Hallo Marius,
das ist natürlich sehr knapp. Selbst ich hätte Mühe, es bis Montag fertig zu haben.
Wenn Du es aber beruflich machst, wieviel zahlst Du denn - vielleicht lasse ich mich dann dazu hinreißen.
Prinzipieller Tipp: Das magische Wort heißt „Buchstabenvergleich“. Denn ich glaube es Dir einfach nicht, dass Du NICHTS lesen kannst. Vielleicht nicht viel, am Anfang, ja, aber nicht „NICHTS“. Und dann geht man halt so vor:
Wenn das Wort „Johann“ heißt (ich erfinde was), und das ist der gleiche Haken wie in dem derzeit noch unleserlichen Wort, dann muss dieses Wort auch mit einem „J“ beginnen.
Weiterer Tipp: Unleserliche Wörter beginnt man am besten VON HINTEN zu entziffern: Also: Letzter Buchstabe ist …, Vorletzter Buchstabe ist …, Drittletzter Buchstabe ist … etc. Meist bleiben ein oder zwei Haken übrig, die man tatsächlich nicht lesen kann, aber die kann man dann sehr oft aufgrund der übrigen Buchstaben erraten.
Ach ja: „erraten“: Es ist lesen angesagt, nicht raten! wenn Du einen Verdacht hast, was es heißen könnte, musst Du genauestens überprüfen, ob das mit den Haken auch überein geht: Insbesondere: Ober- und Unterlängen, U-Haken, K-Haken, C-Haken, Verdoppelungs- und Abkürzungsstriche. Wenn Du z.B. „erlaubt“ vermutest, in dem Wort aber eine Unterlänge an vorletzter Stelle ist, dann kann „erlaubt“ nicht stimmen, vielleicht heißt es ja „erlegt“.
Ach ja, Stichwort „erlegt“: bitte bedenke, dass sich die Sprache wandelt und immer schon gewandelt hat. Begriffe, die damals völlig üblich waren (z.B. „erlegt“) sind heute praktisch ungebräuchlich oder nur in einem völlig anderen Zusammenhang heute in Gebrauch (Wild erlegt man heute, früher hat man Geld beim Gericht erlegt = hinterlegt, eingezahlt). Somit solltest Du auch mit (runden Klammern), d.h. mit Erklärungen nicht sparsam sein. Aber nicht nur Wörter waren anders, auch die Satzstellung und die übrige Grammatik. So war „Heimat“ damals beispielsweise sächlich.
Ach ja: Die s-Problematik! Damals hat es drei verschiedene S-Zeichen, genau genommen sogar vier) gegeben. Das Ringelschwanz-s (oder auch „rundes s“ genannt; gibt es heute nicht mehr), das ß (gibt es heute in der Schweiz nicht mehr, nur noch in Dtl. und Österreich), das sogenannte „lange S“ mit Ober- und Unterlänge, wobei je nach Schreiber und Wort schon mal die Oberlänge oder auch die Unterlänge fehlen kann; dadurch kann dieses „lange S“ sehr variantenreich aussehen) und schließlich das sogenannte „lateinische S“ (identisch mit dem Computer-s-Zeichen). Das Dokument hier ist von 1872 und somit noch vor Einführung des Dudens (die war m.W. 1894) und somit auch noch vor der Eiführung der damals verbindlichen Regeln, wann ein Ringel-s, wann ein ß und wann ein langes-s zu schreiben war. Somit muss man mit einer mehr oder minder starken Uneinheitlichkeit im Gebrauch der drei - bzw. vier - S-Zeichen ausgehen. Ich persönlich, für mich, aber nicht für alle verpflichtend!, habe FÜR MICH festgelegt, dass ich jedes „lange S“ als „ß“ transkribiere, da es das lange s heute nicht mehr gibt und obendrein sehr oft es nicht eindeutig ist, ob der Schreiber nun ein langes s oder nicht doch ein ß (was ja ebenfalls eine Ober- und Unterlänge hat) gemeint hat. Aber das kann jeder für sich selbst festlegen und handhaben, wie er will.
Soweit für den Moment,
Icdh helfe Dir jetzt mal mit den ersten drei Zeilen ein wenig auf den Weg:
Protocoll
über die am 21/4 1872 abgehaltene Kommuni=
tätsßitzung (das erste s ist ein Ringel-s)
Anweßend
Von Seite des Magißtrates: Bürgermeißter Dr.=
Johann Kaiser (hier ist - wie häufig Orts- und Personennamen - der Name in lateinischer Schrift geschrieben, während das andere deutsche Kurrentschrift ist; somit ist auch das S von Kaiser ein lateinisches S), Polizeihauptmann Michael Dällner,
so, das soll genügen. Jetzt hast Du schon mal etliche Vergleichsmöglichkeiten für die folgenden Zeilen.
Viele Grüße
Alexander