Mahlzeit, liebe Sprachler!
Früher hieß es immer „garnicht wird gar nicht zusammengeschrieben“.
Meine Hauptfrage nun: auch nach der N.D.R. nicht? Und die zweite Frage ist die nach der „Herkunft“ des Wortes „gar“. Natürlich nicht im Sinne von „fertig gekocht“. Merkwürdigerweise finde ich z.B. bei Kluge weder etwas zu „gar“ noch zu „sogar“. Und zu garnicht erst recht nicht. Wer weiß etwas über die Urbeutung und Herkunft des Wortes „gar“? Hängt es vielleicht mit dem altgriechischen Wort für „denn, nämlich“ zusammen oder dem französischen „guère“ = sehr, viel? Offensichtlich ja mit dem italienischen „magari“. Danke für alle weiteren Hinweise, Stoppel
Hallo Stoppel!
Früher hieß es immer „garnicht wird gar nicht
zusammengeschrieben“.
Meine Hauptfrage nun: auch nach der N.D.R. nicht?
Auch nicht!
Und die zweite Frage ist die nach der „Herkunft“ des Wortes „gar“.
_ gar
Adjektiv Standardwortschatz (8. Jh.), mhd. gar(e), ahd. garo, as. garo Stammwort.
Aus g. *garwa- Adj. „bereit, fertig“, auch in anord. gOrr, ae. gearo. Herkunft umstritten. Die Bedeutung war früher allgemein „bereit“ (auch z.B. von Personen gesagt), deshalb gehört hierher auch gerben. Der Anschluß an g. *arwa- „schnell, bereit“ in anord. Orr „bereit(willig)“, as. aru „bereit, reif“ aus ig. *orwo- „schnell, bereit“ in avest. aurva „schnell, tapfer“, toch. A Arwar, B Arwer „bereit, fertig“, weiter zu gr. órnymi „treibe an, setze in Bewegung“ usw. (so zuletzt Sanders) wird wahrscheinlich gemacht durch Heidermanns: Zu g. *arwa- „bereit“ wird die verbale Ableitung g. *g(a)-arwija- „bereitmachen“ gebildet. Zu diesem ist g. *garwa- „bereit“ eine Rückbildung. Diese Annahme wird dadurch gestützt, daß anord. gOrr das Partizip von anord. gorva „bereiten“ vertritt.
Ebenso nndl. gaar.
Kabell, A. ZVS 87 (1973), 26-35;
Sanders, W. FS Kolb (1989), 558-568;
Heidermanns (1993), 233f. west- und nordgermanisch_
Merkwürdigerweise finde ich z.B. bei Kluge weder etwas zu
„gar“ noch zu „sogar“. Und zu garnicht erst recht nicht.
In der Tat merkwürdig, aber wie du siehst, hatte ich größeren Erfolg.
Und wenn Kluge nichts bieten sollte, gibt es immer noch den Grimm (Hier verlinkt!). Ich biete nur den Anfang des langen Artikels:
_GAR [Lfg. 4,6], bereit, fertig, ganz u. ä.
I. Formen und verwandtschaft.
- die form ist nicht rein ins nhd. gekommen, doch war noch dem 16. jh. die vollere gestalt garb nicht ganz verloren:
leszt mich am garben hunger gehn. H. SACHS 2, 4, 25d,
am völligen hunger (s. II, 4, a), am reinen hunger wie man wol jetzt sagen würde; diesz am garben hunger musz formelhaft gewesen sein:
so haben ich und meine kind nit ein pissen protz im haus,
das sie oft an …[weiter]
2) für gar im 16. jh. auch noch g a r e , wie in der übergangszeit aus dem ahd. ins mhd., doch selten:
richt mich, herr, und fur mir mein sach
widr die unheilig schare.
errett mich von den falschen, ach!
und bösen leüten gare. H. SACHS der 43. psalm.
so bes. im md., auch während und nach der mhd. zeit neben dem streng mhd. gar, z. b.:
das kan ich alle gare,
so ich di …[weiter]
3) der stamm war g a r w , daher ahd. mit endung karwêr, garwêr, schwach garwo (auch mit eingeschlichnem a, u, i, e zwischen dem r und w), ohne endung karo, garo, mit o für -w; mhd. garwer und gar, letzteres aus gare geworden (d. h. so lange dessen a noch kurz war), gare aber aus dem ahd. garo. reiner alts. garu (doch gleichfalls garo) und garowo, ags. gearu, gearo und gearwe, altengl. gare HAL …[weiter]
4) gegenwärtig auszer hd. und nd. eig. nur noch nl. gaar, doch auch in beschränkterer geltung; engl. veraltet yare fertig, bereit, gewandt, flink (altengl. yarwe u. ä., s. STRATMANN 256, vgl. gare u. a), doch noch mundartlich yare HALLIW. 943b, auch mit neuer adj. endung yary ready, quick 944a (vgl. ags. gearc paratus, promptus GREIN 1, 493), wie bei uns g a r i g bereit, bequem u. ä. im Pinzga …[weiter]
5) die herkunft ist noch im dunkeln, eine urverwandtschaft noch nicht ermittelt (vgl. übr. II, 3). man zog es zwar zur skr. wurzel kr machen, wie gr. kra×nw, lat. creare, und J. GRIMM (i. j. 1854) bestrebte sich die entstehung in form und bed. glaublich zu machen, s. kl. schr. 1, 325 fg., vgl. 322; aber während ohnehin die lautverschiebung nicht zutrifft, ist jener …[weiter]
II. Bedeutung und gebrauch des a d j e c t i v u m s .
- fertig gekocht, von den im allgemeinen gebrauche gebliebenen bedd. die sinnlichste und zugleich eine der erreichbar ältesten.
a) elixum, gesoten vel gar. Bresl. voc. d. 15. jh., aus andern vocc. s. bei DIEF. 199a elixus gesotin oder gar, auch gar gesotten (elixare gar sieden), nd. rede, gare; gar, als die speise, relixus, plene coctus. voc. 1482 k ija; decoctus, gar, wolgekocht. ALBERUS p 3b, percoquo ich koch wol, gar. p 3a. Belege seit dem 14. jh.: beschuldiget ein man den andirn umme syne gare kost, dy her gessen h …[weiter]
b) bildlich: wenn uns gott … mit allerlei trübsal wol plaget, das wir mürb und gar werden … bis unser stolz … ganz tod sei. LUTHER 5, 65a, obwol da auch ans gerben (s. 2, a) gedacht sein könnte, wie bei GÖTHE 8, 85 nachher; ich schickte nach dem sammt und kaufte ihn. da glaubte die alte, ich sei nun völlig gekocht und gar, und verlangte für sich ein kleid … GÖTHE 34, 202, Benv. Cell. 2, 2_
Und zu „sogar“:
_SOGAR [Lfg. 16,8], adv. etiam, immo. zusammenrückung aus so gar (daher stets mit betonung der zweiten silbe), also ursprünglich ‚so gänzlich, so vollständig, bis zu dem grade‘: so gar adeo. adverb. quantitatis, vel potius intendendi: so gar edel. MAALER 375d, wofür auch zusammenschreibung vorkommt: sogar, usque eo. STIELER 604, s. so II, A, 1, c, sp. 1344. die heutige steigernde bedeutung verzeichnet zuerst, noch getrennt geschrieben, KRAMER dict. 2, 828c: so gar, auch so gar, etiandio, anco, it. fino, sino etc. der strauszvogel kan auch so gar eisen verdauen, lo struzzo può digerire ò digerisce fino il ferro. gall. même le fer; so gar, für auch etiam, imo. FRISCH 2, 283b, doch gleich darauf: so gar nicht: liebt er dich so gar nicht, ne minimum, plane non. sie hat sich aus der ältern schrittweise entwickelt und findet sich auch bei dem einfachen gar, s. das. III, 4, th. 4, 1, 1324–27. noch ADELUNG behandelt so gar unter dem steigernden gar (3, th. 2, 407a): er hat ihn so gar geschlagen. er kam so gar zu mir in das haus. er trauet so gar seinem bruder nicht. in der Schweiz steht noch heute für sogar meist einfaches gar. HUNZ. 243. (mundartlich ist sogar überhaupt nicht bezeugt, für das nd. giebt DANNEIL 253b allhêl an.) in der litteratur herrscht die getrennte schreibweise noch im 18. jahrh.: so gar diejenigen, die selbst abgebrannt sind, theilen ganz im stillen und ohne es merken zu lassen, ihren geretteten bissen brodt mit dem hungrigen. RABENER 6, 257; der grösste held, … ja der mann von dem festesten, stärksten charakter, welches mehr als alles obige sagen will, sind oft die grössten schwächlinge an der tafel. so gar bey der andächtigen vermag der arzt weniger, als der beichtvater. KLINGER 11, 149; sie treten uns so gar so nahe, dass wir wirklich vertrauter mit ihnen werden. 249 (wo die ältere sprache sich mit so gar nahe begnügt hätte); im augenblicke der gefahr zieht der tapfere den feigen mit sich fort, theilt ihm manchmal so gar etwas von seinem muthe mit. 253;
als er so groszer noth zu peinlich nachgedacht,
ruft der unsinnige sogar in einer nacht
den satan an. HAGEDORN 2, 69.
an den ursprünglichen gebrauch erinnert noch die heute ungewöhnliche stellung: sie (die altrömischen buchhändler) können auch leicht gewissenhafter unter sich gewesen seyn, als manche ihrer theuern nachfolger ietziger zeit zu seyn pflegen. so gar hat es das ansehen, dasz sie bey einem buche, welches starken abgang hatte, sich über die verschiedenen formate von abschrift verglichen. LESSING 8, 489. – die zusammenrückung findet sich seit STIELER (s. oben), doch hat sie anfangs keinen einflusz auf die bedeutung. so noch ganz in alter weise: noch musz ich eine kleinigkeit mit einem worte berühren: die jedoch hier sogar kleinigkeit nicht ist. LESSING 10, 361. die heutige gebrauchsweise vorbereitend: ob nun aber gleich die allgemeine logik der urtheilskraft keine vorschriften geben kann, so ist es doch mit der transcendentalen ganz anders bewandt, sogar dasz es scheint, die letztere habe es zu ihrem eigentlichen geschäfte, die urtheilskraft … zu berichtigen. KANT 2, 156. das jetzige sogar wird erst im letzten abschnitt des 18. jahrh. üblich: er ist nicht nur nicht mein freund, er ist sogar mein [16,1406] feind. sogar der eigene bruder schonte des bruders nicht. CAMPE; es ist so gewöhnlich, als erbärmlich, sogar fähige, geistreiche und liebenswürdige männer zu sehen, denen der langsam schleichende … hofstod schon alles mark so ausgesogen hat. KLINGER 11, 254; die Jülichische streitigkeit war dem ganzen deutschen reiche wichtig, und erregte sogar die aufmerksamkeit mehrerer europäischer höfe. SCHILLER 8, 52;
oft sogar ist es weise, zu entdecken,
was nicht verschwiegen bleiben kann. 5, 2, 336 (don Karlos 4, 4);
zwar auch bist du ein jüngling und könntest sogar mein sohn sein. VOSS Ilias 9, 57._
Ich hoffe, das bringt dich weiter.
Fritz
gar nie anmachen
Herzlichen Dank, lieber Fritz für Deine ausführlichen Belege und wie immer vielseitige Betrachtung des „Gegenstandes“! Das überrascht aber sehr, daß gar´ DOCH sooo ein ausgekochtes Wort ist! \*g\* Sag bloß, das steckt tatsächlich auch im "Gar-" drinne, den man manchem ausmachen will!?? Wie ist das mit dem (angeblich) häufigen Fehler des Zusammenschreibens? Liegt es gar an der Betonung des so zur ersten Silbe werdenden? Nie wäre ich alleine auf den Link zu Sanskrit gekommen! Aber nach Deinem Hinweis finde ich nun sogar selbst noch (bei Klaus Mylius, Langenscheidt´s Sanskrit): "
gariman´ = Schwere, Würde, Superl. von gurú schwer, wichtig, würdig".
Guarda bene! (Nee, ich ahne, hier ist das g vor ein w gekommen)
Herzliche Grüße, Stoppel
Aus g. *garwa- Adj. „bereit, fertig“, auch in anord. gOrr, ae.
;[…]
tapfer", toch. A Arwar, B Arwer „bereit, fertig“,
Hallo, Fritz,
das lesend machte ich mich sofort daran den Kluge nach „Herbst“ abzufragen, aber den leitet jener trotz der klanglichen Nähe (auch des englischen „harvest“) von „carpere“ und „καρπος = Frucht“ ab - die aber beide wieder eine verzweifelte Nähe zu „gar“ aufweisen …
Wenn da mal nicht eine gemeinsame Wurzel zugrunde liegt!
Gruß
Eckard