Fugen-n, Fugen-s

Hallo Sprachexperten,

das es ein Fugen n gibt wurde weiter unten schon schön beschrieben, aber wie ist das mit dem unseligen s das in vielen Komposita immer wieder auftaucht Schaf s käse, Dreieck s tuch, Werk s feuerwehr (sic!)

Es heißt doch auch nicht Kuh s milch

Gibts da irgend ne Regel oder ist das mal wieder huddelige Sprache?

fragt sich Gandalf

Oh Gandalf,

mach dich nicht unglücklich oder lies:

die Antwort auf diese Frage findet sich im kompliziertesten Kapitel der deutschen Grammatik, nämlich in den Regeln zur
Wortbildung.

Die finden sich im Grammatikduden (Band 4) auf den Seiten 386 bis 501. Schon an der Anzahl der Seiten sieht man, dass man da in einem Dschungel umherirrt.

Die für deine Frage einschlägigen Paragrafen finden sich auf den Seiten 452 bis 458. Genau einschlägig sind die Paragrafen 817 (Fugenzeichen -er-) und 820 (Fugenzeichen -(e)s-), 821 (Besonderheiten) und 823 (Zusammensetzungen ohne Fugezeichen; Doppelformen und Besonderheiten).

Auch aus dieser Aufzählung mag man erkennen, dass man sich da in unmittelbarer Nähe eines „Höllenlochs“ aufhält.
Ich habe auch nicht die geringste Lust, dies hier auseinander zu klamüsern. Dazu reicht meine Geistes- und Nervenkraft einfach nicht.
Bis etwa zwei Minuten nach der Lektüre eines solchen Paragrafen glaube ich, ihn verstanden zu haben. In der dritten Minute ist alles wieder verflogen.

Nur ein Beispiel aus Paragraf 823:
„Häufig ist das Bestimmungswort entscheidend, und zwar
a) durch seine Herkunft … (folgt ein längerer Passus);
b) durch seine Lautgestalt … (folgt ein noch längerer Passus);
c) durch seine Silbenstruktur … (Wieder ein längere Passus);
d) durch seine Formenbildung … (blablabla);
e) durch seine Bedeutung: Hier spielt vor allem die unter b und c genannte Bedingung eine Rolle, dass die Bedeutung der Zusammensetzung einen Bezug auf die Mehrzahl des im Bestimmungswort Genannten voraussetzt.
Doppelformen sind vor allem landschaftlich bedingt: So kennt z. B. das Österreichische (z. T. auch das Süddeutsche) etwa Schweinsbraten, Rindsbraten, Kindsmutter Toiletteartikel, Toiletteraum neben binnendeutsch Schweinebraten, Rinderbraten, Kindesmutter, Toilettenartikel (vgl. 815ff.)“

Man unterscheidet bei Komposita: Haustür
zwischen Grundwort: Tür
und Bestimmungswort: Haus

Noch irgendwelche Frage offen?
Das Ganze klingt wie eine Wetterregel:
Wenn der Hahn kräht auf dem Mist,
ändert sich das Wetter, oder es bleibt wie es ist.

Viel Spaß bei der genauen Lektüre dieser Abschnitte.
Wenn du es verstanden hast, gib mir bitte Bescheid
Gruß Fritz Ruppricht

Viel Spaß bei der genauen Lektüre dieser Abschnitte.
Wenn du es verstanden hast, gib mir bitte Bescheid
Gruß Fritz Ruppricht

Wenns soooooo kompliziert und von Ausnahmen wimmelnd ist, trau ich mich besser nicht an diese Kapitel :wink:)) , schließlich bin ich nur ein kleiner Chemiker.

Ich wollte nur nachfragen, weil ich regelmäßig eine Gänsehaut kriege wenn jemand von einem Dreieckstuch spricht.

Gandalf

Und was ist so schlimm an einem

Dreieckstuch?

Fritz

Und was ist so schlimm an einem

Dreieckstuch?

Guten Morgen Fritz,

tja, es widerspricht einfach meinem Sprachefühl (ich sag ja auch nicht Kuhsmilch). Drum wollte ich was über Regeln etc. lernen; aber wie Du schon in Deinem erster ersten Antwort meintest…

Gandalf

der jetzt in die Klappe geht

tja, es widerspricht einfach meinem Sprachefühl (ich sag ja
auch nicht Kuhsmilch). Drum wollte ich was über Regeln etc.
lernen; aber wie Du schon in Deinem erster ersten Antwort
meintest…

Aber Du sagst auch nicht „Die Milch des Kuhs“, sondern „Die Milch der Kuh“ ergo Kuhmilch. „Der Käse des Schafs“ ergo Schafskäse.
Ich finde das recht logisch.
IMHO liegt das einfach am zugrunde liegenden Genitiv.

Ciao
Kaj

Und was ist mit,
lieber Kaj

das Fleisch des Rindes, ergo Rindesfleisch?

Und der Vertrag des Arbeiters, ergo Arbeitersvertrag?

So ganz einfach ist das nicht!
Fritz

1 Like

Und weil das so kompliziert, wenig nachvollziehbar und noch weniger einsichtig ist, gab es auch durchaus mal Bestrebungen, dieses Fugen-s gänzlich wegzulassen.
z.B. Jean Paul hat das in einigen Werken konsequent durchexerziert. Aber das liest sich anfangs auch etwas ungewohnt…

HastaLavista

das Fleisch des Rindes, ergo Rindesfleisch?

Ist kein Gegenbeispiel. Das wäre ja nicht das erste Mal, dass innerhalb eines Wortes ein ‚e‘ sprachlich weggekürzt wird.
Soll durchaus Leute geben, die das „Fleisch des Rinds“ essen, also Rindsfleisch - auf die Gefahr hin, dass jetzt irgendwer lautstark gegen das ‚s‘ protestieren könnte :wink:

Und der Vertrag des Arbeiters, ergo Arbeitersvertrag?

Auch kein Gegenbeispiel. Wir sagen ja nicht „Vertrag des Arbeiters“ sondern „Vertrag der Arbeit“ - DAS ist dann aber ein Gegenbeispiel :wink:

Aber grundsätzlich hast du wahrscheinlich recht. Selbst wenn es so eine Regel gibt (was ich mal annehme, denn oft genug passt es ja), dann gibt es doch wiederum genügend Ausnahmen…

Gruß,
Stefan :smile:

Bist du sicher, Stefan?

Wir sagen ja nicht „Vertrag des
Arbeiters“ sondern „Vertrag der Arbeit“

Sagen wir das?

Vertrag über die Arbeit
Vertrag über die Arbeitsbedingungen

ließe ich gelten.

Natürlich waren meine Beispiele überpointiert. Aber ich komme noch einmal auf das Thema zurück, wenn ich mehr und einschlägige Beispiele habe.
Einstweilen verweise ich auf Jean Paul, Über die deutschen Doppelwörter. Kann man im Projekt Gutenberg nachlesen.

Fritz

Ich erinnere mich an die analoge Diskussion an dieser Stelle vor einiger Zeit, warum es der „Schwein e braten“ heißt (es existiert aber wohl auch „Schwein s braten“?), aber nicht „Wildschwein e braten“, sondern „Wildschweinbraten“.

Wo da nun die Regel sein soll, und wie die lauten soll, ist mir aber inzwischen völlig unklar, und generell möchte ich mal fragen, ob man überhaupt von einer „Regel“ sprechen kann, wenn es mehr Ausnahmen dazu gibt - man könnte dann nämlich auch alle Ausnahmen als Regel betrachten, und alles, was vorher Regel war, zur Ausnahme erklären - und hätte in beiden Fällen keinen Vorteil, sodaß ich die Existenz einer Regel eigentlich anzweifeln möchte.

Gruß, Till.

das es ein Fugen n gibt wurde weiter unten schon schön
beschrieben, aber wie ist das mit dem unseligen s das in
vielen Komposita immer wieder auftaucht Schaf s käse,
Dreieck s tuch, Werk s feuerwehr (sic!)

Es heißt doch auch nicht Kuh s milch

Gibts da irgend ne Regel oder ist das mal wieder huddelige
Sprache?

fragt sich Gandalf

Pardon me, aber fuer mich hoert sich DreieckStuch voellig richtig an. Ohne s klingt das genauso bescheuert wie z.B ‚Kekse mit Schokoladefuellung‘ oder ‚Schokoladeriegel‘. Guck mal auf nen paar Packungen drauf - es wird andauernd so geschrieben, und geht mir ehrlich gesagt ziemlich auf die Nerven, weil m.A. nach das ‚Schokoladenfuellung‘ und ‚Schokoladenriegel‘ usw. heissen muesste.
Und da (wie unten von einem scheinbar sehr wissensreichen Experten erklaert wird) der Duden dazu soviel zu sagen hat, ist es ja wohl ziemlich klar, dass es da einfach keine klaren Regeln gibt, die man ‚across the board‘, also auf alle Faelle, anwenden koennte. Da kann man die ‚Ausnahmen‘ ja kaum Ausnahmen nennen - jede Sprache lebt und entwickelt sich, und die deutsche Sprache halt sich halt so entwickelt, das wir jetzt Rindfleisch, Schafskaese und Schokoladenriegel haben.
Na, die Grammatikexperten halten von meiner Meinung sicher nicht sehr viel!
Gruss, Isabel

[Bei dieser Antwort wurde das Vollzitat nachträglich automatisiert entfernt]

Wortbildung im Deutschen
Der

scheinbar sehr wissensreiche Experte

(Welch eine Bezeichnung! Dabei habe ich erst kürzlich den Unterschied zwischen „scheinbar“ und „anscheindend“ dargestellt.)

hat sich ein bisschen bemüht und bisher dieses zusammengestellt:

Wortbildung in der deutschen Sprache

In der deutschen Sprache gibt es etwa 400 000 bis 500 000 Wörter.
Davon sind:
50% Substantive,
25% Verben,
16% Adjektive,
dazu gibt es noch etwa 200 000 bis 300 000 Wörter in den Fachsprachen.
Die alle kennt wohl niemand.
Wie kann man die überhaupt lernen?

Einteilung in Wortfamilien

Damit sind Wörter mit gleicher Herkunft gemeint:
gehen: r Geher, e Geherin, s Weitgehen, e Gehstrecke, r Gehsteig, gängeln, r Vorgänger, r Fußgänger, r Abgänger, r Gang, r Eingang, r Abgang,

und Wortfelder

Damit sind Wörter mit gleichem oder ähnlichem Inhalt gemeint:
gehen: laufen, schlendern, spazieren, flanieren, rennen, marschieren, humpeln, hüpfen, passieren,
So kann man die Unzahl der Wörter schon besser überblicken.

Simplizia

Zum Glück gibt es aber nur wenige tausend einfache Wörter, Grundwörter, sogenannte Simplizia (Singular: Simplexwort), aus denen alle anderen Wörter gebildet wurden und werden.

Es gibt also einfache, ursprüngliche Wörter:
Haus, fahren, groß, viel, hier

zusammengesetzte Wörter:
Haustür, Fahrzeug, großartig, vielseitig, hierzulande

Ableitungen durch Vorsilben, Nachsilben, Ablaut usw.:
hausen, abfahren, r Größenwahnsinn,

Die Struktur des Wortes

Ein deutsches Wort besteht normalerweise aus dem Wortstamm und verschiedenen Ergänzungen.
Solche Ergänzungen können sein:
Präfixe d. h. Vorsilben, oder Suffixe d. h. Nachsilben.
Es gibt wortbildende (Wortbildungsmorpheme) und formbildende (Flexionsmorpheme) Vor- bzw. Nachsilben.

Beispiel: Der Wortstamm: schön kann durch das wortbildende Suffix –heit ergänzt werden, daraus entsteht das Nomen: Schönheit;
oder: der Wortstamm geb- vom Verb geben wird mit den Formbildungspräffix ge- und dem Formbildungssuffix –en versehen; daraus entsteht das Partizip II: gegeben.

Hier folgt eine Tabelle, die WWW nicht abbilden kann. Wer sie genau sehen will, kann sie von mir per Emailanhang bekommen.

formbildendes Präfix wortbildendes Präfix Wortstamm wortbildendes Suffix formbildendes Suffix
ge- -red- -et geredet
un- -denk- -bar undenkbar
Tisch- -lein Tischlein
Miss- -wirt- -schaft- -en Misswirtschaften
un-ver- -käuf- -lich unverkäuflich
Auf- -bereit- -ungsan-lag- -en Aufbereitungsanlagen
ge- -recht- -ferti-ig- -t gerechtfertigt

Die Komposition

Nun kann man auch durch das Zusammenfügen von zwei Wörtern neue Wörter bilden; dies wird Komposition genannt.
Dabei spielen Kompositionsfugen eine große Rolle.

Solche sind etwa:
das Fugen-S: Arbeit-s-platz, Weihnacht-s-geld, Leistung-s-prämie etc.
Es signalisiert die Nahtstelle zwischen den beiden Wörtern, bei der Trennung bleibt es beim vorangehenden Wortteil.

Das S war ursprünglich das Genitiv-S des vorangehenden Wortes.
Das Glück: das Kind des Glücks => das Glückskind;
Das Leben: die Lüge des Lebens => die Lebenslüge,
Der Anfang: das Wort des Anfangs => das Anfangswort.

Dieses S wurde aber aus Analogiegründen auch in Kompositionen verwendet, dessen Anfangswort eigentlich kein „S“ im Genitiv hat:
die Arbeit, der Arbeit, aber der Arbeitsplatz
die Wohnung, der Wohnung, aber die Wohnungsmiete
die Sauberkeit, der Sauberkeit, aber Sauberkeitsfanatiker
Gerade diese Praxis macht das „S“ oft so unsinnig.

Andere solche Kompositionsfugen sind:
-es: der Tag-es-beginn – Genitiv Singular Maskulinum
der Beginn des Tages
-en: die Bär-en-tatze – Genitiv Singular Maskulinum
die Tatze des Bären
-er: die Hühn-er-haltung – Genitiv Plural
die Haltung der Hühner; warum aber nicht die Haltung von Hühnern?
-e: die Hundesteuer – Nominativ/Genitiv/Akkusativ Plural
die Steuer der Hunde, die Steuer für die Hunde
-s: die Leistungsprämie – Genitiv Singular Femininum (analog, aber falsch)
die Prämie der Leistungs (!?!)

Wann aber welche Kompositionsfuge gebraucht wird, ist nicht durch Regeln eindeutig geklärt. Man kann eine Komposition auseinander nehmen und dann sehen, welche Fugung benutzt wurde, aber nicht sagen, warum. Z. B.:
Tagesbeginn => der Beginn des Tages;
Bärentatze => die Tatze des Bären;
Kindstaufe => die Taufe des Kinds;
warum aber nicht Kindestaufe => die Taufe des Kindes;

Es gibt aber viel mehr andere Zusammensetzungen, bei denen der Genitiv keine Rolle spielt:
Holzteller => der Teller aus Holz
Hundesteuer => ist Steuer für die Hunde;
Kindergarten => der Garten für die Kinder;
Affentheater => ein Theater von oder für Affen aufgeführt.
Feierabendbeschäftigung => eine Beschäftigung zur Feier des Abends (?),
doch eher: eine Beschäftigung für den Feierabend.

Manchmal so scheint es, als hätten die Sprachformer vergangener Zeiten die Fügungen nach dem Prinzip: Wie klingt es am besten? verteilt.
Hundesteuer: das klingt angenehmer als Hunzsteuer.

Eben so oft könnte man aber denken, sie seien äußerst harthörig gewesen:
Kalbsschnitzel: s-sch-tz in einem Wort; ein Leckerbissen für ausländische Deutschlerner

Die Kompositionsfuge wird also schon lange recht willkürlich gehandhabt:
Arbeitnehmer neben Arbeitsvertrag;
Rindfleisch neben Rindsbraten und Rindermagen.

Diese unterschiedliche Wortbildung wird aber auch zur Bedeutungsdifferenzierung gebraucht:
der Landmann => Bauer; der Landsmann => aus derselben Gegend stammend.

Weil der Gebrauch der Kompositionsfugen so willkürlich ist, muss im Einzelfall gelernt werden, wie ein zusammengesetztes Wort heißt.

Das ist erst der Anfang meiner Bemühungen. Ich weiß nicht, wie weit ich kommen werde, ehe mich der Frust die Lust verlieren lässt.
Gruß Fritz

MOD: Titel archivtauglich gemacht

4 Like

Es gibt nur einen Fugenfritz allüberall (owT)

Ich begrüße die Titeländerung. Danke, Kubi, wenn du es warst, wie ich annehme.

Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, dass der zweite Teil bald erscheinen wird.

Dabei wird es um den Versuch einer Einteilung der Kompositionsmöglichkeiten nach den Eigenarten der Wörter gehen und um Reformversuche, besonders den von Wolke und Jean Paul, der sehr umstritten ist und vielleicht zu abgelegen für das Interesse eines „Durchschnittsdeutschsprechers“.

Gruß Fugenfritz der Einzige :wink:

Hallo Fritz,

Der

scheinbar sehr wissensreiche Experte

jaja, tut mir leid, ich meinte natuerlich anscheinend - come on, ich lebe seit 11 Jahren im englischsprachigen Ausland! Bin aber sehr ‚sprachsensibel‘, if you know what I’m trying to say. Deshalb nerven mich ‚Schokoladeriegel‘ halt.

Weil der Gebrauch der Kompositionsfugen so willkürlich ist,
muss im Einzelfall gelernt werden, wie ein zusammengesetztes
Wort heißt.

Well hey, that’s exactly what I mean: Es gibt halt keine ‚wirklichen Regeln‘ - eine Regel ist ja kaum eine Regel, wenn’s mehr Ausnahmen als Regelfaelle gibt.

Anyway, Du bist ja wohl nicht nur ein ‚anscheinend sehr wissensreicher‘ Experte, sondern auch einer mit sehr viel Zeit - jedenfalls mit sehr viel mehr als ich!

MOD: Titel archivtauglich gemacht

Would love to know what the original title was!!!

Gruss, Isabel
(and please let that be the end of that…)

Hallo Isabel,

now come du on.

Ich habe diese Verwechslung von

scheinbar/anscheinend

als Aufhänger benutzt. Just for fun!

Ich bin weit entfernt gewesen, damit irgendjemand zu shoebolten (schurigeln).

Dein Posting hat mich veranlasst, endlich meine Ergebnisse rauszurücken, obwohl ich noch nicht ganz zufrieden damit bin.
Ich wollte noch mehr darauf hinweisen, dass es zwar keine scharfe Regeln gibt, dass man aber ein Gespür dafür entwickeln kann, auch als Ausländer, wann welches Fugenzeichen richtig ist.
Dem entspricht ja dein Unbehagen beim „Schokoladeriegel“.

Und an dem mir wichtigeren Teil, nämlich eine vernünftige Neuregelung vorzuschlagen, scheitern seit zwei Jahrhunderten alle Sprachreformer. Wie leicht wäre es, auf alle diese Fugerei zu verzichten! Aber dann kommt wieder das Unbehagen und …
Ähnlich wie bei der fast nur aus emotionalen Gründen kritisierten Neuen Rechtschreibung.

Anyway, Du bist ja wohl nicht nur ein ‚anscheinend sehr
wissensreicher‘ Experte, sondern auch einer mit sehr viel Zeit

  • jedenfalls mit sehr viel mehr als ich!

Nun, das hängt davon ab, was man so mit seiner Zeit macht. Und ich habe nicht erst letzte Woche angefangen, mich mit diesem Fugen-S rumzuschlagen. Seit mehr als zehn Jahren suche ich eine kurze, klare und doch nicht zu einfache Antwort auf die immer wieder von meinen Schülern gestellte Frage: When und wann not ein Fugungszeichen eingesetzt wird.

Would love to know what the original title was!!!

Na: Fugen-S, wie der thread eben anfing.

(and please let that be the end of that…)

That never had a beginnig for me, and I´m sorry, that you feel you auf your slips getreten.

hoffentlich konstruktive kritik :smile:
hi fritz,

Fugen-S fugit :wink:

Wortbildung in der deutschen Sprache

In der deutschen Sprache gibt es etwa 400 000 bis 500 000
Wörter.

Wieviele Woerter enthaelt dieser Satz?
„Wenn hinter Fliegen Fliegen fliegen, fliegen Fliegen Fliegen nach.“

Nur als Aufhaenger. Soweit ich weisz, ist in der Linguistik noch immer keine einheitliche Wortdefinition (und auch keine Satzdefinition) vorhanden…?

von deiner halben million woerter: zaehlst du da
fliegen, fliege, fliegst, fliegt, (fliegen, fliegen), flog, Flieger etc… alle einzeln? wahrscheinlich nicht? aber
Flugzeug, Traeger und Flugzeugtraeger ergeben schonmal drei von den 500.000?

Davon sind:
50% Substantive,
25% Verben,
16% Adjektive,

und wahrscheinlich noch 9% Partikel und so?

dazu gibt es noch etwa 200 000 bis 300 000 Wörter in den
Fachsprachen.
Die alle kennt wohl niemand.

Formulierungsvorschlag: Ein Mensch allein kann wohl niemals alle diese Woerter kennen…

Wie kann man die überhaupt lernen?

‚Und der Wortschatz eines einzelnen Menschen, der auf (40.000??) geschaetzt wird - wie schafft man es, diese Masse an Worten zu lernen, und im Kopf zu organisieren?‘

[ich hab mal was schoenes gelesen:
Kennst du ein/eine Remsurgel? - Jeder wird wohl (wenn ich mir nicht zufaellig ein existentes Wort ausgedacht habe) sofort mit „Nein!“ antworten. Erstaunliche leistung unseres Hirns, das „Remsurgel“ in Nullkommanix mit unserem gesamten wortschatz abgeglichen hat. theoretisch jedenfalls, ich schaetze, dass es in der synapsenpraxis anders laeuft, weisz da aber nichts dazu, schade…]

nochmal zurueck zum Wortschatz: ich hab mal gelesen, es gibt einen grundwortschatz von vielleicht 1000, vielleicht gar nur 400 woertern, die zusammen mit einigen grammatischen (morphologischen und syntaktischen) regeln ausreichen, um sich zu verstaendigen… theoretisch. unsere komplexe welt verlangt auf dauer sicherlich sehr viel mehr begriffe…

Einteilung in Wortfamilien

Damit sind Wörter mit gleicher Herkunft gemeint:
gehen: r Geher, e Geherin, s Weitgehen, e Gehstrecke, r
Gehsteig, gängeln, r Vorgänger, r Fußgänger, r Abgänger, r
Gang, r Eingang, r Abgang,

was bedeuten die Buchstaben r, e, s???

und Wortfelder

Damit sind Wörter mit gleichem oder ähnlichem Inhalt gemeint:

„gleichem Inhalt“ empfinde ich als unglueckliche formulierung…

gehen: laufen, schlendern, spazieren, flanieren, rennen,
marschieren, humpeln, hüpfen, passieren,
So kann man die Unzahl der Wörter schon besser überblicken.

Simplizia

Zum Glück gibt es aber nur wenige tausend einfache Wörter,
Grundwörter, sogenannte Simplizia (Singular: Simplexwort), aus
denen alle anderen Wörter gebildet wurden und werden.

Es gibt also einfache, ursprüngliche Wörter:
Haus, fahren, groß, viel, hier

zusammengesetzte Wörter:
Haustür, Fahrzeug, großartig, vielseitig, hierzulande

Ableitungen durch Vorsilben, Nachsilben, Ablaut usw.:
hausen, abfahren, r Größenwahnsinn,

Die Struktur des Wortes

Ein deutsches Wort besteht normalerweise aus dem Wortstamm und
verschiedenen Ergänzungen.
Solche Ergänzungen können sein:
Präfixe d. h. Vorsilben, oder Suffixe d. h. Nachsilben.

*Evtl.* der Vollstaendigkeit halber noch das Zirkumfix ge-____-en bzw. ge-______-t (Partizip Perfekt)

Es gibt wortbildende (Wortbildungsmorpheme) und formbildende
(Flexionsmorpheme) Vor- bzw. Nachsilben.

an dieser Stelle ueberlege ich, ob man die ganze wortgeschichte nicht vielleicht von den lauten ueber die Morpheme zu den Worten hin angehen sollte? …

Beispiel: Der Wortstamm: schön kann durch das wortbildende
Suffix –heit ergänzt werden, daraus entsteht das Nomen:
Schönheit;
oder: der Wortstamm geb- vom Verb geben wird mit den
Formbildungspräffix ge- und dem Formbildungssuffix –en
versehen; daraus entsteht das Partizip II: gegeben.

das ist das zirkumfix, was ich oben erwaehnte. auch wenn es im deutschen das praefix ge- und das suffix -en gibt, sollte man das nciht durcheinanderwerfen…?

Hier folgt eine Tabelle, die WWW nicht abbilden kann. Wer sie
genau sehen will, kann sie von mir per Emailanhang bekommen.

oder er drueckt auf „antworten“ und kann es dann im plaintext auch ganz ordentlich sehen :smile:

formbildendes Präfix wortbildendes Präfix Wortstamm
wortbildendes Suffix formbildendes Suffix
ge- -red- -et geredet
un- -denk- -bar undenkbar
Tisch- -lein Tischlein
Miss- -wirt- -schaft- -en Misswirtschaften
un-ver- -käuf- -lich unverkäuflich
Auf- -bereit- -ungsan-lag- -en Aufbereitungsanlagen

„-ung-s-an-“? und sogar auf-be-reit-?

ge- -recht- -ferti-ig- -t gerechtfertigt

fert-ig? oder gar nur -fertig-? denn mir faellt das morphem „fert“ nirgendwo ein, wo es nicht vom „-ig“ begleitet wird…

leider in w-w-w nicht machbar, aber vielleicht mit externem link auf eine entsprechende graphik: ein „baeumchenschema“
Vgl. graphik auf S.67 im „Studienbuch Linguistik“, von Linke/ Nussbaumer/ Portmann, 3. Aufl., Tuebingen 1996.

Die Komposition

Nun kann man auch durch das Zusammenfügen von zwei Wörtern
neue Wörter bilden; dies wird Komposition genannt.
Dabei spielen Kompositionsfugen eine große Rolle.

Solche sind etwa:
das Fugen-S: Arbeit-s-platz, Weihnacht-s-geld,
Leistung-s-prämie etc.
Es signalisiert die Nahtstelle zwischen den beiden Wörtern,
bei der Trennung bleibt es beim vorangehenden Wortteil.

Das S war ursprünglich das Genitiv-S des vorangehenden Wortes.

Sicher? das ist eine der gaengigen Theorien, mir waere aber wohler, wenn das hier nicht so unzweifelhaft postuliert wuerde.
Da wuerde ich lieber Unkenntnis eingestehen, als forsch zu spekulieren (und die spekulation als gesichertes wissen hinstellen). aber vielleicht bin ich da in der linguistik auch nicht auf dem aktuellen stand?

Dieses S wurde aber aus Analogiegründen auch in Kompositionen
verwendet, dessen Anfangswort eigentlich kein „S“ im Genitiv
hat:

siehe letzten absatz…

-er: die Hühn-er-haltung – Genitiv Plural
die Haltung der Hühner; warum aber nicht die Haltung von
Hühnern?

(*wenn* es sich hier um den genitiv handelt, dann) vielleicht, weil der genitiv aelter und direkter ist als die formulierung mit „von“

Wann aber welche Kompositionsfuge gebraucht wird, ist nicht
durch Regeln eindeutig geklärt. Man kann eine Komposition
auseinander nehmen und dann sehen, welche Fugung benutzt
wurde, aber nicht sagen, warum.

!!!

Es gibt aber viel mehr andere Zusammensetzungen, bei denen der
Genitiv keine Rolle spielt:
Holzteller => der Teller aus Holz
Hundesteuer => ist Steuer für die Hunde;
Kindergarten => der Garten für die Kinder;
Affentheater => ein Theater von oder für Affen aufgeführt.

ich bezweifle, dass deine angaben hinter den pfeilen den hintergrund fuer die wortbildung wiedergeben; ich denke, es sind einfach nachtraegliche verstaendnishilfen.

Manchmal so scheint es, als hätten die Sprachformer
vergangener Zeiten die Fügungen nach dem Prinzip: Wie klingt
es am besten? verteilt.

Eine Auflistung der verschiedenen Theorien, die die Fugenelemente begruenden wollen, ist vielleicht das Beste:

Theorie A: Genitiv bzw. Analogiebildung in weiteren Faellen.
Problem: Ausnahmen (Analogiebildung bleibt aus, oder die Fuge fehlt, obwohl sie im Genitiv waere…
Theorie B: „Wohlklang“ bzw. Bequemlichkeit beim Sprechen…

Eben so oft könnte man aber denken, sie seien äußerst
harthörig gewesen:
Kalbsschnitzel: s-sch-tz in einem Wort; ein Leckerbissen für
ausländische Deutschlerner

das ist aber womoeglich nur eine sache der schreibung: auch muttersprachlicher werden ueber das -s-sch- rasch hinwegsprechen und es „totnuscheln“…

Die Kompositionsfuge wird also schon lange recht willkürlich
gehandhabt:
Arbeitnehmer neben Arbeitsvertrag;
Rindfleisch neben Rindsbraten und Rindermagen.

die darstellung des Chaos finde ich im falle der fugenelemente tatsaechlich nicht unsinnvoll :smile:

Weil der Gebrauch der Kompositionsfugen so willkürlich ist,
muss im Einzelfall gelernt werden, wie ein zusammengesetztes
Wort heißt.

in einem anderen beitrag schreibst du doch, WIMRE (wenn ich mich recht entsinne), dass man mit der zeit ein gefuehl fuer die richtigen fugen bekommt?
*bedenken anmeld* vielleicht ist das nur ein phaenomen, dass man mit der zeit einfach die meisten sachen schon mal gehoert hat, und formen, die einem neu sind, daher als falsch empfindet…

ich meine, meinem gefuehl nach ist „der Apfelmus“ falsch, weil ich es als neutrum kennengelernt habe, aber ich weisz, dass andere es eben maskulin verwenden.

ob man ein intuitives gefuehl fuer die anwendung der (womoeglich nicht mal wirklich vorhanden) Fugenregeln entwickeln kann, bezweifle ich einfach mal grundsaetzlich :smile:

freundlichen grusz
jonas

zur Verdeutlichung:
Das Posting von Fritz Ruppricht ist in jeder Hinsicht das Beste, was ich jemals zum Thema Fugen-S(-N) gelesen habe, deswegen wollte ich 12 Punkte vergeben. Ging nicht, darauf fiel mir der Ehrentitel „Fugenfritz“ ein. Wenn das zu respektlos sein sollte, nehme ich es auf der Stelle zurück (was mache ich dann damit?).

Mit dem allergrößten Respekt vor der Fähigkeit, schwierigste Sachverhalte verständlich darzustellen
Ralf

freilich: konstruktive kritik!
Danke, Jonas!

Dann habe ich fürs Wochenende wieder was zu tun.
Heiser, schiefend, niesend und hustend kann ich eh nirgends hin.
Gruß Fritz