Hi,
Was ist denn so schlimm daran, an eine 6-Tage-Schöpfung zu
glauben?
Die Erde dreht sich doch weiterhin um die Sonne.
Es geht um Wissen und Wahrheit. Und darum, dass Kinder damit
aufwachsen und nicht mit den ID-Märchen.
Wissen und Wahrheit!
Was ist Wahrheit?
Wir wissen höchstens, dass wir die ganze Wahrheit nicht
wissen.
Wir wissen aber auch, dass wir jeden Tag ein neues Stückchen Wahrheit finden oder „dingfest machen“ in dem Sinn, dass wie beim Puzzle wieder ein Stück passt.
Was soll an der Evolutionstheorie besser sein, als an der
Schöpfungsgeschichte?
Nur weil sie aufgrund der derzeitigen Forschung
„glaubwürdiger“ ist?
Nein, sondern weil sie einfach plausibler ist, in Teilen beobachtbar und in anderen Teilen herleitbar.
Die Plausibilität bezieht sich auch darauf, dass Menschen unterschiedlicher Religionen dem zustimmen können, weil es logisch ist.
Es bleibt eine Theorie.
Natürlich. Bedingt durch die wissenschaftliche Methodik bleibt letztlich alles eine Theorie. Eine der bekanntesten ist etwa die Relativitätstheorie, die bisher nicht widerlegt (falsifiziert) werden konnte. Sollte das einmal geschehen, ist sie weg vom Fenster und wird durch eine andere neue Theorie ersetzt.
Das als „Wissen und Wahrheit“ zu
verkaufen, halte ich für falsch.
Ich nicht. Die Alternative ist ja, „nur“ zu glauben. Das ist aber zu wenig. Hätte der Mensch immer nur alles geglaubt, was ihm, von wem auch immer, vorgesetzt wurde, säßen wir sehr wahrscheinlich noch in irgendwelchen Höhlen rum.
Wie kommen wir denn z.B. zu unserem Bild von der Erde als einer Kugel, wenn es doch früher immer hieß, sie sei eine Scheibe?
Besser wäre, die beiden „Erklärungen“ wertfrei nebeneinander
stehen zu lassen. Jeder soll für sich selber entscheiden, was
für ihn glaubwürdig ist.
Nimm mal ein antikes Bild der Materie und stelle diesem die Unschärferelation von Heisenberg gegenüber. Nehmen wir hier mal an, du kennst beides nicht und sollst nun entscheiden, was glaubwürdig ist.
Na?
Ich missbillige es vor allem deshalb, weil die Kirchen als
Institutionen an der Macht im Staat teilhaben wollen, ohne
dazu legitimiert zu sein.
Wir brauchen in Deutschland endlich die strikte Trennung von
Kirche und Staat.
Dem stimme ich uneingeschränkt zu!
Gut.
Aber dann auch mit allen Konsequenzen.
Keine gesetzlich geregelten kirchlichen Feiertage.
Keine gesetzlich geregelte Sonntagsruhe.
Warum soll denn ein Moslem am Sonntag nicht arbeiten dürfen?
Ich hätte mit keinem der Punkte ein Problem. Die Woche mit einem freien Tag bliebe ohnehin bestehen, schon aus physiologischen Erwägungen heraus. Und Feiertage wird’s auch immer geben, dann eben halt mit weltlichem Inhalt. Die gibt es ohnehin schon, wenn auch nicht so viele.
Ja sicher, wer an Gott glaubt, kann sich doch nichts besseres
vorstellen, als wenn alle Macht bei IHM liegt.
Da ich nicht gläubig bin, sehe ich das naturgemäß anders.
Auch die Muslime reden vom Gottesstaat. Aber den meinst du
natürlich nicht, oder?
Natürlich nicht 
Aber ich kann verstehen, wenn sie sich das wünschen.
Na, das gäbe dann erst mal die richtigen Probleme im Umgang der Staaten miteinander. Dagegen wären die Kreuzzüge wie ein Picknickausflug.
Das würde allerdings bedeuten, dass ER auch bei jeder
Entscheidung gefragt wird. Und daran krankt es zur Zeit sogar
bei den Kirchen.
Weißt du, wenn’s den Gott, von dem du sprichst, tatsächlich so
gäbe und man könnte ihn einfach so fragen („Wie machen wir das
am besten mit der Gesundheitsreform?“ o.ä.) und es käme vor
allem sofort eine verwertbare Antwort, dann könnte man darüber
u.U. reden.
Genau das meine ich.
Das weiß ich wohl.
Aber so ist es halt nicht.
Warum nicht?
Meine Antwort wäre z.B., dass es eben keinen Gott gibt, der dir oder sonstwem Rede und Antwort steht.
Bei uns in der Familie ist das so.
Warum kann es nicht in anderen Gesellschaftsbereichen auch so
sein?
Wegen meiner Antwort darüber.
Stattdessen werden Worte, die sich früher irgendwer ausgedacht
hat und die heute von irgendwelchen Hanseln interpretiert
werden, zur Basis von Entscheidungsfindungen gemacht, die alle
betreffen. Das kann wohl niemand ernsthaft wollen, hoffe ich.
Oder zumindest nur eine verschwindende Minderheit.
Die „alten Schriften“ sind nicht deswegen schlecht, bloß weil
sie alt sind.
Von schlecht habe ich nicht gesprochen. Aber sie sind unpraktikabel, durch diverse Übersetzungen nicht eben klarer geworden und oftmals von den jeweils Herrschenden angepasst worden. Dazu werden sie, wie schon geschrieben, auch noch interpretiert und/oder aus dem Zusammenhang gerissen zitiert und benutzt.
Der Wahrheitsgehalt tendiert gegen Null und ist damit für die Regelung des Zusammenlebens der Menschen in einem modernen Staat nicht geeignet.
Aber natürlich braucht alles einen Gegenwartsbezug. Und genau
da sollten eben Vertreter der Kirchen eine ehrliche Antwort
haben. Leider kommt da auch viel Unsinn ;-((
Das kann man verharmlosend so sagen.
Leider ist es keine Demokratie, denn diese Leute sind
mitnichten in der Mehrheit, machen aber eine Menge Wind. Und
die betreffenden Entscheidungsträger veranstalten eine
Appeasementpolitik vom Feinsten.
Der Klügere gibt nach, darum regieren und bestimmen die
Dummen. ;-((
Das sind im genannten Fall (eingeschränkt natürlich) Fundamentalchristen.
Und wie du ja selbst weiter oben schon bemerktest, haben
Christen mit Demokratie nichts am Hut. Christliche
Fundamentalisten noch weniger.
Aber sie müssen sich der Mehrheit beugen. Das verlangt unser
Rechtssystem.
Das tun sie aber nicht und finden immer ein rechtliches Schlupfloch und falls mal nicht, bleiben sie stur.
Und so werden im Falle des Scheiterns eines Elternbegehrens
die Kinder dann von der Schule genommen mit allen bekannten
Folgen, oder sie dürfen nicht mit an Klassenausflügen
teilnehmen usw. Es findet im Grunde seit längerem schon
dasselbe statt, wie es der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe
von den strenggläubigen Muslimen berichtet.
Es bilden sich hier wie dort Parallelgesellschaften.
Hier sollte man den Begriff „Schulpflicht“ enger fassen.
Keine Ausnahmen für solche „Grüppchen“.
So weit die Theorie. Da halfen in den vielen Fällen, die es bisher gab, weder Bußgelder noch Beugehaft. Die Kinder blieben zu Hause. Es ist nicht unbedingt praktikabel, Kinder mit Polizeigewalt zur Schule zu bringen und so wurde das auch nicht getan.
Man kann Zugeständnisse machen, solange das Lehrziel nicht
gefährdet ist. Aber der Boykott von Klassenfahrten ist
abzulehnen.
Die fahren aber einfach nicht mit. Und wenn sie sich krank schreiben lassen oder sonstwas. Keine Chance. In vielen Schulen werden aus diesem Grund keine Klassenfahrten mehr veranstaltet.
Da nützt dir keine Mehrheit etwas.
Eine mir gut bekannte Grundschullehrerin musste sich von einem Drittklässler anhören, dass sie eine Sünderin sei und in die Hölle käme, weil sie geschminkt sei und Hosen trage.
Oder: im Musikunterricht wird ein Lied von einer CD vorgespielt. Sobald da ein etwas rockiger Rhythmus dabei ist, halten sich die Baptistenkinder die Ohren zu, weil sie derlei von zu Hause aus nicht hören dürfen.
Derartige Beispiele könnte ich noch zu Hauf bringen.
Bizarr, oder?
Wenn ich bei XY nicht kaufen will, ist das meine Entscheidung.
Und in der freien Marktwirtschaft wird sich dieser Laden eben
etwas einfallen lassen müssen, oder zusperren.
Du findest es also in Ordnung, wenn ein Geschäft wegen eines
möglicherweise religionslosen Inhabers den Bach runtergeht
oder zumindest starke Einbußen hat? Was soll er denn machen?
Glauben heucheln?
Keinesfalls!
Aber es müssen Händler auch aus anderen Gründen ihr Geschäft
schliessen (wegen der übermächtigen Konkurrenz z.B.).
Ja, aber gegen eine Konkurrenz kannst du versuchen anzukämpfen, mit den Mitteln des Marktes, und natürlich auch verlieren, klar.
Hier aber müsste man im übertragenen Sinn gegen Gott kämpfen und kann dabei nur verlieren.
Ein erfundenes Beispiel: ein ungläubiger Bäcker macht Pleite aus den o.g. Gründen. Er könnte jetzt einen Metzgerladen aufmachen und würde wieder Pleite gehen, aus denselben Gründen.
Ginge es nur um Marktwirtschaft oder von mir aus um den Kapitalismus, könnte er mit neuem Elan was Neues anfangen und dabei erfolgreich sein, weil es eben nicht auf seine Religion ankommt, sondern nur auf Fakten (Preiswürdigkeit, Service usw.).
Das ist ein großer Unterschied. Preise kannst du senken, Religion müsstest du heucheln.
Du siehst das zu schwarz.
Nein, das denke ich nicht. Es sind Tendenzen zu erkennen, die
ich für gefährlich, zumindest aber für äußerst unangenehm
halte.
Langsam beginne ich, Dich zu verstehen.
Hm, wieso das jetzt erst?
Und Fakt ist, dass es für fundamentalistische Christen hier
häufig sehr einfach ist, ihre rückwärtsgewandten Botschaften
zu verbreiten. Es heißt dann oft „das sind doch Christen wie
wir“, was so aber gar nicht stimmt, was aber leider nicht oder
nur selten erkannt wird.
Diese Erkenntnis würde dazu führen, dass viele merken, dass
sie vom Grundprinzip des Christentums schon weit abgerückt
sind. Das könnte erst recht zu einer Fundamentalisierung
führen.
Eher wohl zu einer Totalabwendung. Oder haben wir uns hier u.U. missverstanden?
Viele Grüße
WoDi