Hallo Rolf!
Aber ICH weiss nicht welche Sorte gefährlich ist und kann auch
nicht erkennen wann er „nur spielen“ will und wann er „nix
tut“. Deswegen ist er für mich erst einmal potentiell
gefährlich. Genausowenig kann ich erkennen ober er mich „nur
zwicken“ wird und wann er mir an die Kehle gehen will.
Dass Du selbst es nicht weißt, ist mir klar. Aber… hm, lass mich mal ein bisschen weiter ausholen. Unsere Gesellschaft - und eigentlich jegliche soziale Gesellschaft - baut auf Vertrauen auf. Du wählst Politiker und schenkst ihnen damit Dein Vertrauen. Im Gegenzug vertraut der Staat den Eltern in der Hinsicht, dass sie ihre Kinder nicht zu Verbrechern aufziehen und sie auch nicht vernachlässigen. Du denkst gar nicht darüber nach, wem Du so alles vertraust - vielleicht der Kassiererin an der Kasse, wenn Du das Rückgeld mal nicht sofort nachzählst und die Du nicht im Voraus für eine Betrügerin hältst. Oder den Menschen, der an Dir vorbeiläuft und dem Du ebenfalls nicht von vornherein unterstellst, Dich angreifen zu wollen. Und eben dem bereits viel zitierten Autofahrer, der noch fährt, während Du bei Grün die Straße überquerst, bei dem Du Dich aber dennoch darauf verlässt, dass er rechtzeitig bremst. Du verschenkst Vertrauen, ohne es zu merken. Und anders wäre unsere Gesellschaft auch gar nicht denkbar. Klar wird Vieles kontrolliert, aber man kann eben nicht alles kontrollieren und - mal ehrlich - würdest Du Dich in einer Gesellschaft, die alles kontrolliert, die jedem zuerst einmal mit Misstrauen begegnet, wohl fühlen? Dafür müssen wir es in Kauf nehmen, dass es natürlich auch immer wieder schwarze Schafe gibt. Es gibt Kassiererinnen, die betrügen, es gibt Eltern, die ihren Kindern Waffen in die Hand geben oder ihre Kinder vernachlässigen, es gibt Vergewaltiger und Mörder, es gibt verantwortungslose Autofahrer, die sich nicht um Dein Leben scheren. Dennoch vertraust Du erst einmal all diesen Menschen, obwohl Du ja weißt - es gibt schwarze Schafe. Denn ohne Vertrauen wäre unsere heutige Gesellschaft in ihrer Form undenkbar. Genau deshalb basiert wohl auch unsere Rechtsprechung auf der Unschuldsvermutung - selbst der Staat darf einem Bürger nicht mit Misstrauen begegnen, sondern muss ihm solange Vertrauen entgegenbringen, wie unbewiesen bleibt, dass er doch der Schuldige ist.
Und nun komme ich zu meiner eigentlichen Frage: Warum vertraust Du den Hundehaltern nicht? Warum begegnest Du zwar einem Passanten im Vertrauen darauf, dass er kein Mörder ist und einem Autofahrer im Vertrauen darauf, dass er verantwortungsbewusst fährt, aber einem Hundehalter mit Misstrauen? Warum vertraust Du nicht auf das Urteilsvermögen eines Hundehalters? Natürlich kennst Du selbst den freilaufenden Hund nicht. Aber der Hundehalter wird sich schon seine Gedanken darüber machen, ob die Sicherheit seiner Mitmenschen gewährleistet ist, wenn er den Hund nicht anleint. Auf keinen Fall will ich abstreiten, dass es auch hier schwarze Schafe gibt. Nur, wo kommen wir denn hin, wenn wir den Menschen immer zuerst mit Misstrauen begegnen und ihnen per se unterstellen, kein Urteilsvermögen, keinen gesunden Menschenverstand zu besitzen? Wo bleibt hier die Unschuldsvermutung? Warum misst Du Autofahrer und Hundehalter mit zweierlei Maß? Soll das Gerechtigkeit sein?
Daher erwarte ich vom Halter des Tieres dass er es zu jeder
Zeit 100% unter Kontrolle zu haben hat. Wenn das nicht der
Fall ist behalte mich mir vor mich gegen das Tier zu wehren.
Hier muss ich auf jeden Fall Andrea zustimmen - ein Tier ist ein Tier ist ein Lebewesen ist keine Maschine. Selbst eine Maschine „gehorcht“ nicht zu 100%, sondern hat Ausfälle.
Ich als Hundehalter übernehme Verantwortung und dieser Verantwortung bin ich mir bewusst. Deshalb führe ich meinen Hund auf belebten Straßen und Wegen angeleint, ebenso wie auf freiem Feld, wenn ich dort Kinder, alte Menschen, Jogger, Fahrradfahrer oder auch nur Menschen sehe, die mir ihre Angst vor dem Hund signalisieren. Das finde ich normal, da ein Hund - eben weil er ein Lebewesen ist - nie zu 100% vom Verhalten her vorhersagbar ist und ich außerdem weiß, dass ganz konkret mein Hund schlecht sieht und außerdem laute, schrille Geräusche (die z.B. Kinder oft produzieren) nicht mag. Aber solange diese „Risikofaktoren“ nicht vorhanden sind, sprich, wenn entweder niemand in der Nähe ist oder dort vielleicht ganz normal ein paar Menschen entlanglaufen und ich weiß, dass mein Hund nicht die Angewohnheit hat, diese Leute vor Freude anzuspringen (geschweige denn zu beißen, das setze ich voraus), lasse ich ihn auch frei herumlaufen (allerdings bleibe ich dabei immer in der Nähe). Denn ich nehme mir das Recht heraus zu sagen, dass ich meinen Hund gut kenne und mit gutem Gewissen beurteilen kann, wie er sich in dieser Situation verhalten wird. Und ich gehe davon aus, dass Du Vertrauen in mein Urteilsvermögen legen wirst, ebenso, wie Du Vertrauen in das Urteilsvermögen des Politikers, des Richters, des Kassierers, des Passanten, des Autofahrers etc. hast. Ich möchte gegenüber diesen ganzen Personengruppen nicht benachteiligt werden, nur, weil ich Hundehalterin bin.
Gruß,
Anja