Hallo Tina,
sollten die Probleme wirklich so gravierend sein, das sie
derart einschränkend sind, das sie die
Arbeitsfähigkeit/Schulfähigkeit einschränken, gibt es eben
durchaus auch die Möglichkeit einer ärztlichen Bestätigung
diesbezüglich.
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Ich fand’s schon immer doof, nur dafür zum Arzt zu gehen und den halben Tag im Wartezimmer zu verschwenden (statt mich auszukurieren), um einen Attest abzuholen. Ob ich krank bin oder nicht, weiß ich auch selbst. Und auch der Arzt wird sich hüten, mich zur Arbeit zu schicken, wenn ich sage, mir geht es nicht gut. Was ist also der tiefere Sinn des Attests? (Abgesehen von der Frage, welche Kosten die Allgemeinheit trägt etc., aber für die Schule ist das irrelevant)
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Wie wäre es damit, größeren Problemen vorzubeugen, statt abzuwarten, bis tatsächlich eine längere Krankschreibung notwendig wird? Zum Vorbeugen können dann auch schon mal unkonventionelle Methoden gehören. Es läuft halt nicht immer alles strikt nach bürokratischem Schema ab, nach Schwarz oder Weiß (krank oder gesund). So funktionieren Menschen nun mal nicht.
Es kommt doch auf die Größe des Problems an, bei wirklichen
schwerwiegenden Problemen besteht ja auch die Möglichkeit
einer Krankschreibung, bei normalen Alltagsproblemen sehe ich
nicht ein, warum sich diese nicht auch nach der Schule lösen
lassen sollen oder warum eine Shoppingtour, eine Wanderung
nicht auch auf einen freien Tag gelegt werden können.
Eltern haben einen Erziehungsauftrag, der ihnen im Rahmen ihres Ermessens einen weiten Handlungsspielraum einräumt. In der Regel können Eltern besser als Schulbeamte einschätzen, wie sich ihr Kind fühlt und, falls es sich schlecht fühlt, wie man ihm am besten helfen könnte. Die Eltern kennen auch viele weitere Rahmenbedingungen, die für ihr Kind eine Rolle spielen, wie Ausmaß des Verantwortungsbewusstseins, Notenstand etc. Aus diesem Gesamtwissen heraus treffen Eltern individuell maßgeschneiderte Entscheidungen für ihre Kinder. Erziehung funktioniert nicht nach Schema F. Was man bei dem einen Kind tunlichst vermeiden sollte, ist bei dem anderen angebracht. Und ob es bei sines Kind angebracht war, auch mal einen Mutter-Kind-Tag einzulegen, kann niemand besser einschätzen als sie selbst (und das Kind). Deshalb finde ich es schon mal anmaßend, dass man sie im Forum so kritisiert und ihr die Fähigkeit abspricht, ihr Kind richtig einzuschätzen.
Meine Eltern haben sicher nicht alles richtig gemacht bei meiner Erziehung. Aber eines der Dinge, die ich ihnen sehr hoch anrechne, ist, dass sie aus Konventionen und bürokratischen Vorschriften niemals ein Dogma machten. Sie vertrauten mir in einem hohen Maße, und wenn ich sagte „Du, Mama, heute geht das echt nicht mit der Schule“ (+ Begründung), dann bekam ich auch ein Attest von ihnen. Das passierte sehr selten, aber es kam vor und rückwirkend muss ich sagen, dass sie das völlig richtig gemacht haben. Bei meinem Bruder hätten sie es wahrscheinlich nicht gemacht, aber er nahm solche Sachen eh selbst in die Hand und schwänzte heimlich, wenn er das für richtig hielt. Ich hingegen war ein sehr ruhiges, sehr schüchternes und unsicheres Kind, gleichzeitig aber mit hohem Verantwortungsbewusstsein und sehr guten schulischen Leistungen. Aus uns beiden (meinem Bruder und mir) ist was Ordentliches geworden. Wir haben beide mehrere akademische Abschlüsse und schwänzen auch ganz sicher nicht die Arbeit. Ich bin mit dem Alter selbstsicherer geworden (nicht zuletzt dank jenes Vertrauens meiner Eltern), bin mit 19 von zu Hause ausgezogen und hab mich gut durchgeschlagen. Mein Bruder hat ab einem bestimmten Alter ebenfalls gemerkt, dass seine schlechten Noten ihm die Zukunft verbauen würden, hat sich richtig ins Zeug gelegt und ist heute beruflich sehr erfolgreich. Jedes Kind braucht eben individuelle Erziehungsmethoden und keine dogmatischen Erziehungsrezepte.
Für mich hat das etwas mit Erziehung, dem Lernen von
Verantwortung und einer gewissen Selbstverantwortung zu tun.
Man kann nicht bei jedem anfallenden Problem den Kopf in den
Sand stecken und sich eine Auszeit nehmen.
Klingt irgendwie typisch deutsch, da muss ich schmunzeln. Ist im Grunde ja auch nicht schlimm (dank dieses Verantwortungsbewusstseins ist Deutschland wirtschaftlich so erfolgreich), aber man kann es mit allem übertreiben. Gerade in der Erziehung können Dogmen schaden.
Nein. Sine hat ihrem Sohn eine falsche Entschuldigung
ausgestellt und ist mit ihm Shoppen/Wandern gegangen, das
kritisiere ich. Ist das Problem so ernsthaft, kann man auch
die Wahrheit sagen, ist es ein alltägliches Problem auf dem
Weg zum Erwachsenwerden, halte ich es für falsch dafür blau zu
machen. Diese Probleme kann man auch nach der Schulzeit
angehen und das hat nichts damit zu tun, das man diese
Probleme nicht ernst nehmen sollte.
Kennst du sine? Kennst du sines Sohn? Kennst du die ganzen Rahmenbedingungen, die zu diesen Entscheidungen von sine geführt haben? Nein? Wieso nimmst du dir dann das Recht heraus, so vehement zu behaupten, sine habe falsch gehandelt? Nur weil das von Bürokraten beschlossene Dogma existiert „man darf nur zu Hause bleiben, wenn der Arzt ein Attest ausgestellt hat“?
Und es kommt eben auch auf das Problem an sich an, das ein
Problem eine Auszeit bedingt sollte eine absolute Ausnahme
sein. Wichtiger halte ich es einem Menschen mit auf den Weg zu
geben, Verantwortung für sich und Andere zu übernehmen.
Verantwortungsbewusstsein kann man auch zeigen, indem man als Elternteil eben die Verantwortung dafür übernimmt, dass das eigene Kind auch mal zu Hause bleibt, ohne im engeren Sinne krank zu sein. Ich sehe es hingegen nicht als Verantwortungsbewusstsein an, wenn man nur stur nach Vorschrift handelt.
Und Problemen kann man übrigens z.T. auch vorbeugen, indem man dem Kind zeigt „Ich vertraue dir“ und „Dein Wohlergehen ist wichtiger als ein Unterrichtstag“. Umgekehrt kann das Kind es nämlich als Misstrauen und als fehlendes Verständnis für seine Nöte interpretieren, wenn es in bestimmten Situationen dazu gezwungen wird, zur Schule zu gehen.
Ich habe einige Zeit viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun
gehabt und auch heute habe ich mit jungen Erwachsenen zu tun,
da der Betrieb in dem ich arbeite, auch ausbildet. Man sieht
sehr schnell, wenn Kinder zu sehr behütet aufgewachsen sind.
Mit „zu sehr behütet“ hat sines Verhalten überhaupt nichts zu tun. Sondern mit Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein. Das am meisten überhütete Kind, das ich kenne, ist das Kind eines äußerst korrekten Lehrerehepaars. Der Junge durfte in der Grundschulzeit als einziger nicht alleine mit dem Schulbus (!) fahren, da war immer Opa oder Oma mit dabei. Vom zu Hause bleiben ohne Krankheitsfall konnte natürlich gar keine Rede sein, gerade wegen der Überbehütung! Tja, das Ergebnis kann sich sehen lassen: abgebrochene Schule, abgebrochene Ausbildung, Schulden, extrem respektloses Verhalten gegenüber den Eltern.
Sie haben oftmals Probleme sich einzufügen, sind von Problemen
schnell überfordert und tun sich mit dem Befolgen von
Anweisungen oft schwer. Wir hatten hier schon den einen oder
anderen Ausbildungsabbrecher, bei dem Mama ständig im Betrieb
aufgelaufen ist. Einige dieser Menschen werden ihr Leben nicht
in den Griff bekommen, da sie es gewohnt sind, das Mutti das
schon regelt und diese Gefahr sehe ich bei Sines Vorschlag.
Ich sehe die Gefahr viel eher, wenn man dem Kind nicht zutraut, auch mal selbst gewisse Entscheidungen zu treffen, und sich stur an Vorschriften hält. Vorschriften sind für Menschen da, nicht umgekehrt.
Gruß
Anja