Funktion und Grenzen der Sprache

Circulus vitiosus
Lieber Candide,

Moment!

  1. Dieses „ad infinitum“ bezieht…

da hab ich mich wohl undeutlich ausgedrückt, Derrida läßt
grüssen! :wink:
Wenn du dich damit zufrieden gibst, hab ich ja überhaupt
kein Problem damit. Ich bin nicht der Nabel der Welt.
Ein analoges Beispiel zur besseren Verdeutlichung:

Man spricht ja gerne von der Münchhausen-Situation,
welcher versuchte sich am eigenen Schopf aus dem
Sumpf zu ziehen. Diese Situation läßt sich vermeiden,
wenn man die Forderung nach absoluter Begründung und
damit auch dem Erkenntnisideal aufgibt.
Wie wir es hier finden, oder wie es der konsequente
Fallibilismus vertritt, also die Auffassung, dass
der Mensch bei der Lösung seiner Probleme stets
fehlbar ist. Schon bei Kant führte das dazu, dass
diese synthetischen A priori-Urteile nicht mehr den
Anspruch haben konnten, etwas über die Wirklichkeit
auszusagen. Kantianer wie z.B. Dingler versuchten
die Naturgesetze tautologisch zu deuten, als
Aussagen, die keinen Informationsgehalt haben,
ähnlich der Logik. Dabei wird der Anspruch auf
inhaltliche Erkenntnis aufgegeben. Das ist eine
Lösung, bloss hat man jetzt eine Wissenschaft
ohne Wissen. Den Poststrukturalismus empfinde
ich immer als Fluktuieren zwischen diesen
altbekannten Problemen und Lösungsansätze,
ohne wirklichen Fortschritt.

Dass selbstverständlich die Beschreibung der Welt durch das
Ende der Welt selbst an ein Ende kommt, ist klar, das hat aber
nichts mit der inneren Dynamik dieses Prozesses zu tun,
sondern damit, dass seine Voraussetzungen wegbrechen.

Entweder hat man eine Welt ohne Theorie oder eine
Theorie ohne Welt. :smile:

  1. Ich habe Horst gegenüber erläutert, dass man den
    Poststrukturalismus als Metaphysikkritik verstehen
    muss, nicht als Metaphysik.

Ich hab ja nix gegen den Poststrukturalismus, auch wenn
er mir nicht wirklich etwas neues bringt, nur altbekanntes
in neuem Kleid. Es ist halt einfach ein schwammiger Begriff,
wenn ich beispielsweise auf euer „und“ - „uuuuuund“ verweisen
darf. Derrida hat ja Recht, wenn er auf den singularen Gehalt
jeder Aussage verweist. Daher auch meine Anspielung, er
sollte Hegel besser in Ruhe lassen. Nicht gegen Derrida,
sondern pro Hegel. Wenn man den „Reibungsverlust“, den
Hegels „heilige“ Philosophie macht, bis sie über Derrida
beim Drittdenker anlangt, bedenkt…Ich bevorzuge eben den
puren Hegel.

Zum Stichwort Neurobiologie würden mir übrigens noch
Begriffe wie der vom „blinden Fleck“ oder der von der
Differenz der Beobachtung erster und zweiter Ordnung im Sinne
von Maturana/Varela einfallen, die ja auch in diese Richtung
zielen.

Die ideale Basis, weil man es mit einem fassbaren
Begriff und realen Organ zu tun hat und ohne auf abstrakte
Begriffe oder nicht wirklich begreifbare wie „Welt“
zurückgreifen muss.

Viele Grüße
Powenz

Das Feld der Leere im Zentrum des Subjekts
Hi Candide.

Ich frage mich halt, ob dieses „Reale“ ins Symbolische von einem radikalen Außen einbricht (wie Lacan dies konzipiert) oder ob dieser „Einbruch“ (

Lieber Powenz!

Ein analoges Beispiel zur besseren Verdeutlichung:

Man spricht ja gerne von der Münchhausen-Situation,
welcher versuchte sich am eigenen Schopf aus dem
Sumpf zu ziehen. Diese Situation läßt sich vermeiden,
wenn man die Forderung nach absoluter Begründung und
damit auch dem Erkenntnisideal aufgibt.

Ich versteh schon.

Den Poststrukturalismus empfinde
ich immer als Fluktuieren zwischen diesen
altbekannten Problemen und Lösungsansätze,
ohne wirklichen Fortschritt.

Jetzt möchte ich mal persönlich werden, zumindest biographisch.

Vielleicht bin ich ja auch nicht Philosoph genug um dieses Empfinden zu teilen, wahrscheinlich sogar …

In der Tat kam ich interessensmäßig von den Sozialwissenschaften her zur Philosophie, was bedeutet, dass ich erstens praktisch von vorne herein ‚rückwärts‘ in die Philosophiegeschichte eingestiegen bin, und dass ich zweitens von vorne herein meinen Fokus stark auf die Überlappungsbereiche von Philosophie und Gesellschaftstheorie gelegt habe.

Insofern betrachte ich auf dieser Ebene eher umgekehrt Philosophen wie Kant oder Hegel als Leute, bei denen gewisse metaphysische Denkschemata (oder ‚Deutungsmuster‘ - um es mit einen sozialwissenschaftlichen Begriff auszudrücken) allmählich zu schwinden begannen, was dann halt Theoriegebäude wie ‚der Poststrukturalismus‘ erst in vollem Maß erfassen konnten.

Empfindungsmäßig „fehlt“ mir daher am Poststrukturalismus nichts (wie etwa der traditionelle Bezug auf „das Absolute“), im Gegenteil bin ich froh, dass diese -für mich- völlig uninteressanten Fragen endlich in Fragen zur Sprache und zur Macht ‚aufgelöst‘ sind, weil aus meiner Perspektive auch die alten Ontologien immer schon Gesellschaftstheorien waren - ohne es zu wissen / zu reflektieren.

Langer Rede kurzer Sinn: Daraus dürfte klar geworden sein, warum ich „den Poststrukturalismus“ natürlich nicht als „Altbekanntes in neuen Kleidern“ sehe.

Ich hab ja nix gegen den Poststrukturalismus … Es ist halt
einfach ein schwammiger Begriff,
wenn ich beispielsweise auf euer „und“ - „uuuuuund“ verweisen
darf.

Da stimme ich natürlich voll und ganz zu.

Nicht gegen Derrida,
sondern pro Hegel. Wenn man den „Reibungsverlust“, den
Hegels „heilige“ Philosophie macht, bis sie über Derrida
beim Drittdenker anlangt, bedenkt…Ich bevorzuge eben den
puren Hegel.

Dass man an die Originaltexte ranmuss, das ist gar keine Frage für mich. Natürlich!

Aber mir gab dieser ‚originale‘ Hegel, der alles in Identität auflöst, einfach gar nichts. Ich fand ihn entweder (aus ideologiekritischer Sicht) zum Kotzen oder (mit Kierkegaard) völlig lächerlich.

Wenn ich dagegen Hegel durch Derridas (Zizeks, Butlers usw.) ‚Brille‘ lese, dann kann ich jetzt schon was mit ihm anfangen.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Lieber Candide,

Jetzt möchte ich mal persönlich werden, zumindest
biographisch.

was mich freute und meine nächste Frage gewesen wäre,
wirklich! Ich wollte dich fragen, wie du zu deinen
Neigungen gekommen bist. Wie ich schon sagte, ich halte
mich ja nicht für den Nabel der Welt.

Vielleicht bin ich ja auch nicht Philosoph genug um dieses
Empfinden zu teilen, wahrscheinlich sogar …

Und vielleicht bin ich auch nur ein sentimentaler
Trottel! :wink:

Langer Rede kurzer Sinn: Daraus dürfte klar geworden sein,
warum ich „den Poststrukturalismus“ natürlich nicht als
„Altbekanntes in neuen Kleidern“ sehe.

Ja OK!

Aber mir gab dieser ‚originale‘ Hegel, der alles in Identität
auflöst, einfach gar nichts. Ich fand ihn entweder (aus
ideologiekritischer Sicht) zum Kotzen oder (mit Kierkegaard)
völlig lächerlich.

Das kenne ich, es braucht eine gewisse Inkubationszeit,
bis sich dieser Hegel einem erschließt. Man muß darüber
brüten wie eine Henne über ihren Eiern…

Wenn ich dagegen Hegel durch Derridas (Zizeks, Butlers usw.)
‚Brille‘ lese, dann kann ich jetzt schon was mit ihm anfangen.

…oder ihn aus einer schon transformierten Perspektive
betrachten. Ohne begleitendes Studium ist er auch kaum
zu bewältigen.

Viele Grüße
Powenz

ot
Hallo Horst,

Bringt man transpersonale Perspektiven ins Spiel, dann scheint
ein Zusammenhang zwischen dem Realen und jener
Bewusstseinsebene zu bestehen, die Wilber und die asiatische
Tradition die „subtile“ nennt.

nachdem du von der Erkrankung Wilbers geschrieben hast,
hab ich ein wenig gegoogelt und irgendwo gelesen, er
hätte sich von seiner transpersonalen Psychologie
verabschiedet, weil sie in sein Denken nicht mehr
gepasst hätte. Ich habe nur „Halbzeit der Evolution“ und
„Eros Kosmos Logos“ gelesen, wie hat er sich denn danach
entwickelt? Kannst du das ein wenig skizzieren?

Gruß
Powenz

Wilber
Hi Powenz.

Einen Komplettabschied von seiner Theorie kann ich mir bei Wilber absolut nicht vorstellen. Abgesehen davon gibt es relativ aktuelle Publikationen von ihm (z.B. „Integrale Vision - Eine kurze Geschichte der integralen Spiritualität“, engl. 2006) und „Integral Life Practice: A 21st-Century Blueprint for Physical Health, Emotional Balance, Mental Clarity, and Spiritual Awakening“, engl. 2008).

Als neue Modifikation seiner Lehre (eher peripher) kann man höchstens die Du-Kategorie ansehen (im Anschluss an Martin Buber), die er in einem seiner neueren Werke (habe jetzt den genauen Titel vergessen) neben die Ich- und Es-Kategorie (seiner Quadranten) stellt, in dem Sinne, dass das Überpersonale auch in einer Ich-Du-Situation wahrgenommen werden kann (na ja, Buber-mäßig halt, nicht mein Ding).

Bitte teile mir ggfs. die Quelle des von dir genannten Gerüchtes mit.#

Gruß

Horst

… ist mir viel zu leer!
… und viel zu dunkel (Stichwort: black box)

Lieber Horst!

Das liegt an der
differentiellen Struktur des Bedeutungseffekts, die keine
Identitätsbestimmung zulässt. Denn jeder Signifikant verweist
nur auf andere, und es gibt keinen, der als letzte Basis
dienen könnte. Das Begehren fällt also ständig durch die
Maschen des symbolischen Netzes. Die symbolische Struktur
bleibt damit ungeschlossen und ermöglicht so die
„irrationalen“ Effekte des Realen im Erleben des Subjekts.

Damit ist aber doch notwendig „das Reale“ als ein Effekt des Symbolischen zu verstehen (und zwar als immer neuer Effekt, da die differentielle und unabgeschlossene Struktur des Symbolischen immer neue Form annehmen muss, sobald sich die Signifikanten verändern, verschieben und verdichten - was sie fortlaufend tun), oder …

Andererseits ist es gerade das Reale (als Begehren), das
überhaupt den Bedeutungseffekt des Symbolischen in Gang
bringt

… doch so herum?

Für mich ist das eine Schlüsselfrage - gerade auch der Diskussionen zwischen uns beiden: Bringt „das Reale“ das Symbolische in Gang oder ist „das Reale“ ein Effekt des Symbolischen?

Oder könnte man es (im Sinne eines Fundierungsparadoxes) so reformulieren, dass man sagt: „das Reale“ als immer-schon-Effekt des Symbolischen bringt das Symbolische fortwährend in Gang?

Anders gesagt: ist das Begehren der Mutter nicht immer auch schon unabdingbar das Begehren der Mutter - und damit (wie jedes Begehren eines Menschen) fraglos symbolisch-imaginärer Natur?

Bitte jetzt nicht mit dem Hinweis antworten, dass Lacan selbst schon mit diesem doppelten Genitiv spielte, das weiß ich, sondern konkret: Was am kleinkindlichen Begehren der Mutter geht über das hinaus, wie sich das Begehrenssubjekt „Mutter“ dem Kind als Begehrensobjekt anbietet?
(Laplanche würde hier bekanntlich von der ‚Verführung‘ des Kindes sprechen, auch wenn er nicht von der „Mutter“ spräche, sondern anti-ödipalistisch vom „konkreten Erwachsenen“.)

Wir düften übereinstimmen, dass „das Reale“ in diesem Verhältnis Mutter-Kind zu suchen ist.
Muss das aber als etwas statisch-urprünglich-präsentes „Reales“ verstanden werden, oder sollte man das Reale nicht als Effekt dieser intergenerationalen Weitergabe des Symbolischen verstehen? Als ein (unbewusst bleibender) Rest, der quasi von der Mutter als „Verführungssignal“ weitergegeben wird, aber vom Kind nie ganz aufgenommen werden kann.

Damit hat „das Reale“ durchaus den Status eines „Effekt des Symbolischen“, aber es nicht einfach, wie du immer schreibst, „nur ein symbolisches Konstrukt“.

Ich behaupte aber, und das nicht nur mit dem Verweis auf
zahllose Erlebnisberichte aus der Kulturgeschichte, dass es
eine sprachtranszendente Wirklichkeit gibt, die nicht einfach
nur ein symbolisches Konstrukt ist, sondern ein reales
Außerhalb des Symbolischen. Die Form, in der diese
Wirklichkeit individuell erfahren wurde und wird, ist
natürlich immer auch von symbolisch-imäginären Strukturen im
Subjekt mitbestimmt.

Ok, dieses Argument kenne ich beispielsweise auch von Wilber schon.
Es überzeugt mich einfach nicht, weil es eine Art Form-Inhalt-Dualismus voraussetzt, der nicht weiter begründet wird.

Wenn man davon ausgehen muss, dass es keinen formlosen Inhalt geben kann, dann frage ich mich, welchen Sinn es hat, dennoch diese Dualität zu postulieren.

Anders gesagt: Wenn unhintergehbar ist, dass ich ein „Transzendenzerlebnis“ nur in symbolisch strukturierten „Anschauungsformen“ (unkantisch gemeint!) erleben und berichten kann, warum muss ich mich dann darauf versteifen, dass ein letztlich unbestimmbarer „Inhalt“ dahintersteht, der diesen „Formen“ vorgelagert ist?
Welche zusätzliche Information erhalte ich damit denn als diejenige, dass hier auf Teufel komm raus eine „mystische“ Interpretation der Situation vorgeschlagen wird?

Das heißt aber nicht, dass sie gänzlich
auf „Ausschließung“ basiert, denn das Wesentliche dieser
Erfahrung weist unendlich weit über den Rahmen des
Symbolischen und Imaginären hinaus.

Und womit begründest du diese Aussage?
Mal anders akzentuiert, damit ich das vielleicht verstehen kann: Was beispielsweise an einer LSD-Erfahrung weist denn mehr über den „Rahmen des Symbolischen und Imaginären“ hinaus als eine Erfahrung des Alltagslebens?

Entscheidend ist hier auch das angesprochen kritische Verhältnis. Mit Hegel könnte man sagen: diese Position will weder affirmieren noch final aufheben, sie kreist immer um die bestimmte Negation herum … Daher, als bestimmte Negation, hat sie natürlich viel mit Perspektivität zu tun, m.E. aber rein gar nichts mit der Postulierung eines „absoluten Perspektivismus“ oder eines Relativismus.

Ich favorisiere aber die Negation der Negation in dem Sinne,
dass es anzuerkennen gilt, dass wir, die Subjekte, die
Spaltung oder den Riss des „Seins“ in uns tragen bzw. diese
Spaltung (Riss, Perspektive) s i n d.

Wenn du eine „Spaltung“ (also etwas Negatives: Nicht-Fülle) sein willst, dann ist das keineswegs eine ‚Negation der Negation‘, sondern gar nicht so weit weg von dem, was ich im obigen Zitat geschrieben habe.

Die Perspektivität ist also etwas nicht „wirklich“ Wirkliches
– das ist für mich der springende Punkt. Sie ist eine Spaltung
i m Wirklichen

Das sehe ich ganz genau so.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hi Horst.

Bitte teile mir ggfs. die Quelle des von dir genannten
Gerüchtes mit.#

Die genaue Quelle kann ich dir nicht mehr sagen,
du wirst das kennen, wenn man so im Netz herumsurft,
auf die Schnelle hab ich bei Wiki reingeschaut, da
steht das aber auch:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ken_Wilber

Gruß
Powenz

Lieber Powenz!

Vielleicht bin ich ja auch nicht Philosoph genug um dieses
Empfinden zu teilen, wahrscheinlich sogar …

Und vielleicht bin ich auch nur ein sentimentaler
Trottel! :wink:

Darf ich fragen, auf welcher Biographie das beruht?

Wenn ich dagegen Hegel durch Derridas (Zizeks, Butlers usw.)
‚Brille‘ lese, dann kann ich jetzt schon was mit ihm anfangen.

…oder ihn aus einer schon transformierten Perspektive
betrachten.

Naja, ich denke, dass man ihn immer aus einer „transformierten Perspektive“ liest, und sei es nur aus der unspezifischen Perspektive des „heutigen Lesers“.

Ohne begleitendes Studium ist er auch kaum
zu bewältigen.

Das ist richtig, wobei es an diesem Punkt bei mir eigentlich nicht hätte scheitern sollen :wink:

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Lieber Candide!

Darf ich fragen, auf welcher Biographie das beruht?

Aus der des gescheiterten Weltverbesserers vielleicht?

Naja, ich denke, dass man ihn immer aus einer
„transformierten Perspektive“ liest, und sei es nur aus der
unspezifischen Perspektive des „heutigen Lesers“.

„Das Verzichtleisten auf eigene Vorstellung ist
überhaupt die Bedingung zum Lernen und Studieren.“

Hegel

:wink:
Powenz

Nirvana und Samsara Reloaded
Hi Marion.

Verglichen mit dir wirkt ein katholischer Theologe wie ein Freigeist, der immer für unkonventionelle Gesichtspunkte offen ist. Mit solchen Leuten kann man z.B. unbefangen darüber debattieren, ob das „Göttliche“ personal oder nichtpersonal ist. In vergleichbaren Debatten über buddhistische Basics demonstrierst du dagegen gerne einen Dogmatismus, der keine Abweichung vom Buchstaben der Lehre, nicht mal um einen Millimeter, duldet.

Samsara bedeutet nichts anderes, als den beständigen und bedingten Wandel, oder auch das bedingte Werden und Vergehen im endlosen Daseinskreislauf.
Nirvana bedeutet hingegen nichts anders als „verlöschen“, also die Beendigung dieses Daseinskreislaufs.

Ist mir alles schon lange bekannt, dass das die gängigen Definitionen sind (und es sollte auch dir klar sein, dass m i r das bekannt ist). Aber dabei stehen zu bleiben, wäre so, als bliebe man in der Atomphysik beim Bohr´schen Atommodell stehen.

Mit „an sich“ und „für uns“ hat das überhaupt nichts zu tun und ich weiß auch nicht, warum du die Begriffe Nirvana und Samsara plötzlich mit deinen eigenen Inhalten belegen willst. Sowas stiftet doch nur Verwirrung.

Ich „belege“ nicht mit „eigenen Inhalten“, sondern parallelisiere. Die An-sich- und Für-uns-Kategorien ermöglichen eine Perspektive auf die klassischen buddhistischen Begriffe, die westliche und östliche Philosophie „zusammendenkbar“ erscheinen lässt. Ich hatte an anderer Stelle in jenem Post von „Parallelisierung“ gesprochen, und dieser Ausdruck sollte doch neutral genug sein, um beide Begrifflichkeiten versuchsweise in einen „heuristischen“ Zusammenhang zu bringen.

Philosophie ist schließlich ein gedankliches Experimentierfeld und keine religiöse Erziehungsanstalt.

U.a. ermöglichen die westlichen Begriffe auch, den ursprünglichen Dualismus in der Lehre Buddhas zu überwinden, welche bekanntlich Samsara und Nirvana als separate „Dimensionen“ konzipierte. Im Mayahana-Buddhismus fand diese Überwindung zugunsten eines Monismus (Samsara = Nirvana) ja dann auch statt, aufgrund der Einsicht, dass sowohl Samsara als auch Nirvana ihrem Wesen nach „Leere“ sind.

Damit wurde auch jene Definition des Samsara überwunden, die du oben anführst. In einem anderen Post an dich zitierte ich schon Nagarjunas Dekonstruktion der Begriffe „entstehen“ und „vergehen“. Mit der Kategorie des Wandels fällt dann auch der Unterschied zwischen Samsara und Nirvana weg, jedenfalls auf der ontologischen Ebene (d.h. Wie und was s i n d die Dinge?).

Es gibt allerdings auch eine Bewusstseins-Ebene (d.h. Wie nehmen wir die Dinge wahr?), und zu der kommen wir jetzt.

Wenn man das Für-uns als die Dimension des Ich-Bewusstseins (Samsara) und das An-sich als die Dimension des All-Bewusstseins (Nirvana, mit darin „aufgelöstem“ Ich-Bewusstsein) setzt,

Das kann man aber nunmal nicht so setzen. Das ist Unsinn. Nirvana ist keine Bewusstseinsbrühe, in der sich das „Ich-Bewusstsein“ auflöst. Im Buddhismus gibt es auch kein „All-Bewusstsein“. Was soll denn das sein?

Das mit der Auflösung ist eine durch Anführungszeichen kenntlich gemachte Metapher, die du natürlich missverstehst und auch missverstehen willst, da hier etwas mindestens einen Millimeter von deinem Dogma abweicht.

„Das Eingehen in das Nirvana ist, wie wenn ein Tropfen Wasser im Meer versinkt.“ Das ist ein alter buddhistischer Spruch, dessen Herkunft mir unbekannt ist. Ich denke, dass die in ihm verwendete Metapher der von mir verwendeten sehr ähnlich ist.

Das Bewusstseinsparadigma besagt, dass wir als Erkenntnismedium nun einmal nur unser Bewusstsein haben. Wilber hat diese Einsicht zur (weitgehenden) Grundlage seiner Theorie gemacht. Er analysiert die wichtigsten Bewusstseins-Ebenen zwischen dem archaischen Bewusstsein des Säuglings und dem nondualen des Erleuchteten. Auf allen Stufen außer der nondualen spielt mehr oder weniger die Dualität von Subjekt und Objekt eine Rolle (also der Formaspekt der Wirklichkeit). Diese Dualität wird, wie der Name schon sagt, auf der höchsten Bewusstseinsebene, der nondualen, überwunden. Auf dieser Ebene realisiert der menschliche Geist die Nichtverschiedenheit von Form und Leere. Genau diese Nichtverschiedenheit aber ist das Nirvana (Form ist Leere, Leere ist Form).

Unabhängig vom Bewusstsein sind solche Einsichten nun einmal nicht zu erhalten.

Der Ausdruck „All-Bewusstsein“ korrespondiert dem „Kosmischen Bewusstsein“, das in der hinduistischen Philosophie eine gängige Kategorie ist. Gemeint ist damit „Brahman“ (Brahma-Nirvana in der Bhagavad-Gita, die Vorstufe zum eigentlichen buddhistischen Nirvana-Begriff). Es gibt absolut keinen Grund, den Brahman-Begriff mit dem Nirvana-Begriff nicht in Beziehung zu setzen, denn es geht um inhaltliche Entsprechung, und die liegt hier im großen und ganzen vor.

Gruß

Horst

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Moin,

Verglichen mit dir wirkt ein katholischer Theologe wie ein
Freigeist, der immer für unkonventionelle Gesichtspunkte offen
ist. Mit solchen Leuten kann man z.B. unbefangen darüber
debattieren, ob das „Göttliche“ personal oder nichtpersonal
ist. In vergleichbaren Debatten über buddhistische Basics
demonstrierst du dagegen gerne einen Dogmatismus, der keine
Abweichung vom Buchstaben der Lehre, nicht mal um einen
Millimeter, duldet.

Du bringst hier mal wieder einiges durcheinander. Die
buddhistische Philosophie und ihre vertreter sind sogar ein
sehr diskussionsfreudiges Völkchen. Diskutieren und
Hinterfragen gehört hier zum Programm. Um aber sinnvoll
diskutieren zu können, muss man sich über die Bedeutung von
bestimmten Wörtern einig sein. Diese werden im Buddhismus
definiert, um eine sinvolle Diskussion überhaupt erst möglich
zu machen.

Wenn du nun aber daher kommst, und beliebig Wörter aus der
buddhistischen Terminologie mit deinen eigenen persönlichen
Inhalten belegst, dann kann keine Diskussion mehr zustand
kommen, sondern dann ist das nur noch unverständliches
Gequatsche.

Samsara bedeutet nichts anderes, als den beständigen und bedingten ::Wandel, oder auch das bedingte Werden und Vergehen im endlosen ::smiley:aseinskreislauf.

Nirvana bedeutet hingegen nichts anders als „verlöschen“, also die :::Beendigung dieses Daseinskreislaufs.

Ist mir alles schon lange bekannt, dass das die gängigen
Definitionen sind (und es sollte auch dir klar sein, dass m i
r das bekannt ist).

Wenn jemand Wörter in einem völlig sinnentstellten
Zusammenhang verwendet, dann gehe ich davon aus, dass diese
Inhalte demjenigen nicht bekannt sind.

Aber dabei stehen zu bleiben, wäre so, als
bliebe man in der Atomphysik beim Bohr´schen Atommodell
stehen.

Hier bringst du mal wieder was durcheinander. Es geht hier
nicht darum, eine Diskussionsentwicklung zu verhindern,
sondern was du machst ist, das Wort „Atomphysik“ plötzlich im
Sinne von „Kunststoffchemie“ zu verwenden. Dabei kommt auch
nichts Sinnvolles heraus.

Mit „an sich“ und „für uns“ hat das überhaupt nichts zu tun und ich ::eiß auch nicht, warum du die Begriffe Nirvana und Samsara plötzlich ::mit deinen eigenen Inhalten belegen willst. Sowas stiftet doch nur ::Verwirrung.

Ich „belege“ nicht mit „eigenen Inhalten“, sondern
parallelisiere. Die An-sich- und Für-uns-Kategorien
ermöglichen eine Perspektive auf die klassischen
buddhistischen Begriffe, die westliche und östliche
Philosophie „zusammendenkbar“ erscheinen lässt.

Dieses „An-sich“ und „Für-uns“ ist zunächst erstmal deine
Eigenkreation. Grundsätzlich spricht natürlich nichts dagegen,
dass du hier deine eigenen Gedanken vertrittst, nur dadurch,
dass du dich sprachlich an Begriffen der westlichen oder
buddhistischen Philosophie anbiederst und diese auch noch
inhaltlich falsch belegst ruinierst du deine eigene
Seriosität. Das „Zusammendenken“ hingegen ist ein beliebtes
Mittel der Eso-Szene. Man mischt alles fröhlich zusammen und
pickt sich dann nach belieben das raus, was einem grad so
gefällt. Mit seriöser philosophischer Diskussion hat das gar
nichts mehr zutun.

Philosophie ist schließlich ein gedankliches Experimentierfeld
und keine religiöse Erziehungsanstalt.

Richtig. Und bei vielen dieser Experiemente kommt eben nur
Blödsinn heraus. Was ja grundsätzlich nicht schlimm ist. Wir
leben ja schließlich im Spaßzeitalter. Vielleicht bist du ja
ein Vertreter des Dadaismus? :smile:

U.a. ermöglichen die westlichen Begriffe auch, den
ursprünglichen Dualismus in der Lehre Buddhas zu überwinden,
welche bekanntlich Samsara und Nirvana als separate
„Dimensionen“ konzipierte.

Leider hast du die Begriffe Samsara und Nirvana offenbar doch
nicht verstanden. Samsara und Nirvana sind keinesfalls
„separate Dimensionen“. Das eine bedingt das andere. Keines
ist ohne das andere denkbar.

Im Mayahana-Buddhismus fand diese
Überwindung zugunsten eines Monismus (Samsara = Nirvana) ja
dann auch statt, aufgrund der Einsicht, dass sowohl Samsara
als auch Nirvana ihrem Wesen nach „Leere“ sind.

Auch das hast du nicht verstanden. Es bedeutet eben nicht
Samsara = Nirvana, sondern wie ich oben schon sagte, Samsara
und Nirvana sind ohne einander nicht denkbar. Sie sind also
untrennbar miteinander verbunden. Nur weil zwei Phänomene
ihrem Wesen nach gleich sind, sind sie noch lange nicht
identisch.

Damit wurde auch jene Definition des Samsara überwunden, die
du oben anführst.

Das ist falsch. So wie du es darstellst macht die Definition
überhaupt keinen Sinn.

In einem anderen Post an dich zitierte ich
schon Nagarjunas Dekonstruktion der Begriffe „entstehen“ und
„vergehen“. Mit der Kategorie des Wandels fällt dann auch der
Unterschied zwischen Samsara und Nirvana weg, jedenfalls auf
der ontologischen Ebene (d.h. Wie und was s i n d die Dinge?).

Auch das ist falsch. Denn nur Samsara ist der unablässige
bedingte Wandel (oder das unablässige Entstehen und Vergehen).
Nirvana ist hingegen die Befreiung daraus. Allein das müsste
dir doch eigentlich klarmachen, dass Samsara und Nirvana gar
nicht identisch sein können.

„Das Eingehen in das Nirvana ist, wie wenn ein Tropfen Wasser
im Meer versinkt.“ Das ist ein alter buddhistischer Spruch,
dessen Herkunft mir unbekannt ist. Ich denke, dass die in ihm
verwendete Metapher der von mir verwendeten sehr ähnlich ist.

Offenbar hast du hier was mit dem Hinuismus verwechselt. Im
Hinduismus Geht Atman im Brahman auf, was manche auch als
„kollektives Bewusstsein“ bezeichnet. Vom Buddhismus wird so
seine Vorstellung jedoch ausdrücklich abgelehnt.

Das Bewusstseinsparadigma besagt, dass wir als
Erkenntnismedium nun einmal nur unser Bewusstsein haben.
Wilber hat diese Einsicht zur (weitgehenden) Grundlage seiner
Theorie gemacht. Er analysiert die wichtigsten
Bewusstseins-Ebenen zwischen dem archaischen Bewusstsein des
Säuglings und dem nondualen des Erleuchteten. Auf allen Stufen
außer der nondualen spielt mehr oder weniger die Dualität von
Subjekt und Objekt eine Rolle (also der Formaspekt der
Wirklichkeit). Diese Dualität wird, wie der Name schon sagt,
auf der höchsten Bewusstseinsebene, der nondualen, überwunden.
Auf dieser Ebene realisiert der menschliche Geist die
Nichtverschiedenheit von Form und Leere.

Das ist zwar schön, dass Ken Wilber das so sieht. Aber Ken
Wilber ist nunmal kein Buddhist und hat auch nie von sich
behauptet, buddhistische Philosophie zu vertreten, sondern
vertritt im Wesentlichen seine eigenen Ansichten.

Genau diese
Nichtverschiedenheit aber ist das Nirvana (Form ist Leere,
Leere ist Form).

Das ist falsch. Nirvana bedeute nicht Form ist Leere und Leere
ist Form. Vielleicht bist du hier einfach einem
Übersetzungsfehler aufgesessen. „separat“ kann sowohl mit
„verschieden (voneinander)“, als auch „getrennt (voneinander)“
übersetzt werden. Wenn es nun heißt, dass Nirvana und Samsara
not separate sind, dann heißt das, dass sie nicht getrennt
voneinander bestehen (siehe meine Ausführungen weiter oben).
Zu behaupte, sie seien nicht verschieden voneinder im Sinne
von, sie unterscheiden sich nicht voneinander ist jedoch
falsch.

Der Ausdruck „All-Bewusstsein“ korrespondiert dem „Kosmischen
Bewusstsein“, das in der hinduistischen Philosophie eine
gängige Kategorie ist. Gemeint ist damit „Brahman“
(Brahma-Nirvana in der Bhagavad-Gita, die Vorstufe zum
eigentlichen buddhistischen Nirvana-Begriff). Es gibt absolut
keinen Grund, den Brahman-Begriff mit dem Nirvana-Begriff
nicht in Beziehung zu setzen, denn es geht um inhaltliche
Entsprechung, und die liegt hier im großen und ganzen vor.

Ja. Sehr schön, dass du es nun selbst sagst. Für die
Philosophe des Hinduismus mag das so zutreffen. Nicht
jedoch für die Philosophie des Buddhismus.

Gruß
Marion

Das Reale und die Jouissance
Hi Candide.

Die symbolische Struktur bleibt damit ungeschlossen und ermöglicht so die „irrationalen“ Effekte des Realen im Erleben des Subjekts.

Damit ist aber doch notwendig „das Reale“ als ein Effekt des Symbolischen zu verstehen … Für mich ist das eine Schlüsselfrage - gerade auch der Diskussionen zwischen uns beiden: Bringt „das Reale“ das Symbolische in Gang oder ist „das Reale“ ein Effekt des Symbolischen?

Eben beides. Und noch mehr.

Das Problem liegt, wie ich schon andeutete, in der relativen Vagheit des Begriffs des Realen, der von Lacan entwickelt und von Zizek weiterentwickelt wurde, ohne dass bisher mehr dabei herauskam als eine überaus bedeutsame Grundlegung nebst einigen sehr bedeutsamen Spezifizierungen. Nach wie vor gilt aber: das Reale ist ein Unbegreifliches, das sich „nur zeigt“. Es hat weder Substanz noch Form noch Identität, es hat gar kein Sein, sondern ist nur ein Effekt.

Und zwar ein Effekt jener Kombination von Körper, Begehren und Symbolischer Ordnung, die wir „Subjekt“ nennen.

Zugleich ist es transzendent und immanent, das durch Ausschließung Eingeschlossene – der Widerspruch par excellence.

Es ist sicher nicht abwegig, das Lacan´sche Reale mit dem Kantischen Ding-an-sich zu vergleichen, ja beide haben einen ähnlichen theorieinternen Status. Bekanntlich ist jenes Ding-an-sich unerkennbar, „affiziert“ aber unsere Sinne und bringt so erst die Konstitution der „Realität“ (sprachlich konstruierte Wirklichkeit) in Gang. Zugleich bleibt es unfasslich, so dass Realität notwendig symbolisch-imaginär verkürzt erscheint – oder mit Kant: konstruiert durch die Projektion der Anschauungsformen, Kategorien, Schemata und der „synthetischen Einheit der Apperzeption“ auf das Chaos der Sinnesdaten.

Für Lacan wie für Kant gilt also: unserem Bewusstsein sind nur Phänomene zugänglich, die kein absolutes Sein haben. Während Kant außerhalb des Bewusstseins eine Sphäre des An-sich vermutet, reduziert sich bei Lacan (meines Wissens) der Status des Realen auf eine Art „Schnittstelle“ zwischen dem Außerhalb und Innerhalb des Subjekts. Es ist die Ursache der Unterscheidung von Schein und Sein, d.h. das Subjekt erfährt die symbolisch strukturierte „Realität“ als fragwürdig aufgrund des Realen, das die Geschlossenheit der symbolischen Struktur immer wieder aufbricht, genauer: das dieser Bruch der Geschlossenheit i s t. Das Symbolisierte wird doppeldeutig und scheint zwei Dimensionen zu haben, eine evidente (Schein) und eine verborgene (Sein).

Das ist vergleichbar mit einer Theateraufführung, die beim Publikum die Illusion von Realität hervorruft, bis plötzlich ein Darsteller den Text vergisst („Einbruch des Realen“). Sofort wird die Performance als Schein durchschaut und der Unterschied zum Sein offensichtlich.

Der Regress auf dieses „Sein“ hinter dem Schein zeigt aber, dass es auch hier kein authentisches Sein gibt: denn auch die „Realität“, das wahre Leben der Schauspieler, ist imaginär-symbolisch strukturiert und voller Risse und Antagonismen, die daher rühren, dass sich das „Runde“ des Begehrens nicht zum Viereck des „Symbolischen“ quadratieren lässt.

Woraus für Lacan/Zizek folgt: es gibt kein Sein hinter dem Schein. Der Schein – das Unmögliche des Symbolisierens – produziert die Effekte des Realen, die ihrerseits den Schein wieder als Schein entlarven, ohne dass dahinter ein Sein hervortritt.

Das ist die tragikomische condition humaine. Solange der transpersonale Aspekt außen vor bleibt, natürlich. Denn erst der bringt, so meine ich, eine wirklich konstruktive Perspektive ins Spiel.

Oder könnte man es (im Sinne eines Fundierungsparadoxes) so reformulieren, dass man sagt: „das Reale“ als immer-schon-Effekt des Symbolischen bringt das Symbolische fortwährend in Gang? … ist das Begehren der Mutter nicht immer auch schon unabdingbar das Begehren der Mutter - und damit (wie jedes Begehren eines Menschen) fraglos symbolisch-imaginärer Natur?
Bitte jetzt nicht mit dem Hinweis antworten, dass Lacan selbst schon mit diesem doppelten Genitiv spielte …

Keine Sorge, dafür ist das Argument zu gehaltvoll. Natürlich ist es so, dass das Kind kontinuierlich in ein soziales Schema hineinwächst, wo es dem Begehren ausgesetzt ist, den andere an es haben (vor allem die Eltern). Deine Frage scheint zu sein, ob sich allein daraus das Begehren des Kindes konstituiert.

Innerhalb des Lacan´schen Universum wäre als Ausgangsbasis vor allem das „Ding“ (la chose) zu nennen, das Lacan in den 50s einführte, aber nicht übermäßig oft verwendete. Der Begriff ist, wie auch das Reale, bei Lacan wenig konturiert, verweist aber allerhöchstwahrscheinlich auf die ursprüngliche Mutter-Kind-Einheit während der Schwangerschaft. Das Zerreißen dieser Einheit durch die Geburt löst eine unbewusste Sehnsucht nach Wiederherstellung aus, die natürlich unmöglich ist, aber unablässig versucht wird (zunächst als imaginärer Anspruch, dann postödipal als Begehren, das auf das objet a zielt).

Auf jeden Fall sieht es so aus, als lägen die Anfänge des Begehrens nicht im Begehren der Mutter auf der Ebene der Mutter-Kind-Dyade, sondern der viel ursprünglicheren Mutter-Kind-Einheit.

Womit das „Objekt“ des Begehrens in einer Sehnsucht nach Einheit/Ganzheit fundiert wäre und nicht nach einem externen Objekt. Die Transpersonale Psychologie interpretiert eine solchen (natürlich unbewusste) Sehnsucht als präpersonale Variante des transpersonalen Strebens nach spiritueller Einheit/Ganzheit (d.h. Überwindung aller Dualismen).

Um auf das Reale zurückzukommen: Begehren / jouissance / das Reale scheinen eine festverbundene Kategoriengruppe zu bilden, wobei der mittlere Begriff die äußeren vermittelt. Begehren führt zu jouissance, der temporären Aufhebung der Subjektspaltung in z.B. der Ekstase, worin sich aber das Reale manifestiert.

Ich will das jetzt mal für heute so stehen lassen. Du wirst sicher ein paar inspirierende Gedanken zu dem Thema beisteuern.

Die Form, in der diese Wirklichkeit individuell erfahren wurde und wird, ist natürlich immer auch von symbolisch-imäginären Strukturen im Subjekt mitbestimmt.

Ok, dieses Argument kenne ich beispielsweise auch von Wilber schon. Es überzeugt mich einfach nicht, weil es eine Art Form-Inhalt-Dualismus voraussetzt, der nicht weiter begründet wird.

Dieser Dualismus ist ein empirischer, kein konstruierter. Es gibt auch in höheren Bewusstseinszuständen spezifische „Objekte“, erst im höchsten, dem nondualen, kommt es zur Aufhebung des Dualismus, der Durchdringung von Form und Leere. Ich gehe genauer ein andermal darauf ein, da dieses Thema die Referenz auf sehr spezielle Quellen (mystische Literatur) erfordert.

Anders gesagt: Wenn unhintergehbar ist, dass ich ein „Transzendenzerlebnis“ nur in symbolisch strukturierten „Anschauungsformen“ (unkantisch gemeint!) erleben und berichten kann, warum muss ich mich dann darauf versteifen, dass ein letztlich unbestimmbarer „Inhalt“ dahintersteht, der diesen „Formen“ vorgelagert ist?

In den symbolisch-imaginären Szenen der subtilen Erfahrung (wie z.B. in Teresas mit christlichen Metaphern durchsetzter Vision) manifestiert sich formlose Energie. Form und „Inhalt“ (die Energie) sind nicht getrennt zu denken, sie sind identisch. Da aber besagte „Energie“ universal ist (sie ist überall und immer, also unbegrenzt), fundiert sie alle singulären Formen.

Was heißt, dass es keine singulären Identitäten gibt. Und was heißt, dass alle Formen von einer Energie „geformt“ sind. Da es nun keine Identitäten gibt, gibt es keine Essenz, kein Wesen, keine Substanz der einzelnen Form (kein „Selbstsein“ der Dinge). Das meint die buddhistische Formel „Form ist Leere, Leere ist Form“.

Mit „Leere“ ist dabei nur das Nichtsein von Identität, Wesen, Substanz gemeint. Nicht aber ein Nichts.

Mal anders akzentuiert, damit ich das vielleicht verstehen kann: Was beispielsweise an einer LSD-Erfahrung weist denn mehr über den „Rahmen des Symbolischen und Imaginären“ hinaus als eine Erfahrung des Alltagslebens?

Das kommt auf die LSD-Erfahrung an. Manche realisieren auf diese Weise ein „Kosmisches Bewusstsein“, andere nicht. Ich hatte das Glück, mehrmals auf diese Ebene zu gelangen. Es ist eine temporäre Aufhebung der subjektinteren Spaltung mit dem Effekt einer unglaublichen jouissance.

Bis demnächst

Horst

Lieber Horst!

Für mich ist das eine Schlüsselfrage - gerade auch der Diskussionen zwischen uns beiden: Bringt „das Reale“ das Symbolische in Gang oder ist „das Reale“ ein Effekt des Symbolischen?

Das Problem liegt, wie ich schon andeutete, in der relativen
Vagheit des Begriffs des Realen … das Reale ist ein
Unbegreifliches, das sich „nur zeigt“.
Es hat weder Substanz noch Form noch Identität, es hat gar
kein Sein, sondern ist nur ein Effekt.

Und zwar ein Effekt jener Kombination von Körper, Begehren und
Symbolischer Ordnung, die wir „Subjekt“ nennen.

Abgesehen davon, dass es mir grundsätzlich schwerfällt, ein „Reales, das kein Sein hat“ zu verstehen, sehe ich obigens ähnlich.

Zugleich ist es transzendent und immanent, das durch
Ausschließung Eingeschlossene – der Widerspruch par
excellence.

das finde ich recht treffend formuliert.

Das ist vergleichbar mit einer Theateraufführung, die beim
Publikum die Illusion von Realität hervorruft, bis plötzlich
ein Darsteller den Text vergisst („Einbruch des Realen“).
Sofort wird die Performance als Schein durchschaut und der
Unterschied zum Sein offensichtlich.

Ist klar.

Wobei dem Publikum nie vollständig klar sein kann, inwieweit dieses Vergessen des Textes nicht selbst Teil der Darstellung ist, anders gesagt: inwieweit dieser „Einbruch des Realen“ nicht selbst ein Element der inszenierten „Realität“ ist …

Der Schein – das Unmögliche des Symbolisierens –
produziert die Effekte des Realen, die ihrerseits den Schein
wieder als Schein entlarven, ohne dass dahinter ein Sein
hervortritt.

ok

Keine Sorge, dafür ist das Argument zu gehaltvoll. Natürlich
ist es so, dass das Kind kontinuierlich in ein soziales Schema
hineinwächst, wo es dem Begehren ausgesetzt ist, den andere an
es haben (vor allem die Eltern). Deine Frage scheint zu sein,
ob sich allein daraus das Begehren des Kindes konstituiert.

„soziales Schema“ und „Mutter“ sind zwei Paar Stiefel, sonst brächte die psychoanalytische Perspektive auch keinen Erkenntnisgewinn.

Zum zweiten ist die Frage nicht direkt, ob des Kindes Begehren der Mutter dadurch allein konstituiert ist, sondern es geht mir um diesen Übergang zwischen dem Begehren der Mutter und des Kindes Begehren der Mutter.

Innerhalb des Lacan´schen Universum wäre als Ausgangsbasis vor
allem das „Ding“ (la chose) zu nennen, das Lacan in den 50s
einführte, aber nicht übermäßig oft verwendete. Der Begriff
ist, wie auch das Reale, bei Lacan wenig konturiert, verweist
aber allerhöchstwahrscheinlich auf die ursprüngliche
Mutter-Kind-Einheit während der Schwangerschaft. Das Zerreißen
dieser Einheit durch die Geburt löst eine unbewusste Sehnsucht
nach Wiederherstellung aus, die natürlich unmöglich ist, aber
unablässig versucht wird (zunächst als imaginärer Anspruch,
dann postödipal als Begehren, das auf das objet a zielt).

Das ist der Punkt.
Mit welchem Recht kann Lacan eine „ursprüngliche Einheit“ annehmen (und darauf basiert auch sein zentraler Begriff der jouissance, auf dem wiederum alles weitere zu basieren scheint), die quasi als verloren gegangene der Motor der Geschichte (des Individuums) ist?

Empirisch ist das sicherlich vollkommen uneinholbar.
Es ist für mein Empfinden - bloße Spekulation, ein Stück Theologie.

Um auf das Reale zurückzukommen: Begehren / jouissance / das
Reale scheinen eine festverbundene Kategoriengruppe zu bilden,
wobei der mittlere Begriff die äußeren vermittelt. Begehren
führt zu jouissance, der temporären Aufhebung der
Subjektspaltung in z.B. der Ekstase, worin sich aber das Reale
manifestiert.

Richtig.
Und über diesen zentralen Begriff der jouissance diffundiert diese Spekulation der ‚ursprünglichen und verlorenen Einheit‘ überall hin: in die Differenzierung Reales/Symbolisches/Imaginäres, in die ödipale Struktur, bis hinein in die Behandlungstechnik des institutionalisierten Lacanismus, wo der Analytiker auf von ihm empfundene „parole vide“ einfach nur mit Schweigen reagiert, oder die Analysestunde abbricht (die berühmte Lacansche „variable Sitzungsdauer“).
Und auch bis hinein in konkrete gesellschaftspolitische Diskussionen, wo führende Lacansche Analytiker (darunter J.-A. Miller himself) gegen die Legalisierung der Schwulenehe einbrachten, darin würde die „Mutter“ fehlen - und zwar Mutter in diesem großen spekulativen obigen Sinn.

Die Form, in der diese Wirklichkeit individuell erfahren wurde und wird, ist natürlich immer auch von symbolisch-imäginären Strukturen im Subjekt mitbestimmt.

Ok, dieses Argument kenne ich beispielsweise auch von Wilber schon. Es überzeugt mich einfach nicht, weil es eine Art Form-Inhalt-Dualismus voraussetzt, der nicht weiter begründet wird.

Dieser Dualismus ist ein empirischer, kein konstruierter. Es
gibt auch in höheren Bewusstseinszuständen spezifische
„Objekte“, erst im höchsten, dem nondualen, kommt es zur
Aufhebung des Dualismus, der Durchdringung von Form und Leere.

Was ist daran „empirisch“?

Anders gesagt: Wenn unhintergehbar ist, dass ich ein „Transzendenzerlebnis“ nur in symbolisch strukturierten „Anschauungsformen“ (unkantisch gemeint!) erleben und berichten kann, warum muss ich mich dann darauf versteifen, dass ein letztlich unbestimmbarer „Inhalt“ dahintersteht, der diesen „Formen“ vorgelagert ist?

In den symbolisch-imaginären Szenen der subtilen Erfahrung
(wie z.B. in Teresas mit christlichen Metaphern durchsetzter
Vision) manifestiert sich formlose Energie. Form und „Inhalt“
(die Energie) sind nicht getrennt zu denken, sie sind
identisch. Da aber besagte „Energie“ universal ist (sie ist
überall und immer, also unbegrenzt), fundiert sie alle
singulären Formen.

Das klingt jetzt aber, mit Verlaub, nicht sehr wissenschaftlich …

Was heißt, dass es keine singulären Identitäten gibt. Und was
heißt, dass alle Formen von einer Energie „geformt“ sind. Da
es nun keine Identitäten gibt, gibt es keine Essenz, kein
Wesen, keine Substanz der einzelnen Form (kein „Selbstsein“
der Dinge). Das meint die buddhistische Formel „Form ist
Leere, Leere ist Form“.

Was unterscheidet denn diese „universale Energie“ von beispielsweise Schopenhauers „Wille“, der der Welt der Vorstellungen zu Grunde liegt?

Andere Fragen: zu welchem Erkenntnisgewinn sollte man die annehmen?
Und womit lässt sich diese Annahme begründen außer - durch eine weitere Annahme?

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Hi Powenz.

Er hat sich offensichtlich nur einer bestimmten Richtung abgewendet, die mit seiner aktuellen Theorie nicht übereinstimmt. Ich gehe das entsprechende Interview mal durch und melde mich dann hier wieder.

Gruß

Horst

Die Sache mit dem Ding
Hi Candide.

Zugleich ist es transzendent und immanent, das durch Ausschließung Eingeschlossene – der Widerspruch par excellence.

das finde ich recht treffend formuliert.

Ich gebe das Kompliment an Zizek weiter (übrigens „Jijeck“ gesprochen, wie das „j“ in frz. „je“). Das sagte mir ein kroatischer Kumpel, dessen Tante (Dozentin an Uni Zagreb) angeblich (den Slowenen) Zizek persönlich kennt.

„Das Ding“ ist, wie auch das Reale, bei Lacan wenig konturiert, verweist aber allerhöchstwahrscheinlich auf die ursprüngliche Mutter-Kind-Einheit während der Schwangerschaft.

Mit welchem Recht kann Lacan eine „ursprüngliche Einheit“ annehmen (und darauf basiert auch sein zentraler Begriff der jouissance, auf dem wiederum alles weitere zu basieren scheint), die quasi als verloren gegangene der Motor der Geschichte (des Individuums) ist?

Jene hypothetische Interpretation des Dings beziehe ich aus Alain Juranvilles empfehlenswerter Lacan-Darstellung („Lacan und die Philosophie“), die ich leider seit längerem nicht mehr eingesehen habe. Sie scheint mir aber plausibel, denn dass das Kind wichtige pränatale Erfahrungen macht, ist eine Standardhypothese in der pränatalen Forschung (siehe auch Stan Grof) und weitgehend anerkannt. Es gibt keine Notwendigkeit, davon auszugehen, dass das psychoanalytisch relevante Mutter-Kind-Verhältnis erst postnatal beginnt.

Ding und objet a sind weitgehend deckungsgleiche Begriffe (sinngemäß etwa „irreduzibel verlorenes Urobjekt“), denn sie bedeuten das, auf das das Begehren geht, ohne aber symbolisierbar zu sein, und das deswegen die permanente Jagd nach (imaginär konstruierten) Ersatzobjekten verursacht.

Hier ein paar Lacan-Zitate zum Thema.

„Das Ding ist das Element, das im Ursprung durch das Subjekt isoliert wird in seiner Erfahrung des Nebenmenschen als eines von Natur aus Fremden.“ (Sem VII/66)

„Der Unterschied zwischen dem Ding und dem Objekt ist also zunächst der, dass das Ding fundamental fremd ist, vom Objekt jedoch erwartet wird, dass man es wiederfinden könne. Das Ding als Fremdes, gelegentlich sogar Feindliches, jedenfalls als das erste Außen, ist das, woran sich der ganze Weg des Subjekts orientiert. Es ist ohne jeden Zweifel ein Weg der Kontrolle, der Referenz, im Verhältnis wozu? - zur Welt seiner Begehren.“ (Sem VII/66 f.)

„Das Ding ist ursprünglich, was wir das Signfikats-Außerhalb nennen möchten. Als Funktion dieses Signifikats-Außerhalb und in einem pathetischen Verhältnis zu ihm bewahrt das Subjekt seine Distanz und konstituiert sich in einer Art Verhältnis oder Primäraffekt, der aller Verdrängung vorausgeht.“ (Sem VII/69)

(Das Subjektsein ist also in der Urverdrängung des Dings fundiert, aus der sich dann alle weiteren Verdrängungen ableiten. „Das Wort ist der Tod des Dings“ - schreibt Lacan irgendwo. Was heißt, dass das Ding durch die Signifikanten verdrängt wird, die für Lacan bekanntlich ein „Loch im Realen“ sind - H.Tr.)

„Das Ding, das ist, was - logisch und gleichzeitig chronologisch am Ausgangspunkt der Organisation der Welt im Psychismus - sich darstellt und abhebt als der fremde Term (…). Und um dieses Ding dreht sich der gesamte Fortschritt der Anpassung, der so besonders ist beim Menschen, weil der symbolische Prozeß sich als unentwirrbar in ihn eingewirkt zeigt.“ (Sem VII/73 f.)

Und aus:

http://www.lacan.com/seminars1b.htm

„Objet a is the placenta, l’hommelette, and even the breast tied to the subject and detached from the mother.“

„… das Ding is the object of desire. It is the lost object which must be continually looked for, the unforgettable Other, the forbidden object of incestuous desire, the s. The Thing appears to the subject as the Supreme Good, but if the subject transgresses the pleasure principle and attains it, it is experienced as suffering or/and evil because the subject „cannot stand the extreme good that das Ding may bring on him.“ It would seem then fortunately that the Thing is usually inaccessible.“

Da aber besagte „Energie“ universal ist (sie ist überall und immer, also unbegrenzt), fundiert sie alle singulären Formen.

Das klingt jetzt aber, mit Verlaub, nicht sehr wissenschaftlich …

Es ist eine terminologisch improvisierte Variante des idealistischen Monismus. Wissenschaftlich (im Sinne der NaWi, um die es oben natürlich nicht geht) ist das Bild von der allesformenden Energie insofern, als die Physik genau darauf gründet („Materie“ = Energie, d.h. es gibt nur Energie, und aus ihr bestehen alle „materiellen“ Formen und Prozesse). Da ist es nur logisch, auch das Mentale als „Energiedimension“ zu betrachten, deren Formen auf ein universales, monistisches Prinzip zurückgehen, das letztlich auch die schein-„materielle“ Dimension umfasst. Mentale und physikalische Energien bilden also ein Kontinuum. Mystisch orientierte Wissenschaftler wie Max Planck, Heisenberg und von Weizsäcker, um nur ein paar zu nennen, würden das sicherlich unterschreiben, wenn auch vielleicht glücklicher formulieren.

Da es nun keine Identitäten gibt, gibt es keine Essenz, kein Wesen, keine Substanz der einzelnen Form (kein „Selbstsein“ der Dinge). Das meint die buddhistische Formel „Form ist Leere, Leere ist Form“.

Was unterscheidet denn diese „universale Energie“ von beispielsweise Schopenhauers „Wille“, der der Welt der Vorstellungen zu Grunde liegt?

Ich würde das vor allem mit Konzepten aus der philosophischen Mystik in Verbindung bringen wie Vedanta und Plotins Monismus. Natürlich ist das auch nahe an Schopenhauers fernöstlich inspiriertem Modell, das ich für mich erst wieder „auffrischen“ müsste, um Unterschiede aufzuzeigen, die es sicher gibt.

Andere Fragen: zu welchem Erkenntnisgewinn sollte man die annehmen?

Ein Erkenntnisgewinn zeigt sich z.B. bei Wilbers Theorie, die ein Kontinuum aller empirisch bekannten Bewusstseinsebenen konstruiert. So zeigt sich, was der menschliche Geist wirklich ist - eine Erscheinungsform einer universellen Energie. Auf jeder dieser Ebene unterhält das Subjekt spezifische Objektbeziehungen, außer auf der obersten, nondualen.

Und womit lässt sich diese Annahme begründen außer - durch eine weitere Annahme?

Die Mystik gründet nicht auf Annahmen, sondern Erfahrungen, die nachträglich in Aussagensystemen artikuliert werden. Nachvollziehbar ist das in letzter Konsequenz nur durch das empirische Experiment, der sich der/die einzelne unterziehen kann/sollte. Und dafür bedarf es - darauf weist z.B. Francisco Varela hin (in „Gespräche über Bewusstsein“, hrg. von Susan Blackmore) - spezieller und ausgeklügelter geistiger Methoden, wie sie z.B. in der buddhistischen Tradition erarbeitet wurden (Varela nennt primär dieses Beispiel).

Sri Aurobindo, der vielleicht bedeutendste indische Philosoph des 20. Jhd., schrieb:

„Der gewöhnliche Mensch lebt in seinem Verstand und in seinen Sinnen, welche von einer Welt berührt werden, die außerhalb von ihm selbst liegt, außerhalb seines Bewusstseins. Wenn das Bewusstsein feiner wird, fängt es an, auf direktere Weise mit Dingen in Kontakt zu treten, nicht nur mit ihren Formen und ihren äußeren Einflüssen, sondern mit dem, was in ihnen ist; doch kann das Spektrum auch dann noch eng sein. Das Bewusstsein kann noch umfassender werden. Dabei tritt es zunächst mit einem ganzen Universum von Dingen in der Welt in Kontakt, nimmt diese später in sich auf - so wie man sagt, man sehe die Welt in sich selbst - und identifiziert sich in gewisser Weise damit. Alle Dinge in sich selbst zu sehen und und sich selbst in allen Dingen … das ist Bewegung zum Einen hin.“

Zitat Ende.

Auch hier die für das Mystische typische, die dualistische Sprachstruktur transzendierende Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung.

Gruß

Horst

Nur Distanzierung von anderen Richtungen
Hi Powenz.

Die Distanzierung Wilbers von der TP betrifft lediglich spezielle amerikanische Richtungen, die er im Interview als „magic-mythic group“, „altered states group“ und „postmodern group“ bezeichnet und mit deren Programm er sich nicht vollständig identifizieren kann, was ihn veranlasst, seine eigene Theorie außerhalb des Begriffs der Transpersonalen Psychologie anzusiedeln. Wilbers Theorie ist ohnehin schon längst „philosophisch“ zu nennen. Es geht ihm bei der Distanzierung also darum, nicht mit den anderen Richtungen verwechselt zu werden.

Interview-Ausschnitt:

„Shambhala: But the integral school is the one that you are now associated with, and you are saying that it is not really a part of transpersonal.

KW: That’s right. In my opinion, Integral Psychology is more inclusive than any of the traditional schools of Transpersonal Psychology, which is why it is no longer affiliated with the transpersonal movement. We usually don’t even refer to it as a „psychology,“ but simply the integral approach, since it is basically „all quadrants, all levels, all lines, all states, etc.“ and that reaches beyond any form of psychology.“

Von seiner eigenen Theorie hat er sich natürlich in keinster Weise verabschiedet.

Gruß
Horst

Lieber Horst!

„Das Ding“ ist, wie auch das Reale, bei Lacan wenig konturiert, verweist aber allerhöchstwahrscheinlich auf die ursprüngliche Mutter-Kind-Einheit während der Schwangerschaft.

Mit welchem Recht kann Lacan eine „ursprüngliche Einheit“ annehmen (und darauf basiert auch sein zentraler Begriff der jouissance, auf dem wiederum alles weitere zu basieren scheint), die quasi als verloren gegangene der Motor der Geschichte (des Individuums) ist?

Jene hypothetische Interpretation des Dings beziehe ich aus
Alain Juranvilles empfehlenswerter Lacan-Darstellung („Lacan
und die Philosophie“), die ich leider seit längerem nicht mehr
eingesehen habe. Sie scheint mir aber plausibel, denn dass das
Kind wichtige pränatale Erfahrungen macht, ist eine
Standardhypothese in der pränatalen Forschung (siehe auch Stan
Grof) und weitgehend anerkannt. Es gibt keine Notwendigkeit,
davon auszugehen, dass das psychoanalytisch relevante
Mutter-Kind-Verhältnis erst postnatal beginnt.

Das ist schon klar.

Es gibt aber auch keinen Grund, pränatal eine ursprüngliche Mutter-Kind-Einheit anzunehmen. Es gibt da ja auch im biologischen Diskurs entsprechende Modelle einer sich-selbst-organisierenden Plazenta, die Mutter und Kind von Anfang an trennt.

Ich denke daher, es gibt keinen Weg, diesen zentralen Gedanken Lacans von der „ursprünglichen, dann verlorenen Mutter-Kind-Einheit“ empirisch zu belegen, weil man immer wieder Differenz findet - da kann man so weit zurückgehen wie man will. Sowohl auf biologischer wie auf psychologischer Ebene.

Da aber besagte „Energie“ universal ist (sie ist überall und immer, also unbegrenzt), fundiert sie alle singulären Formen.

Das klingt jetzt aber, mit Verlaub, nicht sehr wissenschaftlich …

Es ist eine terminologisch improvisierte Variante des
idealistischen Monismus.

ok

Andere Fragen: zu welchem Erkenntnisgewinn sollte man die annehmen?

Ein Erkenntnisgewinn zeigt sich z.B. bei Wilbers Theorie, die
ein Kontinuum aller empirisch bekannten Bewusstseinsebenen
konstruiert. So zeigt sich, was der menschliche Geist wirklich
ist - eine Erscheinungsform einer universellen Energie.

Wenn diese „universelle Energie“ eine universelle ist, dann ist per definitionem alles eine Erscheinungsform von ihr, nicht nur der menschliche Geist. Entsprechend bestehen überall Kontinua, und ‚überall‘ heißt: auch dort, wo empirisch Differenzen zu erkennen sind, bestehen „in Wirklichkeit“ Kontinua …

Das alles will ich nicht bestreiten oder gar ‚widerlegen‘, ich frage mich aber einfach schlicht, worin der Erkenntnisgewinn besteht, wenn allen erfahrbaren differenzierten (Erscheinungs)formen ein ‚All-Eines‘ unterlegt wird; ob das nun „universelle Energie“ genannt wird oder „Geist“ oder „Atom“, das ist mir dann egal.

Für mein Empfinden wird mit diesen „spekulativen Gedanken“ einer Fülle von Einzelheiten einfach eine narrative/logische Einheitlichkeit verliehen, die aber für die weitere Erkenntnis dieser Einzelheiten nichts wesentliches beitragen kann.

Anders gesagt: Ich rechne es dieser Linie Leary-Grof-Wilber hoch an, etwa Drogenerfahrungen nicht einfach als pathologisches/fehlerhaftes Funktionieren des Bewusstseins oder Gehirns abgetan zu haben, sondern fruchtbar gemacht zu haben für ein angemesseneres Verständnis des Bewusstseins/Gehirns. Das halte ich für einen großen Erkenntnisgewinn und auch für wissenschaftlich relevant.

Was es mir dann aber bringt, wenn man in diesen Bereichen von „universeller Energie“ oder „kosmischer Einheit“ und in dergleichen spekulativen Begrifflichkeiten spricht, das wird mir nicht klar. M.E. verdunkelt dies weit mehr als es bringt.

Naja, das wäre ein Thema für einen eigenen Thread.

Und womit lässt sich diese Annahme begründen außer - durch eine weitere Annahme?

Die Mystik gründet nicht auf Annahmen, sondern Erfahrungen,
die nachträglich in Aussagensystemen artikuliert werden.

Das ist das Schema der „Mystik“, richtig.
Dabei müsste dieses Schema aber zwangsläufig wiederum die überaus gewagte Annahme begründen, weshalb es Erfahrungen voraussetzen kann, die nicht bereits auf Begriffen und ‚Aussagesystemen‘ beruhen.

Als Mystik kann dies begründungslos geschehen, wenn sie aber Anschluss an die Philosophie sucht (und das sollte sie für mein Empfinden, weil das für beide Seiten ein Gewinn ist), dann kann sie sich diesem Begründungszwang nicht entziehen, weil dieser quasi die oberste Spielregel der Philosophie ist.

_ ℂ Λ ℕ Ð I Ð € _

Danke für deine Mühe owT
!

Der X-Faktor - Sprache und Mystik
Hi Candide.

Ich nehme deine Anregung für ein neues Frage-Post auf, was das ontologische Thema betrifft. Die entsprechenden Passagen im hiesigen Post sind nur ein Vorgeschmack darauf, und ich schlage vor, dass wir den Punkt im neuen Thread weiterdiskutieren. Heb´ dir also deine Munition vielleicht noch zwei oder drei Tage auf :smile:, bis ich den Parcours durch die Geschichte philosophischer Letztbegründungen (unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Mystik dabei) gepostet habe.

Es gibt keine Notwendigkeit, davon auszugehen, dass das psychoanalytisch relevante Mutter-Kind-Verhältnis erst postnatal beginnt.

Es gibt aber auch keinen Grund, pränatal eine ursprüngliche Mutter-Kind-Einheit anzunehmen. Es gibt da ja auch im biologischen Diskurs entsprechende Modelle einer sich-selbst-organisierenden Plazenta, die Mutter und Kind von Anfang an trennt.

Sofern man überhaupt den Begriff jener Mutter-Kind-Einheit in Betracht zieht, kann sicher nur von einer relativen Einheit im Sinne von „Verschmelzung“ o.ä. die Rede sein. Dass von Beginn der Schwangerschaft an eine grundsätzliche Differenz gegeben ist, versteht sich. Die hypothetische Sehnsucht nach diesem Zustand kann aber als Verlangen nach vollkommener Einheit interpretiert werden, etwa in dem Sinne, wie zwei romantisch sich Liebende miteinander „verschmelzen“ wollen. Es geht um das pränatale „verlorene Paradies“ des nährenden und schützenden Mutterleibs, das auch das unbewusste Ziel jener zu sein scheint, die bei bewusstseinsmindernden Drogen wie Alkohol und Heroin ihr Glück suchen. Es geht also nicht um faktische, sondern um ersehnte „Einheit“ mit bzw. Komplettabsorption durch das begehrte Objekt (Mutterleib).

Ein Erkenntnisgewinn zeigt sich z.B. bei Wilbers Theorie, die ein Kontinuum aller empirisch bekannten Bewusstseinsebenen konstruiert. So zeigt sich, was der menschliche Geist wirklich ist - eine Erscheinungsform einer universellen Energie.

Wenn diese „universelle Energie“ eine universelle ist, dann ist per definitionem alles eine Erscheinungsform von ihr, nicht nur der menschliche Geist.

Was ich auch zum Ausdruck gebracht hatte, denn das ist ja der Kerngedanke mystischer Philosophie in Ost und West (auch des Deutschen Idealismus, der in hohem Maße von Mystik inspiriert wurde).

Entsprechend bestehen überall Kontinua, und ‚überall‘ heißt: auch dort, wo empirisch Differenzen zu erkennen sind, bestehen „in Wirklichkeit“ Kontinua …

Das hatte ich so nicht gesagt. „Kontinuum“ bezog ich nur auf die Wilber´schen Bewusstseinsebenen mit dem Sinn, dass sich zwischen diesen Ebenen fließende Übergänge denken lassen, zumal die Ebenen nicht „an sich“ bestehen, sondern emergierende mentale Zustände sind, von denen der „alltägliche“ und sprachstrukturierte, also formal-reflexive, der prinzipielle Dauerzustand ist (der aber nach unten - Regression - und oben - Bewusstseinserweiterung - temporär verlassen werden kann).

… ich frage mich aber einfach schlicht, worin der Erkenntnisgewinn besteht, wenn allen erfahrbaren differenzierten (Erscheinungs)formen ein ‚All-Eines‘ unterlegt wird; ob das nun „universelle Energie“ genannt wird oder „Geist“ oder „Atom“, das ist mir dann egal.

Hier muss ich ein grundsätzliches Problem ansprechen. Es gibt einfach keinen oder fast keinen zufriedenstellenden Ausdruck (Signifikanten) für dieses alles bedingende und alles umfassende X. Den buddhistischen Begriff „Shunyata“ aus der Mahayana-Schule halte ich unter allen Möglichkeiten für das beste, was auf dem Markt ist. Er besagt „Leere (von allen gedanklichen Konzepten)“. Auch der hinduistische Brahman-Begriff gibt viel her, der ebenfalls als eigenschaftslos (also unbeschreibbar) definiert wird. Es sind diese beiden Begriffe eben Signifikanten für das Unsagbare, das dem Erscheinenden transzendent u n d immament ist.

Die westlichen Begriffe sind mit Vorsicht zu genießen. „Das Eine“ (Hen), der Plotin´sche Begriff, signifiziert die Quelle jenseits von Raum und Zeit, der alles Formhafte entstammt. Er betont das Scheinhafte der Differenzen, legt aber irreführend nahe, dass dieses Hen nur ein Einheitsbrei ist, was absurd ist. Bekanntlich lästerte Hegel eineinhalb Jahrtausende später über Schelling, dass dessen Absolutes nur „die Nacht“ sei, in der „alle Kühe schwarz sind“. Aus solchem undifferenzierten Identitätsdenken sei keine logische Ableitung der Vielfalt zu konstruieren.

Hegel fundierte alles Erscheinende in der „Negativität“, die das Wesen des Wirklichen sei. Das ist ein interessanter Ansatz, der Differenz und Identität zusammendenkt, von „höherer“ dialektischer Warte aus. Das Wirkliche ist dementsprechend die „Identität“ von „Identität“ und „Differenz“. Die Spaltung in Differenzen bleibt so dem Wirklichen irreduzibel eingeschrieben. Im Rahmen des Sprachlogischen kann man das X kaum plausibler kennzeichnen. Nur Nagarjuna ging noch weiter in der dialektischen Fundierung des sprachlich nicht Fundierbaren.

Was es mir dann aber bringt, wenn man in diesen Bereichen von „universeller Energie“ oder „kosmischer Einheit“ und in dergleichen spekulativen Begrifflichkeiten spricht, das wird mir nicht klar. M.E. verdunkelt dies weit mehr als es bringt.

Ich schrieb nirgendwo „kosmische Einheit“, das würde ich nie so formulieren, aus Gründen, die ich zuvor nannte. Auch das mit der „Energie“ ist nur ein provisorischer und philosophisch unergiebiger Begriff, einfach deswegen, weil er heutzutage, anders als zu Aristoteles´ Zeiten, physikalisch konnotiert ist und jeder, der von Wechselstrom und Atomenergie usw. gehört hat, sich dann so etwas dabei vorstellt.

Um das alles bedingende X zu benennen, bedarf es also eines Ausdrucks, der keine positiven, also irgendwie anschaulichen Konnotationen hat - und das leistet „Shunyata“ ziemlich gut.

Die Mystik gründet nicht auf Annahmen, sondern Erfahrungen, die nachträglich in Aussagensystemen artikuliert werden.

Dabei müsste dieses Schema aber zwangsläufig wiederum die überaus gewagte Annahme begründen, weshalb es Erfahrungen voraussetzen kann, die nicht bereits auf Begriffen und ‚Aussagesystemen‘ beruhen.
Als Mystik kann dies begründungslos geschehen, wenn sie aber Anschluss an die Philosophie sucht (und das sollte sie für mein Empfinden, weil das für beide Seiten ein Gewinn ist), dann kann sie sich diesem Begründungszwang nicht entziehen, weil dieser quasi die oberste Spielregel der Philosophie ist.

Die Mystik hat, wie gesagt, schon lange „Anschluss“ an die Philosophie, genau genommen sind sie wie Geschwister, die manchmal gemeinsame und manchmal getrennte Wege gingen. Man kann Anaximander, Heraklit, Parmenides und vor allem Plotin als Mystiker bezeichnen, die die Philosophie nachhaltig prägten. All die „Gott“- und „das Gute“-Gedanken von Aristoteles und Platon hatten latente mystische Wurzeln. Platon hatte bei den Eleusinischen Mysterien vermutlich Mutterkorn konsumiert (also LSD), wie auch Marc Aurel. Über den Mystiker Plotin (nach eigener Aussage 4 Erleuchtungserfahrungen) wurde der Deutsche Idealismus inspiriert. Christliche Philosophen wie Eckhart und Nikolaus von Kues („coincidentia oppositorum“) dachten in un-christlichen mystischen Kategorien. Spinozas Lehre ist ein seltsames Gemisch aus Mystik und Geometrie, sozusagen „gefrorene Mystik“. Die Leibniz´sche Monade erinnert wiederum stark an die asiatische mystische Lehre von „Indras Netz“, in dem alles Einzelne das Gesamte widerspiegelt bzw. analog „enthält“ (siehe auch Foucaults Ausführungen über das mittelalterliche Analogiedenken z.B. bei Paracelsus). Das Christentum selbst ist eine bedauerliche Pervertierung der Mystik (Personalisierung des „X“). Selbst Kant - der erklärte Gegner des Mystischen - dachte noch in mystischen Kategorien (die unerkennbare Sphäre an-sich). Dann kamen u.a. Fichte, Schelling, Hegel, Schopenhauer, Eduard v. Hartmann, Bradley, Bergson (der Deleuze beeinflusste), Whitehead, Heidegger, Aldous Huxley und heute eben Wilber als Fortsetzer der philosophisch-mystischen Tradition post-Kant.

Und was das „Begründen“ betrifft:

Letztbegründungen sind in der Postmoderne (die es eigentlich gar nicht gibt, da die Moderne anhält) nicht mehr en vogue. Sie sind auch gar nicht möglich in dem Sinne einer wirklichen rundum logisch überzeugenden, d.h. zwingend logischen Fundierung der empirischen Welt. Das liegt eben daran, dass das absolute X (sofern man eines zugrunde legt) sprachlich nicht beschreibbar ist (wir kommen immer wieder auf diesen Punkt zurück). Dieses X ist das „Ganz Andere“, das zugleich transzendent und immanent ist.

Genau da liegen die Grenzen der Sprache, die ich in diesem Thread thematisiere.

Rein intellektuell lassen sich mystische Philosophien also nicht fundieren („begründen“). Das lehrt uns die Geistesgeschichte. Wir müssen die Grenze des Sprachlichen akzeptieren und einen Schritt weitergehen, nämlich das in die westliche Philosophie integrieren, was die östlichen Lehren vermitteln: den p r a k t i s c h e n Zugang zur Transzendenz als Ergänzung des Theoretischen. Eine bunte Palette an Möglichkeiten gibt es ja.

Die strukturalistische Lehre von der Differentialität des Sprachlichen weist zudem darauf hin, dass es keinen (sprachlichen) Signifikanten geben k a n n, der alle anderen fundiert. Alle Signifikanten bestimmen sich wechselseitig, so dass ein gewisses signifikatives Vakuum nie zu eliminieren ist. Jede Definition enthält Begriffe, die wieder definiert werden müssen, letztlich auch durch den zu definierenden Begriff, was in die Zirkularität mündet (das bekannte „Kein Außerhalb des Textes“).

Versucht man doch eine Fundierung und setzt einen positiv bestimmten Signifikanten als Fundament (oberster Herrensignifikant), produziert man systeminterne Widersprüche (Antagonismen). Die christliche Gotteslehre ist das materialhaltigste Beispiel dafür.

Womit sich sinnvolle Letztbegründungen also als unmöglich erweisen.
Dazu aber mehr in einem neuen Thread.

Gruß

Horst