Grundeinkommen
Hallo Fritze,
Schade, dass man das Thema hier nur so verkürzt diskutieren kann, es ist in der Tat ein Zukunftsthema.
In der bestehenden Wirtschaftsordnung kann es gar nicht
genügend Güter+Dienstleistungen geben, und damit auch keine
dauerhafte Obergrenze für ein Arbeitsquantum;
Doch doch. Wir sind derzeit in der Lage, eine Überproduktion
von so ziemlich allen Gebrauchsgütern zu erreichen.
Klar, das ist mir bekannt.
Um das ging es mir aber nicht;
die Zielgröße in unserer Wirtschaftsordnung ist eben gerade nicht das Gesamtoutput, auf dessen Ebene sicherlich unsinnige Überproduktion vorkommt, sondern es ist das Output an Unternehmerprofit;
und dieser ist ohne bestehende Nachfrage nicht realisierbar;
die von Dir an dieser Stelle angeführten Landwirte haben also allesamt von ihren Gütern profitiert, völlig unabhängig davon, ob diese nun in Mönchengladbach, in Äthopien oder im Atlantik von Fischen konsumiert wurden.
Ich meinte den obigen Satz exemplarisch so:
flächendecke Versorgung von Telefonen -> flächendeckende Versorgung von Handys -> Fotohandys -> web’n’walks -> ad infinitum …
ohne jede anthropologische oder politische Begrenzung …
das ist eine ganz andere Ebene als die der „Überproduktion“, und hat auch mit „technischem Fortschritt“ wenig zu tun, sondern eben mit dem Drang, bei Strafe des Nicht-Profits ständig neue „Nachfragen“ erzeugen zu müssen; und genau darum ist das Arbeitsquantum in einer profitlogischen Ökonomie unbegrenzt.
in welchem Bereich auch immer man eine Nachfrage hervorkitzeln
kann um Profit zu erzielen wird Arbeitskraft eingesetzt, und
zwar so viel wie möglich für den maximalen Profit;
Dem kann ich zustimmen. Die Nachfrage wird aber derzeit bei
fast allem eher künstlich „hervorgekitzelt“ und geht nicht
selten für eine Branche als Nullsummenspiel aus. D.h. was der
Hersteller A mehr liefert, dass verzeichnen Hersteller B und C
als Absatzrückgang.
Auch hier denkst Du das Problem m.E. zu kurzgegriffen: Natürlich konkurrieren A, B und C um die bestehende Nachfrage, aber A,B,C gemeinsam schaffen mit ihrem Wirtschaften ein Nachfragepotential im oben gemeinten Sinne.
Am offensichtlichsten erkennbar ist dies bei technischen Standards wie etwa den ganzen Kompabilitäten im PC-Bereich, aber auch Umweltstandards und vor allem soziale Standards leisten dasselbe, nämlich unaufhörliche Nachfrage-Schaffung.
Grundeinkommen zählen (Bürgergeld, neg.
Einkommenssteuer, und was für Modelle auch immer es gibt), die
hoch genug sind, menschliche Arbeitskraft zu
„vernichten“, dekommodifizieren, vom Arbeitsmarkt zu nehmen.
Das Problem ist, dass in weiter entwickelten,
post-industriellen, Gesellschaften, in der Tat der
Lebensstandard ein recht hoher ist. Das geht unvermeidlich
einher mit hohen Lohnkosten. Das wiederum führt zu
Automatisierungs- oder Auslagerungsdruck.
Ich finde, dass das kein Problem, sondern eine große Chance
für die Gesellschaft bedeutet. Wenn sie nämlich erkennt, dass
die Formel „Wer essen will, muss erstmal arbeiten“ nicht mehr
zutrifft.
Ja, das sehe ich ganz genauso, aber die Intention meines Postings war ja nicht zu sagen, ob ich persönlich diese Idee der Abkopplung des „Essens“ vom „Arbeiten“ gut oder schlecht finde (ich finde sie sehr gut!), sondern zu sagen, dass diese „Chance“ nicht genutzt werden wird/kann, weil eben durch die Unbegrenztheit der Nachfrageerzeugung und damit des Arbeitsquantums die vorhandenen Automatisierungsgewinne in Bezug auf das Arbeitsquantum bzw. auf die Arbeitszeit schlicht verpuffen müssen …
Der Profitlogik aber in einem „nationalen Alleingang“ eine entsprechende Begrenzung politisch aufzudrücken, ist schlicht unmöglich, weil das Kapital dann einfach anderswo investiert wird …
Zur Klarstellung: Grundeinkommens-Modelle mögen durchaus partiell und temporär implementiert werden, v.a. dort, wo sie bestehende Sozialversicherungs- und Versorgungsleistungen substituieren können, aber ich sehe keine Chance für dauerhafte und umfassende (also mit einer Höhe, die Dekommodifizierung gewährleistet) Implementierung, und nur das kann m.E. ihr Sinn sein
Ein unbedingtes
Grundeinkommen als Ersatz für alle Sozialleistungen und auch
den entsprechenden Kosten auf Seiten der Unternehmen sollte
eher zu einem wirtschaftlichen Aufschwung führen und zu mehr
Freiheit auf allen Seiten, als zu panischem Abwandern der
Firmen.
Ok, als Substitut für Sozialleistungen ist das Grundeinkommen durchaus verträglich mit der Profitlogik; so macht es aber meines Erachtens ziemlich wenig Sinn, weil die Ausweitung des Sozialleistungs-Bugets (ohne Vergrößerung des Budgets selbst) auf einen größeren Personenkreis für diejenigen, die heute Versorgungsleistung benötigen nur mit geringerer Leistung einhergehen kann, was nicht Sinn der Sache sein kann.
Klar, der Psychodruck auf Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger würde geringer werden, was nicht nichts ist, aber auch nicht unglaublich viel …
Die Gehälter würden sicher nicht um den gesamten Betrag des
Grundeinkommens sinken, weil man die Menschen mit attraktiven
Angeboten und Arbeitsplätzen „locken“ müsste.
Nein, wenn die Höhe des Grundeinkommens danach bemessen ist, dass es die bestehenden Sozialleistungen substituiert, dann ist es „niedrig genug“, dass im Grunde der Verzicht auf Verkauf seiner Arbeitskraft kaum möglich ist, so dass weiterhin „Zwang“, nicht „Verlockung“ herrscht.
Die Höhe des Grundeinkommens müsste für das Ziel der „Verlockung“, das ich Dekommodifizierung nenne, deutlich höher sein, was aber eben nicht funktionieren würde, weil dann logischerweise das Kapital anderen Ortes eingesetzt werden würde.
Aber man könnte
auf jeglichen Kündigungsschutz und alle Sozialabgaben
verzichten.
Klar
Wenn man dann noch das Steuersystem modifiziert,
weg von Produktions- und hin zu Verbrauchssteuern, dann
verstehe ich nicht, warum Unternehmer nicht genau das
lautstark einfordern.
das machen sie doch!
Götz Werners Vorstoss ist da nur der bekannteste, und auch die FDP (warum wohl die gerade?) quasselt hin und wieder von negativer Einkommenssteuer.
„In Deutschland verfolgt die FDP ein Modell einer negativen Einkommensteuer. Bürger mit höherem Einkommen zahlen demnach Steuern; wer wenig oder nichts verdient, bekommt das so genannte Bürgergeld als „negative Einkommensteuer“ ausbezahlt“
http://de.wikipedia.org/wiki/Negative_Einkommenssteuer
All diese Modelle sind in wahnsinnig „sozial“ klingende Rhetorik gemantelt, die aber die wenigsten von ihnen einlösen können.
Eines der ganz wenigen Modelle, die m.E. grundsätzlich 1) implementierbar, und 2) nicht allzu plump neoliberalistisch sind (wie das Modell von Werner oder die neg. Einkommensteuer etwa), ist das „Bürgerarbeits-Modell“ von U. Beck, wie es z.B. hier anschaulich zusammengefasst ist:
http://www.awb.tu-berlin.de/lv/neue-AF/Zukunftsvisio…
Der einzige Unterschied bestünde darin, dass einige Arbeiten,
die bisher – aufgrund des „wer nicht arbeitet, soll auch
nicht essen“ Zwangs – dem Niedriglohnsektor zugerechnet
werden, teurer würden. Müllabfuhr ist ein schönes Beispiel.
Das hätte vermutlich mehrere Konsequenzen. Erstens würde der
Preis für diese Dienstleistung stark ansteigen. Dadurch wäre
Müllvermeidung plötzlich eine sehr attraktive und
erstrebenswerte Sache. Arbeitsplätze für kreative Menschen
würden geschaffen, die sich intensiv mit dem Thema
„Müllvermeidung“ auseinandersetzen. Gleichzeitig wird es
vermutlich ebenso viele Arbeitsplätze geben, die sich damit
beschäftigen, wie man diese „Drecksarbeit“ vernünftig
automatisieren kann. Das wäre doch eine tolle Sache!
Ja, das wäre eine tolle Sache!
Aber dafür bedarf es einer grundlegenden Dekommodifizierung, sprich, dass man es sich leisten kann, ein einigermaßen gutes Leben auch ohne Zu-Markte-Tragung seiner Arbeitskraft, führen zu können.
Das kann keines der vorgeschlagenen Bürgergeld-Modelle leisten, schon gar nicht ein solches, das das Grundeinkommen als Substitut der Sozialleistungen sieht.
Ein wirklicher Bruch mit dem Paulus-Prinzip, also „essen-arbeiten“, ist in einer Volkswirtschaft, die in einer Weltwirtschaft gegen andere konkurrieren muss, vollkommen unmöglich, und kann nur auf weltwirtschaftlicher/-politischer Ebene erfolgen …
(und soll meinem Wunsch nach auch erfolgen!)
Abschließend nach dem leider viel zu langen Sermon: 
Von „Bürgergeld“ oder „Grundeinkommen“ zu sprechen, hat m.E. auf einer so abstrakten Ebene keinen Sinn, denn der einzige „soziale“ gemeinsame Nenner all dieser zig Modelle ist möglicherweise die teilweise Entstigmatisierung der Leistungsempfänger, ansonsten sind die Modelle alle abhängig davon, wie hoch die Grundeinkommen sind, und wie sie finanziert werden, so dass man im Grunde nur jedes Modell für sich diskutieren kann.
Viele Grüße
Franz