Hi Matthias,
tja, ziemlich doof gelaufen die Diskussion hier …?
Vielleicht kann man ja mal überlegen, weshalb trotz eindeutiger und völlig unideologischer Faktenlage, z.B. hier:
http://www.vistaverde.de/news/Politik/0412/10_kinder…
http://www.unicef.de/kinderarmut.html
gebildete und normal denkenden Menschen diese Tatsachen einfach ignorieren und trotzig das Gegenteil behaupten.
Warum macht der Kapitalismus die Menschen wie Du und Ich arm
der Kapitalismus macht aber auch einige Menschen ziemlich reich; und zumindest in einem deutschen Internetforum dürften sich nur Leute tummeln, die entweder von der globalen Reichtumsverteilung profitieren, also reich sind, oder glauben, einmal reich werden zu können, oder glauben, sie hätten ja reich sein können, wenn sie sich mehr angestrengt hätten, …
Da bleibt für die Frage, ob und wie ein Wirtschaftssystem nicht nur Reichtum hervorbringt, sondern auch systematisch (also nicht bloß als „Nebenprodukt“, das halt in Kauf genommen werden müsste) Armut produziert, kein Platz.
„Was? Du bist arm, ich bin reich! Haha, Diskussion erledigt, lass uns schwafeln“
Dieser Kapitalismus fordert für die Gier einiger weniger, dass
zwangsweise immer mehr Menschen von dem Zug runterfallen (aus
dem Arbeitsprozess für immer ausgeschlossen sind) und auf der
Strecke bleiben. Niemannd hilft ihnen mehr. Sie kriegen statt
dessen noch einen Tritt in den Hintern und werden mit Hartz IV
abgespeist.
Solche Formulierungen tragen aber ebenfalls zur Ablehnung Deines Anliegens bei;
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der Kapitalismus ist nur verschwörungstheoretisch als Projekt „einiger weniger“ zu erfassen.
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Gewinnmaximierung, Reichtumsanhäufung, etc. sind rationale Handlunsweisen; jeder, der anders handeln will, zahlt einen hohen persönlichen Preis dafür; von einer scheinbar erhabenen moralischen Warte aus mit der „Gier“ daherzukommen, heißt nichts anderes als „Halts Maul, ich hab Recht, und Du bist ein Schwein“ zu sagen, und dabei zu glauben, die Schweine würden antworten: „Ja, Herr, Du hast Recht!“
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auch Hartz IV als „Abspeisung“ zu bezeichnen, ist ein Ding, mit dem Du zurecht sofort auf taube Ohren stößt; der Wohlfahrststaat ist aus vielen Punkten sehr zu kritisieren, aber er ermöglicht noch immer ein menschenwürdiges Überleben
Die politiker wissen doch, dass dieses System so nicht auf
Dauer harmonisch und ohne Gewalt funktionieren kann.
Ja, das wissen sie; beieindruckend fand ich erst kürzlich Köhlers Grundsatzrede zur global goverance, in dem er aufruft, „der Welt Ordnung zu geben“ und eine „gemeinsame Wertbasis“ zu födern, um „Armut als die größte Bedrohung für den Frieden“ zu bekämpfen.
militärisch-administrative Durchsetzung auf globaler Ebene und ideologisch-kulturpolitische Durchdringung der Welt sollen die Folgen der Armutsproduktion bekämpfen …
Ich bin der Meinung, dass wir in keiner funktionierenden und
glücklichen Gesellschaft mehr leben. Ich sehe sehr wenig
lachende, fröhliche Menschen auf der Straße oder im Park
spazieren gehn.
Jeder weiß er ist vom Arbeitgeber erpressbar, mit der
Alternative HartzVI und ich sage in einigen Monaten dann Hartz
V, nach der Verschärfung.
Deine Einschätzung teile ich, unser Zusammenleben wird aggressiver werden; die sichtbaren Ausländer bei uns spüren es ja schon am Leib …
Das ist doch pervers: Wir können immer mehr Reichtum mit
weniger Arbeitseinsatz schaffen und das Bruttosozialprodukt
ist auch riesig und die Menschen haben trotzdem immer weniger
zum Leben. Das ist nicht richtig.
Das ist wieder so ein Satz, der schlicht falsch ist, und Dir die Diskussion verbaut; es haben keineswegs „die Menschen [in Deutschland] immer weniger zum Leben“, im Gegenteil haben mindestens drei Viertel davon soviel zum Leben wie nie zuvor; die Probleme liegen anderswo:
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es wird für immer mehr Menschen (bis weit in die Mittelschicht hinein) immer unsicherer, dass sie morgen noch genauso viel zum Leben haben werden wie heute
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der „Fall nach unten“ wird immer wahrscheinlicher, immer beschleunigter, und vor allem immer tiefer
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die Reichtumsverteilung wird immer polarisierter, wodurch die Rangordnung unter den Menschen immer sichtbarer wird, damit die Demütigung der Rangniederen zunehmend stärker; aber für die Bekämpfung der Folgen gibts ja bald Schuluniformen …
diese drei Probleme sind nicht zu leugnen, und sind vor allem viel gewichtigere Probleme als „was zum Leben haben“, weil so die Problematik nicht mit einem simplen Argument wie „die HartzIVler leben heute in größerem Wohlstand als die Arbeiter vor 30 Jahren, etc.“ ad acta gelegt werden kann, wie dies in diesem Brett so gerne getan wird.
Warum überwacht der Staat uns immer mehr?
wenn die genannten Probleme nicht verhindert werden können, dann müssen die Folgen davon bekämpft werden, ob national oder (siehe oben) international.
Das kapitalistische Wirtschaftssystem braucht den Staat so dringend wie sein tägliches Brot, Du weißt schon, die Folgen …
Viele Grüße
franz