Hallo Michael,
Zum Einen, wie schlecht Noten sich eignen, um die tatsächliche
Kompetenz eines Bewerbers einzustufen.
Und zum Anderen, wie ungeeignet das Bildungssystem ist, um
Qualifikationen sinnvoll zu erfassen.
Darum geht es hier eher weniger.
Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass ein Personaler nun einmal nur die Noten als Basis zur Verfügung hat.
Die Tatsache, dass eine duale Ausbildug, wie sie hier angestrebt wird, zur Hälfte weiterhin im vorhandenen Schulsystem läuft, macht die Ausgangslage nicht gerade einfacher …
Ich nehme mich selbst als Beispiel:
Du, ich sehe an meinem Sohn, wie sehr es allein von den didaktischen Fähigkeiten abhängt, welche Noten er bekommt.
Saison 2010/2011 7. Schuljahr Mathe „sehr gut“
Saison 2011/2012 8. Schuljahr Mathe „ausreichend“
Saison 2012/2013 9. Schuljahr Mathe - erste Arbeit „gut“
Drei verschiedene Lehrer, immer die gleiche Lehrbuchreiche, immer das gleiche pädagogische Grundkonzept.
Vom Verständnis her hat sich in den Jahren eigentlich nichts getan, nur, dass er (und 60% der Klasse) im letzten Jahr die Themen immer ein paar Tage zu spät verstanden haben - nachdem die Arbeiten besprochen wurden.
Nur: Während die Note nicht das Maß aller Dinge sein kann,
muss man schon ziemlich was leisten, um trotz schlechter
Zensuren in die nähere Wahl zu kommen.
Yep!
Irgend etwas, das beweist, dass man die schlechten Zensuren
nicht wegen mangelnder intellektueller Kapazität kassiert,
sondern wegen nachvollziehbaren wichtigeren Gründe billigend
in Kauf genommen hat.
Naja, wie gesagt: Das Schulsystem geht in der dualen Ausbildung ja weiter - und da halte ich es ganz einfach mal für nicht akzeptabel, dass jemand sein Potenzial nicht nutzt und billigend schlechtere Noten (obwohl: So mies finde ich jetzt ein Dreier-Abitur nicht) billigend in Kauf nimmt, obwohl er sogar Knete dafür bekommt.
Ein Azubi unterschreibt bekommt einen Vertrag, der auch ihn zur Leistung verpflichtet.
Genau. Und „ich chatte online“ ist keine Nutzung von Talent.
Das hat weder Hand noch Fuß. Der Personaler braucht irgendwas
mit Substanz.
Ach?
So eine Aussage ist überhaupt kein Problem, wenn man beim
Internationalen Hobby-Detektivwettbewerb über Jahre hinweg die
goldene Trophäe heimgebracht hat, man sich schon eine Reihe
von Publikationen in internationalen Fachzeitschriften der
Mathematik anheften kann oder Ähnliches.
Wir haben einen Eigenbedarfs-Azubi zum Groß- und Außenhandelskaufmann eingestellt, der tatsächlich miese Englischnoten hatte - er war 4 der letzten 6 Jahre in Nashville und spricht die Sprache besser, als alle Einser-Abiturienten, die sich hier vorgestellt haben.
Nur: Da war es genau dieser Aufenthalt, der die Einladung begründete.
Denn das gehört zur Logik dazu: Ohne objektive Fakten, kein
Wahrheitsgehalt.
Und wenn nichts anderes vorliegt, müssen halt mangels Masse nur die Noten herhalten.
Wie gesagt: Einen Dreier-Abiturienten würde ich bei vernünftiger Bewerbung einladen. Deutet die Bewerbung auf einen Prahlhannes hin, dann allerdings eher nicht, denn die Zeit, ihm durch Hinzunahme der Nativespeaker aus unserer IT eine lehrreiche Lektion zu erteilen habe ich nicht.
VG
Guido