Moin Marion
Ich glaube, so einen langen Dialog haben wir beide hier noch nie geführt. Aber ist doch auch mal schön. 
Aber die konkrete Frage jüdisch ja oder nein wurde doch
offenbar nicht beantwortet.
Stimmt. Irgendwie haben wir uns damals nicht so richtig damit beschäftigt, obwohl wir ja durch meine jüdischen Freunde eigentlich nahe dran waren. Ich weiß aber nicht, warum das nicht Thema wurde.
Geben alte Familiendokumente
darüber auch keine Auskunft?
Nein, nicht wirklich. Ich kam nur bis zum Namen meiner Urgoßmutter in Polen.
…ging ganz selbstverständlich davon aus, dass
ich auch Jude sei.
Da hätte ich ja sofort nachgefragt, wieso.
Sie ging so selbsverständlich davon aus, dass ich es irgendwie nicht antasten mochte. Ich ließ es einfach so stehen und stimmte sozusagen freundlich zu.
Können Juden
einander erkennen? Falls ja, woran?
Vielleicht macht der Gesamteindruck etwas aus: Aussehen, Art zu sprechen, Art sich zu geben, zu denken - ich weiß es auch nicht so echt. Aber ich selber habe auch oft dieses Gefühl: Er/sie ist jüdisch oder eben nicht.
Jemand der an Wiedergeburt glaubt, könnte auch vermuten, dass
du vielleicht in deinem letzten Leben Jude warst.
Ja, ist ein hübscher Gedanke.
Letztendlich
würde mich jedoch interessieren, ob es für dich etwas ändern
würde, wenn du z.B. morgen erfähst, dass deine Oma
mütterlicherseits tatsächlich Jüdin war. Würdest du dich dann
anders fühlen, als wenn du z.B. morgen erfahren würdest, dass
sie definitiv keine Jüdin sondern statt dessen Muslima? Oder
wäre das für dich eine Erklärung, warum du fühlst wie du
fühlst?
Auch das.
Oder was würde dir diese Information bedeuten?
Das sind in der Tat spannende Fragen. Wenn ich erführe, dass sie Jüdin war, würde ich mir überlegen, ob ich zum Judentum übertrete.
Das würde ich bei keiner anderen Religion so machen, denke ich. Wenn sie Muslima gewesen wäre, würde ich nicht deshalb Moslem werden wollen. Ich hab immer so eine irrationale Nähe zum Judentum. Andererseits bin ich aber eher religions-kritisch. Aber manche Rabbiner sind mir mit ihrem Humor, ihrer Toleranz, ihrer Liebenswürdigkeit und Lebensweisheit angenehm aufgefallen. Ich hatte da schon früh eine sehr schöne Begegnung.
Außerdem waren die Leute, die mich inspiriert oder beeinflusst haben, fast alle Juden: Bob Dylan, Sigmund Freud, Walter Benjamin, Heinrich Heine.
Es grüßt dich
Branden