Reden ohne Unterlass

Hi,

immer mal wieder begegnen mir Menschen, die reden ohne Unterlass.
Ich persönlich schätze Kommunikation, in der man sich austauscht.
Diese Menschen sind in der Lage, ohne Punkt und Komma zu erzählen, hauptsächlich von sich, manchmal auch über Allgemeines, aber immer so, dass das Thema nicht zulässt, dass man darauf eingeht, dass es scheint, dass ein Austausch unerwünscht ist.
Und i.d.R. derart uninteressant und bis ins letzte Detail ausschmückend.
Und sie scheinen auch komplett davor gefeit zu sein, sich dadurch abbringen zu lassen, dass ihr Umfeld Desinteresse signalisiert.

Ich dachte, mensch, die müssen ja ein Selbstwertgefühl haben, dass die glauben, dass man sich für ihre derartig persönlichen Geschichten interessiert…
Doch dann habe ich in meinem Bekanntenkreis mal nachgefragt, ob jemand weiß, woher sowas kommt.
Die Erklärungsmodelle waren spannend, allerdings nur angerissen.
Eine meinte, dahinter stecke die Angst, sich zu spüren. Mit dem ununterbrochenen Reden würde die Angst unterdrückt werden.
Eine andere meinte, sie habe mal was gelesen, dass sich dahinter eine Unsicherheit verberge. Die mangelnde Sicherheit, ein Schweigen aushalten zu können. Mehr wusste sie leider nicht mehr.

Wer weiß mehr?
Gerne auch Literaturempfehlungen.

Auch wenn jemand Ideen hat, wie man einen derartigen Redefluss unterbindet, ohne den Betreffenden zu kompromittieren und unter Berücksichtigung, dass ich selbst kein großer Redner bin, - immer her damit :smile:

Schon mal Dank im Voraus,
jeanne

Logorrhoe
http://de.wikipedia.org/wiki/Logorrhoe

Das ist der mir bekannte Begriff dazu. Ich darf dich aber, auch aus persönlicher Erfahrung beruhigen, du musst nicht zuhören. Einfach mit einem unterbrechenden Schlussgruß-Satz Schluss machen und gehen ist auch OK. „Danke für das Gespräch, ich gehe jetzt …/Du, es tut mir leid, aber ich habe jetzt einen Termin/Sollen wir nicht mal an einem neutralen Ort darüber reden/Was hälst du davon, wenn du deine Gedanken mal aufschreibst und wir uns für ein Gespräch verabreden.“

Gerne auch Literaturempfehlungen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Theory_of_Mind

Na ja, nicht ganz passend.

Auch wenn jemand Ideen hat, wie man einen derartigen Redefluss
unterbindet, ohne den Betreffenden zu kompromittieren und
unter Berücksichtigung, dass ich selbst kein großer Redner
bin, - immer her damit :smile:

  1. Keine Hemmungen Schluss zu machen
  2. Nett verabschieden (1 Satz!) und wirklich gehen
  3. Wenn du was machen willst, nicht auf Inhalte eingehen (die können frei assoziiert sein), sondern nur Fragen stellen und NICHT unterbrechen lassen, sondern mit Blick direkt in die Augen weiterreden, was die Ursache für ein Problem sein könnte („Weisst du, ich habe das Gefühl, dass dir die Aufmerksamkeit anderer Menschen fehlt, dir etwas Unangenehmes passiert ist, du dich einsam fühlst, …“), danach zuhören und wenn nichts passendes kommt, auch wieder gehen „Ich denke, es ist in Ordnung, wenn das nicht jetzt geklärt wird, weisst du Menschen sind sehr komplex. Lass und in … Tagen/am … Termin … wieder reden. Guten Tag.“

Don’t panik

Menschen sind wirklich sehr vielfältig und kompliziert

Ja ja, und überleg dir, welche Rolle du spielen willst … oder nicht spielen willst.

Gruß

Stefan

Hallo Stefan,

danke für deine Zeilen!

In deinem Link

http://de.wikipedia.org/wiki/Logorrhoe

fand ich folgenden Satz:
„Dahinter steckt in manchen Fällen der Wunsch nach Bestätigung und Beachtung, also ein Minderwertigkeitskomplex.“
und das gleiche Rätsel, wie in meinem Ursprungsposting bereits benannt, stellt sich mir wieder:
Angenommen, das Umfeld geht überhaupt nicht auf betreffende Person ein. Wie kommt es dazu, dass der Mensch die Reaktion (die nichtvorhandene) auf seine Monologe als Bestätigung und Beachtung verbucht?

Grüße, jeanne

Hallo Jeanne,

das kenn´ ich nur zu gut.

Vielleicht, neben von dir Genanntem, ist es möglicherweise eine Angst,
Fragen gestellt zu bekommen und damit unter „Druck“ zu geraten,
sich mit sich selbst zu beschäftigen und Antworten darauf zu suchen.

Manchmal ist es vielleicht auch die mangelnde Gelegenheit, sich sonst kundzutun. Also es steckt Einsamkeit dahinter. Jede Gelegenheit ist zu ergreifen.

Ab und an muss ich mit einem mehrere Stunden im Auto fahren, der erzählt auch. Ohn Unterbrechung und in der Sprechmelodie ienes buddhistischen Mönches beim Mittagsgebet.

Als Beifahrer hat man da noch gewisse Möglichkeiten. Schlafend stellen, oder tot. Es nützt nichts. Jeden Satz mit einem abwesend-genervten „Jaja, jaja…“ kommentieren - aussichtslos im Sinne der Absicht.

Er erzählt so belanglose pointenamputierte Dinge, es sind jedesmal die gleichen Geschichten über Verkettungen auswirkungsloser Begebenheiten und dem Preis von Dieselkraftstoff in Frankreich im Jahre 1990. Die Situation bereitet mir immer so ein taubes Gefühl im Gesicht, im Bereich der Wangenknochen. Ich musste mich demletzt zusammenreißen, ihn nach bereits 50 km nicht anzubrüllen: „Halt´ dochmal deine Schn…!“.

So eine Autofahrt ist etwas enorm Verhängnisvolles und im Hinblick auf problematische Fluchtmöglichkeiten nur von einer U-Boot- oder Spaceshuttlefahrt übetroffen.

Das nächste Mal werde ich eine andere Route fahren, damit er nicht mitfahren kann. Aber das Rückgrat, ihm zu sagen, dass er mir zuviel quatscht, habe ich wahrscheinlich nicht.

Ein Königsweg hierhin wäre wirklich erfahrenswert. Vielleicht bekommen wir noch Anregungen.

Schöne Grüße

M

Hallo Jeanne :smile:

„Dahinter steckt in manchen Fällen der Wunsch nach Bestätigung
und Beachtung, also ein Minderwertigkeitskomplex.“

Ich glaube, dass das ganze eher in diese Richtung geht, als dass es, wie du vielleicht vermutetest, Ausdruck eines ausgeprägten Selbstbewusstseins ist.

Wie kommt es dazu, dass der Mensch die Reaktion (die nicht
vorhandene) auf seine Monologe als Bestätigung und
Beachtung verbucht?

So ist es glaube ich nicht. Ich vermute, derjenige möchte mit seinem Redeschwall selbst die Richtung des Gesprächs steuern und bestimmen wohin die Konversation geht.
Schweigen könnte dazu führen, auf Dinge angesprochen zu werden, die unangenehm sind und mit denen man sich nicht auseinandersetzen möchte, also die Flucht nach vorne.

Mir ist bei solchen Menschen auch aufgefallen, dass sie selbst kaum Interesse an mir zeigen, aber umgekehrt eine gewisse Aufmerksamkeit fordern. Dazu bin ich natürlich nicht bereit.
Den Mumm, das demjenigen ins Gesicht zu sagen, hab ich natürlich nicht. Ignorieren ist in manchen Fällen schwierig, da man den ganzen Tag mit ihm/ihr verbringen muss wenn es z.B. ein Kollege ist.

Soweit erstmal meine laienpsychologischen Ansichten :wink:

Liebe Grüße
Miriam

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Vermutlich gibt es mehrere Ansätze!

Eine Arbeitskollegin von mir ist da genauso- Einzelkind und es drehte sich immer alles um sie-- und wenn mal nicht, wird es schon möglch sein, daß umzudrehen :wink:

Somit würde sie zu einem selbstbewussten Menschen zählen-- sie ist tatsächlich als geliebtes Kind der Eltern gross geworden und wirkt insgesamt ziemlich stabil!!..was nun aber auch nur mein Eindruck ist!

Einsamkeit würde aber auch bei ihr passen- denn sie ist zuhause mit Mann und zwei Söhnen konfrontiert, die sie machen lassen…und wo ein Austausch nur begrenzt möglich ist!..wobei ich da denken würde, daß es einfach Menschen gibt, die den Austausch- die Reibung mit Kontakt einfach mehr brauchen als andere!??

Eine andere Theorie- - die Aussage „ich rede also bin ich“!

Menschen, die sich selber vielleicht wenig spüren/wahrnehmen-- können ihr Dasein nur damit „festigen“!
Tatsächlich geht es dabei dann auch überhaupt nicht darum, ob jemand zuhört oder sogar Ablehnung gefühlt wird…wie unkontrolliert muss so ein Mensch dann einfach reden…

solchen Menschen begegnen-- wirklich nicht einfach!
Meine Arbeitskollegin mag ich wirklich sehr gerne- sie ist auch ein guter Unterhalter und man kann sehr viel lachen…andersrum nervt das halt schon auch immer wieder mal gewaltig!
Da denk ich mir dann " halt ihre Macke- ich mag sie ansonsten!"- und komm schon durch den Tag :wink:

Grenzen ziehen ist nicht einfach- mir fällt es bei solch Erzählenden schon schwer sie am Telefon abzuwürgen! Wo es doch eigentlich recht einfach ist!! :wink:

Kitty

Hallo Kitty,

…wobei ich da denken würde, daß es einfach Menschen
gibt, die den Austausch- die Reibung mit Kontakt einfach mehr
brauchen als andere!??

das verstehe ich nicht im von dir benannten Zusammenhang. Wenn Austausch/Reibung stattfinden würde im Dialog, dann ist m.E. ja „alles in Butter“.
Ich habe kein Problem mit Menschen, die mehr reden als ich, das ist völlig ok und finde ich sogar meist recht angenehm, wenn einer Themen auf den Tisch bringt.
Es geht ja um die Menschen, die Monologe halten, die keinen Dialog zulassen.

Menschen, die sich selber vielleicht wenig spüren/wahrnehmen–
können ihr Dasein nur damit „festigen“!
Tatsächlich geht es dabei dann auch überhaupt nicht darum, ob
jemand zuhört oder sogar Ablehnung gefühlt wird…wie
unkontrolliert muss so ein Mensch dann einfach reden…

Kann ich mir ein Bild von machen. Doch bleibt die Frage für mich offen, was im Inneren eines solchen Menschens abläuft.

Dank dir für deine Zeilen,
Grüße,
jeanne

Hallo Herr Meyer,

das Sternchen dafür, dass ich so lachen musste…:

Er erzählt so belanglose pointenamputierte Dinge, es sind
jedesmal die gleichen Geschichten über Verkettungen
auswirkungsloser Begebenheiten und dem Preis von
Dieselkraftstoff in Frankreich im Jahre 1990. Die Situation
bereitet mir immer so ein taubes Gefühl im Gesicht, im Bereich
der Wangenknochen.

Ja, da mag man doch nur noch aufschreien und fragen: was glaubst du eigentlich, was mich das interessiert.
Ein wirklich prima Beispiel für mein Thema!
Was in diesen Menschen wohl vorgeht??

Vielleicht, neben von dir Genanntem, ist es möglicherweise
eine Angst,
Fragen gestellt zu bekommen und damit unter „Druck“ zu
geraten, sich mit sich selbst zu beschäftigen und Antworten darauf zu
suchen.

Manchmal ist es vielleicht auch die mangelnde Gelegenheit,
sich sonst kundzutun. Also es steckt Einsamkeit dahinter. Jede
Gelegenheit ist zu ergreifen.

Beide Interpretationen erscheinen mir stimmig. Danke dir!

Vielleicht bekommen wir noch Anregungen.

Ist zu hoffen.

Viele Grüße,
jeanne

Liebe Miriam :smile:

Wie kommt es dazu, dass der Mensch die Reaktion (die nicht
vorhandene) auf seine Monologe als Bestätigung und
Beachtung verbucht?

So ist es glaube ich nicht.

Laut der wikipedia-Aussage schon. (Aber das heißt ja nicht, das man das nicht in Frage stellen sollte)

Mir ist bei solchen Menschen auch aufgefallen, dass sie selbst
kaum Interesse an mir zeigen, aber umgekehrt eine gewisse
Aufmerksamkeit fordern.

Bingo! Vielleicht ist dies auch genau der Punkt, warum mich diese Menschen so nerven. Wenn gleichzeitig ein Interesse am Gegenüber, ein Eingehen auf ihn vorhanden wäre, wäre das Verhalten wahrscheinlich nur noch halb so nervtötend.

Den Mumm, das demjenigen ins Gesicht zu sagen, hab ich
natürlich nicht.

Ich auch nicht, obwohl ich mir so manches mal auf die Zunge beißen muss…

Ignorieren ist in manchen Fällen schwierig,
da man den ganzen Tag mit ihm/ihr verbringen muss

Wahr gesprochen. Genau deshalb fände ich es gut, eine Idee zu bekommen, wie man auf solche Menschen reagieren kann und nicht gehen kann.

Soweit erstmal meine laienpsychologischen Ansichten :wink:

Meiner Meinung nach muss man nicht Freud, Reich, Adler, Perls etc. heißen, um psychologische Ansichten vertreten zu dürfen :wink:

Sei herzlichst gegrüßt,
jeanne

Hallo Kitty,

…wobei ich da denken würde, daß es einfach Menschen
gibt, die den Austausch- die Reibung mit Kontakt einfach mehr
brauchen als andere!??

das verstehe ich nicht im von dir benannten Zusammenhang. Wenn
Austausch/Reibung stattfinden würde im Dialog, dann ist m.E.
ja „alles in Butter“.
Ich habe kein Problem mit Menschen, die mehr reden als ich,
das ist völlig ok und finde ich sogar meist recht angenehm,
wenn einer Themen auf den Tisch bringt.
Es geht ja um die Menschen, die Monologe halten, die
keinen Dialog zulassen.

stimmt- der Dialog fehlt…aber nicht jemand, der da ist und zuhört- sonst könnten solche Menschen ja auch dauernd Selbstgespräche führen:wink:-- gut Reibung ist da wohl der falsche Begriff- vielleicht nur Kontakt, der gesucht wird.

Wollte damit auch eher sagen, daß es bei jedem Menschen unterschiedlich ist- einer sucht generell eher andere Menschen auf- ein anderer eher das Alleinsein!

Menschen, die sich selber vielleicht wenig spüren/wahrnehmen–
können ihr Dasein nur damit „festigen“!
Tatsächlich geht es dabei dann auch überhaupt nicht darum, ob
jemand zuhört oder sogar Ablehnung gefühlt wird…wie
unkontrolliert muss so ein Mensch dann einfach reden…

Kann ich mir ein Bild von machen. Doch bleibt die Frage für
mich offen, was im Inneren eines solchen Menschens abläuft.

Was da genau abläuft, weiss ich nicht!
Vielleicht die einzige Form, die ein Mensch finden konnte um sich selber „klarzumachen“, daß er existiert (mal krass ausgesprochen!).
Dahinter ständ dann tiefe Einsamkeit und die Unfähigkeit sich anders als „vorhanden“ wahrzunehmen…-- naja…würde ich jetzt mal vermuten :wink:

Spräche insofern dafür, daß man als Aussenstehender ja oft belangloses Zeug erzählt bekommt- was andere sich im Kopf mal durchdenken- solche Leute aber dann erzählen…

kitty

Hi,

kenne einpaar solcher Seelen. Einer von denen kann wirklich stundenlang über belangloses Zeugs wie die Reinigung seines Wagens reden. Aber macht man auch nur einen Wimpernschlag der den Anschein von verbaler Reaktion bedeuten könnte, dann wird er lauter und redet schneller. Solche Leute sind nie an einer Kommunikation interessiert. Das einzige was sie wollen ist das man dem Krach lauscht der aus ihrem Mund kommen.
Nicht selten zerreisst es mir dabei (nach gefühlten tausend Jahren des Zuhörens) die Hutschnur.

Vielleicht, neben von dir Genanntem, ist es möglicherweise
eine Angst,
Fragen gestellt zu bekommen und damit unter „Druck“ zu
geraten,
sich mit sich selbst zu beschäftigen und Antworten darauf zu
suchen.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Solche Leute sind ausschliesslich mit sich selbst beschäftigt. Ihre ganze Welt dreht sich nur um sie. Sie haben den Durchblick, sie wissen alles und sie können alles. Auch wenn die Realität sie in einem ganz anderen Bild darstellt.
Manchmal bemerke ich bei solchen Leuten oft eine art Feingefühl, die sie aber bei wirklich wichtigen Situationen immer missen lassen.

Manchmal ist es vielleicht auch die mangelnde Gelegenheit,
sich sonst kundzutun. Also es steckt Einsamkeit dahinter. Jede
Gelegenheit ist zu ergreifen.

Und den Grund kennen wir ja.
Meist haben diese Leute auch noch sehr sehr hochgestochene Anforderungen. Obwohl sie selbst auf jeder Ebene versagt haben.

Er erzählt so belanglose pointenamputierte Dinge,

Dieses Wort gehört in den Duden und zwar gaaaanz vorne!

Gruss

Hi

So ist es glaube ich nicht.

Laut der wikipedia-Aussage schon. (Aber das heißt ja nicht,
das man das nicht in Frage stellen sollte)

Genau! Wiki ist nicht das Mass aller Dinge. Eine Hilfestellung, mehr jedoch nicht. Miriam erzählt von ihren eigenen Erlebnissen und Schlussfolgerungen.
Leute mit „Sprechdurchfall“ nehmen jeden in ihre Fänge und reden drauflos, weil das was gesagt werden muss endlich raus kann, da die Information von ihnen kommt MUSS sie also unheimlich wichtig sein.

Bingo! Vielleicht ist dies auch genau der Punkt, warum mich
diese Menschen so nerven. Wenn gleichzeitig ein Interesse am
Gegenüber, ein Eingehen auf ihn vorhanden wäre, wäre das
Verhalten wahrscheinlich nur noch halb so nervtötend.

Auch von mir ein BINGO! Kein „vielleicht“, es ist DER Punkt der uns an solchen Menschen nervt.
Wenn du irgendwie die Möglichkeit bekommen und ergriffen hast um zu sagen: „Huch, ich habe mir gerade den Finger gebrochen“ kommt von denen dann sowas wie: „Leg Eis drauf! Weisst du wie toll ich heute meine lila Schnürsenkel gepflochten habe? Hahahaha… Ne, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Da war dieser Wind und ich hatte gerade frisch den Nagellack drauf, da dachte ich mir, hey was solls, schnür dir die Senkel…kicherkicherkicher… Und das war sowas von einem tollen Anblick…hahahaha… Dabei hatte ich erst gerade den Boden gewienert und der Staub auf dem Fernseher war ja auch nicht mehr anzusehen…kicherkicherkicher. Übrigens benutze ich den Sprayer von XY. Boaaaahhhh, der ist einfach perfekt und duftet unheimlich gut…hahahahaha…“

Den Mumm, das demjenigen ins Gesicht zu sagen, hab ich
natürlich nicht.

Ich auch nicht, obwohl ich mir so manches mal auf die Zunge
beißen muss…

Genau diese Bescheidenheit wird von solchen Menschen ausgenutzt. Mein Geduldsfaden ist wirklich sehr sehr lang, aber alles hat ein Ende. Wenn auch die Wurst zwei davon hat.
Übrigens werden diese Leute ruhig sobald sich jemand anderes dazu gesellt.

Meiner Meinung nach muss man nicht Freud, Reich, Adler, Perls
etc. heißen, um psychologische Ansichten vertreten zu dürfen
:wink:

Das musste man nie sein.

Gruss

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Logorrhoe und Narzißmus
Hi Jeanne,

Menschen, die reden ohne Unterlass.
Diese Menschen sind in der Lage, ohne Punkt und Komma zu erzählen

da wären zwei verschiedene Phänomene unter denen, die du schön umschreibst, zu unterscheiden. Ich will sie mal in ihrer deutlichen, krassen Erscheinungsform beschreiben:

Das eine findet sich häufig beim stark narzißtisch geprägten Persönlichkeitstyp (was noch nichts mit narzißtischer Persönlichkeits_störung_ zu tun haben muß): Er redet, in dem er 1. voraussetzt, daß, wenn ER redet, das unmittelbar auch für jeden Zuhörer interessant zu sein hat,
2. weil er voraussetzt, daß das zu Sagende niemand besser sagen kann als er selbst.

Er redet nicht schnell (siehe unten), sondern druckreif, ist aber ebenso ununterbrechbar (bei ihm tut man es nicht, weil sein respekterheischendes Auftreten den Irrtum erzeugt, man sei unhöflich), und mißbraucht den (somit in Schach gehaltenen) Zuhörer, um seine Grandiosität erneut zu demonstrieren. Seine Rhetorik ist insbesondere auch so raffiniert, daß er dem Zuhörer nicht die geringste Chance läßt, ein Satzende auszunutzen, um einzugreifen.

Diesen Typ beschreibt man ja auch gerne mit den Worten „er hört SICH gerne reden“ - womit ja gesagt ist, daß er jedenfalls keinen Dialog führt, sondern der „Gesprächs“-Partner nur der Katalysator und die Bühne für eine narzißtische (und mindestens leicht größenwahnige) Selbstfeier ist.

Etwas ganz anderes ist die (schon erwähnte) Logorrhoe: Der Logorrhoetiker spricht zunächst mal enorm schnell. Ich habe Beispiele von Leuten, die in einem einzigen (mutmaßlichen) „Satz“ drei verschiedene Inhalte heraussprudeln. Die Sätze sind fast nie grammatisch vollständig, der nächste Satz kann gar nicht so lange warten, bis der Punkt kommt.

Weiter ist die Gedankenführung enorm chaotisch. Meist ist allein ein Stichwort in dem einen Satz ein Anlaß, über dieses als Assoziationsbrücke in einen ganz anderen Inhalt zu fallen. Auch wenn es keine direkten Sprünge gibt, verzweigt sich der Gedanke in endlose Details und in ein Labyrinth von Nebensätzen oder von Exkursen („das muß ich Ihen noch erklären, damit Sie verstehen, wie es weitergeht“). Und aus diesen Exkursen kommt er nie mehr zum Hauptgedanken zurück, wenn man es nicht schafft, einen solchen überhaupt zu erkennen *g* und ihn „mit Gewalt“ auf diesen zurückzubringen.

Ein gedanklicher Verzweigungsbaum, ähnlich einem Fraktal, wie man es aus der Mathematik kennt (es funktioniert auch ganz ähnlich …:
http://www.praxis-dialog.de/metapher/fundus/mid001.gif
… ist nur nicht so schön *fg*)

Der Unterschied zwischen beiden Typen ist auch der: Der Erstere wird, wenn man es schafft, seinen Redefluß zu stoppen, ärgerlich, zeigt unterdrückten Zorn, hört gar nicht zu und reagiert arrogant „also, ich war eben noch nicht fertig“ oder sagt sogar „unterbrich mich nicht“ oder sogar: „hörst du mir überhaupt zu?“.

Der andere, die Logorrhoe, wenn er denn einmal tatsächlich unterbrochen ist, hört sehr wohl zu, nimmt aber jede Gelegenheit wahr, ein Stichwort aufzugreifen und einen neuen Verzweigungsbaum zu starten.

Bei der Logorrhoe liegt die Auslösung des Phänomens psychisch eine Stufe „tiefer“ als beim Narzißten. Ich habe sogar die Vermutung, daß die Disposition hirnphysiologisch manifestiert sein könnte. Der Redner redet extremst hektisch, ja wie in Panik, als ob er nur noch 2 Minuten Zeit hätte, einen ganzen Roman zu erzählen. So ist auch die Reaktion bei einem verhaltenstherapeutischen Eingriff: Wenn man ihm die Aufgabe stellt, einmal für 5 Minuten zu schweigen, und er tut das dann auch - nachdem es mindestens 10 Minuten geredet hat, um den Sinn und Zweck dieser Übung zu kommentieren und zu reflektieren („ist ja interessant! Warum soll ich das tun? Muß das sein? Was soll das denn bewirken? Ich könnte mir vorstellen, daß Sie damit bezwecken …“) - dann wird er Schweißausbrüche zeigen, Zittern, erhöhten Puls, Rötung im Gesicht und manchmal sogar Weitung der Pupillen. Also einer Panikattacke ganz ähnliche physiologische Reaktionen.

Der Hintergrund dieses Verhaltens ist nicht immer derselbe: Oft ist es tatsächlich ein Versuch, durch die Hektik des Gedankens mit immer neuen thematischen Einfällen, zu verhindern, emotional zur Ruhe zu kommen und dadurch unangenehme Selbstgefühle regelrecht zu überrennen. Die Erklärung kann man nicht selten hören: „Wenn ich langsamer rede, kommen Gefühle hoch, die ich nicht aushalten kann“. Diese „Gefühle“ selbst können sehr unterschiedlich sein.

Ein mangelndes Selbstwertgefühl liegt bei beiden Typen jedenfalls nicht oberflächlich betachtet vor. Falls man nicht damit die beim Narzißten indirekt vorhandenen, vermittelst „Abwehrmechanismus“ konvertierten Minderwertigkeitsgefühle meint.

Beim Logorrhoetiker finden sich oft in der Biografie frühe Phasen, in denen das Kind keine Gelegenheit bekam, Aufmerksamkeit zu bekommen und zu genießen. Das ist aber in der Gegenwart mitnichten ein Motiv des heftigen Redeflusses.

Die realen Erscheinungen sind in den meisten Fällen nicht so extrem, wie hier beschrieben. Wie sie sich im Gespräch verhalten,hängt dann auch sehr von der Persönlichkeit und ihrem interaktiven Verhalten ganz generell ab - umnicht zu sagen: vom Charakter.

Daher unterschieden sich auch die Möglichkeiten, in den Redefluß des einen und in das Gedankenfraktal des anderen einzugreifen. Manchmal reicht ein einfaches „Ich möchte Sie hier gern mal unterbrechen …“ oder „Darf ich Sie hier mal unterbrechen?“. Ohne das wird es bei ausgeprägten Typen beider Art aber meist nicht gehen. Einfach ins Wort fallen geht auch meist - oft wirst du dann aber den Kommentar hören (natürlich EHE du zu reden beginnst *g*) „Ja ich weiß,ich rede mal wieder zuviel. Das liegt aber daran …“ *lächel*

Gruß
Metapher

Hallo Jeanne,
meine Schwiegermutter ist so ein Typ: Sie redet pausenlos - aber nur mit ihrem Sohn. Sie kann stundenlang (im Auto, höllisch!) reden und reden - zwischendurch wird kommentiert, was am Wegesrand vorbeifliegt… Ich verstehe dahinter: „Ich bin da, ich bin da, ich bin da… vergesst mich nicht…“
Diese Frau denkt, dass jemand, der in sich hineinhorcht, nichts taugt (mir gegenüber: „Frauen wie du kriegen nichts auf die Reihe“).

Eine meinte, dahinter stecke die Angst, sich zu spüren. Mit
dem ununterbrochenen Reden würde die Angst unterdrückt werden.

So sehe ich das auch.
Solchen Leuten beizukommen, habe ich als aussichtslos erlebt.
Gruß, Susanne

Hallo Jeanne,

das ist ein schwieriges Thema, ob Schubladendenken da unbedingt weiterhilft ?

Mir ist z.B. aufgefallen, dass ich auch dazu neige, sehr viel und sehr schnell zu reden, wenn ich nervös bin. Ich interessiere mich wohl für den anderen, kann aber manchmal einfach meine Impulse nicht steuern. Ich nehme sehr wohl auf und denke dann auch später über das gesagte nach, aber im Augenblick des Geschehens kann ich das nicht immer. Wenn ich mich wirklich wohl fühle, dann bin ich eher ruhig. Das wird von meiner Umgebung aber dann gerne mal als Unwohlsein eingeordnet, weil man mich eher als lebhaftes Wesen kennt.

Oberflächlichkeit oder Geltungsdrang hat mir bis dato, jedoch niemand vorgeworfen.

In welche Schublade gehöre ich also ?

Gruss
Petra

anekdotische Ergänzung
Hallo Metapher,

danke für diesen Artikel, auch wenn er nicht für mich war. Ich möchte ihn nur um ein kleines Beispiel aus meiner Erfahrung ergänzen.

Er redet nicht schnell (siehe unten),
sondern druckreif, ist aber ebenso ununterbrechbar (bei ihm
tut man es nicht, weil sein respekterheischendes Auftreten den
Irrtum erzeugt, man sei unhöflich), und mißbraucht den (somit
in Schach gehaltenen) Zuhörer, um seine Grandiosität erneut zu
demonstrieren. Seine Rhetorik ist insbesondere auch so
raffiniert, daß er dem Zuhörer nicht die geringste Chance
läßt, ein Satzende auszunutzen, um einzugreifen.

Ich kenne einen Professor, der schon im Ruhestand war, aber seine grauen Zellen nicht verwelken lassen wollte und sich deshalb unentgeltlich einer Forschungsgruppe an der Universität anschloss, um diese, wie er meinte, um sein Wissen und seine Erkenntnisse zu bereichern. Er war zunächst auch wohl geduldet, denn einst galt er als wahre Koryphäe auf seinem Gebiet. Dass er den Anschluss an die aktuelle Forschung verloren hatte und dass seine Ideen nicht so nützlich waren, wie er selbst es meinte, stellte sich erst nach und nach heraus.
Dieser Mann nun hatte die Eigenart, langsam und vielleicht sogar ein wenig hypnotisierend zu sprechen. Man hörte ihm gerne zu. Kam er aber zum Ende eines Monologs, erkennbar an der Intonation, am Gesichtsausdruck, an der Atmung und am Inhalt und hob an, etwas zu erwidern oder zu fragen, dann stellte sich dieses Ende als ein nur scheinbares und die Anzeichen als fehlinterpretiert heraus. Denn sobald man „Aber das bedeutet…“ oder „Da stellt sich mir die Frage…“ gesagt hatte, sprach er weiter, als hätte es die Pause und diesen Satzanfang seines Gegenübers nie gegeben.
Das ging bisweilen drei Mal hintereinander so, bis man gelernt hatte, die Pause etwas länger abzuwarten und in seine Stimme genügend Untertänigkeit zu legen, dass diese Demutsgeste als höfliches Bitten verstanden werden konnte, ohne das er niemals das Wort abgegeben hätte.

Viele Grüße, Tychi

Wie sie sich im Gespräch
verhalten,hängt dann auch sehr von der Persönlichkeit und
ihrem interaktiven Verhalten ganz generell ab - umnicht zu
sagen: vom Charakter.

wie wäre hier die steigerung einzuordnen:
nicht nur der verbale overkill, sondern auch die gleichzeitige überschreitung der rein körperlichen grenze des anderen?

also nicht nur durch gnadenloses vollsabbeln, sondern im wortsinne „auf-die-pelle“-rücken das jeweilige opfer nicht nur zu verbaler, sondern auch körperlicher gegenwehr zu verleiten?

e.c.

Wie sie sich im Gespräch
verhalten,hängt dann auch sehr von der Persönlichkeit und
ihrem interaktiven Verhalten ganz generell ab - umnicht zu
sagen: vom Charakter.

wie wäre hier die steigerung einzuordnen:
nicht nur der verbale overkill, sondern auch die gleichzeitige
überschreitung der rein körperlichen grenze des anderen?

also nicht nur durch gnadenloses vollsabbeln, sondern im
wortsinne „auf-die-pelle“-rücken das jeweilige opfer nicht nur
zu verbaler, sondern auch körperlicher gegenwehr zu verleiten?

Meinem Erleben nach ist das ein getrenntes Phänomen. Mir fallen da
jedenfalls direkt ein paar Beispiele solch physischer Distanzlosigkeit
ein, die offenbar weder logorrhoeisch noch narzißtisch sind.

Gruß,

Malte

wie wäre hier die steigerung einzuordnen:

Es gibt wohl keinerlei Anlaß, die Tendenz zu körperlicher Grenzüberschreitung als „Steigerung“ der beiden hier dargestellten Formen exzessiven Redens zu vermuten. Es geht bei dem diskutierten Verhalten zwar um etwas, das - je nach Variante - den touch von Rücksichtslosigkeit hat, aber keineswegs von Aggressivität. Das ist eine ganz andere Baustelle.

Allerdings gibt es natürlich durchaus ein Problem der Grenzüberschreitung dabei, aber nicht auf somatischer Ebene. Das Sprechen ist ein Sprechen für sich selbst - ihm fehlt die Komponente des Ansprechens des Anderen. Das Leitmotiv ist „was will ich sagen“ und nicht „was soll der Andere, dieser Andere, von mir hören“. Es ist also im weiteren Sinne ein egomanisches, ein auf sich selbst bezogenes Verhalten. Das Interesse, den Anderen auch zu erreichen, steht nicht im Vordergrund. Dadurch fühlt sich der Gesprächspartner notwenigerweise überrannt.

Da hier aber nur zwei Extreme gezeichnet wurden, muß man mit Verallgemeinerungen vorsichtig sein: Nicht jede stark narzißtisch geprägte Persönlichkeit ist ein exzessiver Sprecher (sogar manchmal ganz im Gegenteil), und nicht jeder Schnellsprecher spricht chaotisch oder zeigt „fraktale“ Gedankenführung. Im Gegenteil gibt es sehr brilliante Schnellsprecher, bei denen man halt nur ein bißchen schneller mitdenken muß :smile: und der Dia-log ist ebenfalls völlig unproblematisch.

Gruß
Metapher

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Hallo,

Bei den Ursachen gib es sicherlich unterschiedliche Feinabstimmungen. Durchs Sprechen lässt sich Aufmerksamkeit gewinnen, der Sprecher ist Zentrum des Geschehens. Alles soll sich um ihn drehen. Es kann ein Beweis dafür sein, dass er etwas „bedeutet“ (ich bin gemeint). Manche Menschen brauchen Andere, um sich davon zu überzeugen, dass sie mit der Welt „zusammenhängen“, „wer sind“. Ganz existenziell. Wenn kein stabiles soziales Umfeld zur Verfügung steht (und auch da die heutige Welt wenig sensorische Rückmeldung bietet, wie z.B. noch in Indien, wo man ständig verschiedensten Reizen ausgesetzt ist), haben sie das Gefühl, in der Luft zu hängen und den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Zitat: „So ist es glaube ich nicht. Ich vermute, derjenige möchte mit seinem Redeschwall selbst die Richtung des Gesprächs steuern und bestimmen wohin die Konversation geht. Schweigen könnte dazu führen, auf Dinge angesprochen zu werden, die unangenehm sind und mit denen man sich nicht auseinandersetzen möchte, also die Flucht nach vorne.“

Ja, das ist ja auch einfacher, wenn es nur um das „Gesehen werden“ geht und es hilft gegen Realitätsabgleich (wird dann vermutlich zur „Sucht“, denn die Zweifel, dass man selbst so ist, wie man es darstellt, stellen sich danach ja wieder ein). Realitätsabgleich kann man vermeiden, um sich nicht / auf nichts festlegen zu müssen und keine echten Verpflichtungen eingehen zu müssen, und damit es nicht „weh tut“.

Gruß, Anne