Gibt es ungläubige Theologen?
Hi Candide.
Kann der theologische Diskurs aus sich selbst heraus nur von Gläubigen geführt werden? Ich denke, keineswegs.
„Aus sich selbst heraus“ - das kann doch nur bedeuten, die Prämissen der Theologie - die Wahrheit Gottes, JC als Verkünder, usw. - als Grundlage des Diskurses zu nehmen. Dabei wird „Gott“ nicht in Frage gestellt, lediglich sein „Wie“ wird debattiert - und das auf einer immanenten Ebene, d.h. innerhalb eines nicht grundsätzlich hinterfragten christlichen Rahmens.
Das kann für Nichtgläubige aber nicht gelten. Diese führen den theologischen Diskurs eben nicht „aus sich (d.h. aus diesem) selbst heraus“, sondern von ihren jeweiligen eigenen Positionen aus - seien diese psychoanalytisch, soziologisch oder mystisch (ist nicht gleich theologisch, wie du weißt) usw.
Das eine ist also ein immanenenter Diskurs, das andere ein kritischer. An ersterem können sinnvollerweise nur Gläubige teilnehmen, an letzterem Ungläubige (und im Falle des Dialogs auch Gläubige).
Ein Theologe ist per definition gläubig. Ein Nichtgläubiger, selbst wenn er theologisch sehr gebildet ist und Theologie sogar studiert hat, kann nicht wirklich „Theologe“ genannt werden. Wenn doch, dann wäre Theologie eben doch eine Wissenschaft - was sie, im Prinzip, aber nicht ist.
Das ist jedenfalls meine Auffassung. Schließlich ist keiner ein Marxist, bloß weil er das „Kapital“ auswendig kennt und super analysiert. Das könnte sehr wohl auch ein gebildeter Neo-Liberaler.
Nun setzt sich Philosophie aber aus Einzeldisziplinen zusammen, die für sich genommen Wissenschaften sind, als da wären:
Logik, Ethik, Metaphysik, Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie.
diese Teildisziplinen der Philosophie sind natürlich genauso viel oder genauso wenig Wissenschaft wie die Philosophie selbst.
Tja, da hängt natürlich alles an der Definition von Wissenschaft. Dafür bin ich heute leider zu faul.
Ich habe ja in keinster Weise ausgeschlossen, dass das Spirituelle oder sonstige Lebenserfahrung bei dieser Begriffsschöpfung, -formung, -verschiebung usw. beteiligt ist. Aber das bleibende im philosophischen Text, das ist halt nur der Begriff, nicht die spirituelle Erfahrung, die an seiner Bewegung beteiligt war.
Ich weiß nicht, was „der Begriff“ ist. So wie du das darstellst, ist das ein Hyperraum-Wesen, das unabhängig vom lebendigen Geist des menschlichen Subjekts existiert - sozusagen eine platonische Idee. Ist es nicht umgekehrt, dass der Denkakt (das Begriffliche) ein Modus des Lebendigen, des vital Geistigen, ist? „Begriffe“ im sprachlichen Sinne sind hohle Dinge ohne „Bedeutung“ oder „Sinn“. Zum Leben erwachen sie durch das denkende und fühlende konkrete Subjekt. Ihre Schöpfung und ihr Verständnis sind ein vitaler Akt, der aus dem Gesamt der Lebenserfahrung des Subjekts hervorgeht. Eine Trennung von Begriff und menschlichem Geist ist gar nicht möglich.
Man könnte deine Aussage mit der Aussage vergleichen, Musik sei nichts anderes als eine Struktur aus geschriebenen Noten. Musik ist aber mehr.
Nimm Kant: der sagte, dass Begriffe ohne Anschauung leer sind. Das ist in etwa das, was ich meine. Philosophie ist mehr als nur eine Anordnung von Begriffen.
An die Begriffe Spinozas etwa hat die Philosophie angeschlossen, nicht an die von ihm geschliffenen Gläser …
Der „Geist“ der spinozistischen Begriffe aber stammt aus der Erfahrung - und zwar aus der mystischen. Also hat die Philosophie, wenn sie sich an diese Begriffe anschloss, sich sehr wohl auch an Erfahrung angeschlossen - und zwar an eine Kette von Erfahrungen, die die Vorläufer bzw. historischen Impulsgeber des Spinozismus einschließt. Begriffe sind davon nur das Medium.
Gruß
Horst