Hallo,
Die freie Entfaltung der Persönlichkeit wird doch nicht
eingeschränkt. Du tust so als sei das gegeben sobald jemand
überhaupt nur in irgendeiner Weise reglementiert wird -
während wir alle permanent durch irgendwelche Gesetze,
Erwartungen, oder Dresscodes reguliert werden.
Du wirfst da verschiedene Dinge durcheinander. Ein ‚Dresscode‘ ist keine gesetzliche Regelung. Wenn mir gesetzlich vorgeschrieben wird, dass ich bei der Arbeit ein bestimmtes Kleidungsstück nicht tragen darf, ist das sehr wohl ein Eingriff - und zwar ein staatlicher - in die persönliche Autonomie. Ein solcher Eingriff hat begründet zu sein und er hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu entsprechen.
Es hat mir bislang noch niemand erklären können, zu was das Tragen des Kopftuches in ein Verhältnis gesetzt werden soll (welche konkrete Gefahr dadurch besteht) und wieso das Verbot verhältnismäßig sein soll.
Wenn es darum geht, dass die Schule ein von religiösen Ideologien freier Raum der Wissensvermittlung sein soll und religiöse Symbole die weltanschauliche Neutralität stören, dann ist das zur Not noch nachvollziehbar - auch wenn das reichlich blauäugig ist. Dies war jedenfalls der Tenor des Karlsruher Urteils. Jedenfalls haben dann selbstverständlich sämtliche religiösen Symbole aus den Schulzimmer zu verschwinden - auch Kruzifixe und Mönchskutten.
Es ist keiner
Muslima generell verboten ein Kopftuch zu tragen - das mußt Du
zur Kenntnis nehmen und insofern ist das Grundgesetz erfüllt.
Mir ist nicht erinnerlich, dass irgendjemand etwas andres behauptet hat. Die Frage ist natürlich, ob etwas in dieser Art noch zu erwarten ist - ich hatte durchaus bewusst von ‚Anfängen‘ gesprochen. Wenn das Kopftuch an den Schulen verboten wird - warum dann nicht gererell in Amtsgebäuden? Am Arbeitsplatz? In der Öffentlichkeit? Man kann das Kopftuch ja dann immer noch zu Hause in den eigenen vier Wänden tragen - „und insofern ist das Grundgesetz erfüllt“.
Es geht hier nur darum daß an Schulen keine Kopftücher
erwünscht sind, so wie bei Bankangestellten Kostüm oder Anzug
getragen werden muß oder bei der Müllabfuhr orangefarbene
Schutzkleidung.
Die Frage ist, von wem und warum ist es unerwünscht. Nochmals - es geht hier um eine gesetzliche Regelung, die in persönliche Rechte eingreift, hat also mit dem Dresscode einer Bank, die allenfalls Teil einer privatrechtlichen Übereinkunft ist, nichts tun. Der Unterschied zwischen Privatrecht, öffentlichem Recht und Verfassungsrecht scheint dir nicht geläufig zu sein. Schutzkleidung bei der Müllabfuhr unterliegt arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Unfallverhütungsvorschriften. Der Grund für die gesetzliche Einschränkung der persönlichen Freiheit ist hier ohne weiteres nachvollziehbar - es dient dem Schutz des Arbeitnehmers. Und die Vorschrift, Schutzkleidung zu tragen, gilt hier für alle Arbeitnehmer - gleich ob Christen, Muslime, Atheisten oder was auch immer.
Wozu dient das Kopftuchverbot? Hierzu habe ich bislang noch nirgendwo eine nachvollziehbare Begründung lesen können. Und Du selbst beschränkst Dich auf ein vages „es ist unerwünscht“. Das ist ein wenig mager, um deswegen ein Grundrecht einzuschränken.
Ja, da ist er wieder, der unvermeidliche Nazivergleich. Ene
mene muh, und raus bist Du:
http://de.wikipedia.org/wiki/Godwins_Gesetz
Das hat mit Godwin’s Law nichts zu tun. Fakt ist, dass das Kopftuch bei den Verfechtern des Verbotes nicht als religiöses, sondern als verfassungsfeindliches Symbol behandelt wird - wogegen sich der ehemalige Richter am Verfassungsgericht, Berthold Sommer, ausdrücklich gewandt hat. Übrigens derselbe Richter, der federführend für das Karlsruher Urteil war. Der übrigens auch sagt „Dass die Religionen gleichzubehandeln sind, steht an mindestens fünf Stellen des Karlsruher Urteils. Das war eine der Grundaussagen“ - und daraus folgert, dass Bundesländer, die das Kopftuch bei Lehrerinnen verbieten, auch die christliche Nonnentracht aus der Schule verbannen müssen. Ähnlich übrigens auch der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau: „Wenn das Kopftuch gilt als Glaubensbekenntnis, als missionarische Textilie, dann muss das genauso gelten für die Mönchskutte, für den Kruzifix.“
Das ist der bereits angesprochene, grundgesetzlich verankerte Gleichheitsgrundsatz. Eben die geforderte Gleichbehandlung will man aushebeln, indem man geltend macht, bei dem Kopftuch handle es sich im Gegensatz etwa zu christlichem Ordenshabit nicht um ein religiöses, sondern um ein politisches Symbol. Nicht irgendeines, wie ein CDU-Parteiabzeichen oder die Bundesfahne, sondern ein verfassungsfeindliches. Damit stellt man das Kopftuch auf eine Stufe z.B. mit der Hakenkreuzfahne. Eben das mag die Absurdität einer solchen Argumentation verdeutlichen.
Ich rede von der Mehrheit der Gesellschaft, nicht von
Einzelnen. Es ist unmöglich im Nachhinein die Geschichte zu
verändern, und es ist nun mal so daß wir unsere Vergangenheit,
und damit auch unsere Entwicklung hatten - mit den Werten und
Einstellungen, die sich daraus für uns als Gesellschaft
ergeben haben.
Die Werte und Einstellungen der modernen, demokratischen, pluralistischen und säkulären westlichen Gesellschaft sind in der Aufklärung entstanden. In der Regel als Antithese gegen „christliche Werte“, wie man sie damals verstand, und in scharfer Auseinandersetzung mit deren Vertretern. Was den ethischen Grundkonsens anbelangt - der ist nicht spezifisch christlich, der findet sich auch in Gesellschaften, die vom Christentum verschont blieben. Nicht besser, aber auch nicht schlechter.
Nö, das Abendland ist nicht in Gefahr, aber das hier ist eben
keine Bananenrepublik.
Wenn willkürlich und ohne ausreichende Begründung in Grundrechte eingegriffen wird, kann man sehr wohl von einer ‚Bananenrepublik‘ reden.
Wenn Du an anderer Stelle auf
Grundrechte verweist mußt Du genauso an die Pflichten denken.
Und wenn von manchen Bundesländern keine Kopftücher bei
Lehrerinnen gewünscht werden weil sie nicht allein als
religiöses, sondern auch als politisches Symbol eingestuft
werden,
Siehst Du, eben das ist Willkür. Seinerzeit beim Radikalenerlass gab es eine Einzelfallprüfung und es gab einen Rechtsweg, bei dem ggf. die Entscheidung der Einzelfallprüfung gerichtlich angefochten werden konnte. Auch wenn die Praxis des Radikalenerlasses sich nahe an der Gesinnungsschnüffelei bewegte, so war es doch wenigstens eine einem Rechtsstaat angemessene Vorgehensweise. Kopftuchträgerinnen unter Generalverdacht zu stellen und ihnen gesetzlich ein Berufsverbot aufzuerlegen, ist etwas anderes.
Freundliche Grüße,
Ralf