Auch von mir ein „gefällt mir“ für die gute Argumentation …
Ich denke aber, es geht ja eh nicht darum, hier die „Schuldfrage“ zu klären.
Jedenfalls kann man die Geschehnisse in der Türkei in den 10er und 20er Jahren nicht auf Kriegshandlungen reduzieren, schon allein deshalb nicht, weil ganz eindeutig benennbare ideologische Haltungen den Hintergrund dafür darstellen.
Dass Genozide wohl meistens zu Kriegszeiten entstehen und nicht aus dem heiteren Himmel heraus, hat damit ja nichts zu tun.
Natürlich muss man klar sagen, dass viel Symmetrie im Spiel ist, weil z.B. eine ähnliche nationalistische Raserei wie in der Türkei auch in Griechenland (und vielen anderen Staaten und Ethnien der Großregion) vorhanden war. Da hast du ja vollkommen recht.
Unterm Strich bleibt aber, dass es meines Wissen im Zeitraum 1913-1919, also vor dem Griechisch-Türkischen Krieg und dem euphemistisch-verlogen so genannten „Bevölkerungsaustausch“, unter den Türken in Griechenland bei weitem nicht diese hohe Zahl an Ermordungen (auch prozentual nicht) gab wie unter den Griechen in der Türkei.
Ich finde nicht, dass das als müßiges Opferzahlen-Aufrechnen abgetan werden sollte, weil es ja nicht um bloße Zahlenvergleiche geht, sondern um die Qualität der Geschehnisse.
Und vor allem geht es darum, warum den Pontosgriechen (ich nutze der Einfachheit halber diesen Begriff, obwohl er m.E. nicht perfekt passt) mehr oder minder der Opfer-Status vorenthalten wird.
Diese Pontosgriechen waren Türken und sind als „Griechen“ in der Türkei verfolgt, ermordet und vertrieben worden. Wie TomH schon erwähnt hat, sind die verbliebenen Nachfahren heute Griechen in Griechenland und gelten dort als „Türken“ (obwohl m.W. sehr stark assimiliert).
Es ist jedenfalls (in Überresten bis heute) eine eigene Gruppierung, die damals in der Türkei schlicht und einfach ausgelöscht werden sollte.
Die Pontosgriechen mögen auch Hypernationalisten gewesen sein, wie die zeitgleich vernichteten Türkei-Armenier auch, aber die können nichts dafür, dass es in Griechenland (und den anderen Länderen der Großregien) den gleichen Hypernationalismus wie in der Türkei gab.
Hier besteht einfach keinerlei Symmetrie. Die türkische Mehrheitsbevölkerung hat mehrere ethnischen Minderheitsgruppen ausgelöscht, darunter die Pontosgriechen. Das ist der Punkt aus meiner Sicht.
Gruß
F.