, wären die Amerikaner huete weder in Afghanistan noch im Irak. Der zweite Weltkrieg würde in unseren Geschichtsbüchern fehlen, genauso wie Korea und Vietnam. Einzig der 1.Weltkrieg hatte wirklich militärische Gründe. Und selbst da …
Es gibt bei der Sache aber zugegebenermaßen ein anderes Problem. Militärs wie Eisenhower, Hindenburg oder Ludendorff hatten imm die Neigung Politiker zu spielen, wenn sie durch zu langen Frieden gelangweilt waren. Das Ergebnis war meistens nicht erfreulich.
Ich mächte Dich trotzdem bitten, einen kleinen Unterschied zu beachten, nämlich den zwischen Söldner und Soldat. Ich war Soldat, aber nie Söldner.
Aus ideologischen Gründen, als Ultima Ratio einer
versemmelten Politik oder einfach, weil sie keine andere
Möglichkeit mehr sehen. Auch hier gibt es viele Möglichkeiten.
Ich will mich jetzt nicht auf das dünne Eis wagen und von
„berechtigten“ und „unberechtigten“ Kriegen sprechen.
Es ist dünnes Eis, aber sowohl für die eine wie für die andere
Seite.
Es mag „berechtigte“ Kriege gegeben haben. Sie wären aber, im
direkten Vergleich mit den „unberechtigten“ deutlich in der
Minderheit.
Lass mich mal in die Beispiele gehen:
a.) der 2.Weltkrieg
von der deutschen Seite aus ein unberechtigter Krieg. Von der italienischen Seite aus unberechtigt. Bei Japan wird es schon schwierig zu urteilen. England und Frankreich waren Verteidiger, stellt sich die Frage ob das unberechtigt war. Und im Grunde war es ja eine Zeit, in der Diktatoren politisch akzeptabel waren. Wir reden ja in dieser Form nicht nur von Hitler und Mossolini, auch von Franco, Stalin, Haile Selassi, …
b.) der Krieg im Irak (manchmal muss man ein heißes Eisen anfassen, nicht wahr?)
Die USA haben den Irak angegriffen. Also böse Amis, guter Saddam? Ich weiß, Laika wird nun 1.1 Million Tote auf das Konto Amerikas schieben (655000 durch Infektionen, El Sadrs und die Al-Queida-Opfer gleich mit), damit die Anzahl derer, die der „gute“ Saddam um die Ecke gebracht hat, möglichst niedrig erscheint. Aber stellen wir trotzdem einmal eine grundsätzliche Frage: Kann eine moderne globalisierte Welt es sich leisten, solche Massenmörder wir Saddam einfach machen zu lassen? Wenn die Antwort lautet „ja, weil das ist ein souveränes Land“, dann war die Besetzung Deutschlands nach dem 2.Weltkrieg nämlich ebenfalls unberechtigt (die nach dem 1.Weltkrieg sowieso).
Lautet die Antwort aber „nein“, dann muss man die Frage stellen, ab nicht die, die sich vor der Verantwortung gedrückt haben, die sich sauber ruashalten und die Sache mit dem „böden Ami“ pflegen, sich nicht mal an der eigenen Nase fassen sollten.
Das Problem ist nicht unbedingt nur die Frage nach „Krieg oder Frieden“. Es ist wiederum die Frage nach der Art des Friedens. Ein Frieden wie im Irak vor dem Einmarsch ist kein Frienden. Aber ohne Gewalt wäre Saddam nicht einfach verschwunden. Wir haben das Problem im Iran, in Nordkorea und in einer anderen Variante zum Beispiel auch in Pakistan. Wie willst Du da vorgehen?
Aber wer Frieden will, muss sich auch Gedanken um den Preis machen.
Frieden um jeden Preis?
Eine sehr wichtige Frage. Wenn es um Preis geht, zahlt
meistens einer
die Zeche. In diesem Zusammenhang möchte ich anmerken, dass
sich
das Verhältnis der militärischen Opfer zu den zivilen Opfern
kontinuierlich
zuungunsten der zivilen Opfer entwickelt.
Das ist dann die schweigende Mehrheit.
Krieg ging immer zu Lasten der Zivilbevölkerung. Das hat man immer gewußt und stillschweigend hingenommen. Ob es der 100jährige, der 30jährige, der Erbfolgekrieg war, die Verluste unter der Zivilbevölkerung warne immer höher als unter Soldaten. Es erscheitn nur so, als ob das jetzt anders wäre, irgendwie höher. Übrigens eine indirekte Folge des 1.Weltkrieges. Denn nachdem England die Seezufuhur blockierte, machte Deutschland bei den neutralen Nationen Druck mit dem Propagandabegriff des „Hungerkrieges“. Und weil die Zahl der tatsächlichen Hungeropfer zu gering war um irgend jemand zu beeindrucken, rechnete man munter mit Infektionen und Folgeschäden und angeblich nicht entwickelten Kindern herum, bis man eine ausreichende Zahl hatte. Es hat trotzdem nicht funktioniert, aber diese Tradition ist uns bis heute erhalten geblieben.
Gruß
Peter B.