Hallo Voltaire
Ich glaube, Friedensforscher Galtung prägte den Begriff der
„strukturellen Gewalt“. Er fasste damit den Begriff der Gewalt
sehr weit. Das hat den Vorteil, alle Facetten des Geschehens
mit einzubeziehen, aber auch den Nachteil einer gewissen
Schwammigkeit. Du fragst, wo die Grenzen liegen. Die
wissenschaftliche Beschäftigung mit Gewalt gehört für mich
in den Wissenschaftskreis um Politik, Soziologie, Psychologie
etc. Das sind alles sogenannte weiche Wissenschaften. Das
beinhaltet, das es, wie so oft, keinen Königsweg zur Lösung
gibt,
Im Sinne der Mathematik, die ja als extrem harte Wissenschaft
gelten kann, ist der Versuch der Näherungslösung durchaus
zulässig. Tatsächlich kann man ja in verschiedenen „weichen“
Wissenschaften durchaus auch beobachten, dass man immer mehr
mathematische Modelle erfolgreich einsetzt. Was an sich schon
einen Beleg dafür darstellt, das Menschen, wenn man erst
einmal mit genügend großen Zahlen agiert, nicht unberechenbar
sind.
Der Grund, warum es keinen Königsweg gibt (den gibt es nie,
auch nicht in den harten Wissenschaften) ist, dass immer
jemand mit den Voraussetzungen dieses Königsweges nicht
einverstanden ist.
Mit „Königsweg“ meine ich einen einheitlich zu beschreitenden
Pfad, der zu nichts anderem als zur Lösung eines Problems
führt.
Ich glaube, so etwas gibt es in der Mathematik sehr wohl.
Allerdings nicht in politischen Fragen. Sie werden immer
Gegenstand
von Diskussionen sein. Und das ist auch gut so.
Auch die Mathematik läßt dort, wo eine eindeutige Lösung nicht möglich ist eine Näherungslösung zu und tatsächlich sehen wir ja schon alleine dadurch, dass wenn es nicht um Individuen sondern um große Anzahlen von Menschen geht, Geschichte sich fleißig wiederholt. Was aus der Sicht der Mathematik zumindest den Eindruck erweckt, als könne ein Modell möglich sein. Und wenn weiche und harte Wissenschaften von zwei Seiten aus am gleichen Punkt landen, dann ist es wert, der Sache mal näher nachzugehehn.
Allerdings muss man darauf hinarbeiten, so etwas wie eine
Mehrheitsentscheidung hinzunehmen. Dies ist Teil
demokratischer
Erziehung. Innerstaatlich meine ich, dass wir das schon
relativ gut
hinkriegen. Dies hängt natürlich nicht nur mit einer
Diskussionskultur
zusammen, sondern das der „Unterbau“ stimmt; d. h. unsere
materiellen
Grundbedürfnisse sind gesichert.
Ich halte einige Details in Deutschland in Sachen Demokratie immer noch für deutlich verbesserungsfähig. Wie kann es sein, einmal die Verfassung zu ändern und einmal ganz zu ersetzen ohne das Volk zu fragen. Das beleuchtet doch sehr stark die Haltung unserer politischen Kaste gegenüber dem angeblich höchsten Souverän. Und auch dass wurde lediglich deswegen akzeptiert weil das Volk satt und zufrienden war.
Natürlich ist die Grenze, die uns vom Amoklauf trennt, sehr
dünn.
Ich bin mir dessen bewusst. Stell’ dir ein Szenario vor, dass
es hierzulande
Zu einem Super-GAU kommt und dass tausende friedlicher
BundesbürgerInnen in Panik mit ihren Autos über Autobahnen
flüchten wollen…
Ich glaube, die Maske der Zivilisation würde von einigen ganz
schnell
abfallen und wir könnten sie nicht mehr von den haarigen Kerls
unterscheiden,
die gerade erst von den Bäumen geklettert sind. Aus dieser
Erwartung heraus,
aus diesem Wissen heraus möchte ich die Weichen für die
Zukunft stellen.
Um den Urmenschen zu finden muss ich gar keinen GAU haben. Da braucht man nur pei Nicht ein paar bestimmte in Ecken in Deutschland zu besuchen. Ich erinnere an die Diskussion über no-go-areas zu Zeiten der Fußballweltmeisterschaft.
Wie du weißt, haben wir nicht nur in diesem Lande Waffen
gesammelt und
angehäuft, deren Zahl und Wirksamkeit alles bisher Dagewesene
übertreffen.
Die Politik des Gleichgewichts des Schreckens hat uns ein
schweres Erbe
hinterlassen. Auch sind nicht nur die Waffen selber, sondern
auch das Wissen
um ihre Herstellung in der Welt. Faktisch tragen wir alle eine
Schlinge um
den Hals, die sich automatisch zuzieht, wenn die Politik oder
vielmehr
die Diplomatie versagt. Ich möchte mit meiner Ausgangsfrage
weg von dieser
Situation; ich leugne sie nicht, nehme sie aber auch nicht als
gottgegeben
hin.
Das Ziel ist glar, ich suche nur nach dem „wie“ und ich glaube, da ist noch einiges zu tun. Deswegen ja auch meine Fragen weiter oben. Im Grunde (auch wenn Niko glaubte, ich will ihn „besiegen“) geht es mir um die Rahmenbedingungen und die Parameter die das wirken. Weil ein Ziel immer abstatrakt formuliert werden kann, ein Weg jedoch einen näheren Blick auf die Detail erfordert.
auch die von dir geforderten Grenzen sind sehr schwer zu
finden.
Das heißt natürlich nicht, dass es sie nicht gibt.
Ja, aber irgendwo, in welcher Richtung, bei welchen Kriterien
würdest Du sie sehen, diese Grenzen? Muss ja nicht auf den
Meter genau sein, aber welche Kriterien würdest Du
einbeziehen? Ich weiß, ich werde mit der Frage nach konkreten
Antworten unbequem, aber trotzdem, einfach aus Interesse
daran, wo ander Menschen mit anderen Ansichten diese Dinge
sehen, interessiert mich.
Die Grenze der Gewalt zur Nicht-Gewalt ist fließend.
Gewalt beginnt schon da, wo ich den anderen so einenge,
dass er nicht so agieren kann, wie er will. Ich würde so ein
Ziel gern so wie eine Gesetzgebung im GG formuliert sehen.
Das hängt natürlich wieder von konkreten Punkt ab. Es ist ja nicht damit getan, abzurüsten, wenn es dann wiederum andere gibt, für die es nur das Signal ist, weiter aufzurüsten um die anderen als Opfer zu behandeln. Damit jedoch ist der Abrüstungsgedanke, obwohl sicher wünschenswert an einen Haufen Gleichgewichtskriterien gebunden.
Und wenn Du eine Formulierung wie im GG willst, dann sind im kleinen Rahmen natürlich irgendwo immer beschränkungen in der Freiheit notwendig. Meine Freiheit endet ja sicher da, wo ich jemanden den Schlurch zuziehen will - richtigerweise. Das zeigt, dass wir hier auch in der Gewaltfrage nicht so weit gehen können. Natürlich schränken Menschen die Handlungsfreiheit anderer ein. Wir leben auf engem Raum. Ich kann aber dieser Begrenzung nicht automatisch als Gewalt definieren. Das wäre m.E. etwas aus dem Rahmen.
Lass mich mal den Ansatz etwas verändern: Da haben wir ja drei Kernproblematiken.
a.) Staatliche Gewalt unter Staaten
b.) Staatliche Gewalt gegenüber dem eigenen Volk
c.) Gewalt innerhalb eines Volkes.
Das läßt sich natürlich alles genauer spezifizieren, aber nehmen wir nur mal die drei. Sind die gleich zu behandeln? Wer würde strukturell für die Einhaltung eines wie auch immer gearteten Gesetzes sorgen und mit welchen Mitteln?
Natürlich haben die Artikel der Grundrechte einen
„Gummi-Paragrafen-Charakter“, aber auch hier würde ich
auf den Faktor Entwicklung setzen.
Bei Gummi-Paragraphen muss man immer mal unter die Oberfläche schauen, wer da das Gummi drin haben will. Meistens sind es doch staatliche Strukturen selbst, die gerne eine Hintertür reinschmuggeln.
Mein Vorschlag stellt natürlich nicht das Non-plus-Ultra aller
Möglichkeiten dar, aber darauf wollte ich in meinem
Ursprungs-Posting
auch nicht hinaus.
Aber warum nicht gehen und weiterfragen, vielleicht kommt ja was Nutzbares dabei raus und sei es auch nur für uns persönlich?
Die unbequemen Fragen sind oft die interessantesten.
Allerdings
kann ich nur anbieten, die Ausgangsfrage noch einmal unter
die Lupe zu nehmen. Dort ist, sehr pauschal allerdings, die
Rede
von alternativen Anfängen, von einem Ministerium, das den
Frieden
von einem Zustand des Nicht-Krieges unterscheidet und danach
handelt, von Konfliktforschung, die Eingang ins allgemeine
Bewusstsein
finden soll etc.
Das, was mich wirklich an der Sache finanziert, ist, dass die Leute genauso suchen wie wir hier und bisher genauso wenig Lösungen haben. Ich glaube auch nicht, dass ein nationales Friedensministerium wirklich ausreichend ist. Da wir hier um Kriege reden, kann es sich ja nur um eine übernationale Stelle handeln, die das in die Hand nehmen kann. Aber die „übernationalen“ Stellen sind dünn gesetzt, strukturell nicht handlungsfähig und darüber hinaus gegenüber Widerstand ohnmächtig.
Was ich damit nur zum Ausdruck bringen kann und will, ist die
Suche
nach Alternativen. Konkret hat der Frieden einen Preis. Im
Moment
bauen und kaufen wir Panzer, Raketen und Bomben, verdrängen
aber, dass wir die Sicherheit in dieser Richtung nicht
steigern können.
Sicherheit mit Waffen ist das Problem der Herzkönigin. Mann muss technologisch schon immer so schnell rennen wie man kann, nur um einfach dort zu bleiben, wo man ist.
Abrüstung ist das Gebot des neuen Jahrtausends.
Natürlich gibt es auch Situationen, wie beim klassischen
Beispiel
Zweiter Weltkrieg, die die Wahl nicht lassen. Hitler nach
einem
Schlag auch die andere Wange hinzuhalten, wäre ein Widerspruch
in sich. Das bestreite ich nicht. Es hat Situationen gegeben,
in denen
es zum Kriege kommen musste. Ich weigere mich aber, das für
alle
Zeiten hinzunehmen. Deshalb fordere ein, neue Strukturen zu
entwickeln.
Das verdoppelt das Problem. Du musst ja, ergänzend zu einer Forderung den Zustand den Du anstrebst genauer greifbar machen UND den Weg, wie man dahin kommen kann.
Bestehende Verhältnisse müssen aber immer wieder auf ihre
Tauglichkeit abgeklopft werden und zwar nicht nur von der
politischen Kaste.
Hier natürlich dann auch wieder zur Strukturfrage: Was
passiert, wenn Volk und politische Kaste nicht zur gleichen
Schlußfolgerung kommen?
Dann geht die Welt unter. 
Nein, im Ernst: Dass es dazu durchaus kommen kann, ist ja eine
Tatsache, keine Frage mehr. Aber kann man nicht vorher über
ein imperatives Mandat nachdenken, kann man nicht vorher
regeln, dass in gewissen, definierten, existenziellen
Grundfragen
die Mehrheit der Volksabstimmung bindend ist? Auch dieser
Vorschlag ist nicht mehr als ein Vorschlag. Es ist allerdings
auch
leicht, alle Handlungen, die in der Zukunft liegen und daher
immer
den Charakter einer Prognose haben, mit dem Bewusstsein von
heute
eine Abfuhr zu erteilen. Vor einigen hundert Jahren hätte
niemand
(sieht man einmal von Kant ab) geglaubt, dass es einmal so
etwas wie eine UNO geben könnte. Die Idee einer Weltregierung,
irgendwann in diese Welt gekommen, nimmt irgendwann Gestalt
an und ich werde den Teufel tun und sagen, dass „es nicht
klappt,
dass es gar nicht klappen kann, dass es niemals klappen kann“.
Ich denke, du verstehst, worauf ich hinaus will.
Es klappt, und wieder sind wir so nahe dran, dass wir da durchaus was konkretes sagen können. Eine solche Weltregierung hat einerseits demokratischen Grundregeln zu unterworfen sein und andererseits kann es sich nicht um ein machtloses Diskutierforum á la UNO handeln, wenn eine solche Regierung wirklich für diesen Job, nämlcih wirklich Frieden zu schaffen, zuständig sein soll.
Unter einem philosophischen Blickwinkel, sub specie
aeternitatis,
hast du sicherlich recht. 
Hey, wir sind hier auf dem Philosophiebrett! 
Stimmt! 
Ich hoffe nur, dass obiger Zustand des Ausradiertseins nicht
eintritt, so lange wir auf Erden wandeln.
Aber wenn nicht wir, dann unsere Nachfahren …
Schönen guten Morgen (Dank Zeitverschiebung)
Bitte um Erklärung für „Zeitverschiebung“ Die Sommerzeit
meinst du doch wohl nicht!?
Ich sitze im mittleren Westen der USA und damit etwa 7 Zeitzonen weiter westlich. Wenn ich also nachmittags Antworten schreibe, kannst Du die frühestens am nächsten Morgen finden weil bis ich dazu komme, das Board zu lesen ist es für Dich irgendwann spät in der Nacht.
Gruß
Peter B.