Hallo Anwar,
die Sache mit dem Schämen hatte auch Bassam Tibi in eine Interview genannt. (Leider weiß ich nicht mehr, in welcher Zeitschrift ich das gelesen habe, sonst würde ich das sehr interessante Gespräch verlinken).
Auch wenn ich dieses kulturelle Tabu (sich öffentlich schämen) seither überhaupt erstmal gesehen habe, besteht für mich dennoch die Frage, ob man das dann einfach als Tatsache hinnehmen soll. Ein ähnliches Tabu gibt es ja auch immer noch in unserem Kulturkreis - beim Thema Familie. Ich kenne das auch noch so: Probleme in der Familie werden nicht nach außen getragen. Das ist eine klare Ansage und hat sicher auch dazu geführt, dass z.B. sexueller Missbrauch oder andere Misshandlungen innerhalb der Familie so eine hohe Dunkelziffer haben.
Ich selbst bin der Meinung, dass es manchmal gute Gründe gibt, dieses Tabu zu durchbrechen. Und ich frage mich, ob zumindest islamische Vertreter hier in Deutschland bsw. nicht überlegen sollten, hier Traditionen und kulturelle Tabus aufzubrechen - in Frankreich ist das ja im übrigen geschehen und es gab bei Demonstrationen deutliche Bekenntnisse der Muslime zum französischen, säkularen Staat. Denn ich glaube, dass diese terroristischen Gewalttaten auch solange weitergehen werden, solange sie von so einem großen Teil der Muslime nicht öffentlich geächtet werden. Solange man sich im Recht fühlen kann mit seinen Taten…
Man muss hier bedenken, dass die meisten Muslime aus einem
ganz anderen Kulturkreis kommen. Die meisten Muslime in DE
sind z.B. Türken, die mit demokratischen Mitteln der
Auseinandersetzung Erfahrung haben. Wieviele Türken hast Du
überhaupt jemals auf einer
Demo gesehen (bitte nicht mit PKK-Demos verwechseln!)?
Stimmt. Neulich war mal ne Demo in Berlin, die richtete sich aber gegen den Armenierbeschluss des Bundestages, war also ein Protest gegen die deutsche Regierung.
Der Islam ist da seltsam paradox: Einerseits gibt es ja
(zumindest bei den Sunniten) keine verbindliche
„Authorität“ in Religionsfragen, andererseits will „man“ aber
ein geschlossenes Bild des Islam nach außen tragen. Sicherlich
einer der Problempunkte des Islam.
ok, als Nicht-Muslima ist es nicht mein Job, daran was zu ändern:smile:. Pluralismus leben ist eben auch eine demokratisch-westliche Tugend., die mehr oder minder funktioniert.
Man darf hier sicher die Kreuzzüge als psychologischen Faktor
nicht vergessen, die Moslems haben sie (die Kreuzzüge)
jedenfalls nicht vergessen. Und wenn dann ein saudummer
amerikanischer Präsident die „Befreiung“ des Irak als
„Crusade“ betitelt, tut das sicherlich ein übriges. Aber mal
ernsthaft: Wo sind denn die großen Reparationszahlungen und
Beleidsbekundungen für ca. 500 Jahre Kreuzzüge+Kolonialismus?
hm, naja, die hat’s für Afrika auch nicht wirklich gegeben. Zum Thema Vergangenheitsbewältigung des Kolonialismus: ich vermute, dass sich die heutigen demokratischen Staaten schwer tun, sich überhaupt mit den damaligen Taten bzw. Staaten soweit zu identifizieren, dass sie sich davon distanzieren müssten. Ich fand es bsw. schon eher lächerlich, dass in der 8. Generation Afroamerikaner Schadensersatz für die Sklaverei ihre Vorfahren haben wollten. Und so schlimm die Herero-Geschichte ist, habe ich schon ein Problem damit, hier noch legitime Forderungen an den deutschen Staat abzuleiten.
Wenn ich mir anschaue, wieviel seit Jahrzehnten gespendet wird für bestimmten afrikanische Projekte (ich meine jetzt nicht die großen Initiativen, sondern die kleinen, kommunalen und kirchlichen) - und durchaus mit der inneren Begründung, man sei verantwortlich für das, was da los ist…und wenn wir jetzt noch das Thema Entwicklungshilfe aufmachen, wird’s eh kompliziert:smile:…Fazit: Das gar nix passiert sehe ich nicht. Ob immer das richtige passiert, ok…
Für die Kreuzzüge gilt - denke ich - ähnliches. Im kulturellen Gedächtnis sind die Weltkriege das grausamste, was es gab. Außerdem glaube ich, dass sich der Westen eben nicht als so ein monolithischer Block begreift (und auch nicht ist) - wer sollte sich denn für die Kreuzzüge verantwortlich genug fühlen, um hier Wiedergutmachung zu betreiben, selbst wenn man es wollte? Btw. haben die Araber ja auch nicht gerade auf die ganz friedliche Tour missioniert, ohne das in einen Topf werfen zu wollen. Und Araber waren ja selbst auch oft genug Uterdrücker, das Bild, alles Böse komme vom Westen ist ja genauso falsch wie das Bild alles Muslime seien potenzielle Terroristen. Aber wer öffentliches Schämen (Entschuldigen für die Kreuzzüge z.B. - btw hat der vorhergehende Papst sich da nicht mal entsprechend geäußert - oder betraf das nur die Juden?) von anderen erwartet, sollte doch auch selbst dazu fähig sein, oder?
:Nirgends. Stattdessen siedelt man im Jahre 1945 ein Volk, das
ca. 2000 Jahre lang nur noch nominell dort präsent war,
dorthin über, nur um es los zu werden und gibt ihm noch einen
eigenen Staat (nachdem man, wie gesagt, alle anderen Staaten
in dieser Region zerschlagen hatte). Ich käme mir da auch ganz
schön vera***** vor…
Naja, diese Geschichte ist schon deutlich komplexer als du sie hier darstellst und fängt auch nicht 1945 an.
Daher sage ich ja: Soll der Westen sein Ding drehen und sich
da raus halten (und nicht etwa korrupte Regime, wie die Saudis
fördern). Wenn die Orientalen mit „uns“ reden wollen, können
sie gerne von sich aus auf uns zukommen.
Mir ging es im meinem Posting eher um die Frage, warum Muslime insgesamt in einer bestimmten Art und Weise wahrgenommen werden. Und dass das eben auch hausgemacht ist. Nachdem nunmal eine Menge Muslime hier leben - und es zumindest in diesem Teilthread auch um den Umgang mt den heimischen Msulimen ging, kann man sich nicht einfach „raushalten“. Denn sie leben ja mitten unter uns. Wenn auch in so abgeschotteten Parallelgesellschaften, dass es fast keine Kontakte untereinander gibt.
Und ich meine halt, dass da von beiden an der Kommunikation gearbeitet werden muss, nicht nur von uns Nicht-Muslimen, sondern eben auch von dn Muslimen, wenn sie hier als freie, gleichberechtigte und akzeptierte Bürger unter vielen leben wollen. Wenn unsere Errungenschaft wie das Grundgesetz genutzt werden, um sich zu schützen - was das gute Recht eines jeden Individuums ist - erwarte ich auch, dass auch über Pflichten für das gemeinsame, friedliche Zusammenleben nachgedacht wird. Eine Pflicht sehe ich im Nachdenken über eine bessere Kommunikation. Veränderung tut immer weh, aber ohne Veränderung geht es nicht. Und Zusammenleben heißt immer Kompromisse eingehen und auch mal Schmerzen haben im Bauch. Wie in einer Zweirbeziehung auch kann aber die Lösung eben nicht im gegenseitigen Vorwurf liegen.
viele grüße,
barbara