Hi!
Die Welt besteht nicht nur aus F&E. Meiner Schätzung nach
beschäftigen sich in einem europäischen Mittelständler (und
die bieten mehr als 60% der Arbeitsplätze) ca. 10% der
Mitarbeiter direkt oder indirekt mit R&D.
Im Management arbeiten weitere 10%.
Die anderen 80% sind zu teuer.
Ehrlich gesagt halte ich das für pauschalen Unsinn.
Das ist schlecht.
Zum einen: Wer jemals in einem internationalen Unternehmen
tätig war, weiß, was an ach so lohnniedrigen Standorten vor
sich geht.
Ich habe nie in anderen als weltweit tätigen mittelständischen Unternehmen gearbeitet.
Gerade lohnintensive Fertigung macht man besser im günstigeren Ausland, zumal in den typischen Fluchtburgen wie CZ, HR, VRC und Indien die Ausbildungsstandards (und somit leider auch die Preise) steigen.
Zum zweiten: Viele zu teure Mitarbeiter sind absolut
ineffizient eingesetzt. Wenn jeder beliebig-dahergelaufenen
Unternehmensberater noch immer in fast jeder Fertigung
erkleckliche Prozent allein durch organisatorische Dinge
rausholen kann (was die ach so teuren MAs sehr wohl wissen,
aber auf die hört man in der Regel ja nicht), dann sollte sich
so mancher Unternehmer mal an das eigene Näschen fassen.
Rumstehen lassen darf man deutsche Arbeiter mit Sicherheit
nicht…
Da gehe ich mit.
Allerdings wäre hier eine Einschätzung des Optimierungspotentials Deinerseits interesant gewesen. Pauschal zu behaupten „da kann man ja auch noch was verbessern“ reicht nicht, denn das gilt immer. Schließlich ist nichts perfekt.
Ich denke, man kann in aktuellen deutschen Produktionsbetrieben im Schnitt mittelfristig vielleicht 5% herausholen.
Spart man in Guangdong 60% Lohnkosten, kann man jedoch mit einer 25% ineffektiveren GFertigung locker leben.
Das ist die Rechnung.
Ferner: die hergebeteten Entwicklungscenter in Deutschland
sind eine Sache. Dass Siemens allerdings massiv Ingenieur- und
somit Entwicklungsleistungen im osteuropüäischen Ausland
einkauft und gleichzeitig solche Arbeitsplätze in D abbaut,
ist Dir nicht entgangen?
Durchaus, durchaus. Das ist auch alleine deshalb schon
notwendig, da Siemens sich vor Jahren schon brüstete, 1/3 des
gesamten Ingenieurnachwuchses Deutschlands zu brauchen. Aber
will tatsächlich 1/3 bei Siemens arbeiten?
Moment: es gibt deutlich mehr arbeitslose Ingenieure, auch gestandene, die mittlerweile mit Kusshand dort arbeiten würden, als es freie Posten bei Siemens Deutschland gibt.
Ferner sucht Siemens gar nicht hier und lehnt auch interne Bewerbungen diesbzgl. ab (weiss ich aus 1.
Hand), da es um Kosten, nicht um Verfügbarkeit der Ressourcen geht.
Was für mich daraus folgt:
Meinen wir wirklich, dass es für uns Sinn macht, mit
Niedriglohnländern zwanghaft konkurrieren zu wollen? Wollen
wir tatsächlich wieder Nähereien etc. in Deutschland? Ist das
unsere Zukunft? Wohl kaum…
Das ist nicht die relevante Frage.
Sog. „Billiglohnländer“, als Beispiel China, arbeiten
mitnichten nur als unsere „Näherinnen“, sondern etablieren
sich als massive Konkurrenz in jedem Marktbereich.
Daraus lässt sich leicht ableiten, dass wir in den bereichen
Industrie und v.a. Dienstleistung deutlich mehr
Flexibilisierung und Kostensenkungspotential benötigen.
Falsch: Wir brauchen Innovation. Zu Tode sparen ist die
dümmste aller Alternativen. In Zugzwang sind die langsamen mit
ausgereiften (d.h. auch leicht kopierbaren) oder gar
veraltenden Produkten. Der Rest verdient weiterhin gut.
Nur: Innovation ist Managementaufgabe! Wer das verschläft…
Zwei Punkte:
1.) Innovation:
Innovation ist keineswegs nur Managementaufgabe, sondern der Job aller Beteiligten im Unternehmen. Was macht ein wirklich innovatives Unternehmen aus?
Warum ist das Management von Siemens (wenn es nicht gerade um die Gestaltung des persönliches Jahresbonus geht) genauso unkreativ, wie das der Deutschen Bank, die Firma an sich bringt jedoch immer noch neues, wenn auch deutlich seltener als vor 25 Jahren?
Ferner teile ich Deine Ansich insofern, als dass Innovation sehr wichtig gerade in D ist.
Allerdings nützt die beste Innovationsleistung ohne meinen zweiten Punkt, der
Kosteneffizienz
gar nichts.
Deutschland kann nur innovativ sein, wenn die UNternehmen eine Chance haben, zu innovieren. Dafür braucht man die richtigen Rahmenbedingungen, die es auch für ausländische Firmen attraktiv machen, sich hier niederzulassen und neuen Input mitzubringen.
Und genau das fehlt unsd und hier ist in der Tat das zuständige „Management“, nämlich die Politik gefragt.
Viel wichtiger, als hier den Sozialstaat zu null zu fahren und
sich eine Klasse von „working poor“ zu schaffen ist es doch
wohl, ganz massiv(!) in F&E zu investieren und die
tatsächliche Zukunft zu sichern…
Wir sollten uns dessen bewusst sein, dass kaum mehr als 50%
(in Bayern sollen ja demnächst 50& eines jeden Jahrgangs
studieren, wie ich gestern auf B5 aktuell hörte) der
Arbeitnehmer in dieser schönen neuen Welt Arbeit finden
werden.
Quatsch: Wir sind mit Sicherheit in einer Umbruchphase, wie
wir sie zu Beginn der Industrialisierung erlebt haben. Wir
werden noch lange mit einer hohen Sockelarbeitslosigkeit leben
müssen.
Aber: Bevor wir Armut und Sozialabbau gesellschaftsfähig
machen, sollten wir erst einmal die Luft aus unserem ach so
aufgeblasenen System nehmen. Ansatzpunkte gibt es genug (diese
Diskussion habe ich hier schon öfter geführt, deswegen werde
ich hier keine Punkte nennen)… Und erst, wenn wir das
gemacht haben, lasse ich mit mir über Niedrigstlöhne und
ähnliches reden…
Da Du ja Deine Punkte nicht nennen willst, kann ich hierzu nichts sagen.
Industrielle Produktion wird in Deutschland in den nächsten 30
Jahren noch ein sehr wichtiger Faktor bleiben.
Umsatzmäßig ja, Arbeitstechnisch immer weniger. Die
Automobilindustrie lebt es schließlich vor.
Die Automobilindustrie beschäftigt, natürlich nur mittelbar, die meisten Arbeiter im Land.
Die Autofirmen verringern lediglich die Fertigungstiefe und kaufen bei Lieferanten ein, die dann eben die Arbeiter wieder vorhalten. Von einem Automatisierungsgrad, der nur noch knöpfchendrückende Ingenieure erfordert, ist man dort jedoch noch weit entfernt.
Nur muss man die Rahmenbedingungen schaffen, so dass dies auch
erfolgreeich vonstatten gehen kann.
Ich sehe viele Leute heulen und wenig Leute machen… Jede
Klienteltruppe versucht im Moment die miese Grundstimmung für
Rasenmäheroptimierungen zu ihren Gunsten zu nutzen: Sprich:
Uns geht es weiterhin viel zu gut…
Nein, unseren Lobbyisten geht es viel zu gut.
Das Volk leidet, allerdings noch auf einem gewissen Nivaeu.
Wenn innerhalb der nächsten 10 Jahre 15% aller EWigenheimgfinenzierungen platzen, wird das schon spannender.
Und währenddessen nicht immer wieder in das klientelbehaftete
Trübsahlshorn vom Untergang des deutschen Abendlandes zu
blasen. Denn ehrlich gesagt: Für mich ist die miese Stimmung
(die auch Du hier mal wieder verbreitest) ein deutlich
größeres Investitionshemmnis, als die hohen Arbeitskosten (die
sowieso an vielen Orten durch Subventionen deutlich gemindert
werden können).
Das ist wohl kaum der Fall.
Standortentscheidungen großer internationaler UNternehmen, die
ja jeder ins Land beten möchte, werden aufgrund simpler Fakten
getroffen. Die Stimmung im land interessiert dabei nur am
Rande.
Über die Qualität von Standortentscheidungen großer Konzerne
ließe sich aus meiner aktuellen Erfahrung trefflich streiten.
Das ist ein Schritt zu weit.
Zunächst einmal sollten wir die in der BWL allgemein anerkannten Standortfaktoren ansehen und bewerten, wie D hier abschneidet.
Lohnkosten spielen dabei sicher eine Rolle, aber häufig keine
maßgebliche. Wobei mir bei den mir bekannten Konzernen nicht
ganz klar ist, was wirklich die Kritereien sind. Manchmal habe
ich das Gefühl, die Entscheidungen fallen auf einer Fernreise
mit dem Kanzler bei einem Besäufnis mit dem Gastgeber am
Abend. Aber ich will nicht zynisch sein… (Nur zur Info,
bevor Du mich als nichtwissend abkanzelst: Ich arbeite im
Moment in der internationalen Werksplanung eines großen
deutschen Konzerns…)
Ich kanzle niemanden als „nichtwissend“ ab, keine Sorge.
Ich habe bereits an strategischen Standortevaluierungen und -entscheidungen teilgenommen. Die Kriterien scheinen, so bestätigte mir auch ein guter Freund bei BMW (um eine größere Firma zu nennen), der Strategien für RSA und Japan mitgeplant hat, immer ähnlich zu sein.
Und D schneidet immer schlechter ab.
S. Diskussion Ingenieure/Siemens.
Grüße,
Mathias