Hi,
ein schwieriges Thema, in der Tat.
Allerdings halte ich es durchaus für diskussionswürdig. Das geht aber nicht mit Empörung, sondern ich finde, dass man hier sachlich bleiben sollte.
Für mich stellt sich das Ganze so dar:
Früher, als es noch keine Möglichkeiten der vorgeburtlichen Diagnostik gab, kamen behinderte Kinder zur Welt und starben oftmals kurz darauf, weil es keine medizinischen Möglichkeiten gab, sie am Leben zu erhalten. Es gab sicher auch Fälle, wo solche Kinder getötet wurden, etwa durch Nichtversorgung. Die Gründe dafür seien hier dahingestellt.
Einige behinderte Kinder wurde z.B. ausgesetzt und hatten, falls sie überlebten, wohl kein sonderlich gutes Leben.
Im Zeitalter des Feudalismus sah es bei Kindern von Adligen vielleicht ein wenig anders aus, das weiß ich jetzt nicht.
Heute haben wir mit der vorgeburtlichen Diagnostik ein Mittel an die Hand bekommen, schon vor der Geburt zu sehen, ob das Kind behindert sein wird oder nicht. Wie hoch die Sicherheit dieser Aussage ist, kann ich mangels Sachkenntnis nicht sagen. Vielleicht kann da jemand aushelfen.
Nun stellt sich für mich die Frage: wie gehen wir mit diesem Instrument der vorgeburtlichen Diagnostik um? Ignorieren wir es und alles bleibt beim alten oder nutzen wir es und entscheiden im Einzelfall?
Entscheiden müssen das immer die Eltern, klar, womöglich sogar allein die Mutter.
Aber darf der Arzt Ratschläge geben? Darf überhaupt jemand einen Ratschlag geben?
Ist es ethisch vertretbar, ein behindertes Kind abzutreiben?
Wie sieht es andersherum aus? Ist es ethisch vertretbar, bei einem Schwerkranken auf dessen Wunsch die Behandlung abzubrechen, obwohl Hilfe heute machbar wäre? Vor 30 Jahren war das vielleicht nicht so und er wäre ohnehin und möglicherweise viel früher gestorben.
Das sind meiner Meinung nach zwei Seiten derselben Medaille, nämlich dass es heute medizinische Möglichkeiten gibt, deren Anwendung (oder eben Nichtanwendung) ethisch und moralisch erst noch definiert werden müssen.
Auf der einen Seite das noch ungeborene behinderte Kind, auf der anderen Seite der Patient, der schon 20 Jahre im Koma liegt.
Was dürfen wir tun und was müssen wir lassen?
Vor allem, wenn man bedenkt, dass sich diese Fragen vor ein paar Jahrzehnten mangels medizinischer Möglichkeiten so noch gar nicht gestellt haben.
Dass das Tötungsverbot zu Recht einen enorm hohen Stellenwert hat, ist unbestritten. Aber ist es richtig, jemanden sozusagen zum Leben zu „verdammen“? Dürfen wir das?
Wie lassen wir diesen Fortschritt also in unsere Ethik einfließen?
Falls jemand darauf antworten möchte, bitte ich, nicht mit Bibelzitaten zu kommen. Es gibt auch eine Menge Nicht- oder Andersgläubige, die sich genau so mit diesen Problemen auseinandersetzen müssen.
Viele Grüße
WoDi
