Todesstrafe versus Menschenrechte

Hi Mike nochmal,

vorab: wir diskutieren ja unter ethischen Gesichtspunkten, nicht unter kriminologischen, insofern gehts ja mehr um das Prinzip selbst als um die Details.

Dieses Prinzip nochmal deutlich als Diskussionsbasis:

Die elementaren Menschenrechte (Leben, Unversehrtheit, Freiheit) sind absolut unantastbar; und zwar auch für staatliches Strafen;
wenn überhaupt, dann sind diese Recht nur paradox antastbar um sie nicht anzutasten;
anders gesagt: um die Rechte der einen zu schützen, ist die Antastung der Rechte eines anderen möglich, aber 1) nur dafür, 2) nur im erforderlichen Maß, und 3) nicht reaktiv als „Bestrafung“, weil einer durch seine Tat seine Rechte verwirkt hätte (sie sind unveräußerlich, man kann sie gar nicht verwirken), sondern nur prospektiv als künftigen Schutz anderer.

Du argumentierst aber auch damit, indem Du den Wert der
Generalprävention in Frage stellst.

Diese Infragestellung bräuchte es aber eigentlich gar nicht;
genauso wie der Ethiker, der die Stammzellenforschung aus ethischen Gründen kategorisch ablehnt, nicht beantworten muss, wie dann etwa medizinisch gegen die Multiple Sklerose vorgegangen werden sollte, genauso kann ich aus rein (gesinnungs)ethischen Gründen die oben skizzierte Form der Verletzung der Menschenrechte ablehnen - komme was wolle.

[Ich persönlich würde dies nicht so tun wollen, aber dem Prinzip nach kann eine ethische Haltung durchaus rein ablehnend bleiben, insofern hat mich Dein „nicht konstruktiv“-Vorwurf auch verwundert]

Warum sollte man einen Einbrecher (um beim ersten Genannten
anzufangen) auch nicht „nur“ finanziell bestrafen …?

Was, wenn er eine derartige Leistung nicht erbringen will?

Geldbußen muss man immer erbringen; klar steht heute der Freiheitsentzug als Drohgebäude dahinter;
ich würde ihn gemäß des oben formulierten Prinzips nicht dahinter stehen lassen;
dann bleibt aber immer noch die durchaus abschreckende Aussicht, sein ganzes Leben lang kein pfändbares Einkommen mehr erzielen zu dürfen …

m.E. würde das nicht viel ändern.

Oder: jemand ermordet seine Eltern wegen der Erbschaft.
Nochmal wird er es sicher nicht mehr machen…
Was macht man mit so jemanden?

Erbe weg? Klar! (damit aber bei hinreichender Auklärungswahrscheinlichkeit auch der Antrieb weg)

Ansonsten: geht von ihm eine von Spezialisten feststellbare Bedrohung für die elementaren Rechte anderer aus, dann Verwahrung, wenn nicht, dann nicht.

Das hat m.E. keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die neg. Generalprävention, insofern würde ich „unnötiges“ Wegsperren rein als ein Straf-/Rachebedürfnis auffassen, das ich eben ethisch inakzeptabel finde.

Ich hab mir in einer kriminologischen Vorlesung mal sagen
lassen, dass die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden
ungleich stärker präventiert als die Strafhöhe, und dass auch
die Strafhöhe ab einem bestimmten Punkt kaum an
Abschreckungspotential zunimmt.

Jepp, aber hieraus den schluss zu ziehen, dass man am besten
die Aufklärungsquote auf 100 % steigert und dafür das
Strafniveau auf Null senkt (überspitzt ausgedrückt), halte ich
für inkorrekt.

Würde ich ebenfalls für inkorrekt halten;

nur dass ich 1) keine Strafe als solche akzeptiere, sondern a) Schadensersatzleistungen, und b) das genannte „Verwahren“, welche aber natürlich durchaus Abschreckungspotential besitzen.

Insofern ziehe ich diesen Schluss gar nicht.

Viele Grüße
Franz

Hallo Allerseits,

diesbezüglich gibt es einen Film „Dead man walking“, hat mich
persönlich ziemlich aufgewühlt.

http://www.amazon.de/s/ref=nb_ss_w/302-9653272-65224…

Liebe Marlene83
Ich finde, der Film „Lasst mich leben“ mit Susan Hayward war schauspielerisch und von der Gesamtaussage her wesentlich besser.
Er ist eindeutig ein Film gegen die Todesstrafe, er bezieht Stellung.
Das macht „Dead man walking“ in dieser Prägnanz nicht.
Sieh dir in dem Zusammenhang die Dokumentation „14 Tage im Mai“ an. Ein BBC-Film. Ein Todeskandidat wird fast bis zum Schluss von einem Team begleitet. Wer vorher gegen die Todesstrafe war, wird bestätigt, dass er auf er richtigen Seite steht. Wer es nach diesem Film immer noch ist, ist unverbesserlich.
Viele Grüße
Voltaire

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Hallo!

Statt dem schnellen Tod durch Spritze wünsche ich so manchem
Mehrfachmörder und Vergewaltiger auch lieber, den Rest seines
Lebens von den etwas wärmeren Zellengenossen rangenommen zu
werden :smile:

Der mit einem fröhlichen Smiley verzierte Wunsch, ein Mensch möge doch bitte bitte ein schlimmeres Schicksal als den Tod erleiden, er solle doch - hihi, lustig! - den Rest seines Lebens vergewaltigt werden - welcher Zweck außer der Befriedigung von Rachegelüsten kann damit deiner Ansicht nach erreicht werden? Ist das der Weg, mit dem das Recht auf Rechtsverletzungen reagieren soll? Oder stellt sich das Recht dann nicht auf die gleiche Stufe mit dem Mehrfachmörder und Vergewaltiger?
Grüße, Peter

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Die Menschlichkeit hat auch ihre Abgründe und Rachegelüste sind etwas urmenschliches.
Bei manchen Vorstellungen von Gewalttaten stößt meine Nächstenliebe zu den Tätern an harte Grenzen … da trösten mich - ein wenig schuldbewusst - dann auch solche Gedanken an ausgleichende Ungerechtigkeit.

Gruß
Werner

Hi

Dieses Prinzip nochmal deutlich als Diskussionsbasis:

Die elementaren Menschenrechte (Leben, Unversehrtheit,
Freiheit) sind absolut unantastbar; und zwar auch für
staatliches Strafen;
wenn überhaupt, dann sind diese Recht nur paradox antastbar um
sie nicht anzutasten;
anders gesagt: um die Rechte der einen zu schützen, ist die
Antastung der Rechte eines anderen möglich, aber 1) nur dafür,
2) nur im erforderlichen Maß, und 3) nicht reaktiv als
„Bestrafung“, weil einer durch seine Tat seine Rechte verwirkt
hätte (sie sind unveräußerlich, man kann sie gar nicht
verwirken), sondern nur prospektiv als künftigen Schutz
anderer.

Gut, gehen wir wieder zurück auf das Prinzip, und zwar ziehe ich mir die Menschenrechte mal von hier:
http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm
(damit begann die Diskussion)

hier wird eben NICHT von der absoluten Unantastbarkeit der Menschenrechte gesprochen.
§ 29 satz 2: „Jeder ist bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.“

Somit ist deine Ausgangsprämisse nicht korrekt, zum. nach Ansicht der UN.
Natürlich kann man die Menschenrechte so definieren, wie Du es machst, dann sollten wir uns aber über die Menschenrechte an und für sich unterhalten, und nicht auf die Anwendung der MR auf das Strafrecht.

Geldbußen muss man immer erbringen; klar steht heute der
Freiheitsentzug als Drohgebäude dahinter;
ich würde ihn gemäß des oben formulierten Prinzips nicht
dahinter stehen lassen;
dann bleibt aber immer noch die durchaus abschreckende
Aussicht, sein ganzes Leben lang kein pfändbares Einkommen
mehr erzielen zu dürfen …

Würde das deiner Definition von dem Menschenrecht auf ein „leben in Würde“ entsprechen?

m.E. würde das nicht viel ändern.

Optimist

Oder: jemand ermordet seine Eltern wegen der Erbschaft.
Nochmal wird er es sicher nicht mehr machen…
Was macht man mit so jemanden?

Erbe weg? Klar! (damit aber bei hinreichender
Auklärungswahrscheinlichkeit auch der Antrieb weg)

Erbe ist bereits heute weg.

Ansonsten: geht von ihm eine von Spezialisten feststellbare
Bedrohung für die elementaren Rechte anderer aus, dann
Verwahrung, wenn nicht, dann nicht.

Das hat m.E. keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die
neg. Generalprävention, insofern würde ich „unnötiges“
Wegsperren rein als ein Straf-/Rachebedürfnis auffassen, das
ich eben ethisch inakzeptabel finde.

Ich glaube nicht, dass wir hier zusammenkommen, da ich anscheinend ein signifikant pessimistischeres Menschenbild als Du habe.

Einfaches Beispiel:
Anno dunnemal wurde hierzulande die Gurtpflicht eingeführt, nicht nur um die Person selbst, sondern auch seine Mitfahrer und Unfallgegner besser zu schützen.
Die Anschnallquote war durch Apelle an die „menschliche Vernunft“ nicht auf ein befredigendes Maß zu bringen. Dann wurde ein Bußgeld eingeführt und schon liefs…

Etwas komplexers Beispiel:
Es gibt und gab Zeiten, in denen die Staatliche Gewalt gewisse Verbrechen und einen unmenschlichen Umgang mit Gefangenen und sonstigen „Anderen“ nicht bestrafte, sondern sogar aktiv förderte. kaunm ein direkt Beteiligter ging zu aktivem Widerstand bzw Resistenz über. Im Gegenteil, fast alle machten mehr oder weniger begeistert mit.
Mein Fazit:
Ohne eine signifikante und angemessene Strafandrohung ist keine grössere Gemeinschaft überhaupt handlungsfähig, sondern versinkt in Anarchie. Die Durchsetzung wenigstens eines gewissen Niveaus der menschenrechte für alle bedarf der Sanktionen für diejenigen, die dagegen verstossen.

Um jetzt mal ein ganz krasses Beispiel zu bringen (Achtung, möglicherweise ein Godwin)
Hättest du Franz Stangl in Freiheit belassen?
http://de.wikipedia.org/wiki/Franz_Stangl
Gitta Sereny, Into that Darkness ISBN 0394710355 Buch anschauen

Eine Gefahr ging ja offenbar nicht mehr von ihm aus…

Gruß
Mike

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Der Sinn von Ironieanzeigern ist dir nicht klar. Kann man nichts machen.

Viele Grüße
d.

Hi Mike,

Ich glaube nicht, dass wir hier zusammenkommen

darum gehts ja hier auch nicht;
es ging mir lediglich darum, nach und nach eine (m.E. interessante) Position zu skizzieren und zu verteidigen; wers lesen mag, solls lesen, wer nicht, halt nicht …

Gut, gehen wir wieder zurück auf das Prinzip, und zwar ziehe
ich mir die Menschenrechte mal von hier:
http://www.unhchr.ch/udhr/lang/ger.htm
(damit begann die Diskussion)

hier wird eben NICHT von der absoluten Unantastbarkeit der
Menschenrechte gesprochen.
§ 29 satz 2: „Jeder ist bei der Ausübung seiner Rechte und
Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz
ausschließlich zu dem Zweck vorsieht, die Anerkennung und
Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern und den
gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung
und des allgemeinen Wohles in einer demokratischen
Gesellschaft zu genügen.“

Somit ist deine Ausgangsprämisse nicht korrekt, zum. nach
Ansicht der UN.

ich habe ja auch nicht von der UN-Version gesprochen :wink:

Nein, im Ernst;

  1. Ethik sprich vom Sollen, nicht vom Sein, insofern bin ich, wenn ich von „Menschenrechte“ spreche, nicht an die UN-Version gebunden.

  2. Die UN-Version ist eine Art juridische Minimalfassung, für eine ethische Diskussion nur als „Implementationsproblem“ anzuerkennen.

  3. Der „Menschenrechtsdiskurs“ ist ein alter und verzweigter; theoretische Diskussionen zentrieren sich keineswegs rein um die UN-Formulierung, und auch praktische Arbeit im „Namen der Menschenrechte“ wie etwa die von amnesty international steht sicher nicht auf dem Boden dieser Version.

  4. So wie die UN die Menschenrechte festlegt, ist es m.E. genau keine Festlegung, sondern die Reduktion auf einen Papiertiger; insofern kümmert mich die UN-Formulierung für eine ethische Debatte kein bißchen.

  5. Nur damit Du nicht wieder sagst, ich würde damit die Diskussionsbasis, verlassen …

Die hat schon der Ursprungsposter nicht an die UN-Version gebunden, weil sich seine Überlegung: "Die weltweit üblichen Strafen verstoßen fast alle gegen die Menschenrechte. ganz offensichtlich nicht an die „offizielle Lesart“ der UN-Version hält, weil sie dann nämlich ein völligs Missverständnis wäre.

  1. Gemäß der „offiziellen“ Lesart der UN-Menschenrechte, die Du ja hier anführst, verstößt auch die Todesstrafe nicht gegen die Menschenrechte, dennoch wird sie hier diskutiert …

Dementsprechend hält sich so gesehen bereits der ganze Thread nicht an die „Ausgangsprämisse“;
und mein Punkt ist ja nur, dass man die Sichtweise, die hier gegen die Todesstrafe vorgebracht wird, möglicherweise radikalisierend genauso auf Haftstrafen anwenden kann (und zumindest ein gutes Stück weit kann man es m.E. auf jeden Fall) oder sogar zwingend muss.

Geldbußen muss man immer erbringen; klar steht heute der
Freiheitsentzug als Drohgebäude dahinter;
ich würde ihn gemäß des oben formulierten Prinzips nicht
dahinter stehen lassen;
dann bleibt aber immer noch die durchaus abschreckende
Aussicht, sein ganzes Leben lang kein pfändbares Einkommen
mehr erzielen zu dürfen …

Würde das deiner Definition von dem Menschenrecht auf ein
„leben in Würde“ entsprechen?

nicht unbedingt;

Ich kann mir denken worauf Du hinauswillst, nämlich darauf, dass Du meine Position insofern ad absurdum führen willst, indem Du sie gedanklich radikalisierst bis zu dem Punkt, an dem sie in eine Forderung nach „totaler Anarchie“ übergeht, weil sie in extremis keinerlei vorab festgesetztes Abschreckungspotential akzeptieren würde.

Das wäre ein Stück weit korrekt, insgesamt aber inkorrekt.
(Da ich nicht weiß, ob Du tatsächlich darauf hinwillst, will ich meine Position nicht auf Verdacht dagegen verteidigen).

Ansonsten: geht von ihm eine von Spezialisten feststellbare
Bedrohung für die elementaren Rechte anderer aus, dann
Verwahrung, wenn nicht, dann nicht.

Das hat m.E. keine oder nur sehr geringe Auswirkungen auf die
neg. Generalprävention, insofern würde ich „unnötiges“
Wegsperren rein als ein Straf-/Rachebedürfnis auffassen, das
ich eben ethisch inakzeptabel finde.

Ich glaube nicht, dass wir hier zusammenkommen, da ich
anscheinend ein signifikant pessimistischeres Menschenbild als
Du habe.

Der Punkt ist, dass ich gar kein Menschenbild akzeptiere, zumindest kein Menschenbild als Voraussetzung eines ethischen Prinzips.

Ich verstehe auch Deinen Einwand eigentlich gar nicht;

Meine Position:
„geht von ihm eine von Spezialisten feststellbare Bedrohung für die elementaren Rechte anderer aus, dann Verwahrung, wenn nicht, dann nicht.“

… ist erstens nicht auf einem optimistischen Menschenbild beruhend, höchstens auf dem berechtigten Optimismus, sich auf die Vernunft des Spezialisten verlassen zu können, und zweitens gehts im Grunde rein um die Forderung: Wegsperren nur als „Abwehrmaßnahme“, nicht als „Strafe“.

Ich kann nicht sehen, was das mit Optimismus zu tun hätte.

Einfaches Beispiel:
Anno dunnemal wurde hierzulande die Gurtpflicht eingeführt,
nicht nur um die Person selbst, sondern auch seine Mitfahrer
und Unfallgegner besser zu schützen.
Die Anschnallquote war durch Apelle an die „menschliche
Vernunft“ nicht auf ein befredigendes Maß zu bringen. Dann
wurde ein Bußgeld eingeführt und schon liefs…

Ja, genau, würde ich (mein hier vertretene Position) doch nicht anders sehen …

Mein Fazit:
Ohne eine signifikante und angemessene Strafandrohung ist
keine grössere Gemeinschaft überhaupt handlungsfähig, sondern
versinkt in Anarchie. Die Durchsetzung wenigstens eines
gewissen Niveaus der menschenrechte für alle bedarf der
Sanktionen für diejenigen, die dagegen verstossen.

Das gehe ich doch weitgehend mit!

Mein Punkt nochmal: Sanktion zur (finaler Bezug) „Sicherung der Menschenrechte für alle“, darüber hinaus gehend nicht.

Der Unterschied zu Deinem Fazit ist lediglich, dass Du auch dann strafen willst, wenn nicht davon auszugehen ist, dass das überhaupt was konkretes für die „Sicherung der Menschenrechte für alle“ bringt.

Oder um das aufzugreifen, was Karin weiter unten angeführt hat: „Strafen, weil jemand gegen ein Tabu verstoßen hat“;

das ist für mich die archaische, Rache-erfüllte, barbarische, und in gewisser Weise ur-religiöse (vgl. Evas Apfelgelüste) Sichtweise des Strafens überhaupt (auch um zivilisiert vs. unzivilisiert geht der Thread ja!);

gegen genau die wende ich mich, wenn ich Sanktionen nicht als „Strafen, weil …“ akzeptiere, sondern nur als „um zu …“.

Nochmal zu Herrn Klar zurück: Wenn festgestellt wird, dass von ihm keine Bedrohung der Rechte anderer ausgeht, dann halte ich es für inakzeptabel, weiterhin seine Freiheitsrechte zu missachten; der Staat begibt sich damit auf das Niveau eines verbrecherischen Freiheitsberaubers, etc.pp. (hier könnte man Pendragons wortgewaltigen Appell oben gegen die Todesstrafe Punkt für Punkt einsetzen, lediglich „Tod“ durch „Freiheitsentzug“ ersetzend …)

Siehst Du das mit Herrn Klar anders? Wenn ja, warum? Und inwiefern entgehst Du dabei der skzizzierten „religös-archaischen-‚weil‘“ Sichtweise?

(Ich weiß nicht, ob Dich das überhaupt interessiert, aber m.E. ist diese Sichtweisen-Ebene ja genau das „ethische“ an der Diskussion)

Viele Grüße
Franz

Todesstrafe versus Buchempfehlung
Hallo Heli

diesbezüglich gibt es einen Film „Dead man walking“, hat mich
persönlich ziemlich aufgewühlt.

Ich weiß garnicht, was schlimmer ist: die Todesstrafe oder die Filme und Bücher dagegen :wink:
Okay, das war übertrieben, aber…
…bei „Dear man walking“ bin ich eingeschlafen, wenn ich mich recht erinnere.
Glücklicherweise wars kein Todesschlaf und ich bin wieder erwacht.
Gruß und nix für ungut,
Branden

H wie Hola.

Das Kernproblem ist doch die Definition der Menschenrechte.
Normalerweise sollte klar sein, daß der eigene Individualismus beim Individualismus des anderen aufhört. Diese Grenze von Freiheiten ist somit dynamisch, oder anders gesagt, diese Grenze ist auch durch das eigene Verhalten bestimmt. Streng logisch wäre es also kein Problem, anzuführen, daß derjenige, der Menschenrechte bricht, seine eigenen verwirkt.

Defacto alle Argumente gegen die Todesstrafe haben nur ihre Daseinsberechtigung, weil die führende westliche Nation mit dieser Form der Bestrafung - die USA - ein höchst fehleranfälliges politisch-juristisches System am Laufen erhalten.

Das vermeintliche Argument, wieviele Unschuldige denn schon hingerichtet worden seien, zieht doch nur unter der Bedingung, daß es tatsächlich solche Fälle gibt.
Würde man also ein System etablieren, was Fehler minimiert bis ganz unterdrückt, wäre die Todesstrafe bestens realisierbar. Und daß sich ein in Teilaspekten fehlerloses System installieren läßt, steht aus demokratischer Sicht außer Frage. Demokratie ist bekanntlich gezielte, politische Einschränkung von Macht durch eine Reihe von Mechanismen (die alle voneinander unabhängig sind, jedoch kombiniert werden können). Beispielsweise die Gewaltenteilung, oder auch die in der BRD vorhandene unechte Gewaltenteilung (Gewaltenverschmelzung/Gewaltenverschränkung genannt).
Staatsraison und Volksherrschaft, Wahlen, Bürgerrechte usw. usf. sind andere Möglichkeiten, Balance in die Demokratie zu bringen.

Je mehr unabhängige, sich gegenseitig kontrollierende Instanzen vorhanden sind, desto weniger Fehler passieren (sofern generell der Korruption, der Mauschelei und dem Egoismus entgegengewirkt werden).

Die Frage nach der Todesstrafe ist also nicht wirklich eine ethische Grundsatzfrage, sondern ein Problem ihrer fairen Umsetzung in heutigen Formen menschlichen Zusammenlebens. Die USA sind ein abschreckendes Beispiel, wie es justiztechnisch nicht funktioniert.

Das ganze auf Menschenrechte herunterzubrechen, erachte ich jedoch für einseitig, denn es spricht aus philosophischer Sicht eigentlich nichts gegen die Todesstrafe. Es ist einfach ein Frage des Systems.
Das gleiche Dilemma also, wie bei den Themen Chancengleicheit, Gerechtigkeit, Sozialstaatsprinzip et cetera, et cetera, et cetera.

Interessant ist vielmehr die Anklage gegen Hussein. Die vorgeworfenen Punkte klangen ziemlich nach den Nürnberger Prozessen - wieder einmal berief man sich also auf Verbrechen, die nirgends rechtsstaatlich als solche niedergeschrieben (worden) sind. Als Demokrat kriegt man hier einfach ein tiefes Problem, weil sich zum wiederholten Male ein Staat anmaßt, sich im rechtfreien Raum als richterliche Instanz aufführen zu müssen/ zu dürfen. Bei aller Kritik an den Taten Husseins, so ist es logisch einfach nicht zulässig, ihn mit den genannten unechten Anklagepunkten über den Jordan zu schicken. Oder man müßte stringent damit weitermachen; also auch einen Bush anklagen. Des weiteren regelmäßig die heilige Nichteinmischungsregel brechen und gegen jeden vermeintlichen Diktator oder Verbrecher kriegerisch vorgehen.
Hier stellt sich dann erneut die unangenehme Frage, mit welchem Recht die westliche Welt ihr Wertesystem dermaßen aggressiv exportiert respektive gewalttätig etabliert. Da bekommt man rechtsstaatlich und philosophisch das Grausen.
Doch anscheinend hat die insbesondere die westliche Welt kein Problem mit solchen Prozessen ohne gesetzesmäßige Handhabe. Die Todesstrafe ist dabei als Endprodukt doch völlig unwichtig. Sie stört nicht, es spricht nichts gegen sie. Genug auf dem Kerbholz hat Saddam schließlich.
Störend ist einfach die Art und Weise des Verfahrens, das Fundament des Verfahrens und welche politischen Haltungen dahinter stehen.
Die Todesstrafe für menschenrechtlich oder humantiär untragbar zu halten, ist jedenfalls nicht richtig. Man muß nur davon wegkommen, daß die Taten eines Menschen keine Rolle für seine Menschenrechte spielen.
Logisch gesehen, tun sie das aber. Ein Mensch kann noch so gute Vorsätze haben, oder Einsicht zeigen, wichtig sind seine Taten und die eiserne Regel, daß aus jeder Tat eine zwingende Konsequenz folgt.
Und manchma ist die Konsequenzen eben das Verwirken der eigenen Menschenrechte und der Tod für schwerwiegende Verfehlungen.
Doch bis dahin muß man auf demokratischem Wege erstmal kommen - und nicht solche Schauprozesse inszenieren.

MfG

Interessant ist vielmehr die Anklage gegen Hussein. Die
vorgeworfenen Punkte klangen ziemlich nach den Nürnberger
Prozessen

(… was viele Sympathien erklärt.)

weil sich zum wiederholten Male ein Staat anmaßt,
sich im rechtfreien Raum als richterliche Instanz aufführen zu
müssen/ zu dürfen.

Der Prozeß fand im Irak statt. Die Amerikaner wollte keine so zügige Hinrichtung - das wollten die Iraker! Das ganze den bösen Amis in die Schuhe zu schieben - naja was soll ich dazu schon sagen, diese Reaktion war „vorhersehbar“. Daß von den immer gleichen die Menschenrechte ausgerechnet dann ausgegraben werden und den morallosen Amis die Leviten gelesen werden, wenn derjenige hingerichtet wird, der seine Landsleute vergasen ließ - naja, das war auch „vorhersehbar“. (Der Sternenregen auch.)

Die Todesstrafe für menschenrechtlich oder humantiär untragbar
zu halten, ist jedenfalls nicht richtig. Man muß nur davon
wegkommen, daß die Taten eines Menschen keine Rolle für seine
Menschenrechte spielen.

Auf die Reaktionen dazu bin ich schon gespannnt!

Gruß
d.

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Das vermeintliche Argument, wieviele Unschuldige denn schon
hingerichtet worden seien, zieht doch nur unter der Bedingung,
daß es tatsächlich solche Fälle gibt.

Solche Fälle lassen sich (realistisch betrachtet) nie 100% ausschließen, und es ist eine zulässige Meinung, auch ein geringstes Risiko als zu hoch zu betrachten.

Das ganze auf Menschenrechte herunterzubrechen, erachte ich
jedoch für einseitig, denn es spricht aus philosophischer
Sicht eigentlich nichts gegen die Todesstrafe.

Das ist eine Frage der Philosophie, und ich spreche Dir mal ab, diese authoritativ zu vertreten.

Das einfachste Argument ist jenes, dass kein Mensch das Recht hat, einen anderen ohne unmittelbare und zwingende Not zu töten - damit ist Tötung ausschließlich als direkte und konkrete Abwehr des eigenen Todes zulässig, und sonst eben nicht.

Auch das ist eine schlüssige und zulässige Meinung, womit Deine ganze „Argumentation“ hinfällig ist.

.m

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H wie Hola.

Ein paar distanzierte Gedanken dazu.

Einen Menschen zu töten ist in unserer Gesellschaft
hochgradig sanktioniert. Einen unbewaffneten, wehrlosen
Menschen zu töten, der akut niemanden bedroht, womöglich noch
aus „niederen“ Beweggründen wie Habgier, Rache etc. gilt als
das abscheulichste Verbrechen überhaupt.

Der intellektuelle Knackpunkt ist wunderbar hervorgehoben:
das kleine Wörtchen „unserer“. Setzt man hier den Hebel an, stürzen alle nachfolgenden Ausführungen wie ein Kartenhaus zusammen.

Wer sagt bitte, daß diese Haltung, die Du dort schilderst, vernünftig oder gar richtig ist?
Der Absatz liest sich wie immer: Wir schwingen uns auf, unser Wertesystem als besser zu erachten. Man könnte dies als echten Gipfelpunkt von Intoleranz, Arroganz und Selbstgefälligkeit verstehen.

Um es klar zu sagen: Ich bin auch ein Mensch aus der „westlichen Hemisphäre“ - doch stößt es einem aus idealistischer Sicht ziemlich auf, wenn man eine Argumentation liest, die unfähig ist, an ihren Voraussetzungen (an ihrem Fundament) Kritik zu üben.

Natürlich hat es schizoide Züge, das eigene Weltbild knallhart zu hinterfragen, doch auf genau das und daraus abgeleitete aufklärerische Tugenden fußt unsere gesamte Philosophie.
Wo sind aber diese Prinzipien, wenn es darum geht, den Anspruch zu bewerten, das solche Phrasen wie „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ nun gerne als der Wahrheit letzter Schluß gesehen werden.

Wo bleibt das unerschütterliche Ursache-Wirkungsprinzip? Auf eine Handlung folgt eine Konsequenz. Wo bleibt die Ethik, wenn jemand Völkermord begeht und durch angebliche humanitäre Kaspereien in Schutz genommen wird?

Man liest auch gerne Floskeln wie „der Tod eines Verbreches nützt nichts“. Das ist genauso unreflektiert, wie die Haltung zu unseren Wertemaßstäben. Die meisten Betroffenen werden es sehr wohl als Akt der Gerechtigkeit empfinden, wenn für eine unmenschliche Tat als Strafe der Täter seines Lebens beraubt wird. Und das in erster Linie nicht nur aus Emotionen heraus. Nicht als Methode der Rache.

Echte Freiheit basiert auf dem Respekt im gegenseitigen Zusammenleben.
Das höchste Menschenrecht ist es, keinem anderen seine Menschenrechte zu nehmen, zu gut Deutsch: Das Leben achten.
Ein Mord ist aber genau das Gegenteil. Logisch kann daraus nur folgen, daß solche Taten das Verwirken der eigenen Menschenrechte zur Folge haben. Wie will man sonst dem Bruch eines so heiligen Prinzips (des obersten Prinzips des Humanismus) begegnen?
Das ist schlicht und ergreifend emotionsbefreite, reine Vernunft. Ratio. Logik.
Hier zu argumentieren, der Henker würde seiner Menschlichkeit beraubt, in seinen Menschenrechten verletzt, ist das Ablassen von entscheidenden Prinzipien, wie das gesamte Leben organisiert ist und wie es sich selbst organisiert.
Schlimm sind dabei doch nicht die Verbrecher, die vielleicht einen an der Klatsche haben oder dergleichen, sondern furchtbar sind die eiskalten, aalglatten Personen.
Hier zu argumentieren, den Betroffenen oder den Menschen allgemein könne nichts mehr angetan werden, ist ebenso kurzsichtig wie falsch.
Stichwort Psyche. Es gibt wohl nichts Inhumaneres, als einen Mörder, der genau weiß, er kann nicht umkommen, er wird eingesperrt, doch kann in vortrefflicher Weise sein Leben fortführen.
Der Denkfehler liegt also in der Tatsache, daß man solchen Leuten ein Gewissen unterstellt, obwohl sie es offenkundig seit langem in der Umkleidekabine abgegeben haben.

Wo sind denn die großen menschlichen Verbrecher unserer Zeit, die auch nur ein Gramm Reue, Einsicht und Ansatz zur Besserung gezeigt haben?
Wo sind denn die großen menschlichen Verbrecher, die den Hinterbliebenen nicht unvorstellbare psychische Gewalt angetan haben? Also bitte - hier Nutzlosigkeit von „auf Tat folgt unweigerlich angemessene Strafe“ zu propagieren ist ja wohl alles, nur nicht human.

Verrohung der Gesellschaft findet mitnichten durch vorgelebtes Töten durch staatliche Gewalt statt, sondern findet aus der Gesellschaft selbst heraus statt.
Es kann keine Korrelation zwischen Todesstrafe und Gewaltpotential einer Gesellschaft gefunden werden. Wäre dem so, müßten, überzeichnet gesprochen, von der Todesstrafe freie Länder um einen spürbaren Betrag friedliebender sein, als Länder mit Todesstrafe. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Warum verroht bitte auch unsere Gesellschaft? Hier werden ganz andere Problemkreise (medial transportierte Lebensentwürfe, Reizüberflutung, fehlende Erziehung, urbane Vereinsamung, soziale Vernachlässigung, …) regelrecht ignoriert, um eine juristische Strafe zu dämonisieren.

Der Anspruch, Menschenrechte seien von vielen Eigenschaften einer Person (bspw. deren Handlungen) losgelöst, ist der Hase im Pfeffer.
Ein wichtiges Grundprinzip für humanes Zusammenleben ist nunmal, daß ein Individuum lernt, für Taten die Konsequenzen zu übernehmen. Eigentlich geht es sogar schon damit los, daß ein Kind überhaupt lernt: Auf actio folgt reactio. An diese elementare Erkenntnis schließt sich an, intellektuell zu verstehen, daß man deswegen für eine Handlung schon im Vorfeld die Konsequenzen überdenken muß. Tut man das nicht, macht man sich zusätzlich auch noch der Leichtfertigkeit schuldig. Der Volksmund sagt dazu seit Jahrhunderten „Dummheit schützt vor Strafe nicht“ (im Sinne von Unwissenheit, Nichtinformiertheit).

Begeht also jemand Taten wie der genannte Hussein, so darf man doch bitte nicht den Teil vergessen, der da lautet: Hussein muß sich im Klaren gewesen sein, daß er vielen Menschen auf unerträgliche Art den Tod bringen wird. Und war er sich das nicht, ist es noch eine Qualität schlimmer.

Doch dem Faß wird der Boden vollends ausgeschlagen, wenn man dann auch noch sein Verhalten dagegenhält. Ich sagte es allgemein formuliert oben schon: Wo war seine Humanität? Wo hat er Einsicht gezeigt, wo Reue? Wo war auch nur im entferntesten ein Ansatz zu erkennen, daß er sich jemals bessern würde. Die berühmte „Zweite Chance“ hat nicht nur ihre Grenzen, wenn man sie ihm überhaupt zugestehen möchte, so hatte er sie bereits nach dem ersten Golfkrieg.
Kritisieren läßt sich dagegen sehr wohl das Zustandekommen des Urteils. Ein nichtdemokratischer Prozeß herbeigeführt durch verwerfliche kriegerische Handlungen der USA. Dort muß man den Hebel ansetzen; bei der Ursache - nicht bei der Wirkung.

Im Gegensatz zu den vielen Sternen kann ich deshalb Deinem Kommentar nichts abgewinnen, weil es wieder nur das altbekannte Schauspiel ist, mit der wir uns hier in Europa im Kreise drehen.
Des weiteren eben die ganzen, naja sagen wir, „Fehler“, beginnend mit der impliziten Feststellung bezüglich des Wertes unseres Weltbildes.
Oder Sätze wie:

Nun ist aber ein Verbrecher, welcher der Todesstrafe zugeführt wird,
mit Sicherheit wehrlos.

Er kann niemandem mehr etwas antun,

ervkann sich nicht wehren, es gibt keine akute Bedrohung.

Auch hier wird der Mensch von seinen Taten, von seinem ganzen historischen Wirken losgelöst. Was soll so ein Unfug?
Ebenso wird die komplette psychische Dimension ausgeblendet, die sehr wohl vorhanden ist und auch wahrgenommen wird. Wie kann ein Verbrecher wehrlos sein, wenn seine letzten Worte vor der Hinrichtung rassistische Propaganda, religiös-fanatische Parolen, eiskalte Freude über seine Taten et cetera sind? Dieses Bild sollte man vom Stuhl der Hinterbliebenen ganz nüchtern einige Augenblicke wirken lassen.
Hier von Wehrlosigkeit zu sprechen?! Von Hilflosigkeit, von keiner Bedrohung? Naja.

Von wem wollen wir nun verlangen, einen solchen wehrlosen
Menschen zu töten, was unter anderen Umständen als
abscheuliches Verbrechen gilt, und erwarten trotzdem, dass
dieser „Henker“ keinen Schaden an seiner eigenen
Menschlichkeit nimmt?

Das nimmt sogar schon esoterische Züge an.

Erste Implikation (siehe eben):

Der Hinzurichtende ist mitnichten wehrlos. Darüber hinaus war es ihm bei Tatausführung wohl auch egal, daß sein Opfer wehrlos gewesen ist. Womit wir wieder bei der Relativität von Menschenrechten sind. Die Taten eines Menschen, die Motive eines Menschen, die geistigen Haltungen eines Menschen können einfach nicht voneinander losgelöst werden.

Zweite Implikation: Die Tötung gelte unter anderen Umständen als abscheulich(st)es Verbrechen. Ein blankes, nutzloses Gedankenspiel, was aus der ersten Implikation folgt.

Ex falso quodlibet.
Aus Falschem kann jeder beliebige Schluß gezogen werden.

Weder ist eine Hinrichtung eine reguläre Tötung, noch ist die Spekulation über „andere Umstände“ überhaupt zulässig. Auf Ursache folgt Wirkung - die Wirkung kann jedoch nicht nach irgendwelchen hypothetischen Annahmen bemessen werden.
Das hieße, man kann für alles Getane nicht nur eine, sondern unendlich viele Ausreden (er)finden.

Überzeichnetes Beispiel:
„Ach Herr Hussein, wenn Sie einst Schriftsteller geworden wären, und nicht Diktator, so hätten Sie keinen Völkermord begangen…das freut uns natürlich sehr und deswegen kann man Ihnen das schon positiv auslegen.“

Und genau deswegen besteht ein enormer qualitativer Unterschied zwischen der auf juristischem Wege erwirkten Todesstrafe und der Tat, die dazu geführt hat. Der Henker ist hier doch bloßes Werkzeug und nicht handelndes Subjekt.
Er setzt sich doch nicht seine schwarze Kapuze auf, nimmt ein Beil, schlägt irgendeinem Unschuldigen die Rübe ab mit dem Vorsatz des Mordes. Er übernimmt in persona einfach nur den Vollzug einer Strafe, die ein humanes und gerechtes Gefüge wiederherstellt.

Hier ein unweigerlich folgendes Trauma herbeizureden, hieße ja, daß das Gewissen des Henkers nicht unterscheiden mag bzw. kann zwischen echtem Verbrechen und bloßer zugehöriger Strafe.
Eine solche Reaktion ist doch in höchstem Maße psychisch instabil.

Der Henker würde einen Mörder auf einen defacto unschuldigen, hilflosen Menschen reduzieren; wie der nette Nachbar von nebenan, mit dem man gerne im Sommer grillt - und den er jetzt anscheinend unverhältnismäßigerweise umbringen soll.
Ich zweifle stark an, daß ein human veranlagter, normaler Mensch solche schwerwiegenden Komplexe entwickeln kann. Dazu müßte er das Verbrechen vollkommen verdrängen oder ignorieren. Er müßte ausblenden, was für ein schuldbeladener Mensch eigentlich vor ihm steht.
Gott sei Dank funktioniert aber das Gewissen des Menschen im allgemeinen nicht so. Leider scheint aber das Verständnis von Menschenrechten und Gerechtigkeit in diese starre Vorstellung zu gleiten.

Wie muss die Psyche eines Menschen beschaffen sein, der es
über sich bringt, einen völlig Wehrlosen zu töten?

Genau so, wie die Psyche des Mörders. Genauso gewissenlos, genauso verblendet, genauso krankhaft.

Ich unterstelle einem Henker jedoch einen gesunden, humanen Geist - und der zeigt Einsicht, der übernimmt Verantwortung. Der erkennt, daß nicht er als handelndes Subjekt einen Mord begeht, sondern eine Strafe durchsetzt, eine schwer schuldbeladene Kreatur vor sich hat und eben keinen Wehrlosen; jemanden, der seine Menschenrechte durch grausame Taten verwirkt hat.

Töten von Menschen, weil es staatlich befohlen ist?

Das klingt gerade so, als ob der Staat etwas Abstraktes von der Gesellschaft Losgelöstes ist.

Eine äußerst fortschrittliche, sehr liberale Staatsdefinition lautet jedoch: „Der Staat ist ein organisierendes Instrumentarium vom Volk, für das Volk, durch das Volk.“.

Todesstrafe heißt also: Eine Gesellschaft ist sich bewußt, daß es Taten gibt, die außerhalb eines humanen Rahmens liegen,; daß kein Mitleid (oder andere Zeichen von Intelligenz) ausreichen, eine Verfehlung zu rechtfertigen; daß es unter besonderen Umständen nötig ist, Täter zu Tode kommen zu lassen, damit unabdingbare Regeln im Zusammenleben (Leben ist das wichtigste Gut, …) gewahrt bleiben und wiederhergestellt werden.

Letztendlich kann die Todesstrafe nur zu einer Verrohung der
eigenen Gesellschaft führen und somit zu einer Abschwächung
des Schutzes des höchsten Menschenrechts, nämlich des Lebens.

Habe ich weiter oben schon als an den Haaren herbeigezogen kritisiert.

Verrohung erfolgt durch kontinuierliches (taktiles und/oder visuelles) Aufnehmen von Gewalt, besonders in der Kinderzeit.
Die blanke Meldung „Saddam Hussein wurde gehenkt.“ wird also niemals zu einer Herabsetzung der Hemmschwelle führen. Zeigt man dagegen die Hinrichtung selbst, so ist das genau nicht anderes, wie die inzwischen üblichen täglichen Leichen in den Abendnachrichten: mediales Einwirken von Gewalt. Ebenso ist die Intensität der täglichen Berichterstattung um ein Vielvielvielvielfaches höher, als wenn man die Hinrichtung einfach nur bekanntgibt - ohne brutale Bilder. An anderer Stelle schrieb ich schon, daß die Todesstrafe mit dem System steht und fällt. Wieviel Verbrechen geschehen denn im Jahr, die eine Hinrichtung verdienten? Eine Handvoll. Wieviel Leichen sind jeden Abend in der Tagesschau zu sehen? Wie entwickelt sich die reale Jugendkriminalität auf Grund von sozialen Problem, auf Grund mangelnder anerzogener Werte, auf Grund von fehlender Bildung?
Selbst mit den vielgescholtenen Egoshootern kann man wesentlich tiefer auf eine Verrohung hin argumentieren, als mit ein paar potentiell berechtigten Hinrichtungen.

Die Todesstrafe ist nicht einfach nur ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit, der Tod des zu Tötenden macht die Gesellschaft
nicht besser, kein Leben wird durch seinen Tod gerettet.

Sicherlich wird niemand physisch gerettet - das mag sein (sofern man unterstellt, der Mörder ist und verbleibt in Haft).
Psychisch kann man aber jeder Menge Menschen etwas zurückgeben.
Und wie weiter oben schon beschrieben: Der Tod des zu Tödenden macht die Gesellschaft sehr wohl besser. Andernfalls verkommt das von Dir oft beschrieben Motiv, das Leben sei das höchste Gut, nämlich zu einer Clownsnummer. Wen soll ein solches Prinzip denn dann noch anheben, wenn es nicht durch die Gesellschaft geschützt wird?
Welche Motivation zum Humanismus soll ich haben, wenn die Gesellschaft nicht bereit ist, ihn als Grundregel des Zusammenlebens ernstzunehmen?

Beste Grüße

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H wie Hola.

(… was viele Sympathien erklärt.)

Was soll denn das bitte heißen?
Es sollte im allgemeinen bekannt sein, daß das der größte Kritikpunkt von demokratischer Seite auch zur damaligen Zeit schon war. Es wurden sich Anklagepunkte aus den Fingern gesogen, damit man gegen die Nazis überhaupt eine Handhabe hatte.

Wem das als Demokraten nicht wenigstens ein bißchen Bauchschmerzen verursacht, naja. Dieses Problem der Nürnberger Prozesse wird in jedem vernünftigen Geschichtsgrundkurs ausführlich thematisiert.

weil sich zum wiederholten Male ein Staat anmaßt,
sich im rechtfreien Raum als richterliche Instanz aufführen zu
müssen/ zu dürfen.

Der Prozeß fand im Irak statt. Die Amerikaner wollte keine so
zügige Hinrichtung - das wollten die Iraker! Das ganze den
bösen Amis in die Schuhe zu schieben - naja was soll ich dazu
schon sagen, diese Reaktion war „vorhersehbar“.

Wo habe ich das bitte den „bösen Amis“ in die Schuhe geschoben.
Wie undurchdacht ist bitte so ein Kommentar?!
Und „die Iraker“ wollten mitnichten eine „zügige Hinrichtung“.
Genau dieser Punkt war die letzten Tage ein gewichtiger Streitpunkt - den meisten war der Typ (gemeint ist Hussein) mindestens schon egal.

Dagegen stand eine unglaubliche geopolitische Lobby, bzw. ein großer politischer Druck, den Mann loszuwerden.

Daß von den immer gleichen die Menschenrechte ausgerechnet dann
ausgegraben werden und den morallosen Amis die Leviten gelesen
werden, wenn derjenige hingerichtet wird, der seine Landsleute
vergasen ließ - naja, das war auch „vorhersehbar“.

Polemik pur. Ich hatte schon von Anfang an beträchtliche Kritik am Einmarsch in den Irak, unabhängig von den Taten Husseins. Ich lese auch nicht „den Amis“ die Leviten (abgesehen davon, daß ich in den USA wohnhaft bin), sondern ich kritisiere ganz konkret die Bushregierung.

Ansonsten könnte der Satz etwas klarer formuliert sein, weil man ihn so oder so verstehen kann. Ich habe bspw. weder den Punkt der Menschenrechte ausgegraben, noch habe ich „morallosen Amis“ etwas vorgeworfen. Es ging um das Problem der Todesstrafe, speziell am Beispiele Husseins. Und der wurde nunmal auf Grund von luftigen Anklagepunkten und einem völkerrechtswidrigen Krieg überhaupt erst bis zur Verurteilung gebracht. Willst Du diese Fakten in Frage stellen?
Wenn nein, wieso versuchst Du dann jemanden polemisch in die Pfanne zu hauen, der mit der nötigen Distanz diese Dinge einfach ausspricht?

MfG

H wie Hola.

Das ist eine Frage der Philosophie,…

Was denn dann? Menschenrechte sind nichts weiter als Produkte einer gewissen Geisteshaltung. Und Geisteshaltungen, Weltbilder - das ist nichts anderes als Philosophie. Und die ist nunmal gekennzeichnet von dem Wunsch, die Welt mittels eines streng logischen Apparats und Kraft der reinen Vernunft zu verstehen.

Und hier wurden bisher mehrheitlich nur philosophische Argumente gegen die Todesstrafe ins Spiel gebracht. Begriffe wie Menschlichkeit et cetera.

Das einfachste Argument ist jenes, dass kein Mensch das Recht
hat, einen anderen ohne unmittelbare und zwingende Not zu
töten - damit ist Tötung ausschließlich als direkte und
konkrete Abwehr des eigenen Todes zulässig, und sonst eben
nicht.

Eigentor, oder was?

Woher nimmt dann der Mörder dieses Recht?

Und weiter: Wieso wird der Henker zum wiederholten Male völlig widersinnig und realitätsfern als handelndes Subjekt begriffen?

Todesstrafe heißt, die Gesellschaft hat einen juristischen Prozeß etabliert, der als Konsequenz auf eine Tat, das Zu-Tode-kommen des Verbrechers zur Folge hat.

Wo ist also in dem Falle das Individuum, welches sich aufschwingt, einem anderen das Leben zu nehmen? Es ist nirgends.
Sondern das Kollektiv (keine sozialistischen Deutungen bitte), die Gesamtheit der Menschen einer Gesellschaft bestimmt, daß der Fehlbare das Leben zu lassen hat. Gemeinwohl vor Individualwohl.

Oder geht etwa nicht mehr alle Macht vom Volke aus? Soll die Gesellschaft zusehen, wie Taten begangen werden, die außerhalb ihrer Regeln liegen? Gott ist tot.

MfG

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Hi,

sorry, aber Du kommst knackig daher, und bläst aus meiner Sicht doch nur ne Menge heißer Luft …

Menschenrechte sind nichts weiter als Produkte
einer gewissen Geisteshaltung.

Aus einer bestimmten Sicht vollkommen richtig, aber weder neu, noch „distanziert“, noch sonstwas. Der entscheidende Punkt ist, was das besagt.

Todesstrafe heißt, die Gesellschaft hat einen juristischen
Prozeß etabliert, der als Konsequenz auf eine Tat, das
Zu-Tode-kommen des Verbrechers zur Folge hat.

Wo ist also in dem Falle das Individuum, welches sich
aufschwingt, einem anderen das Leben zu nehmen? Es ist
nirgends.
Sondern das Kollektiv (keine sozialistischen Deutungen bitte),
die Gesamtheit der Menschen einer Gesellschaft bestimmt, daß
der Fehlbare das Leben zu lassen hat.

auch das ist gründsätzlich vollkommen richtig, dass heute kein „autonomes Individuum“ mehr irgendwelche Gesetze erlassen könnte; damit verschwindet aber nicht die persönliche Verantwortlichkeit aus der Welt …

Gemeinwohl vor
Individualwohl.

Was auch immer diese Sentenz in diesem Kontext zu suchen hat …

Oder geht etwa nicht mehr alle Macht vom Volke aus?

oder diese Sentenz …

Soll die
Gesellschaft zusehen, wie Taten begangen werden, die außerhalb
ihrer Regeln liegen?

hat irgendjemand in diesem Thread den Anlass zu dieser Frage geliefert?

Der Thread geht darum, wie (nicht ob!) eine Staat auf die Verletzung ihrer Regeln reagieren soll.

Und er geht darum, ob die Regeln, deren Geltung der Staat für alle festgesetzt, nicht auch von ihm selbst einzuhalten sind (da kann er tausend Mal ein kollektiver Akteur sein).

Gott ist tot.

… oder diese Sentenz.

Viele Grüße
Franz

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Hallo

Wem das als Demokraten nicht wenigstens ein bißchen
Bauchschmerzen verursacht, naja. Dieses Problem der Nürnberger
Prozesse wird in jedem vernünftigen Geschichtsgrundkurs
ausführlich thematisiert.

Ehrlich, ich glaube nicht, daß rechtsphilosophische Erwägungen und Problemfelder der Hintergrund für die im Moment allgegenwärtige Kritik an der Saddamhinrichtung sind.

Und „die Iraker“ wollten mitnichten eine „zügige Hinrichtung“.

Gerade eben sah ich im Fernsehen etwas anderes. Da sprach doch glatt ein irakischer Vertreter sich ausdrücklich dagegen aus, die Amerikaner hätten die Hinrichtung angeordnet oder gar beschleunigt. „Das ist Sache des irakischen Volkes“ sagte der (auf Arabisch mit Untertitel).

Polemik pur. Ich hatte schon von Anfang an beträchtliche
Kritik am Einmarsch in den Irak, unabhängig von den Taten
Husseins. Ich lese auch nicht „den Amis“ die Leviten
(abgesehen davon, daß ich in den USA wohnhaft bin), sondern
ich kritisiere ganz konkret die Bushregierung.

Entschuldigung daß du die Breitseite abbekommen hast. Diese Polemik richtete sich nicht gegen dich sondern gegen die Aussagen anderer Teilnehmer.

Ansonsten könnte der Satz etwas klarer formuliert sein, weil
man ihn so oder so verstehen kann. Ich habe bspw. weder den
Punkt der Menschenrechte ausgegraben, noch habe ich
„morallosen Amis“ etwas vorgeworfen.

Nein du nicht, aber die gegenwärtige Debatte läuft nunmal so! Das wollte ich anmerken, weiter nichts.

Willst Du diese Fakten in Frage stellen?

Ja, aber nicht hier, gerne per Email.

Gruß
d.

Und er geht darum, ob die Regeln, deren Geltung der Staat für
alle festgesetzt, nicht auch von ihm selbst einzuhalten sind
(da kann er tausend Mal ein kollektiver Akteur sein).

Welche Regel? Du meinst sicher das Mordverbot. Eine Hinrichtung ist aber nunmal kein Mord. Man kann das natürlich trotzdem so sehen. Man kann auch sagen „Abtreibung ist Mord“ oder „Krieg ist Mord“ - es ist eine emotional begründete Meinungsäußerung, die aber mit der konkreten gesetzlichen Lage nichts zu tun hat noch irgendein Argument darstellt.

Ein recht starkes Argument gegen die Ausführung der Todesstrafe (aber nicht gegen die theoretische Einführung) habe ich weiter unten gebracht.

Gruß
d.

Hi datafox

Und er geht darum, ob die Regeln, deren Geltung der Staat für
alle festgesetzt, nicht auch von ihm selbst einzuhalten sind
(da kann er tausend Mal ein kollektiver Akteur sein).

Welche Regel? Du meinst sicher das Mordverbot. Eine
Hinrichtung ist aber nunmal kein Mord. Man kann das
natürlich trotzdem so sehen.

Genau, ich habe ja gesagt, dass das ein Thema das Threads ist, nicht dass man es so sehen müsste (obwohl ich selbst es durchaus so sehe)

Man kann auch sagen „Abtreibung
ist Mord“ oder „Krieg ist Mord“ - es ist eine emotional
begründete Meinungsäußerung, die aber mit der konkreten
gesetzlichen Lage nichts zu tun hat noch irgendein Argument
darstellt.

doch, natürlich ist es ein Argument zu sagen, dass das allgemeine Verbot zu töten, sich auch auf den erstreckt, der es ausspricht bzw. der darüber wacht.

Ich sage nicht, es ist das einzig mögliche oder einzig gute Argumente, aber ein Argument ist es definitiv, nicht bloß eine Emotion.

(mit Krieg und Abtreibung hat das nicht viel zu tun, darum gehe ich darauf gar nicht erst ein)

Ein recht starkes Argument gegen die Ausführung der
Todesstrafe (aber nicht gegen die theoretische Einführung)
habe ich weiter unten gebracht.

http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…
???

Diese Argumentation finde eher schwach, weil sie 1) mit „wenn von dieser Person Gefahr ausgeht“ und „wenn Krieg herrscht“ zwei Aspekte benennt, die gerade die Todesstrafe legitimieren, auch wenn sie in Deiner Argumentation als deren „Ausgrenzung“ dienen sollen;

(wie schnell eine Situation zum „Kriegszustand“ erklärt wird, sehen wir am Beispiel der Terrorismusbekämpfung ständig, und wie schwammig es ist, ob nun von einer inhaftierten Person dennoch Gefahr ausgeht, dürfte auch klar sein.)

Zum zweiten ist das einleitende Argument:

Nichts spricht dagegen, daß jemand stirbt, der andere ermordet hat.

schlicht falsch, weil es durchaus Auffassung des Menschenrechts gibt, die davon ausgehen, dass das Recht auf Leben unverwirkbar ist, dass also auch der Täter ein Mensch bleibt - mitsamt seinen Rechten.
(diese Version halte ich sogar für die einzige wirklich widerspruchsfreie Version der Menschenrechte, denn nur so entstehen die Rechte aus dem Menschsein selbst, nicht aus dem Verhalten des Menschen)

Viele Grüße
Franz

Das ist eine Frage der Philosophie,…

Was denn dann?

Diese Frage ergibt auf den zitierten Satz von mir keinen Sinn.

Das einfachste Argument ist jenes, dass kein Mensch das Recht
hat, einen anderen ohne unmittelbare und zwingende Not zu
töten - damit ist Tötung ausschließlich als direkte und
konkrete Abwehr des eigenen Todes zulässig, und sonst eben
nicht.

Eigentor, oder was?

Schauen wir mal.

Woher nimmt dann der Mörder dieses Recht?

Nirgends, denn er nimmt es sich nicht. Er handelt ohne Recht. Deshalb wird er ja auch bestraft. Wenn wir meine Aussage oben zumindest mal als Arbeitshypothese hernehmen, bedeutet das aber noch lange nicht, dass er auch umgebracht werden muss oder kann - prinzipbedingt muss es Ziel und Anspruch des Staates sein, die eigenen Regeln einzuhalten, auch wenn andere das nicht tun.

Deshalb folgt daraus, dass wenn der Staat grundsätzlich das Töten von Menschen verbietet, er es eben auch nicht selbst tun darf. Damit reduziert sich das ganze Problem auf zwei ganz konkrete Fragestellungen, nämlich

a) Unter welchen Umständen ist das Töten eines Menschen legitim?

und

b) Welche Strafen sind angemessen für Menschen, die andere Menschen töten?

Das es meiner festen persönlichen Überzeugung entspricht, dass es auf Frage a) nur eine gültige Antwort gibt, nämlich

„Nur unter den extremen Umständen, dass ausschließlich(!) so der zu Tötende davon abgehalten werden kann, unmittelbar andere Menschen zu töten.“

Das umfasst dann genau die Fälle, die auch die deutschen Gesetze beschreiben, nämlich den engen Rahmen der Notwehr, Nothilfe und des rechtfertigenden Notstandes sowie die Landesverteidigung.

Letztere, also die Tötung im Rahmen des Militärwesens, kann und muss man dabei allerdings noch gesondert diskutieren, weil das Szenario durch gewisse tatsächliche und vermeintliche Bündnisverpflichtungen komplex ist (ich halte es bspw. für schlichten Unfug zu behaupten, wir könnten unsere Freiheit am Hindukusch verteidigen).

Und weiter: Wieso wird der Henker zum wiederholten Male völlig
widersinnig und realitätsfern als handelndes Subjekt
begriffen?

Weil er selbstverständlich handelt? Damit trägt er natürlich auch persönliche Verantwortung, so, wie das jeder Mensch für seine Taten tut. Das ändert allerdings auch nichts daran, dass man den Henker _auch_ als Institution betrachten muss.

Todesstrafe heißt, die Gesellschaft hat einen juristischen
Prozeß etabliert, der als Konsequenz auf eine Tat, das
Zu-Tode-kommen des Verbrechers zur Folge hat.

Korrekt. Das ist aus meiner Sicht ein KO-Kriterium für das, was man „höheres Niveau der Zivilisation“ nennen könnte. Heißt, solche Gesellschaft sind minderentwickelt und/oder totalitär.

Wo ist also in dem Falle das Individuum, welches sich
aufschwingt, einem anderen das Leben zu nehmen? Es ist
nirgends.

Aber selbstverständlich. Es handelt ja nicht - nie! - _nur_ die Institution, sondern _immer_ _auch_ ein Individuum. Und jedes einzelne Individuum trägt mit seinen persönlichen Entscheidungen auch seinen Teil zur Gesellschaft bei, würde also bedeuten, jeder, der das Henkerdasein ablehnt, macht eine Gesellschaft besser, jeder der es akzeptiert, macht sie schlechter.

Sondern das Kollektiv (keine sozialistischen Deutungen bitte),
die Gesamtheit der Menschen einer Gesellschaft bestimmt, daß
der Fehlbare das Leben zu lassen hat.

Das kollektiv ist auch nur die Summe seiner Einzelnen.

Gemeinwohl vor Individualwohl.

Dieser Satz hat hier wahrlich so gar nichts verloren, des es gibt nicht außer der Befriedigung niederer Gelüste, was eine Hinrichtung zum Gemeinwohl beiträgt.

Die Todesstrafe ist teuer (teurer als lebenslange Zwangsarbeit o.ä.), als Strafinstrument ineffektiv (nachgewiesen), immer(!) fehlerbehaftet (prinzipbedingt) und das leider ohne Möglichkeit der Wiedergutmachung (ebenfalls prinzipbedingt).

Aus all diesen Gründen lasse ich mich sogar dazu hinreißen die Meinung zu äußern, dass jeder Mensch, der ernsthaft (also als nicht verbrechensbetroffener bspw.) die Todesstrafe befürwortet, intellektuell benachteiligt aka „dumm“ ist.

Auf der anderen Seite hingegen gibt es einiges, was die Ablehnung der Todesstrafe dem Gemeinwohl bringt, nämlich bspw. ein deutliches Zeichen und merkbare Konsequenz in der Umsetzung des Prinzips „Ein Menschenleben darf nicht gewaltsam genommen werden.“. Allein das verändert nicht nur die Außenwirkung dieser Gesellschaft auf Dritte, sondern auch das Klima innerhalb der Gesellschaft selbst.

Wir haben selbst im harmlosen Deutschland schon jetzt genug Probleme mit Staatsgewalt in Form von Polizeibrutalität, freiheitsbeschränkenden Maßnahmen ohne objektive Begründung und an zu vielen Stellen zuviel „Staat im Staat“.

Oder geht etwa nicht mehr alle Macht vom Volke aus?

Natürlich tut sie das nicht. Das allein wäre noch nicht schlimm, leider liegt sie nicht dort, wo sie gut aufgehoben wäre, sondern in den Händen der falschen Leute. Leider liegt es im Wesen derer, die geeignet wären, Macht anzusammeln und auszuüben, dass sie genau das nicht wollen.

Soll die Gesellschaft zusehen, wie Taten begangen werden,
die außerhalb ihrer Regeln liegen?

Wieso sollte sie?
Wo tut sie das?
Was hat das mit der Todesstrafe zu tun?

Antworten:

Gar nicht.
Nirgends.
Nichts.

.m

Hallo!

Der Sinn von Ironieanzeigern ist dir nicht klar.

Eigentlich schon, aber ich habe die Ironie nicht gefunden.

Kann man nichts machen.

Du könntest mich aufklären.
Grüße, Peter