FreiStaat Sachsen bei Pisa vorn?!

Hi,
wie kommt es, daß die Sachsen bei Pisa ganz vorn mitmischen?
Kann mir das mal jemand plausibel machen?
Christian

Hallo,

vielleicht machen sie dort einfach guten Unterricht
vielleicht trainieren sie ihre Schüler aber auch nur gut für PISA-Tests
vielleicht haben sie die zu testenden Schüler gut ausgewählt
vielleicht war es Zufall
bestimmt ist aber der Test sehr fragwürdig https://secure.wikimedia.org/wikipedia/de/wiki/PISA-…

Gruß
Werner

Hi,

ich schließe mich Werner Willmann an und möchte noch etwas hinzufügen - für mich sind einige seiner „vielleichts“ eher Sicherheiten.
Zum einen Sind in Sachsen noch viele DDR-Lehrer unterwegs, und die haben damals Didaktik gelernt auf einem Niveau, das so manchen Westlehrer hier mit den Ohren schlackern läßt (ich zitiere hier vor allem meine Kollegen in den Fächern Mathe, und Technologie, aber auch anderen Naturwissenschaften, an ein paar bayerischen Gymnasien und Fach- und Berufsoberschulen, die teilweise alte Lehrbücher aus DDR-Zeiten erstanden und im Studium und Unterricht verwenden).
Außerdem ist auch 20 Jahre nach dem Mauerfall die ERziehung und Mentalität noch anders (vorweg: ich spreche hier von Mehrheiten; es gibt überall solche und solche). Lehrer genießen wesentlich mehr Autorität, Schüler müssen erstmal bei sich selbst anfangen, wenn was nicht stimmt (aufpasse, Fragen stellen, Hausaufgaben machen), anstatt die Schuld bei anderen zu suchen (darf der Lehrer das, das ist doch zu schwer, das konte ja keiner wissen etc.). Daher sind die unverbrauchten Bundesländer wohl im Durchschnitt besser platziert als die benutzten Bundesländer. Unterschiede innerhalb der Bundesländer sind aber auch durch die wirtschaftliche Lage beeinflusst, und mit Dresden und Leipzig liegen zwei der wirtschaftlich erfolgreichsten Großstädte / Gebiete in Sachsen. Leipzig ist eine Universitätsstadt mit Tradition, und auch in Dresden sitzen außer Kunst auch Forschung und Wissenschaft. Fruchtbarer Boden also, mit vorbildwirkung :smile:

die Franzi,
Abi '91 in Meißen

Hallo,

Meine Aufzählung darf aber auch als Klimax verstanden werden. Der Entscheidende Faktor ist der Letzte. Die Interpretation eines schlechten Tests ergibt nur unzuverlässige Schlussfolgerungen. So sehr ich es den sächsichen und bayrischen Kindern gönnen würde, dass sie einen viel Besseren Unterricht erhielten als andere, so gehe ich davon aus, dass der Großteil der ausgewiesenen Vorteile Testartefakte sind.

Ich bin weit davon entfernt alles aus der DDR für schlecht zu halten, aber dein Erklärungsansatz aus der DDR heraus ist m. E. wenig tragfähig, zumal sich ja im letzten Pisatest eine überdurchschnittliche Verbesserung im Vergleich zum vorausgehenden in Sachsen zeigte. Wenn vorallem Restwirkungen aus DDR-Zeiten für gutes Abschneiden verantwortlich wären, dann müssten sich diese im Laufe der Zeit eher abschwächen, das Gegenteil ist aber anscheinend der Fall.

Nur Nebenbei halte ich die angebliche didaktische Überlegenheit von Ost-Lehrern für kaum haltbar. Auch ich besitze einige wirklich sehr gute Lehrwerke aus DDR-Zeiten, das ist aber kaum ein Indiz für die Qualität der einzelnen Lehrer. Aber das ist ein anderer Schauplatz.

Gruß
Werner

1 Like

Hi,

da hast du natürlich komplett recht.

die Franzi

Hallo!

Neben der Frage, was dieses Testergebnis tatsächlich wert ist und einigen Ansätzen weiter unten möchte ich folgende Sachverhalte in die Diskussion werfen:

  1. Zum Zeitpunkt der Tests befanden sich die Kinder des demographischen Einbruchs von 1990/1991 im Testalter. Diese legen gerade Abitur ab. Es handelt sich um sehr kleine Klassenstärken. Zwar habe ich erst neulich wieder gelesen, dass die Klassenstärke nicht über den Lernerfolg entscheidet, aber wenn ich an Lesekompetenz denke, ist es doch einfacher, Defizite bei 14 Schülern pro Klasse festzustellen als bei 32. Die Verkündung, die Klassenstärke hätte nichts mit dem Lernerfolg zu tun, halte ich für politisch. Sie ist nicht allein ausschlaggebend, kleine Klassen sind aber durchaus förderlich für die Feststellung von Defiziten oder Begabungen.
  2. In Sachsens Schulen ist - wie in allen östlichen Bundesländern außer Berlin - der Anteil an Migrantenkindern extrem gering, und wenn, dann handelt es sich zumeist um Kinder aus vietnamesischen Familien, die, so ist statistisch belegt, eine enorm hohe Bildungsmotivation aufweisen. Meine eigenen Erfahrungen zeigt zwar nicht, dass diese Kinder überdurchschnittlich gut sind, aber sie legen eben eher Abitur ab als einen Hauptschulabschluss oder überhaupt keinen Abschluss. Außerdem haben sie kaum Sprachprobleme. Die Voraussetzung für Schulerfolg ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Selbst das eine pakistanische Kind, das an meiner Schule ist, wurde durch Einzelförderung, die personell möglich ist, auf einen sehr guten Stand gebracht.
  3. Des Weiteren haben die Lehrer in Sachsen immer wieder Angst um ihren Job. Die extrinsische Motivation, „besser“ zu sein als der Kollege, ist durchaus nicht zu unterschätzen. Es findet geradezu ein Wettbewerb zwischen den Schulen um jeden einzelnen Schüler statt, damit die eigene Schule nicht auf die „rote Liste“ kommt und der eigene Job nicht gefährdet ist. Es werden ohne Ausgleichsleistungen unglaublich viele Nachmittagsveranstaltungen und Wettbewerbsorganisationen durchgeführt. Hinzu kommt, dass es zu viele Lehrer in Sachsen gibt*, so dass die Möglichkeit, Förderunterricht sowohl für schwache als auch für starke Schüler anzubieten, relativ problemlos funktioniert.

Ich finde, dass es das schlimmste der letzten Jahre ist, dass Sachsen den PISA-Test „gewonnen“ hat. Dies bestärkt die Politik darin, diesen Kurs weiter zu fahren. Ich prophezeihe aufgrund der aktuellen Situation (keine Neueinstellungen von Junglehrern, drohende Entlassungen von ca. 10% der Lehrer, Überalterung des Kollegiums mit abzusehendem Renteneintritt, keine finanziellen Anreize für Junglehrer, irgendwann „zurückzukommen“ usw.), dass in ca. 10 Jahren das Schulwesen in Sachsen ganz anders aussehen wird. Da die Austritte von älteren Kollegen nicht zu kompensieren sein werden, wird sicherlich die Pflichtstundenzahl erhöht, so dass an außerunterrichtliche Förderung überhaupt nicht mehr gedacht werden kann. Fachfremdes Unterrichten von Hauptfächern gehört heute schon teilweise zum Alltag, wird sich aber sicher noch verschärfen. Junge Lehrer, die nur irgendwie können, wandern in andere Bundesländer ab - zurückkommen werden die meisten sicherlich nicht.

In 10 bis 15 Jahren werden andere Bundesländer ganz oben stehen. Ich gönne es dem Freistaat.

Grüße!

* So die Verlautbarung anhand nackter Zahlen. Dass eine fachliche Vertretung vieler Fächer schon heute nicht mehr möglich ist, spielt da keine Rolle. Auch Lehrer, die an Evaluationskomittees teilnehmen oder in Behörden sitzen, werden als solche gezählt, obwohl sie für nicht eine Unterrichtsstunde zur Verfügung stehen

Hallo,

Sry, aber dein Beitrag wirkt irgendwie sehr „Ossifeindlich“

  1. Zum Zeitpunkt der Tests befanden sich die Kinder des
    demographischen Einbruchs von 1990/1991 im Testalter. Diese
    legen gerade Abitur ab. Es handelt sich um sehr kleine
    Klassenstärken.

In welcher Welt lebst du denn? Ich kann es aus meinem Dorfkaff bezeugen, der demografische Einbruch hat keinen Einfluss auf die Klassenstärken, das ist viel zu teuer. Die werden einfach weniger, wenn es nicht für die Nötigen reicht machen die Schulen dicht. So einfach ist das, da drückt man den Schülern ein Busticket in die Hand und das wars. Einzige Ausnahme sind Schulen in freier Trägerschaft - wovon sich einige gegründet haben - der Erfolg ist die andere Sache.

Zwar habe ich erst neulich wieder gelesen,
dass die Klassenstärke nicht über den Lernerfolg entscheidet,
aber wenn ich an Lesekompetenz denke, ist es doch einfacher,
Defizite bei 14 Schülern pro Klasse festzustellen als bei 32.
Die Verkündung, die Klassenstärke hätte nichts mit dem
Lernerfolg zu tun, halte ich für politisch. Sie ist nicht
allein ausschlaggebend, kleine Klassen sind aber durchaus
förderlich für die Feststellung von Defiziten oder Begabungen.

Wohl wahr.

  1. In Sachsens Schulen ist - wie in allen östlichen
    Bundesländern außer Berlin - der Anteil an Migrantenkindern
    extrem gering, und wenn, dann handelt es sich zumeist um
    Kinder aus vietnamesischen Familien, die, so ist statistisch
    belegt, eine enorm hohe Bildungsmotivation aufweisen.

Auch das kommt hin.

  1. Des Weiteren haben die Lehrer in Sachsen immer wieder Angst
    um ihren Job. Die extrinsische Motivation, „besser“ zu sein
    als der Kollege, ist durchaus nicht zu unterschätzen. Es
    findet geradezu ein Wettbewerb zwischen den Schulen um jeden
    einzelnen Schüler statt, damit die eigene Schule nicht auf die
    „rote Liste“ kommt und der eigene Job nicht gefährdet ist. Es
    werden ohne Ausgleichsleistungen unglaublich viele
    Nachmittagsveranstaltungen und Wettbewerbsorganisationen
    durchgeführt. Hinzu kommt, dass es zu viele Lehrer in Sachsen
    gibt*, so dass die Möglichkeit, Förderunterricht sowohl für
    schwache als auch für starke Schüler anzubieten, relativ
    problemlos funktioniert.

Das halte ich auch für etwas überspitzt. Ersteinmal ist die demografische Sohle nun durchschritten, bei den meisten Schulen wird die Schülerquote wieder besser, zum anderen ist die Schulschließung auch der einzige Grund für einen Lehrer „Angst“ zu haben - im Gegensatz zu anderen Berufen gibt es hier kaum Kündigungen da jede Schule froh ist, wenn sie mal einen kompetenten gefunden hat.

Ich finde, dass es das schlimmste der letzten Jahre ist, dass
Sachsen den PISA-Test „gewonnen“ hat. Dies bestärkt die
Politik darin, diesen Kurs weiter zu fahren.

Ich muss sagen, dass ich das auch nicht schlecht finde. Sachsens SCHUL-Bidlungspolitik gehört nicht zu den schlechtesten dieses Staates.

Ich prophezeihe
aufgrund der aktuellen Situation (keine Neueinstellungen von
Junglehrern, drohende Entlassungen von ca. 10% der Lehrer,
Überalterung des Kollegiums mit abzusehendem Renteneintritt,
keine finanziellen Anreize für Junglehrer, irgendwann
„zurückzukommen“ usw.), dass in ca. 10 Jahren das Schulwesen
in Sachsen ganz anders aussehen wird.

Das trifft nicht nur auf Sachsen zu. Zudem nehme ich an/hoffe ich, dass gerade auf Grund der nun wieder etwas steigenden Schülerzahlen sich dieser Trend nicht ewig fortsetzen wird.

Da die Austritte von
älteren Kollegen nicht zu kompensieren sein werden, wird
sicherlich die Pflichtstundenzahl erhöht, so dass an
außerunterrichtliche Förderung überhaupt nicht mehr gedacht
werden kann.

Meine Lehrer maulten immer wegen der Kurzarbeit rum …

Fachfremdes Unterrichten von Hauptfächern gehört
heute schon teilweise zum Alltag, wird sich aber sicher noch
verschärfen. Junge Lehrer, die nur irgendwie können, wandern
in andere Bundesländer ab - zurückkommen werden die meisten
sicherlich nicht.

Das liegt meist schlicht am Finanziellen, kann so nicht von der Hand gewiesen werden. Es gibt durchaus auch Beispiele von (auch jungen) Lehrern, die in den Freistaat kommen und sehr zufrieden sind. Meinen Erfahrungen nach geht es zur Zeit noch sehr gut auf und von den Neuanstellungen in meiner Schule war nur ein Lehrer ne richtige „Flasche“ - der war schon Älter und wurde rumgereicht - und der war nach einem halben Jahr wieder raus. Aber ich nehme mal an das passiert auch in westdeutschen Schulen.

Zudem kann ich meiner Landsfrau zustimmen, dass die Mentalität in Sachsen sich doch noch etwas von der Westdeutschen unterscheidet, was m. E. auch seinen Anteil bringt.

Jedoch finde auch ich den PISA-Test nicht wirklich aussagekräftig. Ich kann nur nicht nachvollziehen, warum das jetzt hier so ausgeschlachtet wird wie in aller Welt ein Ossiland voller Mutanten in diesem Test an allen Wessis vorbeizieht. Da kann ja was ne stimmen und wir reden es uns allgemein schlecht um uns besser zu fühlen - so kommt es mir hier irgendwie vor.

Sachsen hat es eher im Hochschulsegment schwer, denn irgendwie bleibt das Geld der „Exzellenzinitiative“ ja an den westlichen Unis hängen. Aber da aus Sachsen kein übermäßiger Strom an 14 jährigen Nobelpreisträgern kommt lohnt es sich ja nicht sarkastisch auszulassen.

Grüße

1 Like

Aw: Trauerfall Sachsen
Guten Abend.

wie kommt es, daß die Sachsen bei Pisa vorne mitmischen?

Warum zweifelst Du?
Die Sachsen sind doch das erfolgreichste Volk der Welt. :smile: :wink:

Ernsthaft:
Den Unterschied machen im wesentlichen 2 Dinge aus:

  • Die Lehrer

  • Der Widerhall alter DDR-Traditionen

Daß Sachsen schon dreimal in Folge den 1. Platz erreichte, gibt eher Grund zu pessimistischen Interpretationen.

Welche Bildungspolitik betreibt Sachsen denn?
Die gleiche konservative Bildungspolitik, die nach der Wende mit vielen Milliarden DM die Einheitsschule der DDR aufwendig beseitigte.

Der Spruch der baden-württembergischen CDU-Funktionäre damals:
„Die Investitionen für Bildung und Kultur müssen in allen Ebenen verringert werden.“

Mit anderen Worten: Bildung darf nichts kosten!

Und Sachsen führt diese rücksichtlose Politik unbeirrt fort - tragen wir Fakten zusammen.

  1. Tausende Leher wurden nach 1990 entlassen.

  2. Die Schuldichte wurde extrem verringert, das Schulnetz ist sehr dünn, insbesondere in den ländlichen Gebieten.

  3. Die durchschnittliche Zahl der Schüler pro Klasse liegt mit 22,6 sehr hoch, ~ 20% größer verglichen mit den Unterrichtsbedingungen zu DDR-Zeiten.

  4. Sachsens Lehrerschaft ist die schlechtestbezahlte in der Bundesrepublik, denn nach der Wende behielt Sachsen die DDR-Tradition bei, daß Lehrer keine Beamten sondern Staatsangestellte sein sollen.

  5. Die meisten Lehrer arbeiten in Teilzeit.

  6. Der vermeintliche Schwerpunkt auf den Naturwissenschaften ist meiner Meinung nach lächerlich. (siehe unten)

  7. Die Schulen zehren von der Substanz und leben ausschließlich vom Engagement der einzelnen Lehrer.

  8. Die Statistiken bezüglich Lehrerzahlen und Lehrerneueinstellung werden geschönt.

  9. Die berufsalltagsfremde westdeutsche Lehrerausbildung wurde übernommen.

Eine unserer Töchter ist Erzieherin in einem Schulhort.
Ihre Berichte sind weitaus weniger euphorisch wie die Kommentare des Kultusministeriums oder die der Presse. Meine Frau meint dazu bissig: „Wenn die sächsischen Kinder die besten sind, wie schlecht müssen erst die anderen sein?“.

Die Lehrerschaft in Sachsen weist ein durchschnittliches Alter von über 50 auf, d.h. viele absolvierten in der DDR ihr Studium. Diverse Untersuchungen zeigten wiederholt, daß die alten Lehrer immer wieder ihre DDR-Ausbildung anwenden. Bundesrepublikanisch geprägte Lehrpläne werden heimlich ignoriert, Unterricht wird mit den alten Lehrplänen, Handreichungen und Methodikhilfen vorbereitet, statt pseudomodernem Methodenwirrwarr wird handwerklich unterrichtet, Leistung wird eingefordert.

Dennoch klagen die Lehrer sehr viel über den Niveauverlust, über die Eltern und über die Kinder. Vielen macht der Beruf keinen Spaß mehr, denn in der BRD ist der Lehrer der Dorftrottel der Nation, der im Schulalltag ein stumpfes Schwert führt.

Verzogene Kinder mit schwachen geistigen Leistungen, ohne Ordnung, ohne Konzentrationsfähigkeit, geringe geistige Aufnahmefähigkeit, schlechte Sprachbeherrschung zum Schuleintritt, unbeherrschtes Betragen, Kraftausdrücke, kein Anstand, universelles Desinteresse gegenüber allem, keine Hilfsbereitschaft, gesellschaftlich unbeholfen.

Die Eltern erzieherisch inkompetent, antiautoritär, weichgespült, aggressiv-militant gegenüber Lehrern.

Diese Kulturimplosion seit 1990, dieser antiautoritäre Tsunami, der die heutige Elterngeneration überspülte, belastet die Lehrer sehr, denn in der DDR hatte der Lehrer „die führende Rolle im Bildungs- und Erziehungsprozeß“. Der Lehrer bestimmte, und nicht die Kinder.

Sachsen spart in seinem dreigliedriges Schulsystem mit aller Gewalt und die Lehrer müssen diese altbackene CDU-Politik ausgleichen. Schulen werden geschlossen, das Geld fließt lieber in die Gymnasien, Lehrer werden so gut wie keine eingestellt. Die Statistiken verschweigen, daß die geringe Schuldichte weite Schulwege erforderlich macht, die Busfahrkarten sind teuer, die Lehrmittel sind teuer, die Nachmittagsbetreuung ist kein Vergleich zu früher. Des weiteren gibt es Unterrichtsaufall, zunehmend fachfremde Vertretungen und Freistunden in den Stundenplänen, die den Schultag dehnen.

Kinder aus finanzschwachen Familien werden erheblich benachteiligt, insbesondere in den ländlichen Regionen.

Hinzukommt der unruhige Schulalltag, den uns unsere Tochter immer wieder beschreibt. Die langen Schulwege mit dem Bus ersticken eine ausgedehnte Nachmittagsbetreuung, weil die Busfahrzeiten beachtet werden müssen. Die Kinder werden unglaublich unbeholfen und unselbständig erzogen. Die Eltern kommen wegen sämtlichem Mist in die Schule gepoltert, die Kinder werden immer mit dem Auto geholt und sei es draußen strahlender Sonnenschein und 300 Meter Schulweg. Immerfort telephonieren die Eltern den Kindern hinterher.

Die Eltern kümmern sich um nichts und interessieren sich auch für nichts, die Eltern lesen das Hausaufgabenheft nicht ordentlich, die Eltern verwechseln Termine, die Eltern kontrollieren den Schulranzen nicht, die Eltern kennen den Zensurenstand ihres Kindes nicht, die Eltern lesen Schriftstücke der Schule nicht richtig und brüllen danach wutentbrannt die Lehrer und Erzieher voll, warum niemand etwas sagte.

Die Buszeiten vieler Kinder sind von Tag zu Tag unterschiedlich.
Unsere Tochter macht sich wöchentlich (!) eine große Liste für die Buskinder, und Montag früh liegen 20 Zettel auf dem Schreibtisch, welche Festlegungen sich bereits wieder geändert haben. Die Kinder begreifen es ohnehin nicht und erzählen viel Unfug, auf den sich niemand verlassen kann (oder belügen die Lehrer und Erzieher), die Alten haben keinen Überblick.

Und die Trennung nach der 4. Klasse läßt die Grundschule überhaupt nicht zur Ruhe kommen, weil die Kinder unbedingt aufgeteilt werden müssen.

Ein weiterer Punkt: Die Sachsen wollen mehrheitlich ein integriertes Schulsystem wie früher - die CDU beendete nach der Wahl 2009 die Gemeinschaftsschulversuche.

Nach der Meinung der Lehrer beweisen Sachsens Erfolge bei der nationalen PISA-Studie vielmehr, daß das gegliederte Schulsystem inakzeptable Schwächen zeigt - einerseits wird der Standard der Einheitsschule nicht erreicht, andererseits überholt die partiell integrative, kooperative Gesamtschule („Mittelschule“ in Sachsen, „Regelschule“ in Thüringen) die reinen dreigliedrigen Schulsysteme in Süddeutschland.

„Ein weiterer Aspekt, den die Studie besonders hervorhob, ist die naturwissenschaftliche Kompetenz der sächsischen Schüler. Die Stärke im MINT-Bereich konnte weiter ausgebaut werden. In Sachsen nehmen diese Stunden in allen Schularten rund ein Drittel der Stundentafel ein. Mathematik, Physik und Chemie sind bis zum Abitur verpflichtend.“

  • verkündet das sächsische Kultusministerium

Sprüche, als sei das Rad erfunden worden!

Zahlen enthüllen dagegen, wie in Ostdeutschland das Niveau in den Fächern Deutsche Sprache, Mathematik, Naturwissenschaften und Technik eingebrochen ist. Ein sächsisches Gymnasium könnte gegen eine polytechnische Oberschule nicht bestehen.

Die Stundenzahlen, die eine wichtige Randbedingung für Unterrichtserfolg darstellen, malen ein nüchternes Bild:

Σ Wochenstunden 5.-10. Klasse
math.-naturw.-techn. Fächergruppe


 Sachsen DDR DDR
 Gymnasium POS POS
 (MNT) 1959 1971

Mathematik 25 33 31

Physik 10 16 13

Chemie 7 12 10

Biologie 11 13 11

Geographie 10 11 11

Astronomie - 1 1

Technik 14 23 22


 77 109 99

Wo ist der MNT-Schwerpunkt?!

Diese Tabelle wirft vielmehr die Frage auf, auf welchem unterirdischen Niveau die Gymnasien der alten Bundesländer herumfuhrwerken, wenn Sachsen tatsächlich die größte mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Stundenverteilung in Deutschland festlegt.

Mit dem Lesen und der deutschen Sprache sieht es ähnlich aus.
Das Kultusministerium lobt sich selber, die Zahlen hingegen

Σ Wochenstunden 5.-10. Klasse
Deutsche Sprache und Literatur


 Sachsen DDR DDR
 Gymnasium POS POS
 1959 1971

 25 32 30

unterstützen den Eindruck vieler Erzieher und Lehrer, daß die Sprachleistungen der Schüler und die Geltung der deutschen Sprache seit 1990 erheblich leiden.

Bei Hinzunahme der Stundenzahlen für die unteren Klassen

Σ Wochenstunden Unterstufe
Deutsche Sprache und Literatur


 Sachsen DDR DDR
 Grundschule POS POS
 1959 1971

 37 51 51

ist die Lese- und Sprachkompetenz ernsthaft zu bezweifeln - vielleicht gut für ein gegliederten Schulsystem.

Die Leselernmethode ist auch ein Ding der Unmöglichkeit.

Die analytisch-synthetische Leselernmethode der DDR lehren und beherrschen vielleicht noch die alten Lehrer. Abseits dessen regiert das Chaos der Methodenvielfalt. Von Schule zu Schule unterscheidet sich die Leselernmethode. Seit 1990 wird sämtlicher Unfug mitgemacht: Ganzwortmethode, Lesen durch Schreiben und wie der Mist sonst noch heißt.
Dieses Chaos, das die ineffektiven Methoden verursachen, sieht man schnell bei einem Blick in die Hefte. Rechtschreibfehler in alle Himmelsrichtungen, die Phonetik der Sprache wird nicht beherrscht, ewig und drei Tage werden die gleichen Texte in der Fibel gelesen und die Kinder zeigen keine Gedächtnisleistung, ihr Vorlesen ähnelt dem eines Analphabeten, inhaltliches Verstehen allenfalls gering, die Schreibschrift geht auch zum Ende der 1. Klasse noch nicht richtig und das Sprachgefühl der Schüler der 4. Klasse liegt auf Hilfsschulniveau.

Zugleich erlitt ausgerechnet die Stundenzahl für die sprachlogischen Inhalte wie Lesen, Schreiben, Rechtschreibung und Grammatik, mündlicher und schriftlicher Ausdruck die größten Einbußen.

Und später wundern sich die Leute, warum unsere Kinder dumm wie Schifferscheiße sind und geistig verkrüppeln. Sprache ist das Alpha und das Omega - reichhaltiges Denken entsteht aus reichhaltiger Sprache.

Schlußendlich werden die Lehrer richtig liegen und Sachsens Bildungssystem bricht früher ode später ein. Denn eine solche Politik des finanziellen und geistigen Raubbaus, wie es normal für CDU-Regierungen ist, holt einen irgendwann ein.

Gute Nacht :smile:

Hi,
wenn ich deine Zahlen richtig verstehe hatten die Kinder in der DDR Schule ja sowohl mehr Unterrichtsstunden in MNT Faechern als auch mehr Unterrichtsstunden in Deutscher Sprache und Literatur.

Wird heute generell weniger unterrichtet oder wird dieser Unterschied vollstaendig durch gesellschaftswissenschaftliche Faecher und Fremdsprachen kompensiert?

Gruss
rantanplan

Guten Morgen!

Sry, aber dein Beitrag wirkt irgendwie sehr „Ossifeindlich“

Das interpretierst du falsch, denn 1. bin ich etwas, was du „ossi“ nennst und 2. lebe und arbeite ich in Sachsen - als Lehrer.

In welcher Welt lebst du denn?

In einer sächsischen, etwas ländlichen. Die derzeitigen Jahrgänge 9 (teilweise noch 8) bis 12 laufen in vielen Schulen in diesen Gebieten (nicht Großstädte) mit Ausnahmegenehmigung, um die Dreizügigkeit, die laut Schulgesetz gefordert wird, zu halten und Schulen nicht ohne weiteres schließen zu müssen. Deshalb entstanden Klassen mit manchmal nur 15 (ich habe sogar eine mit nur 14) bis 25 Schülern. Ich rede von weiterführenden Schulen, an denen die PISA-Tests für gewöhnlich stattfinden. Dass Grundschulen ohne mit der Wimper zu zucken geschlossen werden, ist traurig und wahr. Wie viele sollen es zum kommenden Schuljahr in Chemnitz werden?! 5? Gerade im gymnasialen Bereich hat sich die Schulstruktur weitestgehend eingepegelt, da wird nicht mehr viel geschlossen. Derzeit steigt die Schülerzahl wieder an, man läuft sogar teilweise wieder vierzügig. Aber auch hier gibt es Ausnahmegenehmigungen, nämlich dahingehend, dass der Klassenteiler ignoriert und eben mal 30 bis 32 Kinder in eine 5. Klasse kommen. Weißt du, mit welcher Begründung: „Wir haben euch damals genehmigt, dass ihr drei Klassen bilden dürft, obwohl zu wenige Schüler da waren. Dafür müssen die anderen jetzt eben mal die Zähne zusammen beißen und sind ein paar Mann mehr.“

Ich kann es aus meinem Dorfkaff
bezeugen, der demografische Einbruch hat keinen Einfluss auf
die Klassenstärken, das ist viel zu teuer.

In deinem Dorfkaff steht sicher kein Gymnasium und keine Mittelschule (die vielleicht), wenn, dann redest du von Grundschulen. Von denen rede ich nicht.

Das halte ich auch für etwas überspitzt. Ersteinmal ist die
demografische Sohle nun durchschritten, bei den meisten
Schulen wird die Schülerquote wieder besser, zum anderen ist
die Schulschließung auch der einzige Grund für einen Lehrer
„Angst“ zu haben - im Gegensatz zu anderen Berufen gibt es
hier kaum Kündigungen da jede Schule froh ist, wenn sie mal
einen kompetenten gefunden hat.

Das hälst du für überspitzt? Gehe mal derzeit in eine Lehrerzimmer einer Mittelschule oder eines Gymnasiums und sage laut „Also ich finde gut, was die Landesregierung plant.“ oder werfe nur mal das Wort „neuer BTV“ in den Raum. Auch Lehrer können ihre Contenance verlieren :wink:
Nein, im Ernst, du verkennst die Situation. Lies mal bitte in den Tageszeitungen den aktuellen Stand der Verhandlungen. Lies mal, welche Drohungen der Finanzminister ausspricht. Lies mal, mit welchen populistischen Forderungen begonnen wird, Stimmung gegen Lehrer zu machen (mal wieder). Trotz steigender Schülerzahlen und der Kenntnis darüber (es dauert aber nun einmal noch vier bis fünf Jahre, bis die sehr schwachen Jahrgänge durch sind) muss gespart werden. Man spricht davon 2.000 bis 4.500 Lehrerstellen einzusparen, ohne Altersteilzeit oder etwas ähnliches. Man spricht davon, die Pflichtstundenzahl ohne finanziellen Ausgleich bei einigen Mangelfächern zu erhöhen, während man „überschüssige“ Lehrkräfte freisetzen will. Man spricht von Kündigungen und Änderungskündigung. Ehrlich, lies mal die Zeitung. Und dann stell dir vor, wie sich das auf die Motivation der Lehrer auswirkt.
Und keine Schule entscheidet darüber, welcher Lehrer zu ihr kommt und welcher bleibt oder geht. Das derzeitige Gehabe der Landesregierung ist hässlich und, wie ich jetzt sehe, wird von der breiten Bevölkerung, zumindest denen aus Dorfkäffern :wink:, nicht registriert. Die armen Kollegen!

Ich muss sagen, dass ich das auch nicht schlecht finde.
Sachsens SCHUL-Bidlungspolitik gehört nicht zu den
schlechtesten dieses Staates.

Als Außenstehender mag das so aussehen. Die Bedingungen für die Lehrer werden derzeit aber nicht besser.

Meine Lehrer maulten immer wegen der Kurzarbeit rum …

Ja, weil Kurzarbeit finanzielle Auswirkungen hat. Manche Kollegen sind seit 18 Jahren auf Zwangskurzarbeit! Das verringert auch die Rentenansprüche enorm! Es gibt einen Tarifvertrag, der damals ohne Neuverhandlung im Anschluss geschlossen wurde. Jetzt, sechs Monate vor dem Auslaufen, stellt der Finanzminister fest, dass das nicht geht. Vielleicht brauchen manche Leute das Geld, haben damit gerechnet, oder sind einfach nur der Meinung, Lehrer zu sein sei ein Vollzeitjob. 50% wollen weiter freiwillig Teilzeit machen. 50% dementsprechend nicht. Denen wird jetzt mit Kündigung gedroht. Das nenne ich „gute Bildungspolitik“…

Das liegt meist schlicht am Finanziellen, kann so nicht von
der Hand gewiesen werden. Es gibt durchaus auch Beispiele von
(auch jungen) Lehrern, die in den Freistaat kommen und sehr
zufrieden sind. Meinen Erfahrungen nach geht es zur Zeit noch
sehr gut auf und von den Neuanstellungen in meiner Schule war
nur ein Lehrer ne richtige „Flasche“ - der war schon Älter und
wurde rumgereicht - und der war nach einem halben Jahr wieder
raus. Aber ich nehme mal an das passiert auch in westdeutschen
Schulen.

Ein alter Lehrer ist keine Neuanstellung, er ist eine Abordnung. Darauf hat er keinen Einfluss und die meisten Kollegen werden in ihrer Laufbahn irgendwann mal für ein paar Stunden, ein Schuljahr oder auch mehrere an eine oder verschiedene Schulen abgeordnet.
Neuanstellungen finden in so geringem Maße statt, dass man sie vernachlässigen kann. Derzeit werden (am Gymnasium) nur absolute Mangelfächer angestellt. Das ist logisch, denn es sind genügend Lehrer da und finanziell sieht es auch mau aus. Aber es ist kurzsichtig. Im Moment ist der Markt voll mit Lehrern, in Sachsen allein 600 Absolventen in den letzten zwei Jahren. Davon wurden 50 eingestellt. Jetzt gehen die geburtenschwachen ahrgänge an die Unis, es wird nicht so viel nachkommen. Sachsen ist nicht attraktiv, es gibt keinen Beamtenstatus, es gibt Zwangsteilzeit, mehr Pflichtstunden als in allen anderen Bundesländern usw. Wer nicht bleiben muss, bleibt nicht. Andere Bundesländer werben direkt aus den Seminaren der Referendare die Absolventen ab, sie zahlen Zulagen, wenn man zu ihnen kommt, sie verbeamten sofort usw. Sachsen wird da in einigen Jahren nicht mithalten können, denn 1. kommen sicherlich kaum Leute, die dann fünf oder zehn Jahre an einem andere Ort gearbeitet und gelebt haben, freudestrahlend zurück und verzichten auf 1.000 Euro im Monat ‚um der Heimatliebe willen‘ und 2. kann Sachsen diese Anreize eben nicht bieten. Was heute eingespart wird, muss dann doppelt und dreifach raus gehauen werden. Das hat ja sogar unsere Regierungspartei schon erkannt, gibt aber zu, keine Lösung zu kennen.

Zudem kann ich meiner Landsfrau zustimmen, dass die Mentalität
in Sachsen sich doch noch etwas von der Westdeutschen
unterscheidet, was m. E. auch seinen Anteil bringt.

Hast du schon mal in einem anderen Bundesland gelebt? Ich ja, und ich kann in Bezug auf Lehrer keine großen Unterschiede feststellen, außer, dass die „im Westen“ häufig wesentlich selbstbewusster mit sich und ihrer Arbeit umgehen. die DDR-Didaktik ist in vielen Fällen heute für den A*****, v.a. in Sprachen und Geistes- und Gesellschaftswissenschaften. Damit ist kein Abi mehr zu bestehen. Und die wenigsten Lehrer praktizieren sie konsequent.

Sachsen hat es eher im Hochschulsegment schwer, denn irgendwie
bleibt das Geld der „Exzellenzinitiative“ ja an den westlichen
Unis hängen.

Deine vielen Anspielungen sind schon etwas schwierig zu ertragen. Es geht im Hochschulbereich weniger um die Exzellenzinitiative als viel mehr um die Frage, durch welche (politischen) Entscheidungen ein Standort gefördert oder degradiert wird. Hier sollte man erst einmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor nach Geldern aus einer ohnehin zweifelhaften „Exzellenzinitiative“ gerufen wird.

Meine Konsequenz lautet genauso wie die vieler anderer Absolventen, die wir dieses Jahr die verachtende Art und Weise, wie die Politik hier mit ihren Lehrern umgeht, mitbekommen und die wir die Möglichkeit haben: Bye, bye Sachsen. Danke für die Investition in unsere Ausbildung, andere werden sich sicher freuen!

Grüße!

1 Like

Hallo,

wenn ich deine Zahlen richtig verstehe hatten die Kinder in
der DDR Schule ja sowohl mehr Unterrichtsstunden in MNT
Faechern als auch mehr Unterrichtsstunden in Deutscher Sprache
und Literatur.

Wird heute generell weniger unterrichtet oder wird dieser
Unterschied vollstaendig durch gesellschaftswissenschaftliche
Faecher und Fremdsprachen kompensiert?

ich kann jetzt nur von Brandenburg reden.
Einerseits hatten wir wohl insgesamt mehr Unterrichtsstunden (z.B. auch Samstags), andererseits tatsächlich eine andere Stundenaufteilung.
in BRB heisst es in der Abiturstufe: Grundkurse 3 Wochenstunden, Leistungskurse 5 Wochenstunden. Meinem Kind war es aufgrund der Stundentafel nicht möglich, die drei naturwissenschaftlichen Fächer Physik, Chemie und Biologie zu belegen. Dafür aber musste er 3 Stunden Musik machen, 3 Stunden Geographie usw.

Beatrix

Hallo!

Ganz einfach: heute wird weniger unterrichtet. Ich kenne Leute, die in der DDR in die Schule gegangen sind, und die haben mir alle erzählt, dass sie ganztags in der Schule waren. Deshalb gehe ich davon aus, dass länger unterrichtet wurde.

Außerdem gehört Geographie gar nicht zu den MINT-Fächern, reinerlein, was du mit deiner exzellenten DDR-Schulausbildung eigentlich wissen solltest :wink:.

Außerdem sind diese Tabellen, die du hier postest, nur Zahlen. Und diese Zahlen sind nicht aussagekräftig. Ich habe zur Zeit eine neue Nachhilfeschülerin, die gerade das Bundesland gewechselt hat. In Englisch hatte sie zwar genauso viele Stunden wie ihre bayerischen Mitschüler - trotzdem hinkt sie hinterher. In anderen Fächern hatte sie teilweise weniger Stunden - trotzdem weiß sie mehr. Es hängt davon ab, was in den Stunden vermittelt wird.
Dann zu deiner Einheitsschule. Ich habe jetzt Erfahrung mit Einheitsschulsystemen, nämlich dem britischen und dem französischen. Jetzt wirst du mir sicher erzählen, dass es sich beim britischen System wegen der ability groups/sets nicht um eine Einheitsschule handelt, das stimmt aber nicht, da die einzelnen sets ja nichts unterschiedliches lernen, sondern den gleichen Stoff, und außerdem gibt es auch nicht an allen Schulen sets. Schon allein durch die verlängerte Grundschule (sowohl in Frankreich als auch in England/Wales) entsteht keine Chancengleichheit, sondern vor allem folgendes: eine gigantische Wissenslücke. Ein englischer Siebtklässler besitzt nicht einmal das Wissen eines bayerischen Viertklässlers, obwohl er ein Jahr älter und zwei Jahre länger zur Schule gegangen ist. Zu Fremdsprachen hatte er nie Kontakt, in Mathematik beherrscht er gerade mal den Stoff der bayerischen 3. Klasse. In der 11. Klasse kann der Sekundarschüler in einer Fremdsprache (wenn er sie überhaupt wählt - es ist keine Pflicht!) über seine Ferien, seine Freunde und seinen Wohnort sprechen. Das ist eventuell leicht über dem bayerischen Hauptschulstandard. In Mathematik das gleiche - Wurzeln ziehen kann er nach der 11. Klasse. Ein deutscher Schüler kann das ungefähr im selben Alter - nach 2 Jahren weniger Schule. Der englische/walisische Oberstüfler, sofern er überhaupt akademische Fächer macht, ist ein Fachidiot. Ganze 4 Fächer stehen auf dem Plan, die werden dann aber endlich mal richtig gelernt. So sprechen die SchülerInnen „meines“ A-Level-Jahrgangs ungefähr so gut Deutsch, wie ein deutscher Abischüler Englisch sprechen sollte - allerdings beschäftigen sie sich überhaupt nicht mit Literatur, das ist lediglich eine Option. In Frankreich sieht es noch schlimmer aus. In der Terminale (Abschlussklasse), Fachrichtung Literatur, des französischen Lycée („Gymnasium“) lernt ein französischer Schüler doch tatsächlich, wie Bruchrechnenen funktioniert - bei uns war das (in jeder Schulart) Stoff der 6. Klasse. Meine französische Kollegin konnte trotz eines fast abgeschlossenen Bachelors in diesem Fach immer noch nicht so Englisch sprechen, dass man sie verstanden hat, hat aber ständig über die Engländer gelästert, die Französisch ja nicht ordentlich aussprechen könnten. Mein Hinweis, dass Nasale eben für Menschen mit Muttersprache Englisch schwer auszusprechen seien, folgte ein erstaunter Blick, begleitet von der Frage: „Was für Dinger sind schwer auszusprechen?“ Außerdem hatte sie auch keine Ahnung von englischer Wortbildung und hat bis zum Ende darauf beharrt, dass die ja genauso funktionieren müsse wie im Französischen. Als ich erzählt habe, dass Shakespeare bei uns in der Oberstufe Pflicht sei, hat sie mich der Lüge bezichtigt, so was sei für Schulenglisch doch viel zu schwer. Außerdem hatte sie von nix anderem Ahnung, wusste nicht, was ein Treibhauseffekt ist, hätte das aber für den Unterricht gebraucht. Ich habe dann meinen Dreizehntklässlern (bis auf denen, die Naturwissenschaften machen) wenigstens erklären können, was das ist, damit sie auf Deutsch drüber reden konnten. Ihre mussten das eben selber lernen… Insgesamt ist der Standard in Deutschland um einiges höher als in Frankreich und GB (zumindest England und Wales). Die Einheitsschule machts also nicht. Die Einheitsschule in Schweden funktioniert übrigens auch nicht mehr, seit mehr und mehr Ausländer kommen…

Jetzt zum Lesen: die neuen Methoden werden in Einheitschulländern erfolgreich angewandt, in England dominiert z.B. die Ganzwortmethode. Wobei das natürlich zu einem großen Teil auch orthographieabhängig ist. Die einzige einigermaßen ordentliche Methode in Deutschland ist die Anlauttabelle, die funktioniert aber nur, wenn das Kind wirklich lesen lernen will - wills aber meistens nicht :wink:. Die Leselernmethode hat aber mal null mit der Lesekompetenz oder Rechtschreibkompetenz zu tun. Das erledigt schon die korrekturfreie Schreiblernmethode: man darf ja nicht korrigieren, was das Kind schreibt (also die Rechtschreibfehler nicht), weil es dann demotiviert wird und gar nie wieder schreiben will. Meine Mutter hat sich gegen diese Methode bei meinem jüngeren Bruder mit Händen und Füßen gewehrt und eben zu Hause korrigiert - mit dem Effekt, dass er wenigstens einigermaßen über Rechtschreibkenntnisse verfügt hat, als er aufs Gymnasium kam. Wirklich orthographisch sicher war er aber erst in der 7. Klasse. Sicher lesen konnte er aber sehr früh, immer gleiche Texte in der Fibel lesen gabs da nicht. Sogar türkisch lesen konnte er (Quotenausländer im Lehrwerk :smiley:). Außerdem halte ich Leselernmethoden nicht für so wichtig - ich hab zum Beispiel ohne jegliche Methode lesen gelernt :wink:.

Ich glaube weiterhin, dass das System für den Lernerfolg relativ unerheblich ist, schließlich schneiden Systeme mit Einheitsschulen sowohl sehr gut als auch sehr schlecht ab.

LG, Sarah

Hi,

Ganz einfach: heute wird weniger unterrichtet. Ich kenne Leute, die in der DDR in die Schule gegangen sind, und die haben mir alle erzählt, dass sie ganztags in der Schule waren. Deshalb gehe ich davon aus, dass länger unterrichtet wurde.

Hab nur das wirklich gelesen, beziehe mich auch ausschließlich darauf.

Unterricht war bis 13.00 Uhr (erst in der EOS, also 11. und 12. Klasse, für die die Abitur wollten, auch noch gelegentlich zwei Stunden am Nachmittag), auch samstags. Danach gab es außerschulische Aktivitäten (man sollte mind. eine pro Woche besuchen): Chor, Singegruppe, Sportgruppen, Basteln etc. alles hatte nichts mit dem Lehrplan zu tun und wurde nicht benotet - es war Spaß. Die 1. - 4. Klasse (höher glaub ich nicht) hatten nachmittags Hort: Betreuung in Gruppen durch Erzieher, die speziell dafür ausgebildet worden waren. Da wurden Hausaufgaben gemacht, geschlafen und gespielt. Mittagessen konnte übrigens jeder Schüler an der Schule haben - pro Portion 55 Pfennig, der Gegenwert von einem halben Liter Milch :smile:. Kinderreiche Familien mussten nichts bezahlen. Nachschlag gab es, solange noch was da war :smile:

die Franzi,
Abi '91 Sachsen

Hallo,
dann kann aber mit den oben genannten Stundentafeln was nicht stimmen. Dort sieht es ja so aus als wäre auf den POS überall mehr unterrichtet worden. Die Schüler in der DDR können aber nicht in der gleichen Zeit mehr Unterricht bekommen haben. Es sei denn die Stunden wären Kürzer gewesen.
Gruß
Werner

Hi,

ich habe mir nicht so genau durchgelesen, was da für Stundentafeln zitiert worden sind, nehme mir jetzt (ohne, was oben steht, zu vergleichen) mein eigenes Hausaufgabenheft von damals, als ich in der 9. Klasse POS war (Schuljahr 1987/1988) und zitiere das hier. Das dürfte dann repräsentativ sein - vorausgesetzt, es gab keine Sonderregelung für meine Schule (das wäre mir aber spätestens beim Übergang auf die EOS in der Kreisstadt aufgefallen. Oder der ganze Kreis hätte was anderes gmacht als der REst der Republik… aber das wäre absurd)

Montag: Englisch, Russisch, Mathe, Mathe, Russisch, Sport

Dienstag: Sport, Deutsch (Ausdruck), Geschichte, Chemie, Musik, Mathe (55min Mittagspause), Englisch

Mittwoch: Biologie, Deutsch (Rechtschreibung), Mathe, Staatsbürgerkunde, Deutsch (Literatur), Physik, Physik (die 7. Stunde scheint hier über die Mittagspause hinweggegangen zu sein… wie das praktisch aussah, weiß ich nciht mehr)

Donnerstag: Geschichte, Geographie, Physik, Zeichnen, Chemie

Freitag: Produktive Arbeit, Einführung in die sozialistische Produktion (hier weiß ich nciht mehr, wie lang das war, ob es mittags zuende war oder in den Nachmittag hineinging. Einfach überhaupt keine Erinnerung mehr. Aber ESP war glaube ich nicht mehr als eine Doppelstunde)

Samstag: Englisch, Russisch, Mathe, Biologie, Deutsch (Literatur)

Zählen kann jeder selbst. Englisch war Wahlpflichtfach (so würde man das heute nennen). Diese Stundetafel bestand ab spätestens der 7. Klasse. Physik, Chemie, Geografie und Biologie kamen ab der einschließlich 5. Klasse nach und nach dazu, und wenn sie einmal in die Stundentafel aufgenommen waren, blieben sie dort bis zur 10. bzw. 12. Klasse. Kein Fach legte eine Pause ein, wobei womöglich die Wochenstundenzahlen schwankten.

Ausnahmen: PA gabs von 7-10, danach wissenschaftliches Arbeiten von 11/2 bis 12/1, endete mit dem Verfassen dessen, was heute Facharbeit heißt. In 7 und 8 hatten wir Technisches Zeichnen, je 2 Wochenstunden (ohne Gewähr was die WS angeht). In 10 gab es eine WS Astronomie - zusätzlich zu Physik.

Natürlich haben sich auch in der DDR die Lehrpläne geändert, aber das Beispiel, das ich hier zitiere ist sozusagen „live“. HJab auch noch 5. und 6. Klasse hier und noch n viertes glaub ich… der REst liegt noch bei meinen Eltern im Keller.

die Franzi

Hallo!

Das sind dann ja aber zumindest schon mal 2x7 Stunden, das hats bei uns noch nicht gegeben. Klar gibts das jetzt, aber nur durch die Änderung der Stundentafeln… Und der Samstag ist ja dann auch noch da… aber irgendwie sieht es nicht so aus, als wären da einzelne Sachen wesentlich häufiger vertreten als bei mir im selben Alter.

LG, Sarah

Hi,

Klar gibts das jetzt, aber nur durch die Änderung der Stundentafeln… Und der Samstag ist ja dann auch noch da…

wie „jetzt“? Das ist mein Stundenplan von vor 22 Jahren, Schuljahr 1987/1988.

die Franzi

Hi!

Klar gibts das jetzt, aber nur durch die Änderung der Stundentafeln… Und der Samstag ist ja dann auch noch da…

wie „jetzt“? Das ist mein Stundenplan von vor 22 Jahren,
Schuljahr 1987/1988.

Ja, wieder mal undeutlich ausgedrückt: Ich meinte, dass es jetzt, also heutzutage, in Bayern auch Nachmittagsunterricht in der von dir genannten Altersgruppe gibt, aber erst seit der Änderung der Stundentafeln wegen G8. Soll heißen: Ich sehe das als Indiz dafür, dass mehr Unterricht stattgefunden hat, zeitlich gesehen.

LG, Sarah

Hi,

achso. Das kann sein, aber geschickter zeitlich verteilt, finde ich. Und nicht so einseitig.

die Franzi

Hallo,
einfach stumpf zusammengezählt (der Freitag mit seinen Fächern ist ja ein wenig seltsam und nur drei Stunden, wenn ESP eine Doppelstunde war) bleibt für den Unterricht, den es im Westen auch gab, aber ungefähr das gleiche übrig. Zeichen oder technisches Zeichnen gab es nicht, dafür Kunst oder Werken. Und Musik nur sehr sporadisch - wegen chronischem Lehrermangel. Dann gab es als westspezial noch Religionsstunden. In der Mittelstufe hatten wir lange Zeit auch noch immer eine Verfügungsstunde des Klassenlehrers.
Meine alten Stundenpläne habe ich leider nicht mehr, aber das sieht für mich alles ganz normal aus. Die Fremdsprachen wurden allerdings mit vier Stunden gefahren und Physik gab es nie dreistündig. Chemie kam glaube ich erst in der 9. Klasse dazu. Außerdem waren bei uns eher Doppelstunden gesetzt, aber das macht ja nichts an der Gesamtstundenzahl.
Zu meiner Zeit war auf einem West-Gymnasium der Sechsstundentag die Regel. Vereinzelt mal nur fünf Stunden und dafür mal nachmittags und jeder zweite Samstag war auch Unterricht. Die Stundezahl stieg dabei leicht an. In 5-6 waren es eher unter 30 (weil nur eine Fremdsprache), ab Klasse 7 eher über 30 Wochenstunden. Wenn der Samstag regelmäßig Schultag war, gibt dies natürlich für die Stundenplangestaltung Raum. Als bei uns der Samstag ganz abgeschafft wurde, hatten wir dann auch immer mindestens an einem Tag noch eine Doppelstunde Nachmittagsunterricht.

Etwas selsam muten mir bei deinem Plan die Einzelstunden Sport und Zeichnen an. Wie will man die denn sinnvoll nutzen? Da ist die Stunde ja schon mit den Vor- und Nachbereitungen fast vorbei.

Der weiter oben genannte Mehrunterricht ist danach aber nur in Physik und Chemie zu erklären. Das wird aber durch weniger Unterricht in anderen Bereichen ausgeglichen.

Gruß
Werner

1 Like