Hi,
jetzt sollten wir aber trennen, in wie weit die Weltweite
Verteilung der Armut noch ein innenpolitisches Problem ist.
Die Ausgangsfrage dieses Threads passt ja schon nicht in das Brett „Innenpolitik“, und ich werde nicht meine theoretische Position der Bretterstruktur dieses Forums anpassen …
Das „Verteillungsproblem“ der welt ist anders gelagert.
Deine Argumentation geht im Prinzip vom „Dependenzmodell“ aus
Ja; spezifischer von der Weltsystem-Theorie (die logische Betonung liegt auf „Welt“, nicht auf „System“)
Deine Argumentation geht vom „Modernisierungs-Paradigma“ aus, dem Modell, an dem sich die DT ex negativo herausgebildet hat.
Kurzfassung: Unser Reichtum beruht auf der Armut der 3. Welt.
als sehr vereinfachte Kurzfassung zutreffend, aber leicht irreführend (dazu weiter unten!)
Dieses Modell ist sehr angreifbar.
ja … (es gibt aber inzwischen einige interessante Modifikationen des sicherlich recht schwachen Grundmodells)
Zum einen ist unser Handelsvolumen mit den allerärmsten
Ländern minimal.
wer ist „unser“?
Mich (als Dependenztheoretiker) interessiert in keinster Weise das Handelsvolumen einzelner VoWis, sondern die Handelsströme zwischen Zentrum und Peripherie, und die sind alles andere als minimal …
Zum anderen ist die Gesamtwirtschaftliche Bilanz mit diesen
Staaten negativ. Nimmt man handelsumsätze, Entwicklungshilfe
und sonstige Zahlungen mal zusammen, dann ergibt sich, dass
diese Staaten netto MEHR aus den Industrienationen bekommen,
als sie liefern.
der Grund, warum es den Leuten in den allerärmsten Ländern so
dreckig geht, ist meist intern verschuldet. Aufgenommene
Kredite und Mittel versickerten zum einen in dubiosen Kanälen
der lokalen Kleptokraten, zum anderen wurden sie für
kurzfristigen Konsum und für Rüstung ausgegeben. All das
bringt der lokalen Wirtschaft gar nichts, und ist eigentlich
kein „kapitalistisches“ Wirtschaften.
(dass die Weltbank und der IWF ebenfalls einiges verbockt
haben, indem sie zunächst unmäßig Kohle vergeben haben, und
dann viel zu spät die Notbremse gezogen haben, lassen wir mal
beiseite)
ok, das sind gute, und richtige Argumente, und wären eine sinnvolle Diskussionsbasis (genau das habe ich ja von Jürgen und auch von Christian eingefordert, keine plumpen Suggestivfragen)
wenn Du aber gegen die Dependenztheorie (Weltsystemtheorie) argumentierst, dann sind die herkömmlichen auf VoWi-Basis erstellten Zahlungsbilanzen, etc. problematisch, weil die DT eben Zentrum/Peripherie (nach der Kapitalkonzentration) unterteilt, und nicht einfach reiche Länder/arme Länder; die lokalen Eliten in den armen Ländern werden zum „Zentrum“ gezählt.
Von daher dürfte es dann klar sein, dass die Bilanz der Zahlungen eben sehr wohl klar negativ ist aus der Sicht der Peripherie, wenn man allein schon die Verpflichtungen für die aufgenommenen Kredite und die gigantischen Rüstungskosten betrachtet, die Du ja selbst erwähnst.
Richtig, man müsste sich auch einigen, was denn überhaupt „kapitalistisches Handeln“ ist;
für die Dependenztheorie allgemein, noch mehr für die Weltsystemtheorie im speziellen ist jedes Handeln in einem kapitalistischen Weltsystem per definitionem kapitalistisch, also auch z.B. „politisches“ oder „kulturpolitisches“ Handeln.
Inwieweit das sinnvoll ist, wäre auf anderer Ebene zu verhandeln (darum ja auch mein Hinweis an Jürgen, dass hier der Begriff „Kapitalismus“ zum Teil recht unterschiedlich gebraucht wird, und zwar nicht nur von mir)
- Die von Dir genannte Situation IST die aktuelle
Lebenssituation mindestens von einem Drittel der Menschheit.
Richtig, das hängt aber nicht zwingend mit dem
Wirtschaftssystem der industrienationen zusammen
Habe ich so gewiss nicht behauptet, und eben gerade breit dargelegt wie es gemeint ist;
es geht um Handelsströme auf Weltmarktniveau;
es ist vollkommen klar, dass die Industrienationen mit ihrem Reichtum in keinster Weise für die Armut eines völlig autarken Afrikas verantwortlich wären, aber 1) Afrika ist alles andere als autark, und vor allem 2) die reichen Industrienationen geben unbestreitbar den Ton an was die geopolitischen Entscheidungen im kapitalistischen Weltsystem betreffen, z.B. (um mit der Migrationsfrage nur einen einzigen Punkt unter tausenden zu nennen) zwingen sie die Afrikaner dazu Afrikaner und damit arm zu bleiben …
Klar, hier kämen wir wieder zu der Grundsatzfrage, ob etwa die Europa-ist-Festung-Politik dem „Kapitalismus“ anzulasten wäre, oder ob das damit nichts zu tun hat (aus meiner Sicht hat es sehr viel damit zu tun, weil klare Zusammnhänge zwischen ökonomischer Entwicklung und migrationspolitischer Ausrichtung bestehen)
- Man muss erst mal klären, was man mit „Kapitalismus“ meint:
ein Wirtschaftssystem oder ein umfassendes
Gesellschaftssystem?
Jepp
Ich behaupte mal ganz kess, in den allerärmsten Ländern haben
wir kein kapitalistisches System, sondern einen verkappten
Feudalismus oder eine hochgradig ineffiziente Mischform
(Pseudokapitalismusformen wie Kleptokratien z.B.)
Die dependenztheoretische Haltung dazu ist klar: die Wirtschaftsform hängt von der Organisationsweise des Weltmarktes, der Welthandelsströme ab;
aus diesem Grund werden „feudalistische“ Elemente als Formen des Kapitalismus begriffen (es gibt für die DT keinen „kapitalistischen Kapitalismus“);
zur Verdeutlichung: der ehemalige Ostblock gilt der DT seinem ökonomischen Handeln nach als „neo-merkantilistisch“ (oder „staatskapitalistisch“, etc.), nicht als „sozialistisch“, weil er das angesichts des kapitalistischen Weltmarktes gar nicht sein konnte.
Klar, die Vor- und Nachteile, auch die ideologischen Implikationen, dieser Sichtweisen müssten ebenfalls auf anderer Ebene diskutiert werden …
Aber (um wieder auf die Weltwirtschaft zurückzukommen)
Länder, in denen das politische System nichts taugt, werden
immer arm bleiben.
Das habe ich unten unter dem Aspekt der „Kausalrichtung“ Christian vorgeworfen;
ich stelle dem entgegen:
Ein Land ohne ein bestimmtes Maß an ökonomischer Prosperität wird kein taugliches politisches System erhalten bzw. aufrechterhalten können.
(Unter diesen Satz subsumiere ich auch die faschistischen Erfahrungen der 20er bis 50er Jahre in Europa und den Amerikas.)
Viele Grüße
franz