Hallo Tom,
nun gut, dann versuche ich mal ganz kurz und prägnant meine
Sicht der Dinge zusammenzufassen. Eine Bestandsaufnahme (und
nur darüber will ich sprechen, nicht über die Gründe)deutscher
Lebenswirklichkeit führt unweigerlich zu einem Befund der in
den Medien immer mit einer Schere verglichen wird. Es gibt
immer mehr arme Menschen (und die werden immer ärmer) und es
gibt immer mehr reiche Menschen die immer reicher werden.
Soweit gehe ich mit.
Die
Mittelschicht ist längst gepackt von Zukunftsängsten und spart
ihr Geld lieber als es zu verkonsumieren.
Richtig.
Nein, nicht richtig in Bezug auf das Verhalten, aber es ist Fakt.
Was den armen Teil der Bevölkerung angeht, so kann ich mich da
im Prinzip nur Oswald Metgers Spruch anschliessen, für den er
so hart von seiner ehemaligen Partei kritisiert wurde. Ein
grosser Teil der Hartz IV Empfänger hockt sediert vor der
Glotze und stopft Billig-Aldi-Frass in sich rein. Das ist der
Grund warum es in Deutschland noch so ruhig bleibt, denn im
Prinzip steuern wir ja auf das zu was früher als eine
revolutionäre Situation bezeichnet wurde.
Na das hoffe ich.
Die Frage ist nur, ob das Volk schlau genug ist zu erkennen, gegen wen es diese Revolution zu richten hat…
Immer mehr Menschen
werden abgehängt, haben keine Chance im Leben und vegitieren
mehr schlecht als recht vor dich hin. Gut nur, dass das
Bildungsniveau dieser Schichten häufig ebenso niedrig ist wie
ihre finanziellen Möglichkeiten, denn sonst bekämen wir ein
ernstes Problem. Natürlich sind diese Leute aber auch nicht
ganz doof und so empfinden sie, die das Aufgehen der Schere
aus eigener Anschauung kennen, die Löhne der anderen Seite als
zutiefst ungerecht.
Das ist klar und in der menschlichen Gier zu suchen.
Ich sehe kein problem darin, wenn ein Hartz4 Empfänger mit seinem Einkommen unzufrieden ist. Das muss so sein, sonst wird er sich niemals wieder einen Job suchen.
Problematischer sind da die Fälle zu sehen, die trotz Fulltime-Job ihre Familie beim besten Willen nicht ernähren können.
Dass hier Frust und Ungerechtigkeitsgefühle aufkommen, verstehe ich vollkommen.
Und hier kommt eben der Punkt ins Spiel, den Du mit Deiner
rein zahlengestützten volkswirtschaftlichen Argumentation noch
nicht mal im Ansatz zu packen bekommst: Die Solidarität in der
Gesellschaft, das füreinander Einstehen, geht vor die Hunde -
jeder kämpft für sich, entweder um einen Job an der Kasse oder
um den dritten 7er in der Garage.
Tom, das Problem ist, dass seit den 68ern ein massiver Egoismus in die Gesellschaft eingekehrt ist. Jeder ist ja so frei und so gebildet und so alternativ. Dass dabei die schlimmste Generation an parisitären Spiessern seit der NS-Zeit herausgekommen ist, verstehen wir erst ganz langsam heute, fast 40 Jahre danach.
Eine signifikante Zahl Bürger sah und sieht noch heute zu, noch schnell einen Beamtenstatus zu ergattern, im Großkonzern möglichst wenig zu tun und dabei möglichst viel zu verdienen oder sich gleich als staatlicher Transfgerempfänger einzurichten.
Das ist es, was ich eigentlich asozial finde.
Nicht die Gesellschaft ist es, die sich nicht mehr um den einzelnen schert. Der einzelne schert sich vielmehr nicht mehr um die Gesellschaft.
Ich persönlich fühle mich verantwortlich. Deswegen ärgere ich mich (u.a. hier) so über die Forderungshaltung vieler Deutscher.
Ich denke verstanden zu haben, was hier passieren muss, um auch weiterhin ein vernünftiges gesellschaftliches Zusammenleben zu ermöglichen. Deshalb habe ich mein Unternehmen hier gegründet und nicht in Luxemburg. Deshalb bezahle ich schon seit Studientagen massiv Steuern hier.
Die einzige asoziale Handlung, die man mir in diesem Zusammenhang vorwerfen kann, ist meine Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung.
Wenn sich ein paar mehr Leute ebenfalls auf diese Weise verantwortlich fühlen und auch verantwortung übernehmen würden, hätten wir weitaus weniger Probleme.
Nun predigst Du mir hier etwas von einer „Schere“ und von „überhöhten Managergehältern“. Der normale Angestellte in Deutschland zahlt so gut wie keine Steuern mehr. Nimmt man alle Freibeträge, Kindergeld u.s.w. zusammen, bleibt da normalerweise nicht mehr viel.
Herr Mehdorn hingegen bezahlt vermutlich eine gute Million pro Jahr. Das ist doch schon mal was…
Und das dies so ist ist
evident schon aus Deinen eigenen Aussagen. Für Dich ist jeder
der Managergehälter anprangert eben ein Neider.
Ja, die meisten sind das in der Tat.
Und die
augenblickliche Situation zu kritisieren ist dann „eine
Neiddebatte führen“.
Ja, meistens läuft es darauf hinaus.
Du musst einsehen, dass für die jetzt streikenden ihr Anliegen
ein legitimes ist.
Weißt Du Tom, der große Vorteil meiner Lebenssituation ist es, dass ich so einiges eben absolut nicht „muss“. Dazu gehört v.a. die Akzeptanz der Meinung anderer zum wirtschaftlichen Geschehen in Deutschland.
Denn ich weiß leider, dass eine große Mehrheit im lande nicht ansatzweise versteht, Wirtschaft lokal und international funktioniert und was für Implikationen dies auf alle nationalen politischen bereiche hat, was dann ja leider auch zu den bekannten Wahlergebnissen führt.
Wenn Du mit der Arroganz der Firmenchefs
argumentierst und die Jungs einfach platt machen willst indem
Du sie so lange aussperrst bis die Streikkassen leer sind,
dann hast Du kurzfristig Kohle gespart, Deinem Unternehmen
aber einen Bärendienst erwiesen.
Nein, ich denke eher, dass man, optimalerweise im Verbund mit der Politik, nun das Land wettbewerbsfähig bekommen kann. Diese Diskussion kann man nun bestens führen. Vielleicht kapieren das dann ein paar Leute mehr.
Mangelnde Solidarität
zwischen upper und lower class, zwischen Arbeiter und Manager
führt zu einer Unternehmenskultur in der eben nur noch eine
einzige Seite profitieren kann - die Managerseite.
Es geht nicht um „Seiten“ und „Solidarität“ mit einer davon. Es geht darum, auf vernünftige Weise die Zukunft zu sichern. Und das funktioniert nicht so, wie ein paar Gewerkschafter mit streng nationalem Horizont und Dienst-Benz sich das vorstellen.
Und das führt entweder zur entmenschlichung der Arbeiter,
insofern, dass sie einfach das Maul halten sollen um zu
arbeiten und ersetzt werden wenn sie mal ein wenig Rückgrat
zeigen. Oder es führt dazu, dass man sich nicht mehr alles
bieten lassen will und dann zu Mitteln greift die eben nicht
mehr legal sind. Wir hatten sowas schon mal in D und die
Folgen haben die Bundesrepublik im Herbst 77 an den Rand eines
Staatsnotstandes gebracht.
Naja, hier hat die saturierte Mittelschicht ihre Kinder nicht im Griff gehabt.
Ich glaube kaum, dass die Arbeiterklasse sich von einem Dutschke oder einer Meinhoff vertreten gefühlt hatte.
Ich erlebe ja gere in einem der kapitalistischtsten Länder der
Welt - der Scheweiz - dass es eben auch anders geht. Die
Schere in den Untenehmen zwischen qualifizierten und
unqualifizierten Arbeiten ist deutlich geringer als in
Deutschland. In meiner Firma bekommt ein angelernter
Schichtarbeiter bereits 55.000 CHF im Jahr, ein promovierter
Akademiker nicht das Doppelte. Das führt unter anderem dazu,
dass in Umfragen mehr als 80& der Belegschaft „sehr gerne“
oder „gerne“ für das Unternehmen arbeiten und sich überaus
stark einsetzen. So kann man auch mal die Arbeitszeit um 2h
die Woche erhöhen ohne Angst vor Streik haben zu müssen.
Die Schweiz verdient den großteil ihres BSPs mit Bankgeschäften auf Kosten anderer Industrienationen.
Ich glaube kaum, dass dieses Modell auf Deutschland anwendbar wäre…
Die Streiks sind also allein deshalb legitim, weil der
Bahnvorstand sich das Gehalt erhöht hat.
In gewisser Weise schon. Man macht es einfach der
Unternehmensführung nach.
Das halte ich für, naja, nicht stichhaltig.
Mit dem gleichen Argument könntest Du
auch Kinderschänder verteidigen, denn die paar vergewlatigten
Kids sind auf die deutsche Bevölkerung gerechnet sicherlich
auch nicht signifikant.
Das verbitte ich mir. Spare Dir solchen Schwachsinn, sonst ist
die Diskussion umgehend beendet.
Von einem abstrahierten moralischen Standpunkt aus betrachtet
ist das aber kein Unterschied. Aber lassen wir das. Ausserdem
solltest Du Dir Deine Drohungen sparen, die sind nun wirklich
nicht angebracht und ich bin kein kleines Kind dem Du zu
zeigen hättest wo es lang geht.
Offenbar doch.
Ausserdem kommst Du schon wieder mit Deinem Argument,
dass der Zweck die Mittel heiligt. Das Zahlen von
Schmiergeldern ist auch in D ein Straftatbestand - und damit
fertig!
Es war jehrelang sogar steuerlich absetzbar.
Ferner unterstützt die Bundeskanzlerin selbst solche
Geschäfte. Klar, dass sie bei der Schmiergeldübergabe nicht
dabei istr, aber sie kann keinem weis machen, dass sie nicht
bescheid wüsste.
Das macht es doch aber nicht besser! Ich laufe hier echt gegen
'ne Wand! Du legitimierst Fehlverhalten mit dem Argument es
würde der Wirtschaft nutzen und jeder hat es eh gewusst.
Ich legitimiere das Fehlerverhalten der Chinesen mit Sicherheit nicht. Nur ist es eben so: wer in China Geschäfte machen möchte, zahlt. An den „Dolmetscher“, an den Parteibonzen, an den Zoll und an die Contractors.
Das ist die böse Wahrheit und Deutschland wird das nicht ändern.
Entweder, man gibt den deutschen Firmen die Möglichkeit, sich entsprechend zu verhalten, oder die Franzosen machen den Deal. S. übrigens die Kernkraftwerke und den Mega Airbusdeal. Das hätten die Deutschen alleine niemals hinbekommen. Die haben den Chinesen lieber eine Kopiervorlage für den transrapid geschickt.
Naja, ich habe es ja oben erwähnt: in DCeutschland hat eine absolute Mehrheit der Menschen nicht den Ansatz einer Ahnung, wie internationale Wirtschaft funktioniert. Daher haben wir diese schwachsinnigen Diskussionen über das, was andere haben, asntatt über das, was man selbst tun könnte.
Wenn
das Dein Standpunkt ist, dann sind wir so meilenweit entfernt,
dass sich alleine aus diesem Grund weitere Diskussionen
erübrigen.
Mag sein.
Die Kluft allein zwischen linksliberal und rechtliberal ist mittlerweile so gigantisch, dass man meint, über 2 verschiedene Länder zu sprechen.
Wenn die Zahl der Menschen an der Existenzgrenze von 4
Millionen auf 10 Millionen steigt, dann ist das eben nicht
mehr vernachlässigbar. Und denen ist es wurscht ob es 1000
oder 10000 Manager gibt.
…und was machen die dann?
Manager erschiessen?
Nein! Absetzen!
…und die Unternehmen verstaatlichen, die zu einigem Anteil anderen Unternehmen, teilweise auch im Ausland, gehören?
Wie stellst Du Dir das vor?
Das sozialistische Dunkeldeutschland gegen den rest der Welt.
Vorher hoffe ich auf einen Aufstand der Anständigen, nämlich des Bürgertums.
Lies mal Hans Olaf Henkel, „Mein Bekenntnis zum Bürgertum“.
Er toleriert auch nicht jede Schweinerei aus den oberen Etagen der Wirtschaft. Aber erfordert Anstand ein. Auch gegenüber der Gesellschaft.
M.E. ein Lehrbuch, eine Pflichtlektüre.
Grüße,
Mathias