Guten Morgen,
ich habe mal den Teil rausgeschnitten, der mir unstrittig schien oder mir keine Ansatzepunkte für Argumente bot.
Ich will die Todesstrafe in Singapur nicht rechtfertigen, ich
will nur darauf hinaus, daß wir unser Wertesystem nicht als
ganzes allen aufdrängen sollten.
Hier bin ich einverstanden.
Unser Wertesystem anderen „aufdrängen“ - nein, das ist nicht das Ziel.
Aber zu unserem Wertesystem stehen und unsere Werte auch propagieren, das sind wir unseren Überzeugungen schon schuldig, oder? Denn unsere Werte handeln ja von Menschen und wir sehen sie für Menschen als gültig an, nicht für Europäer.
Z.B. drückt unser StGB recht deutlich aus, daß ihm Eigentum
wichtiger als körperliche Unversehrtheit ist. Ob das ein
Ausbund unseres Wertesystems ist, sei dahingestellt.
Leider bin ich kein Rechtsexperte. Deshalb meine Frage: Ist das tatsächlich so, dass Eigentum wichtiger angesehen wird als körperliche Unversehrtheit? Kannst du dafür Beispiele aus der Rechtssprechung aufzeigen?
Unsere Einflußnahme sollte sich (und hier versuche ich
vielleicht vergeblich zu trennen) auf die Abschaffung der
Todesstrafe an sich richten und nicht auf die Abschaffung der
Todesstrafe in Singapur für Drogendelikte, Deutsche im Iran
oder ex-schwangere Frauen in Nigeria.
Völlig richtig. Es geht mir auch nicht darum, dass ich die Todesstrafe für besonders falsch halte, weil davon harmlose Haschischhändler oder noch harmlosere geschiedene Frauen betroffen sind. Ich halte sie generell für falsch.
Leider ist aber der Mensch in seinen geistigen Fähigkeiten meistens so beschränkt, dass es besonderer „Aufhänger“ bedarf, um die Aufmerksamkeit wieder auf ein bestimmtes Thema zu lenken.
Allerdings möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass m.E. der deutsche Staat eine besondere Pflicht zum Einspruch hat, wenn eine Strafe, die er generell als unmenschlich ansieht, auch noch einen deutschen Staatsbürger bedroht.
Ich will mal einen Standpunkt darstellen (nicht vertreten),
den man durchaus als Argument für eine Todesstrafe für Dealer
darlegen könnte: Wenn man einen Dealer wirklich dauerhaft aus
dem Weg räumt, rettet man vielleicht einem (oder gar mehreren)
potentiellem Drogensüchtigen und dann auch -toten das Leben.
Da sich dieser Mensch nichts zu schulden kommen lassen hat,
ist dieses Leben mehr wert, als das des Dealers, auch wenn wir
den potentiellen Drogensüchtigen noch gar nicht kennen.
Es freut mich, dass du diesen Standpunkt nur darlegst, nicht aber vertrittst.
Denn die Einteilung in wertes und unwertes Leben halte ich für unmenschlich.
Die Abwendung der Bedrohung von Menschenleben könnte m.E. vielleicht in ganz eng definierten Grenzen das Töten des Bedrohers erlauben. Aber wenn diese Bedrohung noch vage ist, wenn noch die Chance besteht,
- dass der Bedrohte anderweitig geschützt werden kann
- dass der Bedrohende anderweitig von seinen Taten abgehalten werden kann,
dann darf man meiner Meinung nach nicht einfach einen Grundwert über Bord werfen.
Was wäre mit der Hinrichtung eines Hitlers im Jahre 1942?
Klar, man könnte ihn theoretisch auf ewig einsperren, aber die
Gefahr ist da, daß er wieder rauskommt und sich das nächste
Volk greift. Stichwort: Napoleon.
Du greifst hier zur „absoluten“ Argumentation mit dem Beispiel Hitlers. (Wieso eigentlich 1942? Das verstehe ich nicht ganz. 1945 wäre doch sinnvoller, oder?)
Zwei Punkte:
-
Tyrannenmord hätte ich für legitim gehalten, wenn dadurch die Chance gegeben gewesen wäre, dass Nazi-Regime zu stürzen.
Denn das wäre konkrete, effektive Gefahrenabwehr gewesen.
-
Nach dem Sturz des mörderischen Regimes Hitler zu töten, als Strafe und zur Vermeidung eines eventuellen Ausbruchs und erneuten Machtergreifung (was ich für unwahrscheinlich gehalten hätte) wäre m.E. nicht legitim. Denn wenn die Macht der Unmenschen an die Menschen übergegangen ist, dann darf die Justiz letzterer nicht unmenschlich sein. Sonst verrät sie die Werte, die sie verteidigt.
Was ist mit der Hinrichtung eines Hindus? Der kommt wieder,
aber vielleicht als Frosch oder Ammöbe.
Mmh, ich glaube nicht, dass das ein starkes Argument ist. Denn ich denke, dass - abseits aller religiösen Überzeugung - auch Hindus den Wert ihres eigenen Lebens durchaus schätzen.
Was ich sagen möchte: Unsere Sicht der Dinge ist so falsch
sicher nicht. Aber auch wir sollten sie nicht als absolut und
unfehlbar einschätzen.
So allgemein gesagt, hast du bestimmt Recht. Aber ich denke trotzdem, dass es Grundwerte gibt, die wir als absolut ansehen müssen. Weil: Wenn die Basis schwankt, fällt alles irgendwann in sich zusammen.
Das führt zur Überheblichkeit und damit wird man als
Weltverbesserer sicherlich weniger salonfähig.
Stichwort: USA.
Die USA sind ein schlechtes Beispiel. Deren Politik verstößt massiv gegen die Werte, die sie zu verteidigen vorgibt.
Der Druck auf Ländern, die die Todesstrafe vollstrecken,
sollte nicht aus Anlässen heraus geboren werden, sondern
erklärtes Ziel der Europäischen Politik sein. Über den Partner
USA darf man nicht aus Anstand ein Deckchen breiten, sondern
bei ihm muß begonnen werden.
Völlige Zustimmung!
Gruß,
Salzmann