Zweisprachigkeit bei Kleinkindern

Hallo zusammen,

ich bin gerade am Grübeln: Wenn der Vater Englisch und Deutsch als Muttersprache spricht, die Mutter Deutsch als Muttersprache und Englisch fließend - wie könnte dann ein geeignetes bilinguales Aufwachsen des Kindes aussehen? Gibt es dazu aktuelle Studien oder habt Ihr selbst Erfahrungen gemacht? Das Kind wird hauptsächlich in Deutschland aufwachsen mit max. 3 Wochen Aufenthalt im englischsprachigen Ausland pro Jahr.

Ich bin gespannt auf Eure Antworten.

Viele Grüße
Tanja

2 Dinge

ich bin gerade am Grübeln: Wenn der Vater Englisch und Deutsch
als Muttersprache spricht, die Mutter Deutsch als
Muttersprache und Englisch fließend - wie könnte dann ein
geeignetes bilinguales Aufwachsen des Kindes aussehen?

Genauso wird es empfohlen. Eine Sprache immer von der gleichen Person.

In der Archivsuche müsstest du duzendweise Beiträge und auch Querverweise finden. Das Thema taucht hier alle Wochen wieder auf.

Vielleicht mal ein Thema für eine Linksammlung in der Brett-FAQ.

Gruß

Stefan

Ich hab’s gefunden
Hallo Stefan,

ich hatte zunächst auch erwartet, im Archiv viel zu finden. Aber schlauerweise hatte ich mit „bilingual“ gesucht und da kommt praktisch nichts bei rum. Jetzt hast Du mich doch noch mal zum Suchen gebracht und mit „Zweisprachigkeit“ finde ich tatsächlich meine Antworten. Danke!

Viele Grüße
Tanja

Hallo,

ich werde mich in nächster Zeit auch mit diesem Thema beschäftigen müssen und würde mich mal mit einer Frage einklinken, die mir trotz Google und Suche noch nicht begegnet ist:

Angenommen beide Elternteile sprechen mit dem Kind konsequent Ihre Muttersprache, dabei beherrscht zwar der Vater die Sprache der Mutter, die Mutter allerdings nicht die Sprache des Vaters. Wie funktioniert das in der Zeit, wenn beide Elternteile mit dem Kind zusammen sind? Der Vater würde mit dem Kind sprechen, dieses auch irgendwann antworten und die Mutter versteht davon nichts?

Hat das überhaupt Sinn, wenn der arbeitende Vater relativ wenig Zeit alleine mit dem Kind verbringt?

Vielen Dank
Tiffi

Hallo Tiffi,

Angenommen beide Elternteile sprechen mit dem Kind konsequent Ihre Muttersprache, dabei beherrscht zwar der Vater die Sprache der Mutter, die Mutter allerdings nicht die Sprache des Vaters. Wie funktioniert das in der Zeit, wenn beide Elternteile mit dem Kind zusammen sind?

Das erlebe ich gerade bei meinem Enkelkind: Der Vater ist Deutscher, die Mutter Türkin, die Deutsch ebenfalls wie ihre Muttersprache spricht. Sie spricht ausschließlich Türkisch mit dem Kind, der Vater ausschließlich Deutsch. Untereinander sprechen die Eltern Deutsch, da die Türkischkenntnisse des Vaters nur rudimentär sind.

Das Kind ist jetzt zwei Jahre alt und verbringt den ganzen Tag mit der Mutter, während der Vater in dieser Zeit arbeitet. Er sieht seine Tochter nur abends und an den Wochenenden.

Das Kind spricht aktiv fast ausschließlich Türkisch, versteht aber alles, was man in Deutsch zu ihm sagt. Das hat für das vergangene Jahr tatsächlich bedeutet, dass der Vater seine Tochter nicht oder nur kaum verstanden hat, was nicht immer einfach für ihn war. Seit etwa 8 Wochen beginnt das Mädchen zu differenzieren, mit wem sie spricht und wendet zunehmend die deutsche Sprache aktiv an. Die Grammatik ist (alterstypisch) korrekt, der aktive Wortschatz derzeit deutlich geringer als der türkische, wobei man wochenweise ganz klar Zuwachs erkennen kann.

Mit dem Besuch der KiTa ab September wird sich diese Entwicklung sicherlich sprunghaft steigern.

Schöne Grüße,
Jule

Hallo Tanja,

eine Freundin,deren Muttersprache holländisch ist, hat mit ihren Kindern von Anfang an nur holländisch gesprochen. Der Vater hat mit den Kindern nur Deutsch gesprochen.

Es ist faszinierend, wie die Kinder umschalten, wenn sie mit dem jeweiligen Elternteil sprechen. Am Tisch war teilweise ein herrlicher Sprachenmix. Den Kindern hat das nie etwas ausgemacht.

In der Schule waren ihre Kinder in Fremdsprachen die absoluten Cracks. Sie konnten dann teilweise vier Sprachen und waren den anderen Kindern immer weit voraus.
Anhand dieses Beispiels kann ich bilinguale Erziehung nur empfehlen.

LG
H.

Hallo Tiffi,
Vorab: es wäre einfacher für die Antworten, dass du (meinetwegen falschen) Muttersprachen nennst.
Also angenommen die Muttersprache des Vaters ist Englisch und Spanisch die der Mutter. Die Familie lebt in Deutschland, wo das Kind auch aufwäscht.

ich werde mich in nächster Zeit auch mit diesem Thema
beschäftigen müssen und würde mich mal mit einer Frage
einklinken, die mir trotz Google und Suche noch nicht begegnet
ist:

Wie bereits erwähnt, such nach „Zweisprachigkeit“ und allein hier müsstest du fast erschlagen werden, aus lauter Ergebnissen… (Oder so kommt es mir vor).

Angenommen beide Elternteile sprechen mit dem Kind konsequent
Ihre Muttersprache, dabei beherrscht zwar der Vater die
Sprache der Mutter,

Spanisch, in unserem Beispiel.

die Mutter allerdings nicht die Sprache
des Vaters.

Englisch, in unserem Beispiel.

Wie funktioniert das in der Zeit, wenn beide
Elternteile mit dem Kind zusammen sind?

Genauso. Ich finde, man muss Prioritäten setzen und für mich, in diesem Klar steht klar: Vorrängig geht es um den Kind und seine Zweisprachigkeit. Also, selbst dort weiterhin die jeweilige Muttersprache sprechen.

In meinem Fall und dem Beispiel folgend, hat die Mutter Englisch gelernt. Dadurch, dass sie sie duernd daheim gehört hat, hat sie das umso schneller gelernt. Auch sooft wie möglich würde Urlaub im englischsprachigen Raum gegeben…

Und wenn es am Anfang soooo schwer sein soll, kann der Vater für die Mutter EXTRA übersetzen was er dem Kind sagt. Aber vom vornerein MUSS klar sein, dass dies eine schnell vorübergehende Situation ist.
Hauptsache ist und bleibt, dass das Kind vom Mama NUR Spanisch hört und vom Papa NUR Englisch.

Der Vater würde mit
dem Kind sprechen, dieses auch irgendwann antworten und die
Mutter versteht davon nichts?

Wenn die Eltern konsequent daran bleiben, wird es unweigerlich der Zeitpunkt kommen, wo alle die drei Sprachen erstmal verstehen und dann fliessend reden. Das ist nur ein schönes Nebeneffekt der ganzen.

Hat das überhaupt Sinn, wenn der arbeitende Vater relativ
wenig Zeit alleine mit dem Kind verbringt?

Relativ wenig ist… wieviel???
Wenn es 15 minuten im Jahr ist, dann macht es tatsächlich wenig Sinn.
Will heissen: Was bedeutet „relativ wenig Zeit“ genau?

Vielen Dank

Gern

Schöne Grüße,
Helena

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Hi,

meine Bekannten erziehen ihre Kinder auch zweisprachig. Er ist Deutscher und spricht mit seinen Kindern deutsch, sie ist Portugiesin und spricht mit ihnen portugiesisch. Am Angfang konnte die Mutter noch kein deutsch, also hat der Vater mit den Kindern deutsch gesprochen und die Mutter portugiesisch. Die Kleinen haben dann aber fast immer auf deutsch geantwortet, da es für sie die Sprache ist, mit der sie am meisten konfrontiert werden (Kindergarten, Freunde, Arzt, Nachbarn…). Nach Jahren hat die Mutter, nicht zu letzt durch ihre Kinder, deutsch gelernt und so sprechen sie, wenn sie alle zusammen sind, beide mit den Kindern deutsch (mit kleinen portugiesischen Einlagen auf Grund des nicht vollständigen Vokabulars).
Das klappt hervorragend, obwohl die Eltern untereinander eigentlich nur englisch sprechen - auch vor den Kindern. Die Kinder verstehen, obwohl sie damit aufgewachsen sind, jedoch nichts. Sie nennen das immer die „Papa-Mama-Sprache“.

gruß
nok

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Hallo Biene,

eine Freundin,deren Muttersprache holländisch ist, hat mit
ihren Kindern von Anfang an nur holländisch gesprochen. Der
Vater hat mit den Kindern nur Deutsch gesprochen.

OK

Es ist faszinierend, wie die Kinder umschalten, wenn sie mit
dem jeweiligen Elternteil sprechen.

Da kann ich dir nur zustimmen.
Es ist faszinierend wie einfach sie umschalten können! Aber mich fasziniert umso mehr, dass sie nie, aber auch niemals, die Sprachen verwechseln. Es wird nie vorkommen, dass sie mal mit dem Papa Holländisch reden oder mit der Mama Deutsch. Das „Gesetz“, „ein Mensch, eine Sprache“ funktioniert auch hier auf eine so erstaunliche Weise, dass man sich nur wundern kann!

Am Tisch war teilweise ein
herrlicher Sprachenmix. Den Kindern hat das nie etwas
ausgemacht.

Genauso ist es. Ich sehe das tagtäglich. Es macht den Kindern absolut nichts aus. Für denen, im Bezug auf „Umschaltschwierigkeiten“ ist es als ob sie nur eine einzige Sprache gelernt hätten. Allerdings sind sich dessen genau bewußt, wann die eine verwenden und wann die andere.
Ich vergleiche es gerne mit Öl und Wasser: Beide sind in einem Behälter (Glas bzw. Gehirn) aber sie mischen sich nicht, bleiben getrennt und es ist für den Kindern/Glasbetrachter immer klar und deutlich ob es sich um Öl oder um Wasser handelt (die eine oder die andere Sprache).

In der Schule waren ihre Kinder in Fremdsprachen die absoluten
Cracks.

Ein zweisprachiges Nachbarkind hat sogar eine ganze Klasse gesprungen und mit 9 hat die ganze 4. Klasse fertig gemacht. 10 wird es nächstes Jahr und natürlich kommt er ins Gymnasium.

Sie konnten dann teilweise vier Sprachen und waren den
anderen Kindern immer weit voraus.

So kenne ich das auch.

Anhand dieses Beispiels kann ich bilinguale Erziehung nur
empfehlen.

Sowieso!
Aber eben wenn es die Muttersprache der Erziehenden ist. Nie wenn für diese, ebeenfalls eine (noch so gut) gelernte Sprache ist.

Schöne Grüße,
Helena

Hi,

hat der Vater mit
den Kindern deutsch gesprochen und die Mutter portugiesisch.
Die Kleinen haben dann aber fast immer auf deutsch
geantwortet, da es für sie die Sprache ist, mit der sie am
meisten konfrontiert werden (Kindergarten, Freunde, Arzt,
Nachbarn…).

Ich finde das war falsch.
Irgendwann mal, werden sie verlangen, dass die Mutter ebenfalls Deutsch redet. Denn wenn die Familie in D. lebt, wird die Mama irgendwann man auch Deutsch können.
Ich kenne viele solche Beispiele und in den meisten Fällen, geht die Muttersprache der Mutter, verloren. Leider.

Nach Jahren hat die Mutter, nicht zu letzt durch
ihre Kinder, deutsch gelernt und so sprechen sie, wenn sie
alle zusammen sind, beide mit den Kindern deutsch (mit kleinen
portugiesischen Einlagen auf Grund des nicht vollständigen
Vokabulars).

Dieses Vokabular wird sich nie vervollständigen, wenn die Mutter kein Portugiesisch mehr redet.

Das klappt hervorragend,

Ich gehe aber die Wette ein, dass in, sagen wir mal 5 bis 10 Jahren, können die Kinder kein Portugiesisch mehr und nur mit Mühe und Not es verstehen…
Auch davon kenne ich Beispiele…

Nur meine Meinung und meine Beobachtungen.

Schöne Grüße,
Helena

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Hi,

glaube nicht, dass man so schnell eine Sprache vergisst, mit der man von Anfang an hauptsächlich aufgewachsen ist (Mutter verbrachte mehr Zeit als der Vater mit den Kindern). Die Mutter redet, wenn sie mit den Kindern alleine ist ausschließlich portugiesisch mit ihnen. Sie können auch portugiesisch (9 und 7 Jahre alt), reden aber lieber deutsch. Das sehe ich immer, wenn ihre portugiesische Großmutter dreimal im Jahr für je drei bis vier Wochen kommt. Dann reden sie mit ihr nur portugiesisch, da sie wissen, dass ihre Oma sie sonst nicht versteht. Auch fahren sie zweimal im Jahr nach Portugal und da sprechen die Kinder auch mit Gleichaltrigen ausschließlich portugiesisch.
Ich denke, das kommt einfach auf das Kind drauf an. Ich würde es als Kind auch nicht verstehen, warum ich unbedingt mit meiner Mutter oder meinen Vater eine Sprache reden sollte, wenn sie mich in meiner Muttersprache auch verstehen. Was willst du dann auch machen? Dem Kind befehlen nicht deutsch zu reden? Es bestrafen, wenn es das trotzdem macht?
Und ab einen bestimmten Grad finde ich es schon besser, wenn die Eltern eine gemeinsame Sprache mit den Kindern sprechen, wenn einer oder beide die jeweils andere Sprache nicht verstehen. Du willst ja auch ein gemeinsames Gespräch führen und nicht immer auf Übersetzungen deiner Kinder oder deines Partners angewiesen sein.

gruß
nok

Hallo Helena,

Also konkret in unserem Fall, in Deutschland lebend:

Ich als Mutter mit Muttersprache Deutsch, Vater Inder mit diversen Sprachen aus dem indischen Kulturkreis aufgewachsen, würde mit dem Kind Hindi sprechen. Ich habe mal angefangen, Hindi zu lernen (inklusive Schrift), das ist jetzt aber sehr lange her und ich würde so gut wie bei Null anfangen. Habe mir aber auf jeden Fall vorgenommen, da etwas mit aufzuschnappen, wenn er mit dem Kind spricht.

Als wir uns kennengelernt haben, lief die Beziehung auf Englisch, da sind wir aber beide nicht perfekt und würden das Kind nur beim Spracherwerb in der Schule unterstützen wollen. Inzwischen sprechen wir zu Hause zu 80-90% Deutsch miteinander.

Mit relativ meine ich: Wenn der Vater unter der Woche um 19:00h zu Hause ist kann er das Kind noch ins Bett bringen, bleibt das Wochenende und Urlaub. Und da sind ja die Eltern zum großen Teil zusammen, deswegen frage ich mich halt, wie es mit der gemeinsamen Unterhaltung zu dritt läuft.

Hi,

Freunde von uns, er Schotte, sie Deutsche.
Mutter spricht mit den Kindern Deutsch, er mit ihnen Englisch (wenn man das so nennen kann :wink:
Untereinander sprechen sie Deutsch, weil sie nicht so gut englisch spricht.
Die Kinder können beide Sprachen aktiv wie passie gebrauchen.
Anfangs sprachen sie mit dem Vater Englisch, mit der Mutter Deutsch.
Irgendwann sprachen sie aber auch mit dem Vater Deutsch, weil es wohl bequemer für sie war, er sprach trotzdem weiter Englisch mit ihnen.
Als sie älter wurden, sprachen sie wieder Englisch mit ihm, oder mal wieder nicht :wink:
Sie sind eben flexibel. Aber sie haben nie die Sprachen vermischt und nutzen erstaunlich wenige Angelismen!

Klang schon witzig, wenn der Vater mit ihnen Englisch sprach und sie in Deutsch antworteten.

Gandalf

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Hallo Tanja,

hmm - ich sehe grad in Eurer Konstellation überhaupts (sic!) kein Problem (anders als bei dem deutsch-Indischen Paar weiter unten).

Vater: englisch
Mutter: deutsch
miteinander: deutsch (da englisch nicht Deine Muttersprache ist)

Wobei natürlich dann das englische ein wenig „zu kurz“ kommen könnte, je nachdem wieviel Zeit der Papa mit dem Kind verbringt. Aber mit englisch kommt man ja hier ziemlich heftig in Kontakt, wenn man’s drauf anlegt (Filme, Bücher, Hörspiele, Musik etc.

*wink*

Petzi

Hallo Tiffi,

Mit relativ meine ich: Wenn der Vater unter der Woche um
19:00h zu Hause ist kann er das Kind noch ins Bett bringen,
bleibt das Wochenende und Urlaub.

Das finde ich persönlich nicht wenig. Je nachdem wie intensiv sich der Vater um das Kind kümmert.

Und da sind ja die Eltern
zum großen Teil zusammen, deswegen frage ich mich halt, wie es
mit der gemeinsamen Unterhaltung zu dritt läuft.

Als wir uns kennenlernten, sprach der Vater meine Muttersprache, Spanisch, gar nicht. Er ging Abends die Sprache lernen. Nach einer Weile konnte er uns verstehen, denn das Kind war ja klein und sein Vokabular noch nicht sehr groß. Er lernte Vokabular also praktisch
mit dem Kind mit. Und irgendwann mal, konnte er alles genauso verstehen wie das Kind auch. So ist es jetzt die Lage bei uns.

Zwischen ihm und mir: Wir reden immer deutsch. Er mit dem Kind ebenfalls Deusch. Das ist ja seine Muttersprache. Und ich mit dem Kind nur Spanisch. Und genauso verhält es sich mit den Gesprächen zu dritt. Ich weiß auch nicht, warum dann eine Ausnahme gemacht werden sollte.

Und übrigens: Es läuft alles bestens, nichts ist irgendwie gezwungen und alles ganz locker. Auch wenn es sich hier anders anhören könnte.

Schöne Grüße,
Helena

Hi,

glaube nicht, dass man so schnell eine Sprache vergisst, mit
der man von Anfang an hauptsächlich aufgewachsen ist

Eine Sprache, die man nicht verwendet wird mit der Zeit vergessen. Das kannst Du mir glauben. Bei ECHTEN Muttersprachen dauert es evtl länger, aber kann und wird mit der Zeit trotzdem auch vergesen.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Ein Kind wird in Russland geboren. Es hört nur Russich, auch wenn das nicht die Mutterprache der Eltern ist. Trotzdem reden sie mit dem Kind in der Sprache Tolstois. Nun wandert die Familie nach Spanien zurück. Das Kind bittet den Eltern, mit Tränen in den Augen, die Sprache mit ihm zu reden, die seine Freunde reden. Weil das Spanisch ist (die Muttersprache beide Elternteile), tun sie es dem „Gefallen“. Dieses Kind, heute selbst Erwachsen, hat kein Schimmer von Russisch mehr. Das Kind war 10 als die Famile Russland verlies.

Und das ist keine Ausnahme. Ich kenne viele solche Konstellationen mit anderen Sprachen.

(Mutter
verbrachte mehr Zeit als der Vater mit den Kindern).

Es geht nicht um wie lange jemand mit einem Kind ist, sondern wie diese Zeit verbracht wird, was sie gemeinsam unternehmen und wieviel Sprache in diesen Situationen „verwendet“ wird. Wenn zB. der Vater das Kind nur zum Fußbaltraining fährt und dort stundenlang zuschaut, von der Tribüne aus, wie alles läuft, dann bringt es der Spracherwerb des Kindes rein gar nichts.
Oder gemeinsam das deutsche TV anzuschauen zählt auch dafür nichts.
uaf den anderen Seite: Die dauernde physische Anwesenheit des Vaters ist nicht unbedingt erforderlich, um das Kind seine Muttersprache beizubringen: Das Kind kann, auch ohne Vater, DVD in diese Sprache anschauen; Bücher lesen; Kinderlieder hören; etc…

Die
Mutter redet, wenn sie mit den Kindern alleine ist
ausschließlich portugiesisch mit ihnen. Sie können auch
portugiesisch (9 und 7 Jahre alt), reden aber lieber deutsch.

Ich habe hier eine Nachbarin die dasselbe behauptet. Das Kind kann angeblich Spanisch. Tatsache ist, dass es nichts versteht, obwohl die Mutter nur Spanisch mit dem Kind redet.

Das sehe ich immer, wenn ihre portugiesische Großmutter
dreimal im Jahr für je drei bis vier Wochen kommt. Dann reden
sie mit ihr nur portugiesisch, da sie wissen, dass ihre Oma
sie sonst nicht versteht. Auch fahren sie zweimal im Jahr nach
Portugal und da sprechen die Kinder auch mit Gleichaltrigen
ausschließlich portugiesisch.

Das ist ja sehr gut. Aber genauso sollte sich die Mutter den Kindern gegenüber auch verhalten!.

Mein Kind hat immer von mir Spanisch gehört. Nur Spanisch. Das hat sich seit der Schwangerschaft (ja genau, seitdem!) nicht geändert. Es gab aber einmal, als es im KiKrippe kam, wo er mir einen Satz auf Deutsch gesagt habe. Ich habe ihm gesagt, dass ich es nicht verstehe und er möge mir das bitte in unserer gemeinsamen Muttersprache sagen. Gesagt, getan. Kein Problem. Seitdem kam nie wieder den Versuch, mit mir einer anderen Sprache zu reden, ausser Spanisch.

Ich denke, das kommt einfach auf das Kind drauf an.

Nein. Das stimmt, mMn. nicht. Es kommt nicht auf das Kind an, sondern an das Verhalten der Menschen, die ihm zweisprachig aufwachsen lassen WOLLEN. Und Betonung liegt auf WOLLEN.

Ich würde
es als Kind auch nicht verstehen, warum ich unbedingt mit
meiner Mutter oder meinen Vater eine Sprache reden sollte,
wenn sie mich in meiner Muttersprache auch verstehen.

Das ist vollends der falschen Ansatz. Du als Kind hast ZWEI Muttersprachen. Ausserdem sind beide für dich fliessend. BEIDE sind in gleicher Massen Muttersprachen. „Eine Muttersprache“ gibt es schlich nicht. Ganz entscheidend ist auch, dass du in beiden Sprachen denkst, je nach Situation. Und diesen Satz „in meiner Muttersprache auch verstehen“ kommt nicht einmal in Gedanken vor, denn beide sind, auf denselben Niveau, Muttersprachen.

Was
willst du dann auch machen?

Ganz einfach: Mit meinem Kind meine eigene Muttersprache zu reden und nur diese von ihm akzeptieren. Zumal, wenn das tatsächlich konsequent durchgezogen wurde, auch kein Thema mehr für das Kind ist. Und im waste Sinne des Wortes, extrem kinderleicht.

Dem Kind befehlen nicht deutsch zu reden?

Mit Zwängen und Befehlen kommt man nicht weiter und bildet sich, oft, eine Abneigung gegen die Sprache.

Wenn man aber konsequent und von vorne herein NUR die eigene Muttersprache mit dem Kind gesprochen und auch diese vom Kind verlangt wurde, ist das Wollen kein Thema mehr.
Es geht auf gar keinen Fall um Befehle oder Zwänge. Es geht um Verständigung, um Wille und um Zweisprachigkeit.

Es bestrafen, wenn es das trotzdem macht?

Nein. Aber ihm zeigen wie stolz er auf seine Kenntnissen der „andere“ Sprache auch sein kann. Ihm die Kultur des Landes nahe zu bringen. Ihm in aller erdenkliche Weise und unermüdlich die andere Kultur beibringen (ich zB gebe ein Vermögen in Bücher auf Spanisch aus. Und das sehr gerne). Ihm stolz werden zu lassen, sich mit Menschen zu verständigen, die die „andere“ Sprache reden,… Wenn du das schaffst, dann ist es absolut kein Problem mehr, das Kind zweisprachig aufwachsen zu lassen. Und so entstehen wahren Zweisprachigkeiten.

Und, ich wiederhole, evtl. schaut das was ich beschreib, sehr streng oder gar drohend oder an Strafen erinnernd aus. Nicht, aber auch nichts weiter als das. Das ist für mich absolut verpönnt! Aber du glaubst nicht wie stolz mein Kind ist, wenn es im Urlaub seinem Vater etwas übersetzen darf, weil Papa es nicht versteht(*). Oder wenn im Radio ein Lied auf Spanisch kommt, er die Texte versteht, und sie an seine Freunde übersetzt. Oder wenn er ins Kino gehen darf, in Spanien, wo offensichtlich die Altersbeschränkung lässiger ist als hier zu lande, und er diesen Filme, natürlich auf Spanisch, vollkommen versteht und dann seine Schulfreunde hier erzählt… Da möchte er auf gar keinen Fall auf diese Sprache verzichten!

Vor ca. 4. Monate habe ich ihn gefragt, ob ich mit ihm deutsch reden soll. Seine Antwort war: „Nein, bitte nicht, Mama. Denn sonst wird keiner mehr geben, die mit mir Spanisch redet und ich werde es dann vergessen. Und dann werde ich nichts mehr verstehen…“ (Natürlich hatte ich das nciht einmal in Erwägung gezogen, aber ich wollte mal wissen was es wirklich davon hält.)

Und ab einen bestimmten Grad finde ich es schon besser, wenn
die Eltern eine gemeinsame Sprache mit den Kindern sprechen,

Dann brauchst du dich um Zweisprachigkeit gar nicht zu kümmern!!
Wenn die ganze Familie nur EINE Sprache spricht, wozu das ganze mit ZWEIsprachikeit???

wenn einer oder beide die jeweils andere Sprache nicht
verstehen.

Warum lernt dann der Erwachsener die andere Sprache nicht? Ich finde das ist DIE Lösung schlechthin. Genauso ist es bei uns gelaufen.

Du willst ja auch ein gemeinsames Gespräch führen

…tue ich ja auch!

und nicht immer auf Übersetzungen deiner Kinder oder deines
Partners angewiesen sein.

Ich sagte ja: Das ist eine VORÜBERGEHENDE Situation. Und das ist nicht nur zwingend, sondern auch naheliegend, denn der Erwachsener wird irgendwann mal auch diese Sprache lernen -allein durchs Zuhören!

Ah! Und übrigens: Alles, aber auch alles was dazu dient, das Kind die Kultur des Landes / der Ländern wo diese Sprache gesprochen wird, näher zu bringen, ist äußest zu empfehlen und muss gefordert werden. Es wird immer eine sog. „dominante“ und eine „unterworfene“ Sprache geben (meistens zumindest). „Dominante“ ist in der Regel, die die im Land (Schule, Straße, Arzt, Freunde,…) wo man wohnt, gesprochen wird. Die „unterworfene“ ist die, mit dem das Kind weniger oft konfrontiert wird.

Schöne Grüße,
Helena

(*)Natürlich versteht das der Papa mittlerweile alles. Aber es geht darum, dass das Kind stolz darauf ist, eben diese Sprache zu können.

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Hi,

ich bin gerade am Grübeln: Wenn der Vater Englisch und Deutsch
als Muttersprache spricht, die Mutter Deutsch als
Muttersprache und Englisch fließend - wie könnte dann ein
geeignetes bilinguales Aufwachsen des Kindes aussehen?

ich habe hier in der Nähe die Kombi deutscher Vater, indonesische Mutter. Er spricht Deutsch mit dem Kind, sie Deutsch (nicht fließend) und Indonesisch. Der Kleine ist fast 2 1/2 und sprich so gut deutsch wie andere in unserem Umfeld in dem Alter. Und anscheinend auch ganz gut Indonesisch (kann ich ja nicht beurteilen, da muss die Aussage der Mutter genügen :smile:).

Gruß
Cess

Servus,

langer Post, daher fasse ich mich kurz :wink:.

Die Definition von „Muttersprache“ ist die in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache, die Erstsprache. Diese prägt sich in ihrer Lautgestalt und grammatischen Struktur so tief ein, dass Sprecher ihre Muttersprache weitgehend automatisiert beherrschen. Im Allgemeinen kann etwa ab der Pubertät keine andere Sprache mehr diesen Platz einnehmen. (Quelle)

Daher kann es zwar in extremen Fällen vorkommen, dass ein Kind seine ursprüngliche Muttersprache verlernt, dazu müssen aber gleich mehrere seltene Ereignisse zusammenkommen:

  1. Verlassen des Sprachraums vor der Pubertät
  2. Völliger Verzicht auf die Nutzung der Sprache sowohl daheim in der Familie, als auch im Kontakt mit anderen Personen
  3. Eine innere „Prädisposition“ die neue Sprache als Erstsprache akzeptieren zu wollen (z.B. wegen der Assoziation der ursprünglichen Sprache mit unangenehmen Erinnerungen)

Wie gesagt, diese Ereignisse sehr selten (vor allem Punkt 2) und nicht wie von Dir dargestellt sehr häufig. Daher ist ein vollkommenes Verlernen der Muttersprache eher die Ausnahme.

Zu den anderen Punkten hast Du jedoch meine volle Zustimmung.

Gruß,
Sax

1 Like

Servus Sax,

langer Post, daher fasse ich mich kurz :wink:.

ggg. ich auch *sfg*

Die Definition von „Muttersprache“ ist die in der frühen
Kindheit ohne formalen Unterricht erlernte Sprache, die
Erstsprache. Diese prägt sich in ihrer Lautgestalt und
grammatischen Struktur so tief ein, dass Sprecher ihre
Muttersprache weitgehend automatisiert beherrschen. Im
Allgemeinen kann etwa ab der Pubertät keine andere Sprache
mehr diesen Platz einnehmen.
(Quelle)

sorry, aber ausgerechnet Wikipedia gilt für mich nicht als Quelle. Diese Diskussion hatten wir schon mal hier. Das war damals meine Meinung und daran hat sich nichts geändert.
Allein die Tatsache, dass Muttersprache als eine einzige angedeutet wird („ist die (…) erlernte Sprache“) sagt mir, deskreditiert den weiteren Artikel fast ganz.

Daher kann es zwar in extremen Fällen vorkommen, dass ein Kind
seine ursprüngliche Muttersprache verlernt, dazu müssen aber
gleich mehrere seltene Ereignisse zusammenkommen:

Davon bin ich ja ausgegangen.

  1. Verlassen des Sprachraums vor der Pubertät
  2. Völliger Verzicht auf die Nutzung der Sprache sowohl daheim
    in der Familie, als auch im Kontakt mit anderen Personen

Das war ja in unserem Beispiel gegeben: Die Mutter ist die einzige, die diese Sprache mit den Kindern spricht. Mittlerweile macht sie das nicht immer. Die Tendenz ist, dass es immer weniger Kontakt mit der Sprache geben wird. Und schon in ein paar Jahre, haben die Kinder kein Kontakt mehr zu der Sprache.

  1. Eine innere „Prädisposition“ die neue Sprache als
    Erstsprache akzeptieren zu wollen (z.B. wegen der Assoziation
    der ursprünglichen Sprache mit unangenehmen Erinnerungen)

Das sehe ich auch nicht so. Bei Zweisprachigkeit gibt es keine „erste“ und keine „zweite“ Sprache. Beide sind im Gehirn des Kindes „gleich vertreten“, wenn ich mich so ausdrücken darf. Es gibt keine Hierarchie der Sprachen. Beide sind gleich. Und das ist/soll so sein, bei echten Muttersprachler, bis das Kind im KiGa kommt, aber sicherlich nicht früher.

Wie gesagt, diese Ereignisse sehr selten (vor allem Punkt 2)

Genau das war aber der Beispiel. Denn selbst wenn die Oma zu Besuch kommt, ist das nur „sporadisch“ und dient nur der Festlegung der vermeintliche Muttersprache. Vorausgesetzt, diese wird eben als Muttersprache verwendet, sprich immer und jederzeit mit/von der Mutter. Sonst ist es nur eine Art „Anekdote“.

und nicht wie von Dir dargestellt sehr häufig.

Ich habe nirgends gesagt oder angedeutet, dass so etwas häufig vorkäme. Denn man geht ja davon aus, dass wenn ein Kind ZWEIsprachig aufwachsen soll, auch ein konsequentes Verhalten seitens der Erziehungspersonen vorausgesetzt werden kann. Und das ist hier NICHT der Fall.

Daher ist ein
vollkommenes Verlernen der Muttersprache eher die Ausnahme.

Je nach Verhalten der Erziehungsberechtigten.

Zu den anderen Punkten hast Du jedoch meine volle Zustimmung.

Danke.

Schöne Grüße,
Helena

1 Like

Servus Helena,

sorry, aber ausgerechnet Wikipedia gilt für mich nicht als
Quelle.

Tja, besser als keine, oder?
Jedenfalls einfacher zu verlinken als wissenschaftliche, kostenpflichtige Artikel.

Allein die Tatsache, dass Muttersprache als eine einzige
angedeutet wird („ist die (…) erlernte Sprache“) sagt mir,
deskreditiert den weiteren Artikel fast ganz.

Du musst den Artikel auch richtig lesen. Da steht „in der frühen Kindheit ohne formalen Unterricht“, von „einzige“ ist hier nicht die Rede. Das „die“ ist hier in Abgrenzung zu Zweitsprachen gemeint.

  1. Verlassen des Sprachraums vor der Pubertät
  2. Völliger Verzicht auf die Nutzung der Sprache sowohl daheim
    in der Familie, als auch im Kontakt mit anderen Personen

Das war ja in unserem Beispiel gegeben: Die Mutter ist die
einzige, die diese Sprache mit den Kindern spricht.
Mittlerweile macht sie das nicht immer. Die Tendenz ist, dass
es immer weniger Kontakt mit der Sprache geben wird. Und schon
in ein paar Jahre, haben die Kinder kein Kontakt mehr zu der
Sprache.

Kontakt nicht, können aber die Sprache immer noch sprechen. Vor allem wenn sie später wieder in diesen Sprachraum zurückkehren sollten. Das Vokabular mag sich mit der Zeit reduzieren, dies ist aber was anderes als der Verlust des Gefühls für die Laute, die Grammatik, etc. der Sprache.

Weiterhin ist fraglich, ob sie die neue Sprache als echte „Muttersprache“ oder eher nur als Fremdsprache erlernen. Gerade wenn es um ältere Kinder am Rande der Pubertät geht, glaube ich dass in der Regel Zweiteres vorliegen wird.

Schlimmstenfalls hat man eine Situation, in der Laute und Grammatik der „eigentlichen“ Muttersprache in die neue Sprache übertragen werden. Dann sprechen die Kinder nichts richtig, nicht die Muttersprache, da diese langsam „verschüttet“ wird (wenn auch nicht völlig verlernt) und auch nicht die neue Zweit/Fremdsprache.

  1. Eine innere „Prädisposition“ die neue Sprache als
    Erstsprache akzeptieren zu wollen (z.B. wegen der Assoziation
    der ursprünglichen Sprache mit unangenehmen Erinnerungen)

Das sehe ich auch nicht so.

Bei Zweisprachigkeit gibt es keine
„erste“ und keine „zweite“ Sprache.

Dein Beispiel, auf welches ich mich bezog, war eben gerade keines für echte Zweisprachigkeit, sondern eher für das frühe Erlernen einer Fremdsprache.

Und das ist/soll so sein, bei echten Muttersprachler, bis das Kind
im KiGa kommt, aber sicherlich nicht früher.

Klar, hat aber mit Deinem Beispiel nichts mehr zu tun.

und nicht wie von Dir dargestellt sehr häufig.

Ich habe nirgends gesagt oder angedeutet, dass so etwas häufig
vorkäme.

Zitat:
Und das ist keine Ausnahme. Ich kenne viele solche Konstellationen mit anderen Sprachen.

Also für mich liest sich das so, als wolltest Du das genannte Einzelbeispiel verallgemeinern.

Daher ist ein
vollkommenes Verlernen der Muttersprache eher die Ausnahme.

Je nach Verhalten der Erziehungsberechtigten.

Nein, eine echt erlernte Muttersprache ist nicht mehr zu „verlernen“, möglicherweise „verschütten“, so dass man erst wieder Zugang zu den Gehirnregionen erlangen kann (ähnlich wie wenn man nach langer Zeit wieder Fahrrad fährt), aber eben nicht verlernen. Das ist ja gerade der Unterschied zu einer Fremdsprache.

Viele Grüße,
Sax