Ich erinnere es?

Moin,

immer mal wieder kommt mir diese Kombination unter. Was soll das? Ich hatte ja erst wieder einen wildgewordenen Anglizismus in Verdacht. Nun sagt mir Herr Duden, dass diese Wendung aus dem Norddeutschen kommt? Ich wohne nun seit fast 30 Jahren in Norddeutschland und habe das im „normalen“ Sprachgebrauch noch nie gehört. Hat sich der Duden hier, mal wieder, dem alltäglichen Sprachgebrauch (beispielhaft soll hier die Anwendung des Apostrophs stehen) untergeordnet?

Verwirrte Grüße

Soon

Obligatorischer Kommentar: Der Duden ist deskriptiv, nicht präskriptiv.

Gruß,
Steve

Laut StackExchange ist das Phänomen bereits älter und nicht auf norddeutsche Umgangssprache beschränkt.

Mir ist es aber bis vor ein paar Jahren überhaupt nicht untergekommen (okay, ich wohne auch nicht in Norddeutschland), weshalb ich ebenfalls den Verdacht habe, dass es sich bei den heute auftretenden Fällen um einen Anglizismus handelt.

:paw_prints:

https://de.wiktionary.org/wiki/erinnern

(Punkt 5)

[1] reflexiv, mit Präpositionalobjekt: im Gedächtnis behalten haben
[2] reflexiv, mit Genitivobjekt: Erinnerung wachrufen
[3] transitiv: jemanden etwas nicht vergessen lassen
[4] transitiv: durch Ähnlichkeit ins Gedächtnis rufen
[5] transitiv, mit Akkusativobjekt; umgangssprachlich, vor allem norddeutsch: im Gedächtnis haben

Interessante Diskussion. Danke für den Link. Aber auch hier, kein Norddeutscher kennt diesen Ausdruck. Woher nimmt nun der Herr Duden diese Weisheit?

Soon, Erbsenzählerin

Aus meiner Sicht weder Anglizismus allein noch Norddeutsch allein.
Wenn man -den des Anglizismus eher unverdächtigen- Sigmund Freud liest, wird man laufend stoßen auf „… dieses Material im Traum erinnert wird“, „man erinnert wohl, daß …, aber erinnert nicht, daß …“, „… daß wir ihn [den Traum] oft nur unvollständig erinnern“.

Allerdings nicht durchgängig, z.B. „Delboeuf wusste sich zu erinnern, daß …“, „obleich Scaliger sich nicht erinnerte, je …“ (sämtliche Beispiel aus den ersten Seite der „Traumdeutung“).

Ich erinnere (mich an) Prof. Rainer Crone, Gott hab ihn selig, der mir seines Vortragsstils wegen sehr deutlich in bewundernder Erinnerung geblieben ist. Der hat durchgängig „etwas erinnert“ statt „sich an etwas zu erinnern“. Der war allerdings gleichermaßen gebürtiger Hamburger wie langjähriger Amerikaner.

Gruß
F.

Im Harburger Raum vollkommen normal: „Das erinner’ ich nicht.“

Mir tut auch immer alles weh, wenn ich das höre - auch wenn es korrekt ist.

Gruß
Dirk

Ok, dann wohne ich noch nicht weit genug im Norden. Vielleicht ist das ja auch eine regionale Hamburger Geschichte? Obwohl, wenn der olle Freud es auch geschrieben hat.

Soon, noch verwirrter

Hi,

immer mal wieder wurde diese Frage bei w-w-w gestellt:


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Zum Thema muß es auch einen „Zwiebelfisch“ geben.
Siehe den 3. Link, das Posting ganz unten. Leider funktioniert der dort angegebene Link nicht mehr.

Gruß
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Auf meiner Festplatte habe ich den folgenden Text gefunden,
kopiert im Juni 2005 von einer Site, die es jetzt nicht mehr gibt.
Lt. damaliger Quelle stammt der Text aus:
Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.

Zitatbeginn
Ich erinnere das nicht

Sie verstehen es, sich zu tarnen, sie tragen deutsche Alltagskleidung und fallen daher in der Menge kaum auf. Die Rede ist von unsichtbaren Amerikanismen. Heimlich unterwandern sie unsere Syntax, ohne dass wir es sofort merken. Die Wörter klingen zwar noch deutsch, doch die Strukturen sind es nicht mehr.

„I can´t remember that“, erwidert Rumsfeld auf die Frage, ob es vor dem 11. September 2001 Hinweise darauf gegeben nabe, dass Passagierflugzeuge als Waffen eingesetzt werden könnten.
Bei der Übersetzung ins Deutsche wird daraus: „Ich kann das nicht erinnern“, als Überschrift verkürzt zu „Rumsfeld: Ich erinnere das nicht“.
Also wiederum ein Amerikanismus, der sich in die deutsche Sprache eingeschlichen hat. Und viele Amerikanismen erkennt man erst auf den zweiten Blick, wenn überhaupt. Sie kommen im deutschen Gewand, sodass man sie für Sprachangehörige hält. Und heimlich verändern sie unsere Syntax, machen aus „sich an etwas erinnern“ kurzerhand „etwas erinnern“, streichen das sich mit jemandem treffen" zu „jemanden treffen“ zusammen und verwässern unsere Sprache mit fragwürdigen Phrasen wie „das macht Sinn“ (statt „das ist sinnvoll“), „ich denke“ (statt „ich meine“, „ich glaube“), „nicht wirklich“ (statt „eigentlich nicht“) und „einmal mehr“ (statt „wieder einmal“).
Zitatende

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Bitte sehr: Ich erinnere das nicht

Dankeschön!
Ist das identisch mit dem Text, den ich oben hinkopiert habe?

Leider kann ich beim SPIEGEL schon seit vielen Wochen nix mehr klicken.
Ich soll meinen Adblocker deaktivieren. Das habe ich schon längst gemacht, aber deren doofer Server kapiert das nicht.

Gruß
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Ich ziehe die Frage zurück.

Beim 3. Klick-Versuch war ich schnell genug mit „alles markieren + kopieren“. :wink:
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Danke, liebe Gudrun.
Dem Zwiebelfisch kann ich nur voll zustimmen. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass es diese Ausdrucksweise schon so lange gibt. Wie gesagt, mir ist es erst in den letzten Monaten vermehrt aufgefallen. Ich dachte, dass die Leute sich mit dieser m.E. seltsamen Sprache wichtig machen möchten.
Aber gut, wieder etwas gelernt.

Soon

Des ollen Freuds Olle war übrigens aus, na … Hamburg :wink:

Gruß
F.

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