Hallo Wiz,
ich habe etliche - der mir teils unverständlichen - Antworten gelesen, und möchte zunächst voranstellen, dass ich in deinem Posting nichts finde was körperliche Gewalt von Erwachsenen gegen Kinder propagiert.
Angesichts dessen, was die Kleinen
sich so gegenseitig unter Geschwistern, im Kindergarten, unter
Freunden und Verwandten, und in der Schule so alles antun,
dürften ja auf Mutter Erde nur psychische Wracks rum laufen.
Und wenn wir uns gar die ganzen seelischen Grausamkeiten böser
Worte, Missachtung, … ansehen, die Elter sich natürlich
nicht, die Kinder untereinander natürlich in beliebiger
Intensität antun dürfen, … Und wehe ein Lehrer ist nicht
immer absolut ausgeglichener Beherrscher der Lage?
Ich glaube unsere Gesellschaft hat den vernünftigen Umgang mit Streitigkeiten, bzw „Kinder-Klopperein untereinander“ einfach verlernt. Als ich Kind war haben sich die Jungs und teils Mädchen gebalgt und gekloppt und dadurch gelernt wo Grenzen sind bevor es in Mord und Totschlag ausuferte. Das war normal. Heute fehlt den Jugendlichen oftmals jede Spur von Grenzerkennenung bei Gewalt, und eine UNS unbekannte Brutalität keimt auf. Sie haben es einfach im Kindesalter nicht gelernt … kennen die Grenzen nicht. Oftmals greifen bei Banalitäten die Eltern ein, womöglich noch mit justiziablem Anspruch. Dann fallen so Sätze wie: ich kämpfe wie ein Löwe für mein Kind, vergessen aber ganz, das das Kind so nicht lernt Konflikte zu lösen und altersgerecht sowie situationsgerecht zu kommunizieren. Vielleicht wegen des Zustands den du im folgenden beschreibst? Als mein Sohn im KIGa war, klar haben sich die Kinder dort gehauen, genau wie auch schon ich und meine Geschwister im Sandkasten Streit um das Schüppchen hatten. Das ist völlig normal, unnormal ist nur der Umgang damit geworden!
Nein, unsere Kinder sind in einer perfekten Welt groß zu
ziehen, weil jegliche negative Seite des Lebens sonst zu
dauerhaften massiven Schäden führen wird, was wir ja alle von
uns selbst und unseren Elterngenerationen und weiteren
Vorfahren kennen, die angesichts von Kriegen, Vertreibung,
Hunger, schlechter medizinischer Versorgung, gefährlichen
Arbeitsbedingungen, … alle nicht einen einzigen schönen Tag
in ihrem Leben erlebt haben.
Eine Traumatologin sagte einmal auf einer Fortbildung sinngemäß unsere gesamte Gesellschaft sei größtenteils traumatisiert, wegen des 2 WK usw… Im Prinzip wäre das meine Elterngeneration, aber kann ich bei der Generation mich überzeugende Ansätze erkennen für unser heutiges Gewaltproblem, welches wohl eher meiner Generation als Erzieher geschuldet ist(bin Jg 1965)? Wenn ich diesen Gedanken weiterspinne, könnte als Erklärung dienen: unsere Elterngeneration hätte im traumatisierten Zustand die Kinder erzogen, aber erklärt es mir die Übervorsichtigkeit vieler moderner Eltern und die schleichende Änderung in der Moralisierung in Deutschland? Wie du so schön sagst: weil nicht sein kann was nicht sein darf? Setze ich dann innerlich dagegen: was ist ein Sandkasten-Schüppchen gegen eine Bombe? Was ist ein modernes Handy im Vergleich zu Hunger und Obdachlosigkeit und Todesangst und Folter? Woran verzweifeln unsere Kinder heute im Vergleich zu den Kindern der (Nach)Kriegszeit? Und worüber zerbrechen sich heute Eltern die Köpfe? Irgendwie absurd.
Andererseits halte ich es auch mittlerweile für ein inflationäres Modewort, gerne benutzt wo andere Begriffe wie AD(H)S nicht mehr greifen. (Ich möchte Traumata nicht schönreden, aber der Begriff als solcher wird häufig mißbraucht)
Nur frage ich mich gerade, wie es mit all diesen Übereltern
aussieht, wenn es darum geht, was sie ihren Kindern
eingentlich für an sich vermeidbare Schmerzen durch
Unterlassen zufügen, indem sie in ihrem heilen Weltbild auch
die böse Chemie nicht an ihre Kinder heran lassen,
das ist meines Erachtens auch Gewalt, Gewalt fängt nicht mit Schreien an und hört mit Schlagen auf. Ich finde diese Art von Gewalt mindestens genauso schlimm wie körperliche Gewalt oder psychische Gewalt, nur gibt es hier keine offensichtliche Tabu-Überschreitung - was alles noch schwieriger zu erkennen und fast unmöglich zu ahnden macht. Handeln wird meist im Vergleich zu Unterlassen überschätzt, ich persönlich halte beide Auswirkungen für gleichermassen bedeutsam.
Gewalt ist nicht immer aktives Geschehen mit dem Ziel der Züchtigung oder der Machtdemonstration, sie kann im frömmsten Gewand betteln gehen und bekommt gerade dann ein paar Spenden.
Ausserdem muss ich grade am Milgram denken …
Es grüßt
Sabine